24.02.2016 Aufrufe

Koelner Perspektiven

ISBN 978-3-86859-403-4

ISBN 978-3-86859-403-4

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kölner <strong>Perspektiven</strong><br />

Städtebau – Architektur – Öffentlicher Raum<br />

Dezernat Stadtentwicklung, Planen,<br />

Bauen und Verkehr der Stadt Köln<br />

mit dem Haus der Architektur Köln (Hg.)<br />

Texte von Uta Winterhager u. a.


Inhalt<br />

Kölner Eigenarten 7<br />

Christl Drey (hdak)<br />

Köln kann wachsen 8<br />

Franz-Josef Höing<br />

Drei Fragen an Albert Speer 12<br />

Städtebau 14<br />

Gespräch: Stadtentwicklung 16<br />

„Für große Teile der Stadt gibt es noch<br />

viele Möglichkeiten, sich neu zu erfinden“<br />

Franz-Josef Höing<br />

Anne Luise Müller<br />

Alle Reserven mobilisieren 19<br />

Kunibert Wachten<br />

zur Kölner Stadtentwicklung<br />

Mülheimer Süden mit Hafen 22<br />

Deutzer Hafen 26<br />

Masterplan Koelnmesse 3.0 28<br />

MesseCity Köln-Deutz 30<br />

Teilneubau des IWZ der TH Köln 32<br />

Parkstadt Süd 34<br />

Drei Fragen an Klaus Overmeyer, 37<br />

Urban Catalyst studio, Berlin<br />

Ehemaliger Güterbahnhof Ehrenfeld 38<br />

Heliosgelände 40<br />

Clouth-Quartier 42<br />

Was die Stadt ausmacht 46<br />

Bernd Streitberger im Gespräch über Neues,<br />

Altes und die richtige Mischung<br />

AntoniterQuartier 48<br />

Via Culturalis 50<br />

Erweiterung Wallraf-Richartz-Museum &<br />

Fondation Corboud 52<br />

Archäologische Zone / Jüdisches Museum 54<br />

Historische Mitte 56<br />

Städtebauliche Planungswerkstatt:<br />

Römisch-Germanisches Museum –<br />

Kölnisches Stadtmuseum –<br />

Kurienhaus der Hohen Domkirche zu Köln<br />

Rudolfplatz 58<br />

Stadtgespräche zum Städtebau 60<br />

Haus der Architektur Köln (Christl Drey)<br />

Architektur 64<br />

Gespräch: Wohnungsbau in Köln 66<br />

„Die Architektur muss gut sein“<br />

Kathrin Möller<br />

Martin Frysch<br />

Die Standard-Frage 68<br />

Arno Brandlhuber im Gespräch über<br />

Bauen, Wohnen und Arbeiten<br />

Wohnen<br />

Siedlungen 72<br />

Siedlung Buchheimer Weg 72<br />

Naumannsiedlung 74<br />

Kinderheimgelände 76<br />

Anton + Elisabeth 79<br />

Baumwoll-Quartier 80<br />

Drei Fragen an Luca Selva, 83<br />

Luca Selva Architekten, Basel<br />

4 


Ossendorfer Gartenhöfe 84<br />

Wohnbebauung Christianstraße in Ehrenfeld 86<br />

Die Welle 88<br />

FLOW – Leben am Rhein 90<br />

Gerling-Quartier 92<br />

Bildung<br />

Schulbau 94<br />

Heliosschule 100<br />

BAN Bildungslandschaft Altstadt Nord 102<br />

Kultur<br />

Generalsanierung der Bühnen Köln 104<br />

am Offenbachplatz<br />

Neubau Historisches Archiv Köln 106<br />

und Rheinisches Bildarchiv<br />

Campus Hochschule für 108<br />

Musik und Tanz Köln<br />

Generalsanierung des WDR-Filmhauses 110<br />

Stadtgespräche zur Architektur 112<br />

Haus der Architektur Köln (Christl Drey)<br />

Öffentlicher Raum 116<br />

Gespräch: Die Kölner Grünräume 118<br />

„Heute wird das Grün als<br />

Gemeingut verstanden“<br />

Joachim Bauer<br />

Beatrice Bülter<br />

Am gedeckten Tisch 120<br />

Von der Notwendigkeit des<br />

öffentlichen Raums<br />

Andreas Denk<br />

Zehn Thesen zum öffentlichen Raum in Köln 122<br />

Franz-Josef Höing<br />

Mittendrin<br />

Domumgebung Ost 128<br />

Kurt-Hackenberg-Platz 130<br />

Ottoplatz 132<br />

L.-Fritz-Gruber-Platz 134<br />

Am Ufer<br />

Rheinboulevard Deutz – Ufertreppe 136<br />

Rheinboulevard Mülheim-Süd 138<br />

mit Grünzug Charlier<br />

Kap686 140<br />

Familienpark unter der Zoobrücke 142<br />

Im Grünen<br />

Grüngürtel: Impuls 2012 144<br />

Drei Fragen an Gerd Aufmkolk, 147<br />

WGF Landschaft, Nürnberg<br />

Landschaftspark Belvedere 148<br />

Unterwegs<br />

Dritte Baustufe Nord-Süd-Stadtbahn 150<br />

Neugestaltung Haltestelle<br />

Bahnhof Deutz / Messe 152<br />

Stadtgespräche zum öffentlichen Raum 154<br />

Haus der Architektur Köln (Christl Drey)<br />

Die Herausgeber / Die Autorin 158<br />

Bildnachweis 159<br />

Impressum 159<br />

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir in diesem Buch bei Personen – mit Ausnahme der „Bürgerinnen und Bürger“ – generell<br />

die maskuline Form verwendet, wenn keine geschlechtsneutrale Formulierung möglich ist. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.<br />

5





Kölner Eigenarten<br />

Christl Drey (hdak)<br />

Die Idee zu diesem Buch entstand im Gespräch, denn es<br />

fehlte eine kontinuierliche Dokumentation aktueller Kölner<br />

Planungen, Projekte und Bauten. In unserer Stadt entstehen<br />

zwar hervorragende Publikationen zu städtebaulichen, architektonischen<br />

und stadtgestalterischen Themen und umfängliche<br />

Dokumentationen und Besprechungen der Leuchtturmprojekte,<br />

doch bislang lag kein Printformat vor, das<br />

einen Überblick über das gesamte Spektrum des Planens und<br />

Bauens gibt und damit auch unseren lokalen baukulturellen<br />

Anspruch zeigt. Dieses Buch ist hierzu ein erster Aufschlag.<br />

Es ist eine Zusammenschau auf dem Stand des Frühjahrs<br />

2016 und in Anbetracht der Fülle und des kontinuierlichen<br />

Wachsens und Sich-Wandelns nicht mit dem Anspruch der<br />

Vollständigkeit erstellt. Die Publikation enthält neben der<br />

Dokumentation und Beschreibung wichtiger aktueller Projekte<br />

auch persönliche Gespräche und Kommentare, die die<br />

einzelnen Schlaglichter bündeln und in einem größeren, gesamtstädtischen<br />

Kontext beleuchten sollen. Mit den Kölner<br />

<strong>Perspektiven</strong> möchten wir als Herausgeber nach außen und<br />

nach innen für die planerischen und baukulturellen Facetten<br />

unserer wachsenden Stadt werben und zugleich konzentrierten<br />

Stoff für die Diskussionen über die Qualität der Planungs-<br />

und Baukultur in Köln liefern.<br />

Das Haus der Architektur Köln hdak ist ein gemeinnütziger<br />

Verein zur Förderung der Baukultur und kein Architektenverband,<br />

wie viele glauben. Der Verein entstand vor<br />

zehn Jahren als Initiative des Bundes Deutscher Architekten<br />

Köln BDA und ist offen für jeden. Unserer Vereinssitz, der<br />

Kubus am Haubrichhof in der Kölner Innenstadt, ist Ort<br />

und Forum für den unabhängigen Diskurs mit allen, denen<br />

die Kultur des Planens und Bauens in unserer Stadt am<br />

Herzen liegt: mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern,<br />

mit Initiativen, mit Politik und Verwaltung und nicht zuletzt<br />

mit den Planern, Architekten und Vertretern der ihnen<br />

verwandten Disziplinen. Der Verein, der 2015 den Kölner<br />

Kulturpreis erhielt, knüpft Netzwerke, baut Kooperationen<br />

auf, unterstützt Projekte und informiert mit seinem „Kölner<br />

Baukultur Kalender“ wöchentlich aktuell im Netz über<br />

alle entsprechenden Veranstaltungen in unserer Stadt. „Jeden<br />

Dienstag 19 Uhr – eine Stunde Baukultur“ hat sich als ein<br />

erfolgreiches Format der kritisch konstruktiven Diskussionskultur<br />

etabliert. Hinzu kommen die vielen anderen Veranstaltungen<br />

der zahlreichen baukulturellen Initiativen und<br />

Organisationen in Köln, die mit uns zusammenarbeiten oder<br />

deren Arbeit wir gerne unterstützen.<br />

Als hdak ergänzen wir die Projektdokumentation dieser<br />

Publikation jeweils am Ende der drei Kapitel „Städtebau“,<br />

„Architektur“ und „Öffentlicher Raum“ um Themen, die in<br />

unseren Veranstaltungen diskutiert wurden und verweisen<br />

beispielhaft auf einzelne Initiativen und deren Projekte. Von<br />

auswärtigen Gästen hören wir oft, in Köln sei die baukulturell<br />

aktive freie Szene, die sich fachlich, bürgerschaftlich,<br />

förmlich oder initiativ streitet und einbringt, so groß und<br />

vielfältig wie in keiner anderen Stadt. Uns selbst fällt das<br />

nicht mehr auf, vielleicht auch, weil wir als Kölner mittendrin<br />

und uns selbst gut genug sind. Auch hier fehlt manchmal<br />

der Überblick. In einer hoffentlich nächsten Ausgabe der<br />

Kölner <strong>Perspektiven</strong> planen wir, das breite Kölner Spektrum<br />

der baukulturellen Initiativen und Projekte von unten angemessen<br />

abzubilden.<br />

7


Köln kann wachsen<br />

Franz-Josef Höing<br />

Köln wird in den kommenden 20 Jahren sein Gesicht deutlich<br />

verändern.<br />

Die Stadt wird wachsen – und das in einer Größenordnung,<br />

die, schaut man auf die letzten Jahrzehnte, alles andere als gewöhnlich<br />

ist. Dieses Wachstum bedeutet zweifellos eine große<br />

Kraftanstrengung und erfordert die Auseinandersetzung<br />

mit grundsätzlichen Fragen städtischer Weiterentwicklung,<br />

von denen der eine oder andere gedacht haben mag, dass unsere<br />

Planergeneration sich damit nicht mehr würde beschäftigen<br />

müssen. Lange – zu lange – haben viele gemeint, unsere<br />

Rolle bestünde darin, den Exodus der europäischen Stadt wie<br />

Seismografen akribisch zu kartieren und bestenfalls zu moderieren.<br />

Weit gefehlt! Anstatt darüber nachzudenken, wie man<br />

die Großstädte anziehend macht, hat man zu oft den Status<br />

quo verwaltet und sich akribisch mit Nebensächlichkeiten<br />

beschäftigt. Das fehlende Tempo und der vermeintlich mangelnde<br />

Druck haben ebenfalls dazu beigetragen, dass verkrustete<br />

Strukturen vielleicht nicht erkannt, ganz sicher aber<br />

nicht mit der ausreichenden Konsequenz verändert wurden.<br />

Wachstum muss erst (mühsam) wieder eingeübt werden.<br />

Wir müssen erst wiederentdecken, welch große Chance darin<br />

steckt. Und wir müssen uns vielleicht erst wieder daran<br />

erinnern, dass Köln diese Chance des Wachsens in der<br />

Vergangenheit immer wieder klug genutzt hat. Köln kann<br />

wachsen!<br />

Vor mehr als 25 Jahren gab es eine beeindruckende Ausstellung<br />

der großen Stadterweiterungspläne bedeutender Städte<br />

im Pariser Centre Pompidou. Man fuhr durch die markante<br />

Röhre über Rolltreppen in die oberste Etage, und dort hingen<br />

sie dann im Original: die wohlbekannten historischen<br />

Pläne. Und ich kann mich erinnern, wie wir an den imposanten,<br />

von Hand gezeichneten Entwürfen eingeschüchtert<br />

und begeistert zugleich entlangpromeniert sind. Im wahrsten<br />

Sinne des Wortes große Pläne, die längst zu gebauten Konturen<br />

der Metropolen Europas geworden sind. Und bevor<br />

man durch das Panoramafenster einen gerahmten Blick auf<br />

Paris als gebautes Plädoyer für die europäische Stadt werfen<br />

konnte, waren es die Pläne von Stübben und Schumacher für<br />

Köln, die sich dort selbstbewusst einfügten in die Reihe der<br />

großen Stadterweiterungsvorstellungen. Dabei wurde sofort<br />

vollkommen klar: Immer wieder hat die Stadt Köln unter<br />

Beweis gestellt, dass sie neue Bedarfe und neue Anforderungen<br />

in kluge Stadtentwicklungspolitik und letztlich in überzeugende<br />

neue Stadt- und Freiräume zu übersetzen weiß.<br />

Nicht von ungefähr ist es relativ leicht, den Grundriss der<br />

Stadt aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Die großen Schübe<br />

in der Gründerzeit, die 20er Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts,<br />

der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg –<br />

all diese Phasen des rapiden Wachstums haben Finger- und<br />

Fußabdrücke hinterlassen: markante, weitsichtige, kluge,<br />

8 


Stadtwachstum anschaulich erklärt: Situation aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren zur Parkstadt Süd<br />

schöne und lebenswerte … Davon profitiert die Stadt bis<br />

heute, sie verleihen ihr Kontur und Halt, prägen ihre Gestalt<br />

und geben ihr ein Gesicht, das allen Unkenrufen zum Trotz<br />

an vielen Orten bemerkenswert schön und intakt ist – ohne<br />

behaupten zu wollen, dass ein Maskenbildner nicht trotzdem<br />

alle Hände voll zu tun hätte.<br />

Die Stadt besinnt sich derzeit auf ihre Stärken und entwickelt<br />

mit großer Geschwindigkeit und Konsequenz den<br />

Stadtumbau. Neben dem gebotenen Tempo zur Bewältigung<br />

der eindrucksvollen Zahlen – Köln soll in den kommenden<br />

25 Jahren um möglicherweise 20 Prozent wachsen – gilt es<br />

für uns, dabei auch auf die Qualität zu achten. 200.000 Einwohner<br />

sollen die Millionenstadt bereichern und brauchen<br />

den sprichwörtlichen und faktischen Raum dazu. Und es<br />

geht ja nicht „nur“ um die Wohnung, die noch gebaut und<br />

am Ende zu bezahlbaren Preisen angeboten werden muss,<br />

sondern auch um all die anderen Bausteine: Kindergärten<br />

und Schulen, Arbeitsplätze und die dafür notwendigen Arbeitsorte,<br />

Räume für Bildung, Kultur und Freizeit, drinnen<br />

wie draußen. Die verkehrliche Infrastruktur muss nicht nur<br />

saniert, sondern auch ausgebaut werden. Und all das muss<br />

aufeinander abgestimmt sein. Denn die Siedlungen am<br />

Stadtrand, die erst 20 Jahre nach ihrer Fertigstellung vom<br />

öffentlichen Verkehr abgeholt wurden, kennen wir alle zur<br />

Genüge. Das sollte sich nicht wiederholen.<br />

Wenn man so will, gibt es eine neue Gründerzeit, die es zu<br />

gestalten gilt. Schauen wir in die jüngere Stadt(bau)geschichte,<br />

stellen wir fest, dass Köln in jedem Jahrzehnt vorzeigbare<br />

Quartiere geplant und gebaut hat. Das muss uns auch weiterhin<br />

ein Antrieb sein. Es mag ein wenig wie hohles Pathos<br />

klingen, aber unsere Generation wird sich messen lassen<br />

müssen an dem, was sie geschaffen hat, und daran, ob es uns<br />

gelungen ist, die Stadt in ihrer Vielfalt und an den unterschiedlichsten<br />

Orten unter den heutigen Rahmenbedingungen<br />

überzeugend weiterzubauen: gemischt, lebendig, maßstäblich,<br />

bezahlbar, sozial und schön.<br />

Eine ganze Reihe von Planwerken zeigt uns heute anschaulich<br />

auf, wo Handlungsbedarf besteht und wo die Stadt den<br />

notwendigen Raum bietet, um zu wachsen. Der sogenannte<br />

Speer’sche Masterplan ist seit einigen Jahren Kompass für die<br />

städtebauliche und freiräumliche Weiterentwicklung der inneren<br />

Stadt. Konsequent werden alte Hafenflächen, die ihre<br />

angestammte Rolle nahezu gänzlich verloren haben, wieder<br />

in die Stadt integriert. Entlang des Mülheimer Hafens à22<br />

und im Deutzer Hafen à26 entstehen in den nächsten Jahren<br />

schrittweise dichte und gemischte Stadtquartiere mit einer<br />

nennenswerten Anzahl von Wohnungen: neue Arbeitswelten<br />

mitten in der Stadt in erster Reihe entlang des Rheins. Die<br />

sogenannte Schäl Sick – Kölns rechte Rheinseite – wird sich<br />

in den kommenden zehn bis 15 Jahren deutlich verändern.<br />

9


12 <br />

Übersichtsplan des 2008 von AS&P erarbeiteten städtebaulichen Masterplans Innenstadt Köln


Drei Fragen<br />

an Albert Speer<br />

Der Architekt und Stadtplaner Albert Speer gründete<br />

1964 sein eigenes Büro und ist bis heute zusammen<br />

mit weiteren drei Partnern geschäftsführender<br />

Gesellschafter bei AS&P - Albert Speer & Partner<br />

GmbH in Frankfurt. Von 1972 bis 1997 war Albert Speer<br />

Professor für Stadt- und Regionalplanung an der<br />

Universität Kaiserslautern.<br />

Darf man acht Jahre nach dem Beschluss des<br />

Masterplans schon nach Ergebnissen fragen?<br />

Der neu gestaltete Ottoplatz à132 zeigt eindrücklich, was im<br />

Masterplan mit „Aufräumen“ und „Mehr Qualität als Quantität“<br />

gemeint war. Der historische Kuppelbau des Deutzer<br />

Bahnhofs à152 wird nicht zuletzt durch die gelungene Materialwahl<br />

und schlichte Möblierung des Platzraumes neu<br />

inszeniert. Hier wurde ein Stadteingang geschaffen, der einladend,<br />

übersichtlich und in Bezug auf verkehrliche Organisation<br />

selbstverständlich auftritt. Köln hat in baulicher Hinsicht<br />

so viel Interessantes zu bieten, dass gerade mittels einer<br />

klaren, qualitätvollen und unaufgeregten Freiraumgestaltung<br />

spannungsvolle Räume entstehen können. Ganz besonders<br />

gelungen ist die große Wassertreppe des Rheinboulevards.<br />

à136 Dieses Bauwerk ist in seiner Dimension wahrscheinlich<br />

an keiner anderen Stelle so sinnvoll und zutreffend wie<br />

gegenüber der Kölner Stadtsilhouette.<br />

Was können andere Städte von dem Kölner<br />

Masterplan lernen?<br />

Der wahre Reichtum des Europäischen Kontinents besteht<br />

wahrscheinlich in der Vielfalt seiner Städte und deren Kulturen.<br />

Man sollte sich also davor hüten, Vereinheitlichung<br />

anzustreben. Der Kölner Masterplan ist der 2000-jährigen<br />

Stadt gewissermaßen auf den Leib geschneidert. Übertragbar<br />

sind daher vielleicht die besondere strategische Ausrichtung,<br />

der Umgang mit den Maßstäben und der Abstraktionsgrad<br />

der Informationen. Das simultane Denken von Raum, Zeit<br />

und Organisation, welches dem Planwerk zugrunde liegt, ist<br />

möglicherweise ebenfalls etwas, wovon andere Städte lernen<br />

können.<br />

Der Verein Unternehmer für Köln e.V. beauftragte das Frankfurter<br />

Büro AS&P – Albert Speer und Partner 2007 mit der<br />

Erstellung des städtebaulichen Masterplans Innenstadt Köln.<br />

Welches der Projekte verfolgen Sie mit besonderem<br />

Interesse?<br />

Kölns berühmte Ringstraße war Ende des 19. Jahrhunderts<br />

ein Meisterstück der Stadtbaukunst. An Vorbildern wie der<br />

heute weltberühmten Ringstraße in Wien orientiert ging der<br />

Stübben-Plan mit dem ersten Preis aus einem Wettbewerb<br />

hervor. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der<br />

sechs Kilometer lange Straßenzug dem motorisierten Individualverkehr<br />

der Industriemetropole geopfert. Hier schlummert<br />

ein großartiges Potenzial, das neu entdeckt und mit<br />

sicherer Hand einer qualitätvollen Reorganisation zugeführt<br />

werden sollte. Gleich vier Stadtteile der Innenstadt würden<br />

hierduch Impulse erhalten und profitieren – mehr Synergie<br />

geht kaum!<br />

13


14 Städtebau


Wachstum<br />

aus der<br />

Mitte<br />

heraus<br />

15


Mülheimer Süden mit Hafen<br />

Standort<br />

Mülheimer Süden mit Hafen<br />

51063 Köln-Mülheim<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Werkstattverfahren Mülheimer Süden<br />

inklusive Hafen 2013–2014<br />

Beteiligte<br />

BOLLES+WILSON GmbH, Münster<br />

ksg kister scheithauer gross architekten<br />

und stadtplaner GmbH, Köln<br />

KLA kiparlandschaftsarchitekten GmbH,<br />

Duisburg<br />

trint + kreuder d.n.a., Köln<br />

Stadt Köln<br />

Im Mülheimer Süden wurde Industriegeschichte<br />

geschrieben. Doch nun sind die<br />

großen dort ansässigen Werke längst stillgelegt,<br />

die großen Hallen verwaist und weite<br />

Teile des Geländes liegen brach. Aufgrund<br />

seiner zentralen Lage birgt das Areal mit<br />

dem Hafen stadtentwicklungspolitisch ein<br />

hohes Potenzial. Mit einer behutsamen Planungskultur,<br />

die auch die historischen Bestandsbauten<br />

wertschätzt, soll das rund 70<br />

Hektar große Gelände nun in ein vielfältiges,<br />

durchgrüntes und lebendiges Stadtquartier<br />

transformiert werden. Rund 60 Prozent<br />

der Flächen sollen von Handel, Gewerbe,<br />

Dienstleistern, Kultureinrichtungen und<br />

sozialen Einrichtungen genutzt werden, 40<br />

Prozent sollen als Wohnraum dienen. Von<br />

diesen rund 2200 Wohnungen wird ein großer<br />

Teil öffentlich gefördert sein.<br />

In einem interdisziplinären Werkstattverfah<br />

ren entwarfen BOLLES+WILSON und<br />

ksg mit KLA in Zusammenarbeit mit dem<br />

Stadt planungsamt und im Dialog mit über<br />

50 Eigentümern, Mietern und engagierten<br />

Bürgerinnen und Bürgern ein umfassendes<br />

Entwicklungskonzept sowie einen städtebaulichen<br />

Rahmenplan für den Mülheimer<br />

Süden, die im September 2014 öffentlich<br />

präsentiert wurden und nun als informelle<br />

Grundlage für die weiteren Planungen dienen.<br />

Nie stand es zur Debatte, hier ein gänzlich<br />

neues Stück Stadt zu erfinden, vielmehr<br />

waren sich alle Beteiligten einig, dass den<br />

vorgefundenen Strukturen, den denkmalgeschützten<br />

Bauten, wie auch den dort derzeit<br />

lebenden und arbeitenden Menschen<br />

mit Respekt zu begegnen sei. Gleichzeitig<br />

22 Städtebau


Übersichtsplan für die Konversion des Mülheimer Südens mit Hafen von BOLLES+WILSON und ksg mit KLA<br />

bildeten die Forderungen des Hochwasserschutzes<br />

und der weitere Betrieb des Hafens<br />

als Schutzhafen und als Standort der Werft<br />

wichtige Parameter für die Planungen.<br />

So wie sich Wohnen und Arbeiten in dem<br />

neuen Quartier durchmischen sollen, sind<br />

auch die Typologien der ergänzenden Neubauten<br />

mit Blockrandstrukturen, Reihenhäusern<br />

und großflächigen Konversionen<br />

vielfältig angelegt. Die Neubauten sind<br />

als Büro- und Wohngebäude geplant, für<br />

eine vielfältige gewerbliche Entwicklung<br />

bieten sich neben den ehemaligen Industriegebäuden<br />

auch die Eisenbahnbögen<br />

an. Die Schwebebahnhalle, die Möhring-<br />

Halle und die vordere Doppelhalle von<br />

Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) bieten<br />

zusätzlich zu den bereits heute von Künstlern<br />

genutzten Bestandsgebäuden vielfältige<br />

wie einzigartige Nutzungsmöglichkeiten für<br />

Gastronomie, Kultur, Gewerbe und möglicherweise<br />

auch Wohnen. Der zentrale Platz<br />

an den Gießereihallen ist als Mittelpunkt<br />

des neuen Quartiers geplant.<br />

Rheinseitig soll der Mülheimer Süden eine<br />

deutliche Stadtkante erhalten, der auch als<br />

Hochwasserschutz ein breiter Grünbereich<br />

vorgelagert wird. Insgesamt sind für das<br />

Gebiet rund 100.000 Quadratmeter neue<br />

öffentliche Grün- und Freiflächen mit ganz<br />

unterschiedlichen Qualitäten geplant. Außer<br />

dem bereits umgesetzten Rheinboulevard<br />

à138 sollen sechs grüne Korridore das<br />

Gebiet in Ost-West-Richtung durchziehen,<br />

um eine direkte Verbindung zwischen den<br />

Wohngebieten und dem Rheinufer zu schaffen.<br />

Wie dieses Prinzip funktioniert, zeigt<br />

heute schon der Grünzug Charlier. à138<br />

23


MesseCity Köln-Deutz<br />

Lageplan des städtebaulichen Entwurfs für die MesseCity von ASTOC<br />

Standort<br />

Areal Barmer Straße / Deutz-Mülheimer-<br />

Straße<br />

51063 Köln-Deutz<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Ausschreibung / Baukonzession 2011<br />

Planung 2011 bis heute<br />

Beteiligte<br />

ASTOC GmbH & Co. KG Architects and<br />

Planners, Köln<br />

Auftraggeber: MesseCity Köln GmbH &<br />

Co. KG<br />

STRABAG Real Estate GmbH, Köln<br />

ECE, Hamburg<br />

Die Koelnmesse hat einen einzigartigen<br />

Standortvorteil: Sie liegt mitten in der Stadt<br />

und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />

aber auch für den Individualverkehr gut<br />

zu erreichen. Doch die Integration eines<br />

so großen und hochkomplexen Organismus<br />

wie den der Koelnmesse in die Stadt<br />

und in seine direkte Nachbarschaft ist eine<br />

planerische Herausforderung. Die Messe-<br />

City, die zwischen den südlich gelegenen<br />

Hallen und dem Bahnhof Deutz geplant<br />

wird, soll einen harmonischen Übergang<br />

von der großmaßstäblichen Struktur der<br />

Messe zu den kleinteiligen Deutzer Veedeln<br />

bilden und die Messe so besser in die<br />

Stadt integrieren. Grundlage für den seit<br />

2013 rechtskräftigen Bebauungsplan ist<br />

der städtebauliche Entwurf von ASTOC.<br />

Dieser sieht auf dem 5,4 Hektar großen<br />

Planungsgebiet fünf siebengeschossige städtische<br />

Blöcke vor, deren Kontinuität an<br />

drei markanten Stellen durch Hochpunkte<br />

akzentuiert wird. Die Schauseite des neuen<br />

Quartiers wird dem Deutzer Bahnhof à132<br />

zugewandt sein; hier sollen die rhythmisch<br />

gegliederten Gebäudefronten Präsenz zeigen<br />

und eine individuelle Adressbildung<br />

ermöglichen. Auf der Messeseite dagegen<br />

erscheinen die geplanten Neubauten in einer<br />

kontinuierlichen Bewegung, die ihrem<br />

Gegenüber entspricht. Die Schnittstelle der<br />

beiden Universen Stadt und Messe bildet der<br />

öffent liche Platz im Zentrum der Messe-<br />

City ab. Dieser um ein Geschoss angehobene<br />

„Messe balkon“ ist nicht nur Kreuzungspunkt<br />

aller Wegeverbindungen, sondern<br />

auch eine großzügige Fläche, die alle, die<br />

hier arbeiten, ebenso wie die Messebesucher<br />

und Touristen mit Domblick und Gastronomie<br />

zum Verweilen einladen wird.<br />

Die MesseCity soll ein lebendiges Stück<br />

Stadt werden; ihre besonderen Qualitäten<br />

leiten sich aus der Schwellensituation ihrer<br />

Lage ab, die eine große Chance für die<br />

räumliche Vernetzung der Messe mit der<br />

Stadt und dem Stadtteil Deutz bietet.<br />

30 Städtebau


Visualisierung des Messeplatzes vom Messebalkon aus gesehen<br />

Visualisierung des westlichen Bereichs der MesseCity<br />

vom Erschließungsboulevard gesehen<br />

Visualisierung des westlichen Bereichs der<br />

MesseCity von der Messe gesehen<br />

31


Was die Stadt<br />

ausmacht<br />

Bernd Streitberger im Gespräch über Neues,<br />

Altes und die richtige Mischung<br />

Bernd Streitberger ist seit Juli 2012 Geschäftsführer<br />

der moderne stadt Gesellschaft zur<br />

Förderung des Städtebaues und der Gemeindeentwicklung<br />

mbH, Köln. Von 2004 bis 2012 war<br />

er Dezernent für Stadtentwicklung, Planen und<br />

Bauen der Stadt Köln.<br />

Wie arbeitet die moderne stadt – haben Sie ein<br />

Leitbild?<br />

Wir möchten einen Beitrag zur Entwicklung der Stadt leisten<br />

und das auch im übertragenen Sinne. Uns liegt viel daran,<br />

dass unsere Projekte eine gute städtebauliche Basis haben<br />

und darüber hinaus einen sozialen, kulturellen und ökologischen<br />

Beitrag leisten. Schließlich sind wir als kommunales<br />

Unternehmen ja auch den Zielen der Stadt verpflichtet.<br />

Was unterscheidet das Clouth-Quartier von anderen<br />

Konversionen, die es in den letzten Jahren /<br />

Jahrzehnten in Köln gegeben hat?<br />

Clouth zeigt sehr anschaulich, wie sich verschiedene Ziele<br />

in einem Projekt vereinbaren lassen. Zum einen geht es hier<br />

um unterschiedliche Wohnformen: Zusätzlich zu den Eigentumswohnungen<br />

und den frei finanzierten Mietwohnungen<br />

haben wir 300 geförderte Wohnungen, die mehrere Bauherren<br />

an verschiedenen Standorten innerhalb des Quartiers<br />

errichten. Für die Menschen, die bei den öffentlich geförderten<br />

Wohnungen nicht zum Zug kommen, aber auch die<br />

Mieten in Neubauten nicht zahlen können, gibt es den preisgedämpften<br />

Mietwohnungsbau, auf den wir besonders stolz<br />

sind. Außerdem haben wir ein ambitioniertes und sehr gut<br />

aufgenommenes Programm zur Vergabe von Grundstücken<br />

an zehn Baugruppen mit 120 Wohnungen durchgeführt.<br />

Weitere Themen, mit denen wir uns hier beschäftigen, sind<br />

Wohnen und Arbeiten sowie das Nebeneinander von historischer<br />

Substanz und Neubauten. So erzeugen wir auf der<br />

Basis des hervorragenden Städtebaus von scheuvens + wachten<br />

eine in vielerlei Hinsicht gute Durchmischung. Das ist es<br />

doch, was die Stadt ausmacht.<br />

Lässt sich denn Urbanität – also auch soziale<br />

Durch mischung – wirklich inszenieren?<br />

Ich glaube schon. Wir bauen mit über 30 Akteuren im<br />

Quartier und es wird viele engagierte Eigentümer geben.<br />

Außerdem kommen auch die Künstler wieder zurück. Wir<br />

mischen Wohnen und Arbeiten und bieten auch Flächen für<br />

Gastronomie an. Wir denken aber, dass es richtig ist, keinen<br />

Einzelhandel im Quartier zu haben. Die 2500 Menschen,<br />

die dort leben werden, sollen ihre Nahversorgung im Stadtteilzentrum<br />

der Neusser Straße finden. Neue Discounter<br />

oder Supermärkte würden die Zentrumsstruktur dort nur<br />

schädigen.<br />

Nach der Durchführung des städtebaulichen<br />

Wettbewerbs wird nun der Entwurf der zweiten<br />

Preisträger realisiert, da er eine größere Flexibilität<br />

im Umgang mit der historischen Substanz<br />

versprach. Funktioniert das in der Praxis?<br />

Absolut. Als jedoch kurz vor Erteilung der ersten Abbruchgenehmigung<br />

noch diskutiert wurde, ob das gesamte Gelände<br />

als Beispiel für eine geschlossene Industriestadt der 50er<br />

Jahre ein Denkmal sei, kamen wir – trotz des ordentlichen<br />

Bebauungsplanverfahrens, das wir bereits hinter uns hatten<br />

und bei dem die Denkmalpflege in vollem Umfang gehört<br />

worden war – noch einmal richtig ins Schwitzen.<br />

Im Betrieb konnten wir feststellen, dass es dem Quartier gut<br />

tut, wenn wir mehr Substanz erhalten. So wurde die Halle 17<br />

mit dem großen Platz davor zum Zentrum des städtebaulichen<br />

Ensembles, wir konnten die Erschließungsanlagen der<br />

ehemaligen Fabrikstadt wieder aufnehmen und nachträglich<br />

noch Eingangsgebäude wie das Tor 1 und Tor 4 unter Schutz<br />

46 Städtebau


Josefine-Clouth: Stadthauswohnungen am Südrand des Quartiers von Konrath und Wennemar<br />

stellen lassen. Es wird so sein, dass der Prozess als ganz selbstverständliche<br />

Transformation erscheint.<br />

Was macht den Wert einer Lage wie der des<br />

Clouth–Quartiers aus?<br />

Seit über zehn Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema,<br />

doch welche Qualitäten und was für eine hochprivilegierte<br />

Lage Clouth wirklich hat, habe ich erst begriffen, seitdem<br />

wir so intensiv daran arbeiten. Zu Spitzenzeiten beschäftigte<br />

die Clouth Gummiwerke AG über 3000 Menschen und<br />

dennoch war die Fabrik ein vollkommen abgeschlossener<br />

Bereich. Nach der Konversion wird sich das Areal an drei<br />

Seiten mit vielen Übergängen für Fußgänger und Radfahrer<br />

sowie drei Zufahrten für PKW ganz selbstverständlich mit<br />

der Stadt vernetzen. Und auch an der vierten Seite, dort wo<br />

Park und Stadt 60 Jahre lang Rücken an Rücken gestanden<br />

haben und durch eine geschlossene Wand getrennt waren,<br />

wird sich die Situation nun öffnen und damit zugleich den<br />

Park in Bewegung bringen.<br />

Sind Baugruppen auch in Köln ein Zukunftsmodell?<br />

Ich habe Baugruppen immer schon unterstützt und seinerzeit<br />

das Verfahren auf dem Kinderheimgelände in Sülz à76<br />

maßgeblich begleitet. Baugruppen sind zwar anstrengend,<br />

aber sie geben auch eine Menge zurück. Es handelt sich um<br />

engagierte Bürgerinnen und Bürger, die gemeinsam planen,<br />

bauen und leben wollen. Ihr Interesse hört nicht an der<br />

Haustür auf, sie kümmern sich um ihr Quartier – dieser bürgerschaftliche<br />

Beitrag zur Stadt ist deutlich spürbar. Ich bin<br />

sehr dankbar, dass wir mit dem Haus der Architektur einen<br />

wichtigen Partner gefunden haben, der die Vergabe der Baugruppengrundstücke<br />

für Clouth so gut strukturiert hat, dass<br />

uns ein absolut transparentes Verfahren bescheinigt wird.<br />

Welche Erfahrungen nehmen Sie von Clouth mit<br />

in die Entwicklung zukünftiger Projekte wie zum<br />

Beispiel des Deutzer Hafens?<br />

Clouth ist wirklich ein Glücksfall. Wir sind damit immobilienwirtschaftlich<br />

in eine Zeit hineingekommen, die wir uns<br />

vor sechs Jahren noch nicht vorstellen konnten, sodass das<br />

Projekt auch ökonomisch ein großer Erfolg ist. Clouth dient<br />

aber auch als Blaupause für zukünftige Projekte wie zum Beispiel<br />

die Leyendeckerstraße in Ehrenfeld, à86 wo rund 100<br />

Wohnungen mit einer guten Durchmischung von Alt- und<br />

Neubauten entstehen werden. Dass der Deutzer Hafen, den<br />

wir derzeit entwickeln, à26 nicht so werden wird wie der<br />

Rheinauhafen, ist Konsens. Für mich bedeutet das auch, dass<br />

wir dort ein Stadtteilzentrum brauchen, Einzelhandel, eine<br />

Grundschule und mehrere Kindertagesstätten. Dort wollen<br />

wir die Erfahrungen, die wir mit dem Clouth-Quartier gesammelt<br />

haben, nutzen, in einer anderen Lage, mit einem<br />

anderen Schwerpunkt natürlich, aber in der Vielfalt der Nutzungen<br />

und der Akteure vergleichbar.<br />

Die Fragen stellte Uta Winterhager.<br />

47


Via Culturalis<br />

Archäologische Zone /<br />

Jüdisches Museum<br />

Standort<br />

Rathausplatz<br />

50667 Köln-Innenstadt<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Wettbewerb 2008<br />

Beteiligte<br />

Preisträger 2008: Wandel Hoefer Lorch +<br />

Hirsch, Saarbrücken<br />

Weitere Planung: Wandel Lorch Architekten<br />

BDA und Stadtplaner WHL GmbH,<br />

Saarbrücken<br />

LVR Landschaftsverband Rheinland<br />

Stadt Köln<br />

Zwischen Rathausplatz und Wallraf-<br />

Richartz- Museum öffnet sich die Stadtgeschichte<br />

als begehbare Vitrine – ein hochsensibles<br />

Terrain, das als Doppelmuseum<br />

mit dem Arbeitstitel Archäologische Zone<br />

und Jüdisches Museum einen bedeutenden<br />

Baustein der Via Culturalis bilden wird.<br />

Hier befand sich der wichtigste Teil des<br />

administrativen Zentrums der ehemaligen<br />

römischen Provinz Niedergermanien, der<br />

frühmittelalterliche Palast der fränkischen,<br />

merowingischen und karolingischen Könige<br />

und Hausmeier, die Ursprungsbauten<br />

des Kölner Rathauses mit allen Nachfolgebauten<br />

bis ins Spätmittelalter sowie eines<br />

der bedeutendsten jüdischen Stadtquartiere<br />

Europas. Der von Wandel Lorch Architekten<br />

für diesen Ort entworfene Museumskomplex<br />

bildet das Phänomen der<br />

Zeitschichten, die zu einem wesentlichen<br />

Merkmal der Kulturachse geworden sind,<br />

auf eine sehr anschauliche und sensible<br />

Weise in seiner Architektur ab. Wie ein<br />

Schutzbau soll das Jüdische Museum über<br />

dem Grabungsfeld sitzen, es nicht deckeln,<br />

kaum berühren, sondern sichtbar machen.<br />

Das Schwere liegt über dem Leichten, Stein<br />

über Glas, dunkel über hell. Das große<br />

Volumen des Baus löst sich in den Faltungen<br />

des Dachs in die kleinteilige Form der<br />

mittelalterlichen Stadt auf – was dem steinernen<br />

Gebäude eine gewisse Leichtigkeit<br />

verleiht.<br />

Mit dem Museumsbau werden sowohl der<br />

Rathausplatz wie auch die einmündenden<br />

Gassen in ihrem historischen Maßstab<br />

wiederhergestellt. Dort, wo die Enge des<br />

historischen Stadtquartiers spürbar sein<br />

wird, liegen die Eingänge, einer auf dem<br />

Rathausplatz, ein anderer dem des Walraff-<br />

Richartz-Museums gegenüber. Ursprünglich<br />

als zwei Museen geplant, haben sich<br />

die Archäologische Zone und das Jüdische<br />

Museum im Verlauf der Planungen konzeptionell<br />

angenähert und die strikte Trennung<br />

mit gemeinsamer Erschließung und einem<br />

großen Rundweg aufgehoben. Auch die<br />

Relikte der Synagoge und der Mikwe, die<br />

als großmaßstäbliche Vitrinen ausgebildet<br />

werden sollen, durchdringen die Schichtung<br />

und veranschaulichen den inhaltlichen<br />

und räumlichen Zusammenhang der beiden<br />

Institutionen. Obschon das Foyer mit<br />

ersten Einblicken in die Grabungen locken<br />

wird, werden die Besucher zunächst hoch<br />

in die erste Ebene des Jüdischen Museums<br />

geführt, dessen Ausstellungsräume um die<br />

Lufträume über Synagoge und Mikwe organisiert<br />

sind. Etliche Meter tiefer, und damit<br />

unter Straßenniveau, führt der 600 Meter<br />

lange Parcours über Wege und Stege durch<br />

die Zeugnisse der Spätantike, der Römerzeit<br />

und des Mittelalters zurück ins Heute.<br />

Denn in unserer Zeit soll das Museum<br />

seinen Platz finden, um die Geschichte für<br />

morgen zu bewahren.<br />

54 Städtebau


Standort Obenmarspforten: links das Wallraf-Richartz-Museum, rechts der Entwurf für das Jüdische Museum und die Archäologische Zone<br />

Visualisierung des Jüdischen Museums und der Archäologischen Zone von Wandel Lorch Architekten über den Rathausplatz gesehen<br />

55


Baumwoll-Quartier<br />

Entwurfsstudie von Luca Selva<br />

Standort<br />

Kochwiesenstraße<br />

51067 Köln-Holweide<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Planungsbeginn 2014<br />

Beteiligte<br />

Architektur Neubauten: Luca Selva AG<br />

Architekten ETH BSA SIA, Basel/CH<br />

Architektur Altbauten:<br />

Girzalsky Dohmen Architekten, Köln<br />

Somena Holding AG, Baar/CH<br />

Die Geschichte der alten Baumwollbleicherei<br />

auf dem Gelände der Schweinheimer<br />

Mühle hätte auch längst zu Ende sein können,<br />

denn Hallen und Werkstätten standen<br />

leer und aufgrund der Schadstoffbelastung<br />

sah der damalige Besitzer den Abriss des Industriedenkmals<br />

vor. Doch die Bürgerinnen<br />

und Bürger wehrten sich. Ein Schweizer<br />

Entwickler erkannte das Potenzial in der<br />

partiell maroden Substanz des zwischen<br />

dem historischen Ortskern und einem Naturschutzgebiet<br />

gelegenen Backsteinidylls<br />

und konnte das 2,4 Hektar große Gelände<br />

erwerben. In den kommenden Jahren<br />

soll aus dem ehemaligen Fabrikgelände das<br />

Baumwoll-Quartier entstehen, ein neues<br />

Stückchen Stadt mit 180 Wohneinheiten<br />

für junge Familien. Der Baseler Architekt<br />

Luca Selva arbeitete nach dem Abriss einiger<br />

nicht erhaltenswerter Fabrikgebäude eine lineare<br />

Ordnung für das Quartier heraus: Die<br />

historischen Werkhallen sollen mit Neubauten<br />

in Form von Stadthausreihen, Hofhäusern<br />

und Geschosswohnungsbauten zu fünf<br />

Zeilen ergänzt werden, deren Materialität<br />

und Kubatur aus dem Bestand heraus ent-<br />

wickelt wurden. Dazwischen werden halböffentliche<br />

und öffentliche Grünflächen und<br />

je nach Haustyp auch private Gärten angelegt,<br />

die als grüne Achsen den Blick durch<br />

das gesamte Quartier bis in das Naturschutzgebiet<br />

freigeben. Sogenannte Pocket-<br />

Parks brechen die Länge der Zeilen auf und<br />

machen das Quartier auch in Nord-Süd-<br />

Richtung durchlässig.<br />

Im Norden grenzt das Gelände an den<br />

Strunder Bach, der im Rahmen der Regionale<br />

2010 als Kultur- und Landschaftsachse<br />

ausgebaut wurde. Die Architekten möchten<br />

hier anknüpfen, indem sie den Quartiersplatz<br />

an die Brücke legen und damit<br />

eine Einladung in Richtung des Holweider<br />

Ortskerns aussprechen. Das Herzstück des<br />

neuen Quartiers soll eine Kindertagesstätte<br />

bilden, die in eine der zentralen Hallen einziehen<br />

wird.<br />

Überall an seinen Rändern scheint es, als<br />

suche das Baumwoll-Quartier Anschluss an<br />

das Vorgefundene: es reagiert mit weichen<br />

Kanten und Durchlässigkeit, nimmt Spuren<br />

auf, statt Baufronten zu bilden und Grenzen<br />

zu markieren.<br />

80 Architektur | Wohnen


Die lineare Ordnung der Industriehallen wird mit Neubauten ergänzt.<br />

Bestandsgebäude der ehemaligen Baumwollbleicherei Holweide<br />

81


Die Welle<br />

Lageplan, Mehrfachbeauftragung ASTOC<br />

Standort<br />

Raderberggürtel / Mertener Straße<br />

50968 Köln-Marienburg<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Mehrfachbeteiligung zur Erstellung<br />

eines städtebaulichen Konzepts als<br />

Grundlage für den hier aufzustellenden<br />

Bebauungsplan, Juni 2015<br />

Beteiligte<br />

Preisträger: ASTOC GmbH & Co. KG<br />

Architects and Planners, Köln<br />

DWK Projektgesellschaft<br />

Zwölf Jahre standen die bunten Hochhausgeschwister<br />

am Raderberggürtel leer,<br />

nachdem die Deutsche Welle in den Bonner<br />

Schürmannbau gezogen war. Da kein<br />

schlüssiges und wirtschaftliches Konzept für<br />

eine Umnutzung dieser zwar überaus zeichenhaften,<br />

aber kaum in den Marienburger<br />

Stadtraum integrierten Solitäre gefunden<br />

wurde, entschlossen sich die Eigentümer<br />

für ihre Sprengung, die jedoch erst nach einer<br />

aufwendigen Asbestsanierung erfolgen<br />

kann.<br />

Auf diesem gut 5,5 Hektar großen Areal<br />

im Schatten des verbliebenen Deutschlandfunk-Turmes<br />

soll nun ein neues Wohnquartier<br />

mit rund 750 Wohneinheiten, einer<br />

integrierten Kita und einem kleinen Anteil<br />

nicht störenden Gewerbes entstehen, dessen<br />

Anlage auch dazu beitragen soll, das bislang<br />

abgeschottete Gelände zu öffnen. Bei der<br />

zur Gewinnung eines städtebaulichen Kon-<br />

zepts ausgelobten Mehrfachbeauftragung<br />

überzeugte ASTOC mit einer Interpretation<br />

des klassischen Städtebaurepertoires<br />

aus Blöcken und Höfen. Eine bewohnte<br />

Lärmschutzwand, die als Kammstruktur<br />

noch mehr Gewicht erhält, soll an der dem<br />

Deutschlandfunk zugewandten Seite das<br />

Rückgrat für das neue Quartier bilden. Als<br />

Gegenüber dienen zwei Blöcke, die drei<br />

Höfe ausbilden. Zwei davon sind Gartenhöfe,<br />

der mittlere wurde als Quartiersplatz<br />

benannt. Es entsteht eine introvertierte Figur,<br />

die den zukünftigen Bewohnern Intimität<br />

und Schutz vor den nicht unerheblichen<br />

Lärmemissionen der Nachbarn bieten<br />

soll. Dennoch bemühen sich die Planer, das<br />

Quartier zu öffnen, die grünen Binnenräume<br />

an die öffentlichen Parks anzuschließen<br />

und einzelne Gebäude in der Großstruktur<br />

ablesbar zu machen.<br />

88 Architektur | Wohnen


Visualisierung einer Hofsituation, Mehrfachbeauftragung ASTOC<br />

In der Bildmitte das ehemalige Funkhaus der Deutschen Welle, daneben der Turm des Deutschlandfunks, im Vordergrund das<br />

ehemalige BDI Hochhaus, daneben die Cologne Oval Offices<br />

Visualisierung der Schallschutzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze,<br />

Mehrfachbeauftragung ASTOC<br />

89


Generalsanierung der Bühnen Köln<br />

am Offenbachplatz<br />

Standort<br />

Offenbachplatz<br />

50667 Köln-Innenstadt<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Europaweites Ausschreibungsverfahren<br />

2010<br />

Planungs- und Bauzeit: seit November<br />

2010<br />

Beteiligte<br />

Arbeitsgemeinschaft HPP Architekten /<br />

theapro<br />

Götz Lindlar Breu Büro für Restaurierungsberatung,<br />

Bonn<br />

WES LandschaftsArchitektur, Hamburg<br />

Bühnen Köln<br />

Stadt Köln<br />

Im November 2011 beschloss der Rat der<br />

Stadt Köln die denkmalgerechte Sanierung<br />

des Opernhauses und des Schauspielhauses,<br />

den Umbau der Opernterrassen zu<br />

einem Kleinen Haus des Schauspiels und<br />

den Neubau einer Kinderoper unter dem<br />

Kleinen Offenbachplatz. Diesem Beschluss<br />

vorausgegangen war eine lange, intensiv<br />

und öffentlich geführte Diskussion, die<br />

sich an dem Ergebnis eines früheren, 2008<br />

entschiedenen Wettbewerbs entzündet hatte.<br />

Geplant war zu diesem Zeitpunkt noch<br />

der Abriss des Schauspielhauses, das – so<br />

der Entwurf der Preisträger JSWD, Köln<br />

und Chaix & Morel, Paris – durch einen<br />

siebengeschossigen Solitär am Standort der<br />

Opernterrassen und einen großen, baumgesäumten<br />

Lichtschacht für die unterirdisch<br />

angelegten neuen Räume auf dem Kleinen<br />

Offenbachplatz ersetzt werden sollte. Doch<br />

in der Bevölkerung regte sich Widerstand<br />

gegen diese Lösung und der deutliche<br />

Wunsch wurde formuliert, das von Wilhelm<br />

Riphahn von 1957 bis 1962 geplante<br />

Ensemble, bestehend aus Opernhaus,<br />

Schauspielhaus und Opernterrassen, und<br />

den ebenfalls denkmalgeschützten, von<br />

dem Kölner Maler und Bildhauer Jürgen<br />

Hans Grümmer entworfenen Offenbachplatz<br />

nicht durch diesen Maßstabssprung<br />

zu zerstören. So initiierte die Stadt 2010<br />

erneut einen Wettbewerb und vergab den<br />

modifizierten Auftrag an die Arbeitsgemeinschaft<br />

HPP Architekten / theapro, die von<br />

dem Büro für Restaurierungsberatung Götz<br />

Lindlar Breu unterstützt wird. Ziel der von<br />

intensiver Bauforschung begleiteten Baumaßnahme<br />

war es, bauphysikalische, akustische<br />

und konstruktive Schwachpunkte in<br />

der denkmalgeschützten Substanz zu beheben,<br />

infrastrukturelle und sicherheitstech-<br />

nische Defizite zu beseitigen, Barrierefreiheit<br />

zu gewährleisten sowie die betrieblichen<br />

und künstlerischen Abläufe zu optimieren.<br />

Dazu gehört auch die vollständige Erneuerung<br />

der Bühnentechnik durch die die<br />

Oper wieder zu der „Illusionsmaschine“<br />

wurde, die Riphahn einst darin gesehen<br />

hatte. Die ehemaligen Opernterrassen wurden<br />

erweitert und zum Kleinen Haus umgebaut,<br />

das in erster Linie vom Schauspiel<br />

genutzt wird, aber auch anderen Ensembles<br />

zur Verfügung gestellt werden kann. Das<br />

über Eck angelegte zweigeschossige Foyer<br />

öffnet sich mit transparenter Fassade zum<br />

Großen und zum Kleinen Offenbachplatz<br />

und bietet somit die Möglichkeit, auch<br />

diese öffentlichen Räume zu bespielen. Ein<br />

filigranes Dach ersetzt die Brücke, die bislang<br />

Oper und Opernterrassen verband, die<br />

Lesbarkeit der Plätze als Raumkontinuum<br />

jedoch erschwerte. Das Dach markiert auch<br />

einen Eingang in die neue Kinderoper, ein<br />

weiterer befindet sich im Foyer der Oper.<br />

Eine als Doppel helix gestaltete Treppenanlage<br />

führt, begleitet von einer Lichtinstallation,<br />

unter die Erde, wo der Zuschauerraum<br />

der Kinderoper als goldglänzender<br />

Zylinder frei in dem zweigeschossigen Foyer<br />

steht. Während größere Eingriffe in<br />

die Kubatur des Ensembles nur rückseitig<br />

durchgeführt werden, profitiert der Stadtraum<br />

nicht zuletzt auch durch eine Beruhigung<br />

des Verkehrs und eine Begrünung der<br />

umliegenden Straßen von der ganzheitlich<br />

angelegten Sanierung. Der Offenbachplatz<br />

soll künftig möbliert und nach denkmalgerechter<br />

Sanierung des mosaikverkleideten<br />

Brunnens und des grafisch gestalteten Bodenbelags<br />

als ein ansprechender und zum<br />

Verweilen einladender öffentlicher Raum<br />

wahrgenommen werden.<br />

104 Architektur | Kultur


Visualisierung der Bühnen Köln mit Blick über den Offenbachplatz<br />

Sanierung des Opernensembles<br />

Der Zuschauerraum während der Sanierung<br />

Visualisierung der unterirdischen Kinderoper<br />

105


Stadtgespräche zur<br />

Architektur<br />

Haus der Architektur Köln (Christl Drey)<br />

Was ist gute Architektur?<br />

Wohnungsfrage und Bodenfrage<br />

„Wo sollen denn in Köln die Grundstücke für geförderten<br />

und bezahlbaren Mietwohnungsbau herkommen?“ Immer<br />

wieder hört man diese rhetorische Frage. Uns bleibt in den<br />

Diskussionen die stets gleiche Antwort: „Der Markt wird es<br />

nicht richten. Es braucht für die Wohnraumversorgung im<br />

wachsenden Köln eine aktive kommunale Liegenschaftspolitik,<br />

und es braucht mehr Fördermittel und ein vereinfachtes,<br />

rechtliches Instrumentarium für den Wohnungsbau. Auch<br />

für die Bodenfrage. Die Lösung der Wohnungsfrage war und<br />

ist im Kern eine Aufgabe der Politik.“<br />

Wohnungsnot und neue Architektur<br />

Guter Wohnungsbau ist eine anspruchsvolle Architekturaufgabe.<br />

Geförderten Wohnungsbau anders zu bauen als gewohnt,<br />

zum Beispiel einfach und vielfältig, lässt die Unzahl<br />

geltender Regelungen und Förderbestimmungen kaum noch<br />

zu. Die aktuellen Diskussionen zum Thema Wohnungsbau<br />

im wachsenden Köln drehen sich allerdings gegenwärtig immer<br />

weniger um Architekturqualität als um die Frage, wie in<br />

den nächsten Jahren der erforderliche Wohnraum, vor allem<br />

bezahlbarere Mietwohnungen, geschaffen werden kann. Die<br />

Wohnungsfrage, die zur Wohnungsnot geworden ist, droht<br />

das Ringen um architektonische Qualität zu verdrängen.<br />

Es gibt in Köln eine große städtische sowie zahlreiche kleinere<br />

private Wohnungsbaugesellschaften, bei denen soziales<br />

Bauen mit anspruchsvoller und wegweisender Architektur<br />

seit rund 100 Jahren Programm ist: die große kommunale<br />

Wohnungsbaugesellschaft GAG, die der Stadt als<br />

starker kommunaler Player erhalten blieb, und rund ein<br />

Dutzend unterschiedliche gemeinnützige Wohnungsunternehmen<br />

bzw. Wohnungsgenossenschaften. Sie stehen mit<br />

ihrer 100-jährigen Geschichte für Qualität, für bezahlbaren<br />

Mietwohnungsbau und für Baukultur. In den Zeiten<br />

großer Wohnungsnot zwischen den Weltkriegen waren sie<br />

in Köln die Vorreiter für einen innovativen Siedlungs- und<br />

Wohnungsbau. Die GAG baute große, architektonisch wegweisende<br />

Reformsiedlungen und stand mutig und innovativ<br />

für das moderne Bauen. Die vielen Genossenschaften<br />

– zeitweise waren es über 150 – bauten kleinere Siedlungen<br />

und Quartiere, mit je nach Milieu unterschiedlicher, eher<br />

traditioneller Architektur. Alle bauten viel, architektonisch<br />

anspruchsvoll und experimentell – sowie einfach und gut.<br />

Heute würde man sagen nachhaltig. All dem steht natürlich<br />

heute eine Überfülle reformbedürftiger Vorschriften und<br />

Reglementierungen entgegen. Die Debatte dazu hat begonnen<br />

und nimmt Fahrt auf. Die drängende Wohnungsnot<br />

kann heute wieder zum Motor für zukunftweisenden Wohnungsbau<br />

werden, mit neuer anspruchsvoller Architektur,<br />

einfach und kostengünstig, im Sinne einer kreativen Nachhaltigkeit.<br />

112 Architektur


Marktplatz Baugemeinschaften am hdak-Kubus<br />

Baugruppen, neue Wohnquartiere und bezahlbares<br />

Wohnen<br />

In Köln entstanden Baugruppenprojekte später als in anderen<br />

Städten. Es waren die Planer und Architekten, die<br />

vor zehn Jahren aktiv wurden und mit anderen Gruppen<br />

Grundstücke für neue Formen des gemeinschaftlichen Bauens<br />

von der Stadt einforderten. Das städtische Gelände des<br />

ehemaligen Kinderheims in Köln-Sülz à76 wurde dann<br />

ein in Köln viel beachtetes Pilotprojekt für Baugruppen.<br />

Im hdak entstand hierzu ein Forum der Kommunikation<br />

und Beratung. Der Verein trug dazu bei, 2008 das Netzwerk<br />

Baugemeinschaften zu gründen, später geändert in<br />

Netzwerk für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen. Die<br />

Namensänderung sollte zeigen, dass es den Baugruppen in<br />

erster Linie um neue Wohnformen und nicht um Eigentumsbildung<br />

geht. In Sülz wurden zwei Baufelder an sechs<br />

Baugruppen vergeben. Im Clouth-Quartier in Köln-Nippes<br />

à42 bauen derzeit zehn Baugruppen. Die Nachfrage nach<br />

Grundstücken für Baugruppen wächst weiter. „Wenn wir<br />

auch nur ein Grundstück für Baugruppen auf dem Markt<br />

anbieten, egal wo, melden sich 40 Gruppen“, so beschreibt<br />

ein Vertreter der städtischen Entwicklungsgesellschaft die<br />

aktuelle Situation.<br />

Bei der gegenwärtig dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt<br />

in Köln, wo kaum noch bezahlbare Mietwohnungen<br />

zu finden sind und händeringend Grundstücke für den geför-<br />

derten Wohnungsbau gesucht werden, rückt die Diskussion<br />

zum Thema „Grundstücksvergabe an Baugruppen“ in den<br />

Hintergrund. Manche bezeichnen es als „Luxusproblem“.<br />

Vereinfacht lassen sich bei den Diskussionen drei Positionen<br />

unterscheiden:<br />

– Die Kritiker sehen Baugruppenprojekte als Neuauflage des<br />

Bauherrenmodells, manche kritisieren sie als privilegierte<br />

Eigentumsbildung für die akademische Mittelschicht aus<br />

dem grünen und links-liberalen Milieu.<br />

– Die Gründer und Verfechter der Baugruppen verweisen<br />

auf ihre Kernanliegen: auf die Gemeinschaft, die Nachbarschaft,<br />

die soziale Mischung und die Vielfalt der Lebensund<br />

Wohnformen. Sie erinnern daran, dass Baugruppen<br />

in ihren Projekten auch immer einen Anteil geförderten<br />

Mietwohnungsbau realisieren können.<br />

– Die Planer und Architekten schätzen Baugruppenprojekte<br />

und das gemeinschaftliche Wohnen als wichtige Bausteine<br />

für eine lebendige, zukunftsfähige und auch schöne Stadt.<br />

Im Städtebau entsteht parzellierte Vielfalt. Im Quartier<br />

fördern Baugruppen die Nachbarschaftsbildung und das<br />

Engagement für das Umfeld. Und weil sich Baugruppen<br />

häufig mit jungen engagierten Architekten zusammentun,<br />

entsteht neuer, architektonisch anspruchsvoller Wohnungsbau.<br />

Baugruppen lösen nicht die Wohnungsfrage, sind aber Vorreiter<br />

für zukunftsfähige Projekte.<br />

113


Zehn Thesen zum<br />

öffentlichen Raum in Köln<br />

Franz-Josef Höing<br />

Der Architekturkritiker Michael Mönninger erinnerte einmal<br />

an eine Szene aus einem Roman von Milan Kundera, in<br />

der ein junges Liebespaar abends durch New York schlendert<br />

und auf einmal wie verzaubert ist. Nicht nur von seinem privaten<br />

Glück, sondern auch von den Bildern und <strong>Perspektiven</strong>,<br />

die sich ihnen während ihres Spaziergangs darbieten.<br />

Häuser und Hüllen schieben sich in ihren Blick und verdich-<br />

ten sich zu einem Großstadtpanorama, das so nie geplant<br />

worden ist. Zufällig und ohne Absicht werden aus den Gebäuden<br />

– großen und kleinen, alten und neuen, profanen<br />

und besonderen, auch Brücken und Straßen – Stadtbilder<br />

von ungeheuerlicher Schönheit. Und so folgert das junge<br />

Pärchen, es müsse die Schönheit ohne Absicht und wohl<br />

auch ohne Plan sein, die die Stadt ausmache.<br />

Chargesheimerplatz<br />

122 Öffentlicher Raum


Den einen mag diese Feststellung beruhigen, den anderen<br />

aufregen. Gerade wir als Planer tun uns schwer damit, das zu<br />

akzeptieren – ist es doch der Kern unserer Aufgabe, Räume<br />

zu entwerfen, die nicht nur sinnhaft, sondern auch schön<br />

sein sollen. Damit uns das in Köln gelingen kann, brauchen<br />

wir neben Regeln und Verpflichtungen auch Mut, neue Ideen<br />

und ein zeitgemäßes Verständnis davon, was der öffentliche<br />

Raum für eine Stadt bedeutet.<br />

Nippes<br />

1. Den öffentlichen Raum erkennen<br />

Ganz direkt lassen sich gute öffentliche Räume so erklären:<br />

Sie sind rund um die Uhr, an jedem Tag des Jahres von jedem<br />

frei benutzbar und müssen nicht überwacht werden. Und<br />

man kann dort kostenlos Wasser trinken. Wir sollten in Köln<br />

mehr öffentliche Räume von dieser Art planen. Dabei sollten<br />

wir die Gestaltwerdung genau überwachen, nicht aber die<br />

Menschen, die diese Räume benutzen.<br />

Auch auf dem Heliosareal à40, dem Gelände des ehemaligen<br />

Güterbahnhofs in Ehrenfeld à38, in Zündorf oder<br />

in der Parkstadt Süd à34 werden durch die Konversionen<br />

neue Plätze und Parks entstehen. Und obschon sich die Lagen<br />

deutlich voneinander unterscheiden, denken und planen<br />

wir die neuen Konturen der Stadt im Innern wie Äußeren<br />

immer vom öffentlichen Raum ausgehend. Bereits in einer<br />

sehr frühen Phase des Wettbewerbs für das Clouth-Quartier<br />

à42 haben wir über die Gestaltung des zentralen Platzes gesprochen.<br />

Jetzt entsteht dort ein grüner Ort für Bewohner<br />

und Besucher, der an die lange Kölner Tradition der grünen<br />

Schmuckplätze anknüpft und das Thema ohne romantische<br />

Verklärung neu interpretiert.<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem Kurt-Hackenberg-Platz.<br />

à130 Der Züricher Landschaftsarchitekt Günther Vogt hat<br />

ganz bewusst auf unsere lokale Gestaltungstradition Bezug<br />

genommen und für diesen Ort, an dem sich ehemals die bischöflichen<br />

Gärten befanden, einen neuen Garten entworfen,<br />

in dem es auch einen Trinkbrunnen geben wird.<br />

Wenn wir den öffentlichen Raum nicht länger als den Restraum<br />

zwischen den Gebäuden betrachten, sondern ihn im<br />

Bewusstsein seines Potenzials planen, können die Parks<br />

und Plätze zu wichtigen Identifikationspunkten in der<br />

Stadt werden.<br />

2. Köln hat ein grünes Grundgesetz<br />

Innerer und Äußerer Grüngürtel, die über Radialen miteinander<br />

verbunden sind und in die Region ausstrahlen,<br />

sind ein einzigartiges historisches Freiraumkonzept, das den<br />

Stadtgrundriss bis heute formt. Darauf aufbauend ist durch<br />

eine große öffentliche Diskussion der Grüngürtel Impuls Köln<br />

entstanden. Mit diesem Regiebuch für die Freiraumentwicklung<br />

werden wir in den kommenden Jahrzehnten arbeiten,<br />

um diese kostbaren Räume zu sichern und auszubauen.<br />

3. Eine wachsende Stadt braucht neue öffentliche<br />

Räume<br />

Köln hat gerade auch in Zeiten sprunghaften Wachstums die<br />

Chance genutzt, neue Stadträume zu schaffen. Immer sind<br />

die großen Pläne von Stübben bis Speer auch Plädoyers für<br />

den öffentlichen Raum gewesen. In den kommenden Jahren<br />

wird die Stadt deutlich wachsen, an den Rändern wie im Innern<br />

gleichermaßen. Nun liegt es an uns festzulegen, welche<br />

Rolle, welche Lage und welche Gestalt diese neuen öffentlichen<br />

Räume haben werden.<br />

Konkret bedeutet dies, dass mit der großflächigen Umstrukturierung<br />

des Mülheimer Südens der Bau neuer, in Teilen<br />

auch ungewöhnlicher Parks und Plätze verbunden ist. Wie<br />

Korsettstangen werden sie sich durch das neue Stadtquartier<br />

ziehen, um es zu stabilisieren und zu integrieren.<br />

Poller Wiesen<br />

4. Verwalten, gestalten, unterhalten<br />

Gute öffentliche Räume brauchen eine plausible organisatorische<br />

Verwaltungsstruktur sowie ein verbindliches Regelwerk<br />

zu ihrer Gestaltung und Unterhaltung. Daher sollten<br />

wir das für die Innenstadt beschlossene Gestaltungshand-<br />

123


Rheinboulevard Deutz –<br />

Ufertreppe<br />

Standort<br />

Urbanstraße / Hermann-Pünder-Straße<br />

50679 Köln-Deutz<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

2007 zweiphasiger Freiraumwettbewerb<br />

mit intensiver Anwohner- und Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

2015 Eröffnung<br />

Beteiligte<br />

Planorama Landschaftsarchitektur, Berlin<br />

Stadt Köln<br />

Der Rheinboulevard war eines der drei<br />

Kölner Leitprojekte, die im Rahmen des<br />

Strukturprogramms Regionale 2010 unter<br />

dem Titel „Stadtentwicklung beiderseits<br />

des Rheins“ gefördert wurden. Damit sollte<br />

unter anderem das Zusammenwachsen der<br />

Stadt über den Fluss hinweg illustriert werden<br />

und der Rhein selbst eine wahrnehmbare<br />

Aufwertung von der trennenden Schneise<br />

zu einem verbindenden Stadtraum erfahren.<br />

Die Dimension des Flusses erlaubt – oder<br />

fordert – hier eine große gestalterische Geste,<br />

die das Berliner Landschaftsarchitekturbüro<br />

Planorama in Form einer 520 Meter langen<br />

Treppe und einem großzügigen landseitigen<br />

Boulevard zwischen Deutzer- und Hohenzollernbrücke<br />

umgesetzt hat. Diese ist nicht<br />

nur eine direkte Verbindung zwischen Stadt<br />

und Fluss, sondern ein einzigartiger Freiraum<br />

zum Verweilen und Staunen, eine Tribüne,<br />

die mit der Postkartenansicht auf die<br />

Stadt zu Füßen des Doms lockt. Drei Bastionen<br />

schieben sich von der Landseite als<br />

Aussichtsposten in die Treppe und gliedern<br />

sie in der Länge. Ihre natursteinverkleideten<br />

Wände werfen die Wellengeräusche des<br />

Flusses zurück und erzeugen eine dem Ort<br />

eigene Klangkulisse. Ein schöner und gänzlich<br />

unerwarteter Mehrwert sind die beim<br />

Bau der Hochwasserschutzwand entdeckten<br />

Überreste des spätrömischen Kastells „Divitia“,<br />

das 2000 Jahre unter der Erde verborgen<br />

lag. Dort soll es auch bleiben. So ragt<br />

nur der runde Turm seiner westlichen Ecke<br />

aus der Treppe heraus; Hinweise auf Größe<br />

und Lage der Befestigungsanlage geben<br />

die gesandstrahlten Markierungen auf den<br />

Stufen. Diese und weitere Funde aus der<br />

bewegten Deutzer Geschichte sollen für die<br />

Öffentlichkeit in einem Historischen Park<br />

zugänglich gemacht werden.<br />

136 Öffentlicher Raum | Am Ufer


Die Ufertreppe im Sommer 2015<br />

137


Grüngürtel: Impuls 2012<br />

Standort<br />

Köln<br />

Planungsphase / Baujahr<br />

Erkundungsphase 2009<br />

Konzeptphase 2011–2012<br />

Beteiligte<br />

WGF Landschaft, Nürnberg<br />

AS&P – Albert Speer & Partner GmbH ,<br />

Frankfurt am Main<br />

Stein+Schultz Partnerschaft,<br />

Frankfurt am Main<br />

Auftraggeber: Kölner Grün Stiftung<br />

und Stadt Köln<br />

Die Kölner Grüngürtel sind ein kostbares<br />

Erbe der Stadtentwicklung. Fast 100 Jahre<br />

ist es her, dass mit ihrer Anlage nach einem<br />

Konzept von Fritz Schumacher und Konrad<br />

Adenauer begonnen wurde. Doch so sehr<br />

sich die Stadt seither auch verändert hat –<br />

die aus Parks, Wiesen und Wäldern gebildeten<br />

Ringe sind für die Lebensqualität in<br />

der Stadt bis heute von großer Bedeutung.<br />

Deshalb gilt es auch, dieses grüne Erbe zu<br />

schützen und auszubauen, Natur und Landschaft<br />

zu bewahren und eine zeitgemäße<br />

Nutzung zu ermöglichen. Im Herbst 2008<br />

startete die Kölner Grün Stiftung und das<br />

Amt für Landschaftspflege und Grünflächen<br />

das Projekt Grüngürtel: Impuls 2012.<br />

In Zusammenarbeit mit WGF Landschaft<br />

und AS&P entstand unter reger Bürgerbeteiligung<br />

der Masterplan für den Äußeren<br />

Grüngürtel. Eine gleichnamige Publikation<br />

dient der Stadt Köln sowie allen anderen<br />

Beteiligten und Interessierten nun als<br />

Handbuch für den zukünftigen Umgang<br />

mit dieser außergewöhnlichen Kulturlandschaft<br />

und kann als grüne Ergänzung des<br />

Masterplans für die Innenstadt verstanden<br />

werden.<br />

Grüngürtel: Impuls 2012 dokumentiert nicht<br />

nur die Dimension und Bedeutung des Äußeren<br />

Grüngürtels für die Stadt, sondern<br />

führt darüber hinaus Ziele und konkrete<br />

Maßnahmen für den Unterhalt und die Entwicklung<br />

auf. Insbesondere im rechtsrheinischen<br />

Bereich soll die Fragmentierung und<br />

Zerschneidung des Grüngürtels durch die<br />

Integration neuer Flächen überwunden werden.<br />

Linksrheinisch, wo die Anlage weitaus<br />

deutlicher lesbar ist, sollen zukünftig in den<br />

zum Volkspark ausgebauten Bereichen die<br />

Interessen von Naturschutz und Erholungsnutzung<br />

besser in Einklang gebracht werden.<br />

Ein ausgewiesener Rundweg über die gesamte<br />

Länge von 63 Kilometern macht die Gesamtheit<br />

des Grüngürtels erlebbar.<br />

Mit dem Regionale-2010-Projekt Regio-<br />

Grün wurden der Innere und Äußere Kölner<br />

Grüngürtel sowie die beide Grüngürtel<br />

verbindendenden Grünachsen Teil eines regionalen<br />

Kulturlandschaftsnetzwerks. Fünf<br />

Freiraumkorridore erstrecken sich radial von<br />

der Stadt ins Umland und verbinden das<br />

historische Kölner Grünsystem mit den Freiräumen<br />

der Erftaue, der Ville und des Bergischen<br />

Lands, wodurch auf regionaler Ebene<br />

ein dritter Grüngürtel entsteht.<br />

144 Öffentlicher Raum | Im Grünen


Grundlage zur Vollendung einer Vision: der Grüngürtel-Impuls Köln<br />

145


Stadtgespräche zum<br />

öffentlichen Raum<br />

Haus der Architektur Köln (Christl Drey)<br />

Große Projekte und kleine Schritte<br />

In den Diskussionen zum Kölner Stadtraum herrscht Konsens<br />

über den unschätzbaren Wert unseres großen Freiraumsystems<br />

und über die Kraftanstrengung, die die Gestaltung,<br />

die Pflege und Instandsetzung der Straßen und Plätze kostet,<br />

damit Köln schöner und lebenswerter wird. Zentrale Plätze<br />

und besondere Freiräume, die nach einem starken, individuellen<br />

Entwurf umgebaut werden, werden in der Regel nach<br />

ihrer Fertigstellung von den Bürgerinnen und Bürgern und<br />

der lokalen Presse heftig kritisiert. Erst ihr Gebrauch führt<br />

dann allmählich zu Akzeptanz und Wertschätzung. So war<br />

es beim L.-Fritz-Gruber-Platz an der St. Kolumba à134 und<br />

beim Ottoplatz in Deutz à132. Aber anspruchsvolle Neugestaltungen<br />

sind die Ausnahme, nicht die Regel. In Köln<br />

kümmern sich traditionell zahlreiche Initiativen und Vereine<br />

um den städtischen Raum. Neben den herkömmlichen Protesten<br />

gegen neuen Straßenbau, wie zum Beispiel gegenwärtig<br />

zur geplanten Gürteltrasse in Köln-Nippes, finden sich<br />

jenseits politischer Parteien mehr und mehr Akteure und<br />

Gruppen zusammen, um sich ganz praktisch im Stadtviertel<br />

für einen lebenswerten urbanen Freiraum einzusetzen und<br />

ihn „einfach zu machen“.<br />

Von Verkehrsflächen zu Stadträumen<br />

Das Alltagsgeschäft besteht in der Aufwertung der Straßen<br />

zu einem nutzbaren öffentlichen Raum. Es ist noch nicht<br />

lange her, da hieß es in den Diskussionen noch: der Köl-<br />

Schall-von-Bell-Skulptur in der Minoritenstraße<br />

ner Stadtverkehr muss fließen, dazu braucht er Raum. Der<br />

Rückbau von Verkehrsflächen bedeutete langwierigen Beteiligungsaufwand<br />

und Debatten in der Politik, die oft ohne<br />

Erfolg blieben. Es gab polarisierende Auseinandersetzungen<br />

für oder gegen das Auto wie zwischen politischen Lagern.<br />

Doch das wandelt sich: Die Belastungen durch den moto-<br />

154 Öffentlicher Raum


Autofreier Sonntag in Köln-Sülz – Tag des guten Lebens<br />

risierten Stadtverkehr werden zunehmend größer, die Zahl<br />

der Fahrradfahrer steigt ebenso wie ihr Platzbedarf und der<br />

öffentliche Nahverkehr ist so gut etabliert, dass einige Linien<br />

trotz enger Taktung ihre Kapazitätsgrenze erreicht haben. Je<br />

größer diese verkehrlichen Belastungen in der Stadt werden,<br />

umso konstruktiver werden auch die Debatten um die notwendige<br />

Reduktion von Verkehrsflächen. Die Severinstraße,<br />

die Bonner Straße in der südlichen Innenstadt und das neu<br />

gestaltete Umfeld der Oper zeigen, wie groß der stadträumliche<br />

Gewinn und die Akzeptanz sein können, wenn Gehwege<br />

verbreitert, Parkplätze in Gehwegflächen verwandelt<br />

und Bäume gepflanzt werden. So birgt der große Instandsetzungsbedarf<br />

der städtischen Straßen in diesem Sinne ein großes<br />

Potenzial, denn notwendige Straßenreparaturen können<br />

für die Stadtgestaltung eingesetzt werden. Mit einem neuen<br />

Asphaltbelag entstehen auf ehemals zweispurigen Fahrbahnen<br />

markierte Fahrradstreifen, wie in Teilstücken des Gürtelrings.<br />

Eine erste unaufwendige Verbesserung, die man sich<br />

auch für Radialstraßen wie die Luxemburger Straße wünscht:<br />

Der motorisierte Verkehr wird langsamer, die Fahrradfahrer<br />

erhalten Raum.<br />

Beispielhaft arbeitet hier die Bewegung Agora, die mit temporären<br />

Aktionen den Umbau von Verkehrsflächen in Fußgängerbereiche<br />

vorweg nimmt. Agora ist ein Zusammenschluss<br />

von mehr als 100 Umweltinitiativen, Kulturschaffenden und<br />

wissenschaftlichen Einrichtungen, deren Leitbild ein nachhaltiges<br />

Mobilitätskonzept von unten und in kleinen Schrit-<br />

ten ist. Mit dem „Tag des Guten Lebens“, der bereits zweimal<br />

in Ehrenfeld und einmal in Sülz veranstaltet wurde, macht<br />

der Verein den Qualitätsgewinn im unmittelbaren Lebensraum<br />

erfahrbar. Ein ganzes Stadtquartier bleibt an einem<br />

Sonntag autofrei, sodass die Straßen in ganzer Breite für gemeinschaftliche<br />

Aktionen genutzt werden können, zu denen<br />

alle interessierten Anwohner, Bürgerinnen und Bürger und<br />

nichtkommerzielle Initiativen eingeladen sind.<br />

Es wird Jahrzehnte dauern, die großräumigen Mobilitätssysteme<br />

in Köln und im Rheinland um- und auszubauen; umso<br />

wichtiger sind Maßnahmen in den Stadtteilen und in den<br />

Quartieren.<br />

Stadtlabor für Kunst im öffentlichen Raum<br />

Das Stadtlabor entstand 2012 auf Initiative des Kunstbeirates<br />

und des Kulturdezernates, um in Köln „ein Handlungskonzept<br />

für Kunst im öffentlichen Raum zu entwickeln“,<br />

und möchte die Stadtgesellschaft direkt ansprechen. Die<br />

von der Stadt beauftragten Teams entwickelten hierzu in unterschiedlichen<br />

Stadträumen Strategien, führten Aktionen,<br />

Spaziergänge und Diskussionen durch. Das erste Planquadrat<br />

war die engere Innenstadt zwischen Dom und Opernensemble,<br />

es folgte die rechtsrheinische Innenstadt mit<br />

Deutz. Für 2016 wurde das Eigelsteinquartier ausgewählt.<br />

Eine spektakuläre Aktion des Stadtlabors war 2013 der rote<br />

Teppich, der um die Kreuzblume, eine Betonkopie der nördlichen<br />

Domspitze, gelegt wurde, um die Fragwürdigkeit des<br />

155


Die Herausgeber<br />

Franz-Josef Höing wurde 2012 vom Rat der Stadt Köln<br />

zum Beigeordneten gewählt. Er leitet das Dezernat für Stadtentwicklung,<br />

Planen, Bauen und Verkehr. Gebürtig aus Gescher<br />

(Nordrhein-Westfalen) absolvierte Höing sein Studium<br />

der Raumplanung an der Universität in Dortmund. Zu<br />

den Stationen seiner Laufbahn gehören Dortmund, Wien,<br />

Aachen, Hamburg, Münster und Bremen, wo er in unterschiedlichen<br />

Aufgabenfeldern tätig war: in freien Planungsbüros,<br />

als lehrender Assistent am Institut für Städtebau und<br />

Raumplanung an der Technischen Universität Wien (1994<br />

bis 1999), als Professor für Städtebau an der Münster School<br />

of Architecture (2004 bis 2008), als Leiter der Projektgruppe<br />

HafenCity in Hamburg (2003 bis 2004) und als verantwortlicher<br />

Senatsbaudirektor der Freien Hansestadt Bremen<br />

(2004 bis 2012).<br />

Das Haus der Architektur Köln – hdak wurde 2005 als<br />

„Verein zur Förderung von Architektur und Städtebau e. V.“<br />

von etwas 30 Kölner Bürgerinnen und Bürgern gegründet,<br />

um baukulturelle Diskussionen stärker in die Öffentlichkeit<br />

zu tragen. Dies wird insbesondere mit dem Veranstaltungsformat<br />

„Jeden Dienstag 19 Uhr – eine Stunde Baukultur“,<br />

mit dem wöchentlichen „Kölner Baukultur Kalender“ sowie<br />

mit zahlreichen Projekten und Netzwerkaktivitäten des Vereins<br />

erreicht – auf der Basis ehrenamtlichen Engagements.<br />

Für sein baukulturelles Engagement erhielt das gemeinnützige<br />

hdak 2009 den Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung<br />

und Baukultur und 2015 den Ehrenpreis des<br />

Kölner Kulturrates.<br />

Seit Mai 2014 ist Prof. Christl Drey Vorstandsvorsitzende<br />

des hdak. Als gebürtige Kölnerin hat sie den Verein mit gegründet.<br />

Sie ist neben ihrer Vorstandstätigkeit Planerin und<br />

Architektin, bis 2013 war sie Professorin für Städtebau an<br />

der Universität Kassel. Seit zwei Jahren ist sie freiberuflich<br />

und als Beraterin und Moderatorin für öffentliche und private<br />

Auftraggeber tätig, bei größeren Projekten gerne in Arbeitsgemeinschaft<br />

mit jüngeren Büros.<br />

Die Autorin<br />

Uta Winterhager blieb nach dem Architekturstudium an der<br />

RWTH Aachen sowie Diplom und Master an der Londoner<br />

Bartlett School bei der Theorie. Seither schreibt sie Bücher,<br />

berichtet als Rheinlandkorrespondentin für verschiedene<br />

Zeitschriften und Institutionen über Architektur-, Kunstund<br />

Städtebauthemen und bildet eine Hälfte der Redaktion<br />

des Onlinemagazins koelnarchitektur.de. Kugelhäuser, fliegende<br />

Städte, Dada und andere großartige Ideen erklärt und<br />

illustriert sie überdies auch für Kinder.<br />

Mit freundlicher Unterstützung von moderne stadt und der Sparkasse KölnBonn<br />

158

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!