besserung!
gute_besserung_1_2016
gute_besserung_1_2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
14 Titelthema Krebs Titelthema Krebs 15<br />
Darmkrebs<br />
im Team<br />
bezwingen<br />
Gefahr Darmkrebs! gute <strong>besserung</strong>! stellte Prof. Dr. Christian<br />
Müller, Facharzt für Chirurgie und Leiter des zertifizierten Darmzentrums<br />
am Kath. Marienkrankenhaus, die wichtigsten Fragen dazu:<br />
In welchem Alter ist das Risiko zu erkranken am größten?<br />
Das Risiko, Darmkrebs zu erleiden, steigt nach dem 40. Lebensjahr deutlich<br />
an. Bei Männern liegt das mittlere Erkrankungsalter bei 67 Jahren, Frauen<br />
sind im Mittel zum Diagnosezeitpunkt 72 Jahre alt. Darmkrebs ist eine der<br />
häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen. Nach Schätzungen erkranken pro Jahr<br />
in Deutschland rund 57.000 Menschen.<br />
Wie gut sind die Heilungschancen?<br />
Je früher Darmkrebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen! Weil<br />
die Erkrankung insbesondere in einem frühen Stadium häufig ohne eindeutige<br />
Symptome verbunden ist, sind Vorsorgemaßnahmen ab dem 50. Lebensjahr<br />
besonders wichtig. Bei Darmkrebs im Frühstadium liegt die Überlebenschance<br />
bei 90 Prozent bezogen auf die kommenden fünf Jahre.<br />
Welche Klinik ist geeignet?<br />
Weil es mit der Operation meist nicht getan ist, sind Betroffene in zertifizierten<br />
Darmzentren am besten aufgehoben. Denn dort arbeiten alle Fachabteilungen<br />
und Berufsgruppen, die an der Therapie beteiligt sind, eng zusammen. In der<br />
Tumorkonferenz stellen wir im Team für jeden Patienten einen individuellen,<br />
klar strukturierten Behandlungsplan auf. Wir treffen uns zweimal die Woche<br />
und sprechen jeden Fall einzeln durch.<br />
Wie wahrscheinlich ist ein künstlicher Darmausgang?<br />
In den allermeisten Fällen ist ein dauerhafter künstlicher Darmausgang,<br />
Stoma genannt, nicht nötig. Selbst wenn die letzten 15 cm des Dickdarms<br />
vor dem Schließmuskel betroffen sind, also der Mastdarm, kommt es<br />
lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn bis 15 Prozent dazu. Es<br />
kann aber sein, dass nach der OP vorübergehend ein künstlicher Ausgang<br />
gelegt wird, um die Heilung nicht zu stören.<br />
Was, wenn ein Stoma unausweichlich ist?<br />
Im Falle eines künstlichen Darmausgangs werden unsere Patienten<br />
vor der OP über die jeweilige Anlage des Stomas informiert und die<br />
Lokalisation festgelegt. Nach der OP erhalten sie und die Angehörigen<br />
eine genaue Anleitung zur selbstständigen Versorgung des Stomas<br />
durch speziell ausgebildete Stomatherapeuten, die sie bei Bedarf<br />
auch nach der Entlassung zu Hause weiter betreuen können. Zusätzlich<br />
gibt es auch Ernährungstipps. Die Patienten werden vom<br />
Sozialdienst betreut und können auf Wunsch auch psychoonkologische<br />
Hilfe bekommen. Zudem vermitteln wir den Kontakt zu<br />
Selbsthilfegruppen.<br />
rs<br />
<br />
Hier wird Darmkrebs behandelt:<br />
• Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg<br />
• Albertinen-Krankenhaus<br />
• Bethesda Krankenhaus Bergedorf<br />
• Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus<br />
• Israelitisches Krankenhaus in Hamburg<br />
• Kath. Marienkrankenhaus Hamburg<br />
• Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift<br />
Der Kniff mit<br />
dem Knick<br />
Mit einem künstlichen Darmausgang, auch Stoma oder Anus<br />
praeter genannt, leben in Deutschland etwa 100.000 Patienten zeitweilig<br />
oder dauerhaft. Für sie bedeutet das eine Lebensumstellung.<br />
Deshalb wird nach Alternativen intensiv geforscht. Prof. Dr. Christoph<br />
Isbert, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und koloproktologische<br />
Chirurgie im Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus, hat nun mit seinem<br />
Team eine Operationsmethode entwickelt, die Patienten trotz des<br />
Verlustes ihres Schließmuskels ein Leben ohne Anus praeter ermöglichen könnte.<br />
Das neue Verfahren hat in Fachkreisen weltweit bereits für Aufsehen gesorgt.<br />
Knicken statt kneifen<br />
„Die bisherigen Versuche, chirurgisch einen künstlichen Ersatz für den Schließmuskel<br />
zu schaffen, gingen meist davon aus, dass sich der Darmausgang konzentrisch<br />
zusammenziehen muss, um den Stuhlgang gewissermaßen abzukneifen. Daran<br />
scheiterten viele Bemühungen“, erklärt Isbert. „Erfolgversprechender erscheint<br />
uns nun der Mechanismus des Abknickens, was wiederum eine ganz andere Herangehensweise<br />
erforderlich macht.“ Isbert vergleicht mit einem Gartenschlauch:<br />
„Die ersten Ergebnisse der neuen<br />
OP-Methode sind erfreulich.“<br />
Prof. Dr. Christoph Isbert, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
koloproktologische Chirurgie im Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus<br />
„Versuchen Sie mal den Wasserstrom zu stoppen, indem Sie den Schlauch mit<br />
der Hand ganz fest zusammendrücken. Das ist sehr schwer, und meist kommt<br />
doch noch etwas durch. Wenn Sie den Schlauch aber ohne viel Kraft einfach<br />
knicken, hört der Fluss sofort auf.“<br />
Ein Schrittmacher stimuliert den Muskel<br />
Und so geht Isbert vor: Den fehlenden Schließmuskel bildet er mit einem<br />
Muskel aus dem Oberschenkel nach. Dieser wird nicht ring-, sondern U-<br />
förmig in das Becken implantiert. Mit einem speziellen Schrittmacher, der<br />
am Unterbauch unter die Haut gesetzt wird, kann dieser künstliche Schließmuskel<br />
dann per Fernbedienung gereizt werden, sodass er den Analkanal<br />
kurz vor dem Ausgang abknickt. „Dadurch bleibt der Patient für viele<br />
Stunden kontinent“, sagt Isbert. Nachteil: Es gibt keine Nervenverbindung.<br />
Deshalb spürt der Patient nicht, wann er zur Toilette sollte. „Er muss<br />
lernen, für sich den richtigen Rhythmus zu finden“, sagt Isbert, „so wie<br />
jemand, der eine Beinprothese bekommen hat, auch erst wieder laufen<br />
lernen muss.“ Allerdings bremst Isbert sogleich die Hoffnung, dass<br />
mit dem neuen OP-Verfahren jetzt für viele Betroffene ein künstlicher<br />
Darmausgang vermeidbar wird. „Wir haben die Operation bei einer<br />
überschaubaren Zahl von Patienten durchgeführt und müssen noch<br />
mehr Erfahrung sammeln, um sagen zu können, für welche Patientengruppen<br />
die Methode letztlich geeignet ist. Die ersten Ergebnisse sind<br />
jedenfalls ganz erfreulich.“<br />
rs