Leseprobe Wellness pdf

Möhrenspäne waren so dünn, dass sie zwischen den Gabelzinken durchrutschten.
Man konnte sie allerdings prima mit dem Dipp verkleben, um dieses zu verhindern.
Alles eine Frage der Technik.
Als nächstes wurde ein lauwarmes Sauerkrautschaumsüppchen mit einem Hauch
von Kümmel gereicht. Sauerkraut kannte Chris bisher nur als Beilage zu einem
Eisbein mit Kartoffelpüree, aber das gab es hier nicht. Schade eigentlich. Die Suppe
wurde nicht auf einem Teller, sondern in einem kleinen Glas serviert. Es hätte sich
auch nicht gelohnt, für diese Pfütze einen Teller schmutzig zu machen. Um auch
nicht noch unnötig Besteck zu verunreinigen, hatte der Küchenchef beschlossen,
dass seine hochverehrten Gäste sie durch einen Strohhalm schlürfen sollten. Dünn
genug war sie ja, die Suppe. Und der Strohhalm war kein gewöhnlicher Strohhalm,
etwa aus Plastik, nein. Es handelte sich um ein aus ökologischem und nachhaltigem
Anbau hervorgegangenes Naturprodukt, dass das Aroma des Süppchens
unverfälscht direkt auf die Geschmackspapillen des Gourmets transportierten. Leider.
Denn das Aroma des Süppchens hätte ein wenig Verfälschung durchaus vertragen
können. Mit Maggie etwa oder Tomatenketchup. So schmeckte sie einfach nur sauer.
Und sauer wurde Chris langsam auch. Er hatte schließlich zwei Saunagänge und
diese Ölmassage hinter sich, da hatte ein gesunder Mann ganz einfach Hunger. Er
tröstete sich damit, dass es jetzt das Steak vom Filet des Kobe-Rindes folgen würde.
Das wollte er schon immer mal probieren! Der Kellner kam mit zwei großen Tellern.
‚Na also, geht doch! ‘Beim Anblick der Steaks wurde ihm jedoch sofort klar, dass hier
kein Koch sondern ein Chirurg seine behandschuhten Finger im Spiel gehabt haben
musste. Was früher vielleicht mal ein Rinderfilet war, hatte man, offensichtlich mit
einem Skalpell zu einem besseren Carpaccio seziert. Daneben lagen verlegen drei
grüne Bohnen und zwei Königinnen Kartoffeln. Großzügig bemessen war allerdings
die über den ganzen Teller ausgebrachte Saucendekoration, die bei genauer
Betrachtung ein Blumenmuster ergab. Während sie zum Abschluss des Menus ein
Potpourri von drei verschiedenen Mousses löffelten, dachte Chris darüber nach, wie
viel Wasser er heute Abend noch würde trinken müssen, um seinem Magen einen
Zustand der Fülle vorzugaukeln. Er beschloss, dies mit einem guten Whisky und ein
paar Gläsern Bier zu tun und hoffte, dass die Hotelleitung vergessen hatte, die
Toblerone und Erdnüsse aus der Minibar zu konfiszieren.