TITELTHEMA „Man muss wirklich mit der Zeit gehen“ Der Chor des Bayerischen Rundfunks wird 70 Jahre alt. Als Geschenk für Hörer und Sänger hat Chefdirigent Mariss Jansons ein Programm mit Opernchören zusammengestellt. Ein Gespräch über diese und andere Überraschungen Der Chor des Bayerischen Rundfunks mit seinem künstlerischen Leiter Peter Dijkstra Fotos: <strong>BR</strong>/Johannes Rodach 4 – <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong>
TITELTHEMA Mariss Jansons 1946 als Nachwuchsdirigent; Peter Dijkstra, der Künstlerische Leiter des <strong>BR</strong>-Chors Fotos: privat, <strong>BR</strong>/Astrid Ackermann <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong>: Überraschungen ziehen sich als roter Faden durch Ihre aktuelle Konzertsaison. Daher eine Überraschungsfrage: Wissen Sie noch, was Sie vor 70 Jahren gemacht haben? Mariss Jansons (lacht): Da war ich ein dreijähriges Kind. Daran kann ich mich nur sehr schwach erinnern. Meine Erinnerungen beginnen, als ich etwa fünf Jahre alt war. Es gibt ein Foto von einem Dreijährigen, der einen Taktstock in der Hand hält … Ja, das weiß ich! Da habe ich gespielt, dass ich Dirigent bin. Dass ich eine Probe oder ein Konzert dirigiere. Das war in meiner Phantasie. Sie haben als junger Mann dann zunächst Chordirigat studiert, oder? Das ist richtig, ich habe Chordirigat studiert. Mein erstes Diplom war: Chordirigent. Das ist sehr gut – am Anfang. Man lernt viel, und es ist sehr gut, wenn man diesen Beruf kann. Aber natürlich war mein Traum, Opernund symphonischer Dirigent zu werden. Was ist Ihnen von Ihrem Antrittskonzert beim <strong>BR</strong>-Chor in Erinnerung geblieben? Mein erster Eindruck war sehr gut. Ich muss sagen, dass ich sofort verstanden habe, dass das ein hochklassiger Chor ist. Sehr professionell. Sehr musikalisch. Der Chor ist sehr geprägt und sehr balanciert. Er hat einen schönen Klang, er schreit nicht und hat auch ein gutes Pianissimo. Er ist intelligent und beherrscht verschiedene Stile. In den Konzerten dirigieren Sie fast immer Chor und Orchester. Ist der Chor für Sie dann so etwas wie eine zusätzliche Instrumentengruppe? Nun, Chor ist Chor. Das ist ein selbstständiger Organismus. Auch mit dem Orchester zusammen bleibt ein Chor immer ein Chor. Das ist etwas Besonderes. Man kann nicht sagen, dass das zum Orchester gehört. Das gehört zum ganzen Ensemble und ist ein wichtiger Teil der Aufführung. Der Chor hat in jüngster Zeit einige Auszeichnungen erhalten, etwa den ECHO Klassik oder den Staatspreis für Musik. Welche Effekte hat das? Eine Anerkennung ist immer sehr bequem, nicht wahr? Das hat immer einen sehr positiven Einfluss. Man darf sich aber nicht nur darüber freuen, sondern muss auch weiterarbeiten und die Qualität steigern. Ich glaube, das ist sehr gut für ein Kollektiv. Die Sänger verstehen allmählich, warum sie so viel arbeiten und warum sie gut sind. Sie sind stolz, und sie arbeiten mit Optimismus weiter. Beim Weiterarbeiten denkt man an die Zukunft. Wie wichtig ist es, dass der Chor zeitgenössische Kompositionen aufführt? Ja, wissen Sie, das ist sehr wichtig! Wir können nicht in unserer Zeit leben, ohne zeitgenössische Musik aufzuführen. Das gehört zu unserem Beruf. Man muss wirklich mit der Zeit gehen und darf sich nicht von zeitgenössischer Musik isolieren. Jetzt steht das Jubiläumskonzert an – mit einem Opernprogramm, was für den <strong>BR</strong>-Chor eine Seltenheit ist. Ist das Ihre Überraschung zum Jubiläum? Ich habe das nicht als Überraschung gedacht, sondern habe mir das als ein nicht so oft gesungenes Programm vorgestellt. Ich glaube, es wäre gut, wenn der Chor präsentiert, dass er auch das Opernrepertoire singen kann. Ich habe die besten und interessantesten Werke von verschiedenen Komponisten gewählt, damit wir das sehr breite Spektrum des Chorrepertoires zeigen können. Ist dieses Programm sowohl ein Geschenk für die Zuhörer als auch für die Sänger? Absolut. Es soll interessant für die Chormitglieder sein, denn es ist nicht das, was sie jede Woche oder jeden Monat machen. Proben Sie dann besonders intensiv? Ich weiß noch nicht, wie das wird. (lacht) Wir planen normale Proben und werden sehen, wie viele wir brauchen. Also ist für Sie auch eine Überraschung dabei. Für mich? Nein. Warum für mich? Na, weil Sie noch nicht wissen, wie lange Sie für die Proben brauchen? Ach, nein. Das ist doch keine Überraschung. Ich kann nur jetzt noch nicht sagen, in wie vielen Proben ich was probieren werde. Das ist nicht überraschend, weil ich mit diesem Chor jetzt schon fast 15 Jahre lang probiere. Ich habe (seufzt) damit Erfahrung. Also, Sie kann man gar nicht mehr überraschen … Natürlich kann man mich immer überraschen! (lacht) Das Leben ist so interessant, und es kommt immer etwas Neues. Natürlich können mich die Leute in jeder Minute überraschen! Felicia Englmann Eine lange Fassung dieses Interviews finden Sie unter www.br.de/br-magazin – <strong>BR</strong>-Klassik Mittwoch, 6.4.<strong>2016</strong>, 22.05 Uhr 70 Jahre Chor des Bayerischen Rundfunks: Chefdirigenten am Pult (I) – Eugen Jochum, 55 Min. Freitag, 8.4.<strong>2016</strong>, 20.03 Uhr Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks: 70 Jahre Chor des Bayerischen Rundfunks, 117 Min. Auch im Video-Livestream br-klassik.de/chor Mehr Informationen unter: br.de <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong> – 5