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VSWG-Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

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„ , i3i •. Prnf Dr Dhil. Dr. sc. pol. h. c. O tto Brunner, 2 Hamburg 55,<br />

M d a l V prof Dr. ph§. H ermann K ellendenz, 85 Nürnberg, Findelgasse 7;<br />

S D Hans PohC sJ Bonn, Historisches Seminar, Konvikts«. 11; Prof.<br />

DrphU Wolfgang Zorn, 8 München 22, Ludwigstr. 33/IV. Manuskripte von<br />

Aufsätzen <strong>und</strong> Miszellen werden an alle Herausgeber^ von Rezensionen nur<br />

Tn Prof Dr Pohl erbeten. Erwünscht sind <strong>für</strong> alle Manuskr.pte Blauer mit<br />

einseitiger Beschriftung. Aufsätze sollen den Umfang von zwei Druckbogen<br />

(32 Seiten) nicht überschreiten. Die <strong>VSWG</strong> druckt nur Ong.nalmanusknpte ab,<br />

keine Übersetzungen.<br />

R ezensionsexem p la re erbitten wir an den Franz Steiner Verlag GmbH<br />

62 Wiesbaden, Bahnhofstraße 39, mit dem Vermerk: .Für V.erteljahrschrift<br />

<strong>für</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaftsgeschichte</strong>.* Für unverlangt eingesandte Bucher übernimmt<br />

der Verlag keine Haftung.<br />

Der Verlag liefert den Verfassern 25 Sonderdrucke der Aufsätze <strong>und</strong> 15 Sonderdrucke<br />

der Besprechungen unentgeltlich. Bestellungen auf weitere Sonderdrucke<br />

gegen Berechnung bitten wir dem Verlag spätestens bei der Übersendung<br />

der ersten Korrekturen aufzugeben<br />

Ersdscmungsweisc jährlich vier Hefte zu je 9 Bogen (= 144 Seiten).<br />

Bezugspreis je Heft im Abonnement DM 15,50, Einzelheft DM 18, .<br />

INHALT DES DRITTEN HEFTES<br />

I. Abhandlungen<br />

H ellwege, Johann, Genossenschaftliche Tradition <strong>und</strong> die Anfänge<br />

des Anarchismus in Spanien ...............................................<br />

Mejcher, H elmut, Die britische Erdölpolitik im Nahen Osten,<br />

‘ 1914—1956 ...............................................<br />

II. N o tiz e n .................................................................................. 378<br />

III. Schrifttum<br />

(1. = Besprechungen, 2. = Kurzreferate)<br />

A.l. U. Jaeggi, Ordnung <strong>und</strong> Chaos. Der Strukturalismus . . 381<br />

F. Lot, Recueil des travaux historiques I I .................................... 382<br />

Volkskultur u. Geschichte. Festgabe J. Dünninger . . . . 382<br />

G. O estreich, Geist u. Gestalt des frühmodernen Staates . . •<br />

E. Johann u. J. Junker, Illustr. Deutsche Kulturgeschichte . . i 385<br />

M. Spindler (Hsg.), Handbuch der Bayer. Geschichte II . . . •<br />

H. W eder, K itz in g e n ........................................................................ 388<br />

Diesem Heft liegt ein Prospekt des Verlages Ludwig Röhrscheid, Bonn, <strong>und</strong><br />

einem Teil dieses Heftes ein Prospekt der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-<br />

Baden, bei.<br />

__<br />

Genossenschaftliche Tradition <strong>und</strong> die Anfänge<br />

des Anarchismus in Spanien<br />

Von J o h a n n H e l l w e g e , Köln<br />

Im heutigen Sprachgebrauch pflegt man radikal-individualistische Gedankenrichtungen,<br />

die unter Anwendung von Gewalt die Aufhebung des<br />

Staates in all seinen politischen, juristischen, religiösen <strong>und</strong> sozialen Formen<br />

erstreben, als Anarchismus zu bezeichnen. Auf die Unzulänglichkeiten<br />

dieser allzu groben, die verschiedenen theoretischen Ansätze des<br />

Anarchismus ignorierenden Vereinfachung kann hier nicht eingegangen<br />

werden. Es bedarf jedoch vorab des Hinweises, daß im Wesen des Anarchismus<br />

keineswegs die auf Gewalt beruhende revolutionäre Taktik<br />

begründet liegt. So hat man sogar von einem „passiven Anarchismus“ in<br />

Spanien gesprochen K Der theoretische Anarchismus versteht sieh auch<br />

gerade als eine Form der zwischenmenschlichen Beziehung, ob es sich um<br />

Godwin oder um Stirner, um den kollektivistischen Anarchismus Bakunins<br />

oder um den religiösen Anarchismus Tolstois handelt2. Es scheint<br />

jedoch, daß die doktrinäre Unduldsamkeit, die Verachtung jeder Organisation<br />

<strong>und</strong> der in der Neigung zu Gewalt zum Ausdruck kommende<br />

Extremismus den Anarchismus dazu verurteilen, Utopie im wörtlichen<br />

Sinne zu sein <strong>und</strong> zu bleiben. „Die Erfahrungen der letzten 150 Jahre<br />

scheinen nur immer wieder zu illustrieren, an welchen Widersprüchen <strong>und</strong><br />

Ungereimtheiten die anarchistische Theorie krankt, wie schwierig, wenn<br />

nicht gar unmöglich es ist, sie in die Praxis umzusetzen“3.<br />

Nun fällt es schwer, die Geschichte des dörflich-bäuerlichen Anarchismus,<br />

der hier im Vordergr<strong>und</strong> stehen soll, <strong>und</strong> des Anarchosyndikalismus<br />

in Spanien als Geschichte eines einzigen, aussichtslosen Fehlschlages zu<br />

begreifen, zumal man Cesar M. Lorenzo beipflichten kann, wenn er in der<br />

JU110 L.ARO Baroja, Remarques sur la vie agraire en Andalousie, in: Etudes<br />

Rurales^ Nr. 10 (Juli—September 1963), S. 101.<br />

- Zur Soztallehre Tolstois, die in Handbüchern <strong>und</strong> Darstellungen des Anarchismus<br />

meist zu knapp — wenn überhaupt (vgl. z. B. Werner H ofmann, Ideengesdiidite<br />

der sozialen Bewegung des 19. <strong>und</strong> 20. Jh. 4. Aufl., Berlin <strong>und</strong> New<br />

York 1971) — behandelt wird, vgl. Erwin Oderländer, Tolstoi <strong>und</strong> die revolutionäre<br />

Bewegung. München <strong>und</strong> Salzburg 1965.<br />

3 James Joll, Die Anarchisten. Berlin (1966), S. 303. (Engl. Originalausgabe:<br />

The Anarchists. London 1964).<br />

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

Gesamtherstellung: Druckerei Carl Bindernagel, Inh. Josef König, Friedberg/H.<br />

Printed in Germany<br />

VSW G 59/3<br />

21


306<br />

J ohann H ellwege<br />

außergewöhnlichen Stärke <strong>und</strong> Verbreitung des Anarchismus <strong>und</strong>spe«ell<br />

d e s Anarchosyndikalismus die größte Besonderheit in der gesdttchthchen<br />

Entwicklung Spaniens seit etwa der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts sehen<br />

S * In Spanien, insbesondere in Andalusien <strong>und</strong> Katalonien, scheint die<br />

Utopie <strong>für</strong> kurze Zeit doch immer wieder einen O rt gef<strong>und</strong>en zu haben.<br />

Seit etwa der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ist es in den genannten Regionen<br />

<strong>und</strong> dann insbesondere während des Bürgerkrieges von 1936 bis 1939<br />

auch in anderen Gegenden Spaniens zu Begründungen zahlreicher anarchistischer<br />

Gemeinwesen <strong>und</strong> Gemeinschaften gekommen®. Die Polizei<br />

<strong>und</strong> das Militär der verschiedenen Regierungen, die Truppen Francos,<br />

aber ebenso auch die Gegenmaßnahmen der Moskau hörigen Kommunistischen<br />

Partei Spaniens« haben verhindert, daß die Frage nach der<br />

Lebensfähigkeit anarchistischer Gemeinwesen im ungestörten Experiment<br />

beantwortet wurde. Der Anarchismus in Spanien als Produkt der spanischen<br />

Bedingungen <strong>und</strong> Verhältnisse ist von eben diesen immer wieder<br />

überwältigt worden. Zwar ist damit der Anarchismus als Theorie <strong>und</strong> m<br />

der Praxis noch nicht widerlegt worden7, aber man wird sich Eric J.<br />

Hobsbawm anschließen müssen, wenn er von einer Verschwendung revolutionärer<br />

Energie in Gestalt des Agraranarchismus in Spanien, insbe-<br />

« Vgl. Ccfsar M. Lorenzo, Lcs anarchistcs espagnols et le pouvoir, 1868—1969.<br />

Pls D ^ o h l tiefsten Einblick in Wesen <strong>und</strong> Geschichte d« sPanis* e" ^ '<br />

chismus bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges gibt immer noch Gerald ®R^ N’<br />

The Spanish Labyrinth. An Account of the Social d Polmcal Badsg ou<br />

of the Civil War. 2. Aufl., Cambridge 1950. (1. Aufl. 1943 - Die ^zwischen<br />

klassische Schilderung des Verlaufs dorfanarchistischer Rebellionen vor 1936<br />

liegt vor in Juan Df AZ del Moral, Historia de las ag.taciones campesmas<br />

andaluzas. Madrid 1929. (Eine Taschenbuch-Ausgabe erschien als Nr: 6“ ^<br />

Reihe „El libro del bolsillo“, Madrid 1967). Die Darstellungen von Jos6 Pe RATS<br />

(La CNT en la revolueiön espanola. 3 Bde. Toulouse 1951—1953) <strong>und</strong> Edu<br />

ComIn Colomer (La Historia del Anarquismo. 2 Bde. 2 Aufl. Barcelona 19 )<br />

sind durch das Werk von Cisar M. Lorenzo (vgl. Anm. 4) ubertrotten, tm<br />

populäres, aber nützliches Oberblickswerk ist Jean B£carud <strong>und</strong> Gilles L apouge,<br />

Anarchistes d’Espagne. Paris 1970. _ .. ,<br />

0 Als Ergänzung zur Darstellung Cesar M. Lorenzos über die Auseinandersetzung<br />

zwischen Anarchisten <strong>und</strong> Kommunisten während des Bürgerkrieges se<br />

hingewiesen auf Burnett Bolloten, The Grand Camouflage. The Communist<br />

Conspiracy in the Spanish Civil War. New York 1961. B. gibt einen guten<br />

Oberblick über Begründungen anarchistischer Kollektive in Stadt <strong>und</strong> Lan •<br />

1 Es ist nicht die Aufgabe dieses Artikels, anarchistische Theorie <strong>und</strong> Praxis in<br />

Spanien zu untersuchen <strong>und</strong> zu beurteilen. Ebensowenig ist beabsichtigt, ie<br />

Wandlungen der Bedingungen aufzuzcigen, die sich in Spanien vollziehen mu<br />

ten, wenn eine anarchistische Revolution Erfolg haben sollte.<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 307<br />

sondere Andalusien, sprichtfl. In der wcitcrschwelendcn psychischen Bereitschaft,<br />

die die Flamme des Anarchismus nach jedem historischen Eclat<br />

weiterglühen ließ, läßt sich in der Tat die „erstaunliche, in der Welt<br />

| einzigartige Vitalität“« des spanischen Anarchismus erblicken, jedoch<br />

rückt diese Vitalität leicht in die Nähe der charismatischen Qualität der<br />

„reinen Torheit“, wenn man nach den <strong>für</strong> die Bauern <strong>und</strong> Landarbeiter<br />

in Andalusien durch den Anarchismus erreichten sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Fortschritten fragt«».<br />

Die Beobachtung, daß Spanien dem Anarchismus einen offenbar besonders<br />

günstigen Nährboden bot, <strong>und</strong> die dann naheliegende Verwechslung<br />

einer im Unterschied zu anderen Völkern offenbar festzustellenden<br />

Besonderheit der Spanier — nämlich ihre mutmaßliche Praedisposition<br />

<strong>für</strong> den Anarchismus — mit dem Individualismus, sowie schließlich auch<br />

das Gleichsetzen der Taten fanatischer, Bomben werfender bzw. zum<br />

Revolver greifender einzelner Anarchisten mit dem Anarchismus haben<br />

das ohnehin schon einseitig geprägte Bild der Öffentlichkeit von Spanien<br />

wesentlich mitbestimmt. Dies geht zu großen Teilen auf eine idealisierende<br />

Reiseberichterstattung über eine Landschaft zurück, nämlich das angeblich<br />

so „romantische“10 Andalusien, das zugleich auch noch Kerngebiet<br />

des spanischen Anarchismus war. Der Individualismus des Spaniers gilt<br />

, 8 Eric J. Hodsdawm, <strong>Sozial</strong>rebellen. Archaische <strong>Sozial</strong>bewegungen im 19. <strong>und</strong><br />

20. Jh. Neuwied 1962, S. 124 ff. (Engl. Originalausgabe: Primitive Rebels. Studies<br />

in Archaic Forms of Social Movement in the 19th and 20th Centuries. Manchester<br />

1959).<br />

9 Cesar M. Lorenzo, a. a. O., S. 7.<br />

oa Nach der Lektüre von Pascual Carriön, Los Latif<strong>und</strong>ios de Espafia.<br />

Madrid 1932, kann man Marcelin Defourneaux (Le probl&me de la terre en<br />

Andalousie au XVIII' si&cle et les projets de rifforme agraire, in: Revue Historique<br />

Jg. 81, Bd. 217 (1957), S. 42—57 nur zustimmen, wenn er feststellt,<br />

1 daß die Agrarprobleme in Andalusien seit dem 18. Jh. bis heute dieselben <strong>und</strong><br />

) ungelöst geblieben sind. Vgl. dazu auch J. Caro Baroja, a. a. O., S. 100 f., der<br />

i darauf hinweist, daß es sich beim Latif<strong>und</strong>ismus in Andalusien um eine typisch<br />

mediterrane, aus den Zeiten der Römer überkommene Struktur handelt. Vgl.<br />

auch ders., En la campina de Cirdoba (Observaciones de 1949), in: Revista de<br />

Dialectologla y Tradiciones Populäres Bd. XII (1956), Heft 3, S. 270—299.<br />

/ Wiederabgedruckt in: Razas, Pueblos y Linajes. Madrid (1957), S. 233—259.<br />

10 Zur „Andalucfa de pandereta“ vgl. z. B. J. Caro Baroja, Pueblos andaluces,<br />

in: Clavileno Nr. 26 (März—April 1954), S. 63—75. Wiederabgedruckt<br />

in: Razas, Pueblos y Linajes. Madrid (1957), S. 181—204. Am Beispiel des<br />

„romantischen“ Andalusien hätte Carl SAmitt seine Freude gehabt bei der Erörterung<br />

des Begriffs des RomantisAen. Vgl. das Vorwort zu Carl Schmitt,<br />

PolitisAe Romantik. 2. Aufl. MünAen <strong>und</strong> Leipzig 1925, S. 3—28.<br />

21*


308<br />

J ohann H ellwegb<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 309<br />

auch heute noch <strong>und</strong> vielfach selbst in der Forschung als ausgemachte<br />

Sadie. Als Beleg verweist man auf die dodi offenk<strong>und</strong>ige starke Neigung<br />

I des Spaniers <strong>für</strong> den Anarchismus<br />

Erst neuerdings legt sidi die Forschung die Frage vor, ob denn die<br />

umgekehrte Beweisführung, den spanischen Anarchismus aus dem Individualismus<br />

der Spanier herzuleitcn, zulässig ist. Untersuchungen der<br />

Voraussetzungen, Ursachen, Anfänge <strong>und</strong> vor allem Besonderheiten des<br />

spanischen Anarchismus deuten darauf hin, daß es sich in sehr viel stärkerem<br />

Maße beim spanischen Anarchismus utnein gem eii^ftlid ies als<br />

um ein individuahstisdies Phänomen handeltTwie das Erscheinen des<br />

<strong>Sozial</strong>revolutionismus in Andalusien nicht ohne die ökonomische Revolution<br />

zu verstehen ist, die mit der Ablösung des Ancicn Regime durch<br />

die liberal-kapitalistischen Rechts- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>verhältnisse verb<strong>und</strong>en war<br />

<strong>und</strong> gerade die Schichten, die sich in anarchistischen Ausbrüchen artikulierten,<br />

überging bzw. enttäuschte12, so zeigt auch eine Betrachtung der<br />

Vcrlaufsformen einzelner anarchistischer Rebellionen eine Vielzahl von<br />

Erscheinungen, die sie in die Nähe von millenaristischen oder auch chiliastisdicn<br />

Heilserwartungsbewegungen rücken13. Insbesondere scheinen<br />

sich genossenschaftliche Traditionen in den Anfängen des spanischen Anarchismus,<br />

che dieser auch auf dem Lande dann nach der Errichtung der<br />

n So heißt cs z. B. bei J oll, a. a. O., S. 247 f.: „Vielleicht auch waren der<br />

Individualismus, Stolz <strong>und</strong> Sclbstrcspekt, die dem Spanier nachgesagt werden,<br />

der beste Nährboden <strong>für</strong> eine Doktrin, die noch extremer als der Protestantismus<br />

jeden einzelnen <strong>für</strong> sein Tun verantwortlich macht“. Vgl. auch J. Bücarud<br />

<strong>und</strong> G. Lai-ouge, a. a. O., S. 10. Ein ähnlicher Zirkelschluß liegt vor, wenn der<br />

Lokalpatriotismus der Spanier mit ihrem Individualismus begründet wird. Vgl.<br />

z. B. Ramön Men£ndez P idal, Die Spanier in der Geschichte. München 1955,<br />

Kap.: „Unitarismus <strong>und</strong> Regionalismus“. Meines Erachtens geht Mcndndez Pidal<br />

entschieden zu weit, wenn er den Spaniern eine „offensichtlich schwach entwikkelte<br />

gesellige Gesinnung“ nachsagt. Vgl. dazu die Ausführungen über die Bruderschaften,<br />

S. 329 ff. Zum Wert solcher Völkerpsychologie vgl. J .C aroBaroja,<br />

|| Sobrc psicologla ctnica, in: Revista de Dialectologta y Tradiciones Populäres<br />

Bd. VII (1951), Heft 2, S. 254—265.<br />

ie Vgl. dazu den Absdinitt „La proletarizaciön del bajo pueblo“ in Jose Luis<br />

Comellas, Los Modcrados en el Poder, 1844—1854. Madrid 1970, S. 80—90.<br />

13 Vgl. die bereits genannten Arbeiten von Juan D(az del Moral <strong>und</strong> E. J.<br />

H obsbawm. Einen Überblidc über den Forschungsstand zu Fragen des modernen<br />

, Messianismus bzw. Millenarismus gibt Maria Isaura P ereira de Q ueiroz, Mille-<br />

| narismes et Messianismcs, in: Annales. Economies-Socihös-Civilisations Jg. 19,<br />

Nr. 2 (März—April 1964), S. 330—344. Eine Vielzahl von Anregungen gibt<br />

Wilhelm E. Mühlmann, Chiliasmus <strong>und</strong> Nativismus. Studien zur Psychologie,<br />

Soziologie <strong>und</strong> historischen Kasuistik der Umsturzbewegungen. Berlin 1961,<br />

S. 357 ff.<br />

Confcdcraciön Nacional del Trabajo im Jahre 1910 von einer ursprünglich<br />

spontan-chiliastischcn Form zu einem mehr urbanen, nicht mehr jeglicher<br />

Organisation rigoros abgeneigten Revolutionskonzept hin tendiert<br />

<strong>und</strong> sich in einer ausgebildetcn Theorie seiner selbst bewußt zu<br />

werden beginnt, als derartig bedeutsam zu erweisen, daß die These vom<br />

Individualismus des Spaniers eine deutliche Einschränkung erfährt. Erscheinungen,<br />

die als Ergebnis anarchistischer Umwälzungen interpretiert<br />

wurden, erweisen sich häufig als zum Teil jahrh<strong>und</strong>ertealte genossenschaftliche<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> Organisationsformen. Unter „Genossenschaft“<br />

ist hier freilich nicht nur an einen Zweckverband im modernen<br />

Sinne zu denken. Einerseits soll hier zwar „Genossenschaft“ durchaus<br />

als Gegenbegriff zu „Herrschaft“ verstanden werden, andererseits soll<br />

damit jedoch nicht der Herrschaftsbegriff denunziert werden, denn neuere<br />

verfassungsgeschichtliche Arbeiten haben gezeigt, „daß alle Genossenschaft<br />

<strong>und</strong> gesicherte Freiheit im Rahmen der Herrschaft erwuchs“ 14.<br />

Es ist nicht zulässig, den Herrschaftsbegriff zugunsten eines ihm entgegen<br />

stilisierten Genossenschaftsbegriffs abzuwerten, wie auch die „schroffe<br />

Entgegenstellung von .Recht' <strong>und</strong> .Macht' “, die „ganz wesentlich eine<br />

Problematik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts gewesen ist“, inzwischen als nicht berechtigt<br />

erkannt is t,s. Unter Genossenschaften sollen hier die alten Gesellungseinheiten<br />

<strong>und</strong> Gemeinschaftsformen verstanden werden, die —<br />

wie Martin Buber es ausgedrückt hat — „ein lebensmäßiges Zusammengetansein,<br />

ein weitgehend autonomes, sich von innen her ausformendes<br />

<strong>und</strong> umformendes Miteinander von Menschen“ 13 bedeuteten <strong>und</strong> ermöglichten,<br />

die den Menschen soziale Sicherheit <strong>und</strong> Würde gaben, die aber<br />

auch — das muß man sich vor Augen halten, wenn man den Verlust dieser<br />

Gemeinschaftsformen beklagt — das Individuum in der sozialen <strong>und</strong><br />

rechtlichen Ungleichheit des ständischen Privilegienstaates gefangen hielten.<br />

Diese Genossenschaften sind unter dem Zwang der kapitalistischen<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> ihres Staates sowie durch den ungehemmten Liberalismus<br />

mit seinem seit dem Ausgang des Ancien Regime rasant fortschreitenden<br />

Individualisierungsprozeß ausgehöhlt <strong>und</strong> zum großen Teil zerstört<br />

worden.<br />

14 Hans Freyer, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Stuttgart 1955, S. 86 f.<br />

Vgl. auch W. E. Mühlmann, Herrschaft <strong>und</strong> Staat. Eine Untersuchung der Ober-<br />

»lagerungstheorie, in: Wilhelm M ühlmann, Rassen, Ethnien, Kulturen. Moderne<br />

' Ethnologie. Neuwied <strong>und</strong> Berlin 1964, S. 290 f.<br />

15 Otto Brunner, Land <strong>und</strong> Herrschaft. Gr<strong>und</strong>fragen der territorialen Verfassungsgeschichte<br />

Österreichs im Mittelalter. 6. Aufl. Wien 1970, S. 2.<br />

10 Martin Buber, Der Utopische <strong>Sozial</strong>ismus. Köln 1967, S. 30.


310<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 311<br />

Es ist hier insbesondere an d i e Z ü n f t e , Gilden, Bruderschaften <strong>und</strong> Hilfsorganisationen<br />

wie die Getreidemagazine oder die Hospitaler an die<br />

Feld- Flur- <strong>und</strong> Waldgemcinschaftcn sowie an das spanische Mumzipium,<br />

den „pueblo“, zu denken, der als Lebensgemeinschaft <strong>und</strong> Erwartungshorizont<br />

der Menschen bis zum Anbruch der industriellen Epoche<br />

eine kaum zu überschätzende Rolle als Bezugs- <strong>und</strong> Ordnungssystem<br />

gespielt hat. Daneben darf insbesondere auch nicht die Lehre der spanischen<br />

Spätscholastiker <strong>und</strong> Arbitristas vom Eigentum — vornehmlich<br />

vom Bodeneigentum <strong>und</strong> seiner sozialen Verpflichtung — außer acht<br />

gelassen werden. Legt man z. B. die von Hans Freyer aufgestellten „Gesetze<br />

des utopistischen Denkens“ » als Maßstäbe an den frühen spanischen<br />

Anarchismus an <strong>und</strong> schließt aus der überraschend weitgehenden Übereinstimmung<br />

auf eine von den Zielvorstellungen her in die Zukunft gerichtete<br />

geistige Projektion des spanischen Anarchismus, wie sie den<br />

Utopien der Neuzeit eigen zu sein scheint, so würde man wohl einem<br />

Irrtum erliegen. Es hat vielmehr den Anschein, daß insbesondere die ländlichen<br />

anarchistischen Revolten in Spanien den unbewußten Versuch darstellen,<br />

die Vergangenheit—vornehmlich verkörpert in den ursprünglichen<br />

agrarischen Bedingungen vielfach kollektivistischer Art — wiederherzustellen.<br />

Die Dorfrevolutionen ähneln dem immer wieder unternommenen<br />

Versuch, die Primär-Institutionalisierung rückgängig zu machen, wie er<br />

sich etwa auch in der Geschichte der Kirche in immer neuen Anläufen<br />

zur Wiederherstellung der Ur- bzw. Brüdergemeinde beobachten la ß t10 *2021.<br />

Es ist gerade dieser atavistische Zug, die Sehnsucht nach der vorindustriellen<br />

Epoche, nach der noch nicht von der Sklaverei des modernen Kapitalismus<br />

befleckten Vergangenheit, die den Anarchismus in Spanien dem<br />

extrem traditionalistischen Karlismus in vielem so ähnlich macht, so<br />

daß es nicht verw<strong>und</strong>ert, wenn sich Regionen, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

noch karlistische Bastionen waren, beim Ausbruch des Bürgerkrieges im<br />

Jahre 1936 als Hochburgen des Anarchismus erwiesen10. Im Anarchist<br />

s Vgl. H. F r e y e r , Die Gesetze des utopistischen Denkens, in: Amhelm Neusüss<br />

(Hg.), Utopie. Begriff <strong>und</strong> Phänomen des Utopischen. Neuwied <strong>und</strong> Berlin<br />

1968 S. 299_312.<br />

is Vgl. Friedrich F ürstenderg, Kirchenform <strong>und</strong> Gesellschaftsstruktur, in:<br />

* Revue d’Histoire et de Philosophie religieuses Jg. 41 (1961), S. 290—301.<br />

« Vgl. die bei B r e n a n , a. a. O ., S. X X f. wiedergegebenen Landkarten zur<br />

Verbreitung des Anardiismus bzw. des Karlismus. Gabriel Jackson kommt zu<br />

der gleichen Feststellung. „Anarchism (frequently replacing Carlism) became an<br />

important force in the Levant, and in portions of Aragon and rural Catalonia,<br />

between 1900—30.“ Gabriel J a c k s o n , The Origins of Spanish Anarchism, in:<br />

The Southwestern Social Science Quarterly Vol. 36, Nr. 2 (September 1955),<br />

mus als die Besinnung auf die entscheidende Ebene des personalen Verhaltens<br />

liegen wohl auch die ausgeprägt moralischen <strong>und</strong> asketischen Züge<br />

<strong>und</strong> das unbedingte Beharren darauf begründet, daß Gerechtigkeit geschehe,<br />

Momente, die — wie man sehr treffend beobachtet hat — den<br />

Anarchismus in Spanien in einem solchen Maße bestimmt haben, daß man<br />

z. B. den reichen Großgr<strong>und</strong>besitzer nicht wegen seines Reichtums haßte<br />

<strong>und</strong> erschlug, sondern weil man ihm ein lasterhaftes Leben vorwarf, das<br />

in einer luxuriösen Lebensführung bestand 20. In dieser Eigenart des spanischen<br />

Anarchismus ist wohl auch die Erklärung da<strong>für</strong>”zu suchen, daß<br />

sich das Weiterwirken vieler Mythologeme beobachten läßt, die hier<br />

nicht näher erörtert werden können, <strong>und</strong> daß eine anarchistische Dorfreyplution<br />

in vielem einer „eschatologischen Aktion“ gleicht, wie sie von<br />

Mühlmann beschrieben worden ist81. Es ist bezeichnend <strong>für</strong> eine mehr<br />

kollektive Natur, daß der spanische Anarchismus keine großen Theoretiker<br />

hervorgebracht hat <strong>und</strong> daß es nicht ein akademisches Proletariat<br />

gewesen ist, wie es Bakunin aus der Beobachtung russischer Verhältnisse<br />

als treibende Kraft des Anarchismus vorschwebte, das die anarchistische<br />

Bewegung in Spanien geprägt h a t88.<br />

Der Historiker, der die sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse in<br />

Spanien während der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> die Wirksamkeit<br />

genossenschaftlicher Tradition betrachten möchte, um diese in<br />

Beziehung zu setzen mit den Anfängen des Anarchismus, kann leider<br />

nicht auf nennenswerte Vorarbeiten in größerer Zahl zurückgreifen. Das<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert weist in der Forschung zur spanischen Geschichte „nicht<br />

nur Wissenslücken, sondern ganze Seen <strong>und</strong> Meere von Nichtwissen“ auf,<br />

wie sich ein spanischer Historiker vor gar nicht langer Zeit — im Jahre<br />

S. 144. Wie weit die Erfolge der Anarchisten im ländlichen Aragön während des<br />

spanischen Bürgerkrieges auf Terror <strong>und</strong> Gewalt beruhen, ist eine umstrittene<br />

Frage. Vgl. dazu Pierre B r o u ü <strong>und</strong> Emile T £ m im e , Revolution <strong>und</strong> Krieg in<br />

Spanien. Frankfurt 1968, S. 189 f. (Franz. Originalausgabe: La Revolution et la<br />

Guerre d’Espagne. Paris 1961).<br />

20 Vgl. B r e n a n , a. a. O., S. 192 f. <strong>und</strong> Franz B o r k e n a u , The Spanish Cockpit.<br />

An Eye-Witness Account of the Political and Social Conflicts of the Spanish<br />

Civil War. Ann Arbor, Michigan 1963 (zuerst London 1937), S. 166 f.<br />

21 Vgl. W. E. M ü h l m a n n , Chiliasmus <strong>und</strong> Nativismus. . . , S. 290 ff. <strong>und</strong><br />

/ Norman C o h n , Das Ringen um das Tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus<br />

im Mittelalter <strong>und</strong> sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen.<br />

Bern <strong>und</strong> München 1961, S. 269 ff. (Engl. Originalausgabe: The Persuit<br />

of the Millennium. London 1957).<br />

28 Vgl. H o d s d a w m , a. a. O., S. 115 <strong>und</strong> Joll, a. a. O., S. 97 ff.


312<br />

J ohann H ellwege<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 313<br />

1953 - noch ausdrückcn konnte». Zeitalter, die als Epochen des Niedergangs<br />

<strong>und</strong> der Schwäche empf<strong>und</strong>en werden, ziehen nicht S ^ c das<br />

Interesse der nationalen Geschichtsschreibung auf sich. Über die frühen<br />

anarchistischen Bewegungen, die schon von ihrer Natur <strong>und</strong> dcn81f maßenden<br />

<strong>und</strong> zu großen Teilen analphabetischen Bevolkerungsschichten<br />

her nicht gerade zu umfangreicher schriftlicher Selbstdarstellung <strong>und</strong><br />

Organisation neigen, wird der Historiker erst dann umfangreicheres<br />

Qucllcnmaterial erwarten können, wenn die Archive der Gerichte <strong>und</strong><br />

der Guardia Civil einmal zugänglich sein werden, worauf bei den gegenwärtigen<br />

Verhältnissen in Spanien allerdings vorerst kaum zu hoffen<br />

ist« Die Guardia Civil, die 1844 zur Bekämpfung des aus nahezu identischen<br />

sozialen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> rechtlichen Bedingungen wie der<br />

Anarchismus zu erklärenden Banditentums geschaffen wurde, kann nicht<br />

weiter in die Betrachtung einbezogen werden«. Jedoch ist sie, die zu<br />

Unrecht nur schlecht beleumdet <strong>und</strong> <strong>für</strong> einen Mitteleuropäer in ihrem<br />

historischen Stellenwert nur schwer zu verstehen ist, immer als Gegenspieler<br />

<strong>und</strong> Gegenbild des Anarchismus in das Bezugssystem einzubeziehen.<br />

Oft hat die Schießfreudigkeit dieser Truppe, die aus einem ganz<br />

strengen Ehrenkodex heraus Konfrontationen meist noch verschärfte, erst<br />

den Umschlag der Bauern aus ihrer Haltung des „passiven Anarchismus“<br />

in den anarchistischen Gewaltausbruch <strong>und</strong> Exzeß provoziert. Andererseits<br />

war es der erste Gedanke aufständischer anarchistischer Bauern, alte<br />

Rechnungen mit der Guardia Civil zu begleichen, so daß diese in die<br />

Rolle des Komplizen der Mächte gedrängt wurde, gegen die sich der<br />

Aufstand richtete«. _ /<br />

Bei dieser grob skizzierten Quellenlage <strong>und</strong> bei dem Fehlen einer historischen<br />

<strong>und</strong> soziologischen Psychologie, wie sie Karl Mannheim gerade<br />

S3 Vgl. v. G. Kiernan, The Revolution of 1854 in Spanish History. Oxford<br />

1966, S. 1. , , .. , .<br />

24 Daß aber dennoch überraschende Dokumentenf<strong>und</strong>e möglich sind, zeigt<br />

Clara E. Lida, Agrarian Anarchism in Andalusia. Documents on the Mano<br />

f Negra, in: International Review of Social History Vol. XIV (1969), Teil 3,<br />

S. 315—352. , ,<br />

25 Vgl. Brenan, a. a. O., S. 156 f. Francisco Aguado Sanchez, El<br />

duque de Ahumada, f<strong>und</strong>ador de la Guardia Civil. Madrid 1969, behandelt die<br />

Truppe nur ganz am Rande <strong>und</strong> höchst unzulänglich.<br />

s« Vgl. J. A. Pitt-Rivers, The People of the Sierra. London 1954, S. 131.<br />

I Pitt-Rivers, der mit den Methoden der Anthropologie den Ort Alcald del Valle<br />

<strong>und</strong> seine Einwohner beschreibt, gibt eine überzeugende Darstellung der Rolle<br />

der Guardia Civil-Angehörigcn in einer dem traditionellen Pueblo-Konzept<br />

verhafteten Gemeinschaft.<br />

zur Erklärung der „Verbindung zwischen dem schnellen seelischen Wandel<br />

der Menschen — der plötzlichen Änderung ihres ganzen Verhaltens —<br />

<strong>und</strong> den großen zeitgenössischen Strukturwandlungen der Gesellschaft“<br />

fordert27, womit ein Tatbestand wie das plötzliche Ausbrechen einer<br />

anarchistischen Revolte exakt beschrieben ist, sind die folgenden Ausführungen<br />

zum Teil notwendig nur ein unzulänglicher Versuch einer<br />

Interpretation. Als Beispiel <strong>für</strong> die noch in der Forschung bestehende<br />

Unsicherheit sei hier der erste ganz große, auf eine Gefolgschaft von<br />

sicherlich mehr als 10 000 Personen zählende anarchistische Ausbruch<br />

von 1861 in Loja <strong>und</strong> Umgebung genannt, der in der Geschichtsschrei-<br />

EiungTntweder gar nicht erklärt werden kann oder auf die Untergr<strong>und</strong>arbeit<br />

von Geheimgesellschaften im Stile der Carbonari, auf die Unterminierung<br />

der katholischen Rechtgläubigkeit durch englische, methodistische<br />

Ketzerprediger mit Ausgangsbasis im nahen Gibraltar, — so<br />

immerhin eine Kapazität vom Range eines Marcelino Menendez y Pelay<br />

o 58 —, bzw. auf das Wirken der jungen Demokratischen Partei zurückgeführt<br />

wird 20. Wenn auch die Möglichkeit von außen kommender Beeinflussung<br />

<strong>und</strong> Agitation nicht geleugnet werden soll, so sind die millenaristischen<br />

Begleitersheinungen dieser <strong>und</strong> ähnliher Revolten damit noh<br />

n ih t erklärt. Ebenso ist die Frage n ih t beantwortet, warum eine Agitation<br />

welcher Art <strong>und</strong> Gestalt au h immer shon vor dem Erscheinen Fanellis,<br />

27 Karl Mannheim, Mensch <strong>und</strong> Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus. 2. Aufl.<br />

Bad Homburg v. d. H., Berlin <strong>und</strong> Zürich 1967, S. 18.<br />

28 Vgl. Historia de los Heterodoxos espanoles Bd. VII (2. Aufl. Madrid 1932),<br />

S. 333. Zwar ist es durchaus vorstellbar, daß das Bekanntwerden mit der Bibel<br />

durch die Arbeit englischer Bibelgesellschaften die emotionelle Temperatur in<br />

Andalusien erhöht hat, — man denke etwa an die Vorgeschichte des Bauernkrieges<br />

—, aber ein Zusammenhang konnte bisher nicht bewiesen werden, wie ja<br />

auch gerade die stark atheistische Komponente des Anarchismus schwerlich einer<br />

solchen Deutung eingefügt werden kann.<br />

20 Joaquin Guichot vermag zwar eine Schilderung des Verlaufs zu geben,<br />

gesteht dann aber, daß „ahora si se nos pregunta qu6 bandera enarbolö aquel<br />

gefe, de qud naturaleza fueron sus aspiraciones, de dönde partia y d ddnde se<br />

dirijia, contra quidn se levantö en armas, qud programa era el suyo, que es lo que<br />

querla derribar y qud tenia preparado para el dia en que el dxito coronase su<br />

atrevida y temeraria empresa, responderemos que lo ignoramos...“. Historia<br />

General de Andalucla, desde los tiempos mas remotos hasta 1870 Bd. VIII<br />

(Sevilla o. J.) S. 87. C. A. M. Hennessy, The Federal Republic in Spain. PI y<br />

Margall and the Federal Republican Movement 1868—1874. Oxford 1962, S. 21,<br />

hält „den Einfluß der Demokraten, die durch geheime Gesellschaften vom Typ<br />

der Carbonari wirkten“, <strong>für</strong> maßgebend. Eine Zusammenstellung weiterer Meinungen<br />

gibt Antonio Eiras Roel, El Partido Demöcrata Espanol (1849—1868).'<br />

Madrid 1961, S. 258 ff.<br />

| 4 S U<br />

I


314<br />

J ohann H ellwegb<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 315<br />

des Abgesandten Bakunins, gerade in Andalusien auf fruchtbaren Boden<br />

fallen <strong>und</strong> anarchistische Strömungen auslbsen konnte, so daß die Lehren<br />

Bakunins als das erlösende Wort empf<strong>und</strong>en wurden, mit dem man bisher<br />

nicht zu Benennendes ausdrücken konnte.<br />

Welches sind nun die sozialen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> rechtlichen Hintergründe<br />

<strong>und</strong> Veränderungen gewesen, die nach der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zu Ursachen <strong>und</strong> Anlaß <strong>für</strong> anarchistische Revolten wurden.<br />

Gibt es Zusammenhänge mit einer weiterwirkenden bzw. im Verlauf der<br />

sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Wandlungen beeinträchtigten oder gar zerstörten<br />

genossenschaftlichen Tradition? Aus der Fragestellung folgt, daß<br />

die Ausführungen über die genossenschaftliche Tradition nicht beanspruchen,<br />

das außerordentlich komplexe Phänomen des spanischen Anarchismus<br />

monokausal erklären zu können.<br />

Ein erster flüchtiger Blick auf die spanische Wirtschaft der Jahre 1850<br />

_1868, in denen der Anarchismus sichtbar wird <strong>und</strong> sich als politische<br />

Kraft zu erkennen gibt, zeigt einen allgemeinen Optimismus. Der<br />

Außenhandel verdoppelte sich, neue Industrien waren im Entstehen begriffen.<br />

Ausländisches Kapital vornehmlich französischer <strong>und</strong> englischer<br />

Herkunft strömte ins Land <strong>und</strong> betätigte sich in der Begründung von<br />

Bergwerksunternehmen, Eisenbahngesellschaften <strong>und</strong> Banken. Man hoffte,<br />

den Industrialisierungsvorsprung Frankreichs <strong>und</strong> der germanischen,<br />

europäischen Staaten noch bis zum Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts wettmachen zu<br />

können. Tatsächlich jedoch — <strong>und</strong> diese Zusammenhänge sieht man erst<br />

heute — hat die Art der ausländischen Kapitalhilfe <strong>und</strong> Investitionen<br />

den Aufbau einer eigenen Schwerindustrie verzögert <strong>und</strong> Spanien in die<br />

Rolle eines Rohstofflieferanten gedrängt. Der Vorsprung der klassischen<br />

Industrienationen wurde größer. Zwar wurde Spanien in die internationale<br />

Wirtschaft integriert, jedoch nicht als gleichberechtigter starker Partner.<br />

Es erscheint nicht abwegig, wenn man wie Nicoläs Sdnchez-Albornoz<br />

die wirtschaftliche Entwicklung Spaniens während der ersten beiden<br />

Drittel des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts als einen Wandel von einer Wirtschaft der<br />

vorindustriellen, „alten“ Epoche in die eines unterentwickelten Landes<br />

im heutigen Sinne beschreibt30.<br />

Die in Spanien mit dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert einsetzende, im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

europäische Durchschnittswerte weit übersteigende demographische<br />

Explosion, die die Bevölkerung von 10 Millionen am Ende des 18. Jahrso<br />

Der Überblick beruht auf Raymond C arr, Spain 1808—1939. Oxford<br />

1966, <strong>und</strong> Josä Luis C omellas, Los Moderados en el Poder, 1844—1854. Madrid<br />

1970, sowie der Aufsatzsammlung Nicoläs SAnchez-A lbornoz, Espana hace<br />

un siglo: una economfa dual. Barcelona 1968.<br />

h<strong>und</strong>er|s_jiuf_16JMillionen um 1860 hatte anwachscn lassen34, konnte<br />

durch die gerade erst cinsetzende, zaghafte industrielle Expansion allein<br />

nicht gebändigt werden. Das Textilindustriezentrum Barcelona war um<br />

diese Zeit gerade erst konsolidiert <strong>und</strong> nahm erst in den achtziger Jahren<br />

große Arbeitermassen aus Andalusien <strong>und</strong> Murcia au f3:. Eine Auswanderung<br />

nach Lateinamerika, dem klassischen Überdruckventil, begann<br />

erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in größerem Maße <strong>und</strong><br />

erreichte kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges ihren Höhepunkt 33<br />

Ebensowenig konnte der Bevölkerungsdruck über eine Intensivierung<br />

der Landwirtschaft unter Kontrolle gebracht werden, da die zur Aufgabe<br />

der rudimentären Anbautechniken erforderlichen Kapitalien in der<br />

bäuerlichen Bevölkerung nicht vorhanden waren <strong>und</strong> die natürliche Armut<br />

großer Teile des spanischen Bodens solche Bestrebungen stark behinderte.<br />

Die spanische Antwort auf das Emährungsproblem war eine schon<br />

im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert einsetzende, im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert verblüffende Ausmaße<br />

annehmende Steigerung des extensiven Brotgetreideanbaus durch die<br />

Ausdehnung der Anbauflächen, so daß man geradezu von einer Getreidemanie<br />

gesprochen h a t34. Die optimistischen Berichte ausländischer Fachleute<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt auch die Exporterfolge, die die spanische Getreidewirtschaft<br />

in der Versorgung der englischen <strong>und</strong> französischen Truppen<br />

während des Krimkrieges mit Weizen erzielte, ließen die Hoffnung aufkommen,<br />

daß Spanien sich zur Kornkammer Europas entwickeln könne35.<br />

31 Vgl. C arr, a. a. O., S. 197. Einzelheiten <strong>und</strong> insbesondere die Einordnung<br />

der spanischen Entwicklung in den europäischen Rahmen bei Jorge N adal, La<br />

poblacidn espanola (siglos XVI a XX). Barcelona 1966, S. 127 ff.<br />

32 Vgl. Jaime Vicens Vives, Jorge N adal <strong>und</strong> Rosa Ortega Canadell, Los<br />

siglos XIX—XX (Historia Social y Econämica de Espana y America, hg. v.<br />

Jaime Vicens Vives, Bd. IV, Teil 2). Barcelona 1959, S. 252 ff. Vgl. auch N adal,<br />

a. a. O., S. 188 f. Daß die Landarbeiter aus Andalusien <strong>und</strong> Murcia ein den<br />

Anarchismus in Katalonien förderndes <strong>und</strong> mit dem Anarchismus im Süden<br />

verbindendes Element waren, liegt auf der Hand. Vgl. auch Brenan, a. a. O.,<br />

S. 124.<br />

33 Vgl. Nadal, a. a. O., S. 128 f. <strong>und</strong> 156 ff.<br />

34 Vgl. C arr, a. a. O., S. 29 <strong>und</strong> N. SAnchez-Albornoz, a. a. O., S. 18 f.<br />

35 Vgl. N. SAnchez-A lbornoz, La crisis de subsistencias de 1857, in: Espana<br />

hace un siglo: una economfa dual. Barcelona 1968, S. 62 ff. In Abwandlung des<br />

von Göndomar Karl V. zugeschriebenen<br />

»Guerra con toda la tierra“ (Gdndomar-Ciriza,<br />

„y Paz con Inglaterra", 18. Nov. 1618, Madrid)<br />

reimten die Getreideexporteure:<br />

“Agua y Sol“<br />

„y guerra en Sebastopol*. (N. SAnchez-Albornoz, ebda., S. 64)


316<br />

J ohann H ellwege<br />

Aber diese nicht auf der geradezu dramatischen Steigerung der Hektarerträge,<br />

wie sie andere Länder in jener Zeit erlebten beruhende Prosperität<br />

auf dem Lande war nur von kurzer Dauer. Erst wahrend des ersten Wek-<br />

/ krieges kam es wieder zu einem ähnlichen Getreideboorn «. Die Addition<br />

neuer Anbauflädicn - meistens handelte cs sich um Boden, die zuvor<br />

wegen ihrer unzureidicnden Qualität nicht bebaut worden waren die<br />

aber gerade durdi die lange Brache kurzfristig hinreichende Ertrage ohne<br />

allzu große Kapitalinvestierung abwerfen konnten — bedeutete weder<br />

eine Steigerung der Boden- nodi der Arbeitsproduktivität. Allerdings<br />

konnten Arbeitskräfte absorbiert werden, wodurch vorübergehend eine<br />

Festigung der traditionellen Agrarstruktur möglidi wurde. Die Steigerungsmöglidikcitcn<br />

waren erschöpft, als man an die innere Grenze stieß<br />

<strong>und</strong> die Erträge nach dem Ricardosdicn Gesetz rapide abnahmen.<br />

Die Beendigung der Stagnation des ländlichen Lebens <strong>und</strong> die vorübergehende<br />

Prosperität sind um einen hohen Preis erkauft worden. Mit<br />

der Einführung der liberal-kapitalistischen Rechts- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>ordnung,<br />

die auf dem Lande in einer Revolution der Bodenbesitzverhältnisse der<br />

notwendigen Begleiterscheinung der eben skizzierten Entwicklung, ihren<br />

Niederschlag fand, vergrößerten sich die sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Unterschiede. „Die ökonomische Verfassung auf der (Iberischen) Halb-<br />

) insei erfuhr damals eine tiefere <strong>und</strong> radikalere Veränderung als es diejenige<br />

war, die sich im Politischen vollzog“ 37.<br />

Die Gr<strong>und</strong>herrschaft, die im Verlaufe dieser Entwicklung aufgehoben<br />

wurde, machte insbesondere in Andalusien einem sogenannten „feudalen<br />

Kaziquismus“ 38 Platz, der nun nichts mehr gemein hatte mit der patriarchalischen,<br />

keineswegs nur auf Gewalt beruhenden Herrschaft des adligen<br />

Gr<strong>und</strong>herrn, der genossenschaftlichen Einrichtungen seiner Vasallen<br />

oft sogar präsidierte, ja sie erst durch seine Hilfe <strong>und</strong> seinen Schutz ermöglicht<br />

hatte3». Gerade in Andalusien sagte man dem Adel nach, daß<br />

Vgl. auch Manuel de TerAn, Santander, puerto de embarque para las harinas de<br />

Castilla, in: Estudios Geogrdficos Jg. VIII, Nr. 29 (November 1947), S. 752.<br />

33 Vgl. Carr, a. a. O., S. 498. _ . v<br />

st Carmelo Vinas y Mey, La Reforma Agraria en Espana en el siglo AiA.<br />

Santiago 1933, S. 3.<br />

38 Vgl. Carr, a. a. O., S. 366 ff.<br />

39 Gr<strong>und</strong>herren als Stifter von (karitativen Einrichtungen oder Vorsteher von<br />

Bruderschaften ihrer Vasallen begegnen häufig. In der Nachfolge von Fustel de<br />

Coulanges hat sich auch in Spanien eine Theorie entwickelt, die dahin geht, den<br />

Ursprung aller Bienes Comunales (vgl. dazu S. 319) in einem gr<strong>und</strong>herrlichen<br />

Stiftungsakt zu sehen. Vgl. Juan Beneyto P£rez, Notas sobre el origen de los<br />

usos comunales, in: Anuario de Histona del Derecho Espanol Bd. IX (1932),<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anardüsmus i. Spanien 317<br />

er allzu volkstümliche Neigungen zeigte 40. Mit der Aufhebung der<br />

Gr<strong>und</strong>herrschaft durch die liberale Gesetzgebung wurde die im Sinne<br />

Schlesingers zu beobachtende Durchdringung von Herrschaft <strong>und</strong> Genossenschaft<br />

401 in den spanischen Scnorfos zerstört. Wenn eine Gr<strong>und</strong>herrschaft<br />

als „senorfo solariego“41 anerkannt wurde, — Salvador de<br />

Mox6 <strong>und</strong> Claudio Sdnchez-Albornoz haben dargelegt, daß diese Klippe<br />

solchen Gr<strong>und</strong>herren, die eigentlich nur einen „senorfo jurisdiccional“ 45<br />

inne hatten, keine großen Mühen bereitete43 —, dann wurde durch die<br />

liberale Gesetzgebung das oftmals höchst diffuse Bündel von Rechten<br />

über das Land der Gr<strong>und</strong>herrschaft jetzt umgewandelt in ein unumstößliches<br />

absolutes Eigentums- <strong>und</strong> Besitzrecht des ehemaligen Gr<strong>und</strong>herren<br />

am Boden der aufgelösten Gr<strong>und</strong>herrschaft. Bauernfamilien, die seit Generationen<br />

Land in Erbpacht bebaut hatten oder unter der Gr<strong>und</strong>herrschaft<br />

unangefochten die tatsächliche Herrschaft über den von ihnen bebauten<br />

Boden ausgeübt hatten, konnten vom Großgr<strong>und</strong>besitzer, zu dem<br />

der Gr<strong>und</strong>herr geworden war, davongejagt werden, was im Ancien Regime<br />

unmöglich gewesen war44. Eine nicht durch Handel oder in der<br />

S. 33—102. Uber die verschiedenen Auffassungen über Herkunft <strong>und</strong> Ursprung<br />

der kommunalen Ländereien berichtet präzis <strong>und</strong> kurz Noel Salomon, La Cam-<br />

I Pagne de Nouvelle Castille a la fin du XVIe si&cle d’aprks les Relaciones topograficas<br />

(ficole Pratique des Hautes Etudes VI« Section-Centre de Recherches<br />

Historiques-Les Hommes et la Terre IX). Paris 1964, S. 137 f., Anm. 4.<br />

40 Vgl. zum Beispiel die Denkschrift des Grafen Aranda vom 6. Oktober<br />

1769, Madrid, über die Einrichtung von Maestranzas in Andalusien. Aranda<br />

beklagt, daß der junge Adlige in Andalusien sich mit dem übelsten Gesindel<br />

herumtreibe <strong>und</strong> während des Tages nichts anderes tue, als Zigarren zu raudien.<br />

Archivo General de Simancas, Guerra Moderna Leg. 6023. Wie es scheint, hat<br />

sich der Zorn der rebellierenden Bauern nicht in Brandschatzungen adliger Herrensitze<br />

geäußert.<br />

I 40a Walter Schlesinger, Herrschaft <strong>und</strong> Gefolgschaft in der germanisdideutschen<br />

Verfassungsgeschichte, in: Historische Zs. 176 (1953), S. 226.<br />

41 Es ist darunter eine Gr<strong>und</strong>herrschaft zu verstehen, die dem Gr<strong>und</strong>herrn<br />

weder zivilrechtliche, noch strafrechtliche richterliche Befugnisse einräumte, dagegen<br />

aber weitgehende Bodenbesitz <strong>und</strong> -eigentumsrechte umfaßte. Vgl. Salvodor<br />

de Mox6, La disolueiön del regimen senorial en Espana. Madrid 1965,<br />

S. 22 ff.<br />

42 In diesem Fall übt der Gr<strong>und</strong>herr, nach Erwerb oder königlicher Schenkung,<br />

richterliche Befugnisse aus, wobei sich der König bestimmte Ausnahmen vorbehält.<br />

Bodeneigentum oder -besitz des Gr<strong>und</strong>herren ist nicht notwendig Voraussetzung.<br />

Vgl. ebda.<br />

43 In der Praxis hatten sich beide Typen der Gr<strong>und</strong>herrschaft zu einem kaum<br />

noch zu entwirrenden Knäuel verfilzt. Vgl. Claudio SAnchez-Aldornoz, La<br />

reforma agraria ante la Historia. Madrid 1932, S. 75 <strong>und</strong> 77 f. <strong>und</strong> Mox6,<br />

a. a. O., S. 185 ff. 44 Vgl. Mox6, a. a. O., S. 86.


318<br />

J ohann H ellwege<br />

Industrie sondern durch Landbesitz, z. T. auch Landspekulation re.di-<br />

/ MittelklasscT^^uptsadie aus Reditsanwalte^ Beamten,<br />

' Offizieren, Geldleihern etc. bestehend, die p o n d ers zahl« dt J ■<br />

lusien emporgestiegen war, wurde seit etwa 1843, der Diktatur des selbst<br />

au Andalusien stammenden <strong>und</strong> hier zu Re.ditum gekommenen Genemis<br />

Narviez, zum cigendidicn Träger der politischen Macht. Es war<br />

diese Schicht, die persönlich die größten Gewinne aus dem von ihr vertretenen,<br />

den spanischen Verhältnissen nicht angepaßten doktrinären<br />

3 3 mus zu ziehen verstanden hatte. Wie die Spanier früherer Jahr-<br />

/ h<strong>und</strong>erte war sie auf den Boden als Besitzobjekt fixiert, da er immer<br />

noch soziales Ansehen gab <strong>und</strong> ein Leben aus Renteneinkommen gestattete«<br />

. Hinzu kam, daß die Gr<strong>und</strong>renten seit etwa 1750 ständig gestieg<br />

waren, oft allerdings nur durch ein brutales Heraufschrauben des Paditzinses<br />

durch die Gr<strong>und</strong>besitzer. Gerade diese Fixierung auf den Boden<br />

hat der Industrialisierung in Spanien die aus Handelsgeschäften zw.<br />

Renten oder dem Verkauf von Agrarüberschüssen angehauften Gelder<br />

entzogen, denn sie dienten zum Erwerb neuen Landes oder zum Kau<br />

meist ausländischer Luxusartikel«. Mit der Begründung, ein bodenständiges,<br />

über Gr<strong>und</strong>eigentum verfügendes zahlreiches Bauerntum sd iafen<br />

zu wollen, wurde im Verlaufe der Desamortisation ein bisher durch<br />

das überkommene Bodenrecht bzw. die aus dem Ancien Regime überlieferte<br />

Bodenverteilung nicht in erwähnenswertem Umfang existierender<br />

Gr<strong>und</strong>stüdesmarkt geschaffen. Am Ende des Ancien Regime waren,<br />

so schätzt man heute, zwei Drittel des spanischen Bodens dem freien Immobilienverkehr<br />

entzogen gewesen45*47. Die Majorate des Adels <strong>und</strong> au<br />

• bürgerlicher Familien wurden nun ebenso wie die Gr<strong>und</strong>herrschaften aufgehoben,<br />

wodurch der aufsteigenden neureichen Bourgeoisie der Zugang<br />

45 Besonders verwiesen sei hier neben den Arbeiten von Brenan <strong>und</strong> Carr auf<br />

Jos£ Luis Comellas, Los Moderados en el Poder 1844—1854. Madrid 1970 <strong>und</strong><br />

Antoni Jutglar, Ideologtas y clases en la Espana contemporanea. Aproximaciön<br />

S a la historia social de las ideas Bd. I. Madrid 1968. Vgl. auch Alfonso Lazo<br />

DfAZ, La Desamortizaciön de las tierras de la Iglesia en la provmcia de Sevilla<br />

(1835—1845). Sevilla 1970, S. 193 ff. Einen vielversprechenden Ausblick auf<br />

eine größere Arbeit gibt Antonio-Miguel Bernal, Bourgeoisie rurale et pro-<br />

/ lötariat agricole en Andalousie pendant la crise de 1868, in: Melanges de la<br />

Casa de Velözquez Bd. VII (Paris 1971), S. 327-346.<br />

cs Vgl. Gonzalo Anes Alvarez, Las crisis agrarias en la Espana moderna<br />

/ (Bibliotcca Polftica Taurus 16). Madrid 1970, S. 452 f.<br />

47 Vgl. Carr, a. a. O., S. 39. Zu einem noch erheblich weitergehenden Ergebnis<br />

kommt Vinas y Mey, a. a. O., S. 5.<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 319<br />

zu den alten Adclssitzcn eröffnet wurde «. Der Haus- <strong>und</strong> Landbesitz<br />

der Kirche <strong>und</strong> ebenso die Liegenschaften weltlicher <strong>und</strong> geistlicher Korporationen<br />

wurden enteignet <strong>und</strong> oft zu Schleuderpreisen verkauft. Stiftungsvermögen,<br />

das in Immobilien angelegt worden war, wurde in<br />

Schuldpapiere umgewandelt. Schließlich wurden auch die genossenschaftlichen<br />

Ländereien <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>besitz der Gemeinden angetastet, wenn<br />

auch in regional unterschiedlichem Ausmaße4». Nachdem 1813 die Ein-<br />

« Vgl. Rafael Gieert y SAnchez de la Vega, La disolueiön de los mayorazgos<br />

(Publicaciones de la Escuela Social de Granada). Granada 1958. Vgl.<br />

auch Mox6, a. a. O., S. 154.<br />

40 Der Vorgang der Desamortisation <strong>und</strong> der „dcsvinculaciön* kann hier nicht<br />

ausführlich wiedergegeben werden. Jede Geschichte des 19. Jhs. in Spanien erwähnt<br />

ihn, aber nur in der bereits genannten Arbeit von Lazo Diaz <strong>und</strong> in der<br />

Untersuchung von Julio Porres MartIn-Cleto (La desamortizaciön del siglo<br />

/ -KIK en Toledo. Toledo 1965) wird von einer politischen oder ideologischen<br />

Stellungnahme abgesehen <strong>und</strong> endlich einmal nach den Landkäufern, den Landarten,<br />

entstehender Struktur etc. gefragt. Die Untersuchungen von Francisco<br />

Simdn Segura (Contribuciön al estudio de la desamortizaciön en Espana. La<br />

desamortizaciön de Mendizöbal en la provincia de Madrid. Madrid 1969, <strong>und</strong><br />

eine entsprechende Arbeit mit gleichlautendem Titel über die Provinz Gerona,<br />

ebenfalls Madrid 1969) waren mir nicht zugänglich.<br />

Unter Gr<strong>und</strong>besitz der Gemeinden sollen sowohl die sogenannten Bienes Comunales<br />

als auch die Bienes de Propios verstanden werden. Die Rechtshistoriker<br />

machen einen, auch <strong>für</strong> die Praxis oft wichtigen Unterschied. Unter den Bienes<br />

Comunales sind diejenigen Ländereien zu verstehen, die allen gemeinsam <strong>und</strong><br />

in gleicher Weise zugänglich sind. Eigentum <strong>und</strong> Nießbrauch liegen bei allen<br />

Einwohnern der Ortschaft. Die Bienes de Propios sind dann Ländereien, Häuser<br />

etc. die dem Munizipium als Rechtsperson gehören. Aus der Verpachtung<br />

bzw. dem Erheben von Gebühren erwirtschaftet die Gemeinde die Gemeindefinanzen<br />

ganz oder auch teilweise. Es sei noch angemerkt, daß in der Praxis die<br />

Trennung nicht immer säuberlich durchgeführt worden ist. Wenn in einer Gemeinde<br />

z. B. das Recht, Schweine im Eichenwald zu mästen, zu den Bienes<br />

Comunales gehört, so kann in einer anderen Gemeinde dieses Recht unter die<br />

Bienes de Propios fallen <strong>und</strong> von der Ortschaft — zumeist in öffentlicher Versteigerung<br />

— in Pacht ausgegeben werden. Aus der Fülle der Literatur sei hier<br />

hingewiesen auf Rafael Altamira y Crevea, Historia de la Propiedad Comunal.<br />

Madrid 1890, S. 13 f. Für die gemeinsame Nutzung der Bienes Comunales durch<br />

die Bürger sind die verschiedensten Bezeichnungen gebraucht worden, angefangen<br />

von Joaqufn Costas „colectivismo agrario“ bis hin zu „co-propiedad“ <strong>und</strong><br />

„propiedad consorcial“. (Vgl. Salomon, a. a. O., S. 134 f.). Hier umschreiben<br />

wir die terminologischen Schwierigkeiten mit der vagen Formel „genossenschaftlich<br />

bzw. gemeindlich genützte Ländereien* <strong>und</strong> anderen auf die Genossenschaft<br />

der Einwohner einer Ortschaft hinweisenden Wendungen. Eine klare terminologische<br />

Scheidung ist nur dann sinnvoll, wenn die feinen regionalen Unterschiede<br />

herausgearbeitet <strong>und</strong> berücksichtigt werden sollen. Dies ist hier nicht beabsichtigt.


320<br />

J ohann H ellwege<br />

„ . __ T^nrlrrcien erlaubt worden war <strong>und</strong> damit alte,<br />

zäunung aller pnva Nutzungsrechte weitgehend eingeschränkt<br />

gemeinschaftliche<br />

bcsitzindividualistischc Liberai<br />

? 2 « * - w . * •<br />

f rung audi in die Feld- <strong>und</strong> Flurordnungen der Gemeinden ein .<br />

M ir d l Aufstieg einer neuen Gr<strong>und</strong>besitzerschicht in der obengenann-<br />

Mit dem A ß Landbevölkerung das parlamentarische<br />

tcn Zusammensetzung, die fu d,e L^ndbevo ^ ^<br />

Rcgierungssystcm<br />

Abstieg <strong>und</strong> die Verelendung verb<strong>und</strong>en“ . Sie<br />

tcrfB^cn'nicht über die Kapitalien, von deren Vorhandensein die Bodenreform<br />

aber ausging, um bei den Versteigerungen von Land mitbieten<br />

zu können K. Andererseits hatte aber auch die kostenlose oder nur unter<br />

ganz geringfügiger finanzieller Belastung vorgenommene Verleihung<br />

freien Eigentums aus den Gemeindeländereien viele Bauern dazu verführt,<br />

bedenkenlos Schulden zu machen, so daß sie ihr Land binnen kur<br />

zem dem Geldleihcr, dem sprichwörtlich gewordenen Prestamista, uber-<br />

, schreiben mußten, der oft der den Ort beherrschende Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />

I <strong>und</strong> Kaiique in einer Person war, ohne daß er deswegen etwa auch am<br />

O rteldbst lebte«. Ähnlich erging es Bauern mit kleiner Wirtschaft, die<br />

so Vgl. Vinas Y Mby, a. a. O., S. 27 <strong>und</strong> LazoDfAZ, a. a_. O., S. 28 ff. Vgl.<br />

auch Luis Redonet Löpez-D ör.ga, Policia Rural de Espana a trav^s de las<br />

Ordcnanzas Municipales, in: Archives Lconeses Bd IX, Nr.l8(Leonl95)<br />

S. 81-108. Hier, in der Provinz Leön, hatten jedoch d.e Ortshaften sich<br />

Recht häufiger Vorbehalten können, über die Erlaubnis zur Errichtung<br />

nen durch Privatleute befinden zu dürfen. Zu Unruhen des Ausmaßes w e<br />

England (vgl. Eric J. H odsbawm, Les soulivements de la Campagne anglais ,<br />

1780—1850, in: Annales. Jg. 23. Nr. 1 (Jan.-Febr. 1968), S 9-30) hat die<br />

r Einhegung in Spanien nicht geführt, obgleich gerade auch in Andalusien Vi<br />

! Züchter <strong>und</strong> Ackerbauern um die Vorherrschaft im Gemeinderegiment geru g<br />

haben. Vgl. Lazo D iaz, a. a. O., S. 28 ff. Zur Verbreitung des „openfield -<br />

Systems in Spanien vgl. Jesus GarcIa FernAndez, Champs ouverts et champs<br />

r clotures en Vieille-Castille, in: Annales. Jg. 20, Nr. 4 (Juli—August 1965),<br />

S. 692—718. n<br />

51 Vgl. Jos6 Luis C omellas, a. a. O., S. 80 ff. <strong>und</strong> Lazo DIaz, a. a. u-,<br />

S. 21 ff. Wichtig erscheint, daß dieselben Personen, die dem Landproletariat un ^<br />

Kleinbauern gegenüber den Staat repräsentieren, in Madrid wiederum as e<br />

präsentanten des „pueblo“ gelten.<br />

ss Vgl. Lazo D(az, a. a. O., S. 8 f. <strong>und</strong> C arr, a. a. O., S. 274.<br />

ss Vgl. Vinas y Mey, a. a. O., S. 43 ff. <strong>und</strong> Joaqufn C osta, La cuestion de as<br />

tierras d propdsito del caso de La Solana, in: La tierra y la cuestion socia •<br />

Madrid 1912, S. 50—93, insbesondere S. 76 f. P itt-R ivers, a. a. O., S. 42, berichtet<br />

von solchen, etwa einen halben Hektar großen Parzellen schlechten o<br />

dens, der zum Weinbau genutzt wurde: „There has been a tendency for t ese<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 321<br />

Mißernten kaum trotzen konnten e4. Gerade die Verwalter des Kaziqucn / t<br />

waren cs, die dessen Forderungen gnadenlos durchsetzten <strong>und</strong> sich dabei<br />

ähnlich wie in SizilienS5 — gedungener Banditen <strong>und</strong> Schläger bedienen<br />

konnten. Die ehemals in der einfachen Bevölkerung verehrten, weil<br />

aus Protest gegen den Staat <strong>und</strong> die ihn verkörpernden Gewalten in die<br />

Berge gegangenen Banditen entwickelten sich zu Handlangern der Kaziquen,<br />

die als Gegenleistung wiederum da<strong>für</strong> sorgten, daß die Aktionen<br />

der Guardia Civil gegen das Banditenunwesen nicht allzu energischen<br />

Charakter annahmenB0.<br />

Insbesondere <strong>für</strong> Andalusien treffen die gelegentlich arg vereinfachenden<br />

Ausführungen in vollem Umfang zu. Seit Jahrh<strong>und</strong>erten lastete hier<br />

auf einer überwiegend landlosen, unterbeschäftigten Arbeiterschaft <strong>und</strong><br />

einer im Vergleich mit anderen Landschaften schlechtgestellten Kleinpächterschaft<br />

ein Latif<strong>und</strong>ismus. dessen durch Monokulturen (Getreide,<br />

Oliven, Wein) gesteigerter Auswüchse — es ist hier insbesondere an die<br />

erzwungenen langen Perioden der Arbeitslosigkeit während eines Jahres<br />

zu denken — nur durch die kirchlichen charitativen <strong>und</strong> die gemeindlich<br />

genossenschaftlichen Einrichtungen <strong>und</strong> Besitzungen sowie durch die Auswanderung<br />

gemildert wurden”. Aber erst die Agrarpolitik der sogesmall<br />

holdings to fall in recent years into the hands of wealthier people. The<br />

two vintners have been buying them up. Nevertheless, most poor families still<br />

own a plot somewhere or other.“ Hier können nur lokale Untersuchungen zu gesicherten<br />

Ergebnissen führen. Vermutlich hat der kleine, selbständige Bauer<br />

seine Landzuteilung zu behaupten gesucht, während der Tagelöhner — schon<br />

mangels jeglichen Kapitals — sein Stückchen Land nur selten wird behauptet<br />

haben können. Vgl. auch Porres MARTfN-CLETO, a. a. O., S. 411 ff.<br />

64 Zum Aufbau eines bäuerlichen Kreditwesens, das die Landaufteilungen<br />

hätte ergänzen müssen, ist es nicht gekommen.<br />

6j Vgl. E. J. Hobsdawm, <strong>Sozial</strong>rebellen. Archaische <strong>Sozial</strong>bewegungen im 19.<br />

<strong>und</strong> 20. Jh. (s. Anm. 8) <strong>und</strong> Brenan, a. a. O., S. 156.<br />

60 Brenan, a. a. O., S. 156 f.<br />

67 Nun müßte gerade <strong>für</strong> Andalusien eigentlich differenziert werden zwischen<br />

der „campina“ der durch Großgr<strong>und</strong>besitz gekennzeichneten, fruchtbareren<br />

Ebene, <strong>und</strong> der „serranfa“, den Bergen, wo die Viehhaltung eine große Rolle<br />

spielt <strong>und</strong> die Bodenbesitzformen andere sind. Gemeindeländereien gibt es in<br />

beiden Landschaften. Vgl. D(az del Moral, a. a. O., S. 26 ff. <strong>und</strong> J. Caro<br />

Baroja, En la campina de Cordoba, in: Revista de Dialectologfa y Tradiciones<br />

Populäres Bd. XII (1956), Heft 3, S. 270—299. Mag es auch angehen, die Landbevölkerung<br />

der Sierra von Cördoba als konservativ <strong>und</strong> dem Anarchismus<br />

nicht zugeneigt zu beschreiben, so sind andererseits gerade die Bergnester in der<br />

Sierra von Ronda oder Grazalema als Hochburgen der Anarchisten bekannt<br />

geworden.<br />

<strong>VSWG</strong> 59/3 22<br />

' f t y


322<br />

J ohann H ellwege<br />

tikcralcn führte zu einer unerträglichen Verschärfung des BojanUtCnr7^<br />

f f iis Die jetzt erfolgende Verdreifachung der Latif<strong>und</strong>ien<br />

dcnb


324<br />

Johann H ellwege<br />

Nun auf t o Hintergr<strong>und</strong> wurde der A n a r d , geboren. Nadtdem'die<br />

wimehaftlid,e Madt. der Kirdte gebrodten <strong>und</strong> diese, um au b«.<br />

stehen von einer auüerordentlid, im Volk verwuraelten E.nndt.ung au<br />

„er Kirdte der Reidten <strong>und</strong> Herrsdtenden geworden war <strong>und</strong> n.di, mehr<br />

im Zusammenspiel mit den genossensdtaftlidten Traditionen <strong>und</strong> E,n-<br />

"ditungen die Armen vor dem Landhunger der re,then Mitbürger au<br />

diütaen vermodite« trat eine nidt, länger antiklerikale weil nun .nt<br />

, Beste der Kirdiengüier beEndlithe, neue JtoU V G r<strong>und</strong>beim aerjdndi,<br />

I als im Staat <strong>und</strong> Pueblo dominierende Kraft ans Lidit. Nidit umsonst<br />

soridit man von einer Verlagerung des politisdicn Zentrums Spaniens<br />

„ad, Andalusien, wenngleid, offenbar gerade in Madrid ansässige Angehörige<br />

des Großbürgertums als Käufer von Land in Andalusien in Erscheinung<br />

tratenM. In einer Zeit allgemeiner Prosperität wurden d,e<br />

neuen Machthaber vom Anarchismus überrascht <strong>und</strong> verblüfft. Es hatten<br />

sich nahezu vollständig gerade diejenigen Bedingungen herausgebildet,<br />

die Norman Cohn als Voraussetzungen <strong>für</strong> das Aufbrechen revolutionärer,<br />

chiliastischer Bewegungen im Mittelalter - <strong>und</strong> unter leichten Abwandlungen<br />

auch als gültig <strong>für</strong> die Moderne - herausgearbeitet <strong>und</strong> beschrieben<br />

h at«. In einer Klage des P^rez del Alamo, des Führers wahrend des<br />

ersten großen als anarchistisch anzusehenden Ausbruchs im Jahre 1861, ist<br />

das verlorene Paradies beschrieben. In seiner Jugend, als in seiner Hei-<br />

Estudios Geogrdficos Jg. XXII, Nr. 83 (Mai 1961), S- 167-222. An dem hier<br />

behandelten Beispiel wird deutlich, daß sozialer <strong>und</strong> politischer Konservativism .<br />

L einer bäuerlichen, stabilen Gemeinschaft nidit Mangel an Anpassungsfähigkeit<br />

" bedeuten muß. Vgl. Anm. 76. —<br />

M Hier sei auf das Beispiel der ganz in der Nähe Sevillas gelegenen urtsdiaft<br />

Santiponce verwiesen, die vollständig der Kirche, dem Kloster San S1 70<br />

del Campo, gehörte. „N6tese que, en tanto la totalidad de las tierras del pue o<br />

fueron de la Iglesia, como dsta se las arrendaba desde tiempos inmemoriales,<br />

los vecinos se sentlan en cierto modo propictarios, mientras que ah°m> S1 e<br />

nuevo dueno las iba a cultivar por s( mismo la clase de los colonos de la vi a<br />

de Santiponce desaparecerla radicalmente“. L azo DIaz, a. a. O., S. ^153. 'e<br />

überzeugendste Deutung der Wandlung, die sich in der spanischen Kirdie na i<br />

der Desamortisation vollzog, hat m. E. Brenan zu geben vermocht. Vgl. .<br />

a. a. O., Kap. III. Eindrudcsvoll, jedoch nicht unbedingt überzeugend sin je<br />

Ausführungen von John Langdon-D avies, die auf einer recht vulgären, sozia<br />

psychologischen Analyse beruhen. (Behind the Spanish Barricades. Lon on<br />

1936, S. 185 ff.).<br />

83 Vgl. Lazo DIaz, a. a. O., S. 194. Fünf Prozent der Käufer waren hier<br />

Madrilenos. _ .<br />

04 Das Ringen um das Tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus<br />

im Mittelalter <strong>und</strong> sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen.<br />

Bern <strong>und</strong> München 1961, S. 275 f.<br />

Genosscnschaftl. Trad, u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 325<br />

matgcmeinde Loja noch die Bicnes Comunales, die Gemeindeländereien,<br />

existierten, so sagte er, „haben die Armen <strong>für</strong> sich ein Stück dieser Ländereien<br />

bebaut. Im Gemeindewald schlugen sie das Brenn- <strong>und</strong> Bauholz,<br />

das sie brauchten. Sie konnten das Rebhuhn, den Hasen oder anderes<br />

Wild jagen. Wenn sie auch die Armut kannten, so war ihnen aber doch<br />

auf diese Weise der Hunger unbekannt. Heute ist aller Gr<strong>und</strong>besitz privates<br />

Eigentum geworden, <strong>und</strong> der Arme stirbt Hungers, wenn er keine<br />

Arbeit hat. Man sperrt ihn ein, wenn er sich etwas von dem nimmt, was<br />

ihm einmal gehört hat“ «5. Auch wenn die neuere Forschung dazu neigt,<br />

die Auswirkungen des Verkaufs der Gemeindeländereien abzuschwächen,<br />

da sowohl traditionalistische Kreise als auch spanische <strong>Sozial</strong>isten darin<br />

den Ursprung allen Übels sehen wollten, <strong>und</strong> sich allmählich eine stärker<br />

differenzierende, einzelne Regionen betrachtende Sicht Bahn bricht««,<br />

so ist man sich doch in einem Punkt weitgehend einig. Für die sozial<br />

Schwächsten der Gesellschaft bedeutete die Veräußerung der Gemeindeländereien<br />

an Privatpersonen eine Katastrophe °7. Nach Beobachtungen<br />

aus der Provinz Sevilla geschah der Verkauf dieser Ländereien in noch<br />

ungehemmterer Form als der des Kirchengutes6B. Waren die kleinen Pächter<br />

<strong>und</strong> die landlosen Tagelöhner Andalusiens schon durch die Pachtsteigerungen<br />

<strong>und</strong> Preiserhöhungen bei im wesentlichen gleichbleibenden<br />

Löhnen geschädigt, die der oft spekulative Erwerb <strong>und</strong> Wiederverkauf<br />

von ehemaligen Besitztümern der Kirche mit sich brachte «», so mußte insbesondere<br />

die nach 1845 einsetzende Umwälzung der Bodenbesitz- <strong>und</strong><br />

es Zitiert nadt J. BicARUD <strong>und</strong> G. Lapouge, Anardiistes d’Espagne. Paris<br />

1970, S. 17»<br />

"V gl- Carr, a. a. O., S. 272 f. Als Beispiel da<strong>für</strong>, daß die Polemik bis in<br />

die jüngste Zeit weitergeht, sei hier nur genannt Cirilo MartIn-Retortillo,<br />

La desamortizaciön y los municipios rurales, in: Revista de Estudios Agro-Sociales<br />

Nr. 6 (Januar-März 1954), S. 83-96. Der Autor hat keine Einsicht in die<br />

Sachzwänge <strong>und</strong> sieht die Desamortisation nicht als die notwendige Begleiterscheinung<br />

einer Krise. Für ihn ist die Desamortisation ein Ausfluß einer „contagio<br />

de afrancesamiento decadente“ (S. 85).<br />

Vgl. C arr, a. a. O., S. 273, Lazo DfAZ, a. a. O., S. 201 ff. <strong>und</strong> P orres<br />

MartIn-C leto, a. a. O., S. 414 f. Ebensowenig ist umstritten, daß aus rein<br />

wirtschaftlicher Sicht mit der Desamortisation die Landwirtschaft in Spanien<br />

einen gewaltigen Aufschwung genommen hat. Ober die weitere Problematik<br />

kann hier nicht ausgeführt werden.<br />

08 Nach Beobachtungen von Lazo DfAZ scheint sich der Adel, der ohnehin<br />

schon riesige Ländereien besessen hatte, bei diesen Veräußerungen stärker als<br />

Käufer beteiligt zu haben. Vielleicht deswegen, weil größere Flächen auf einmal<br />

an eine Person abgegeben wurden als vorher. Vgl. Lazo DIaz, a. a. O., S. 201.<br />

00 Vgl. ebda. S. 200.


326<br />

J ohann H ellwege<br />

.... ._„,,r j.m Sektor der Gemcindeländercicn zusam-<br />

^ m T L f» t" L » d c n Einsdiränkung von Nuanngsred.,.« de. All-<br />

• • r Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden70 verheerende Auswirkungen<br />

haben" Das'^umfangreiche, in Städten bzw. Ortschaften von Stadtgröße<br />

zusammengeballtc Landproletariat77 konnte d.e lange Arbeitslosigkeit<br />

während des Agrarjahres nur mit Hilfe der Haltung von ein wenig<br />

Vieh oder dem Bebauen eines kleinen Studt Landes im Umkreis der<br />

Ortschaften überbrücken <strong>und</strong> war oft genug gezwungen char.tative<br />

von der Gemeinde oder - vor der Desamort.sation des Kirchen- <strong>und</strong><br />

Stiftuneseutes - durch die Kirche sowie fromme Stiftungen getragene<br />

Hilfseinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeiten der Existenzsicherung<br />

entfielen <strong>für</strong> die zwar sozial keineswegs aber der Zahl<br />

nach schwachen Randgruppen der Gesellschaft, als die doktrmar-besitzindividualistische<br />

Rechts- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>ordnung die „sozialen Einrichtungen<br />

auf genossenschaftlicher Basis (de molde social y colectivo), die das<br />

eigentliche Wesen der historischen Besitzverfassung in Spanien ausmachen“<br />

*, verschwinden bzw. sie sich soweit fortentwickeln ließ, daß sie<br />

ihre charakteristische Physionomie einbüßten. In der Forderung nach<br />

dem Reparto, der gewaltsamen Neuverteilung des Bodens, in an die<br />

Jacquerie erinnernde Brandstiftungen <strong>und</strong> Verwüstungen an Feldern<br />

<strong>und</strong> Gebäuden der Reichen sowie im Verbrennen der Kataster machte<br />

sich die Enttäuschung <strong>und</strong> Verzweiflung Luft73. Gerade die letztere<br />

to Vel. T. GARCfA FernAndez, Champs ouverts et champs clotures en Vieille-<br />

Castille, in: Annales. Jg. 20, Nr. 4 (Juli-August 1965), S. 715 ff. <strong>und</strong> A. Huetz<br />

de Lemps, Les terroirs en Vieille Castille et Lcion: un type de structure agraire,<br />

in: Annales. Jg. 17, Nr. 2 (März-April 1962), S. 239-251. Vgl. auch das Kap.<br />

„Compascuo y Derrota de Mieses“ in J. Costa, Colectivismo Agrano en sp<br />

(Ausgabe Buenos Aires 1944), S. 370—391.<br />

71 Gerade die Struktur der Ortschaften in der Campina Andalusiens, Urte<br />

ohne jede Industrie mit 10, 20 ja 30 000 Einwohnern, die alle von der Landwirtschaft<br />

leben wollen <strong>und</strong> müssen, verschärft das Elend, macht anderersei<br />

aber durch die „animacidn“, die geboten wird <strong>und</strong> dem Andalusier so wi tig<br />

ist, das Leben erträglich. Eine Neuaufteilung des Bodens wird hier immer yer<br />

geblich bleiben, wenn nicht zugleich auch Arbeitsplätze durch Industrieansie<br />

lung geschaffen werden. Vgl. Carr, a. a. O., S. 27 <strong>und</strong> J. Caro Baroja, n<br />

campina de Cdrdoba (Observaciones de 1949), in: Razas, Pueblos y Linajes.<br />

Madrid 1957, S. 240.<br />

7S Vinas Y Mey, a. a. O., S. 3. ~-<br />

73 Vgl. Comellas, a. a. O., S. 89 <strong>und</strong> Lazo D iaz, a. a. O., S. 38 ff. mter'<br />

essant ist, daß sich die Plünderer auf das alte Recht zur „rebusca“ bzw. »r^<br />

colecciön", der Nachsuche, beriefen. Vgl. ebda. S. 39. Zum Verlauf dieser tru<br />

hen Revolten vgl. DIaz del Moral, a. a. O., Kap. 4, <strong>und</strong> H ennessy, a. a. •><br />

S. 21.<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 327<br />

Handlung stellt den Versuch dar, den alten Zustand des genossenschaftlichen<br />

Eigentums wiederherzustellcn u .<br />

Aber auch einzelne Gewerbe, wie z. B. das der Maultiertreiber <strong>und</strong><br />

Zimmerleute, wurden durch die Privatisierung der Gemeindeländereien<br />

ernstlich bedroht. Die Ersteren weideten ihre Tiere unterwegs auf den<br />

Bienes Comunales, die zumeist nicht nur den Vollbürgem der Ortschaften<br />

offen standen. Die Zimmerleute bezogen das Holz aus den Gemeindewaldungen,<br />

die jetzt der Staat oder Privatleute an sich brachten 75. Gemeinden<br />

in nördlicheren Regionen, wo von den natürlichen Bedingungen<br />

her nicht die zum Überleben erforderlichen Mengen an Brotgetreide produziert<br />

werden konnten, <strong>und</strong> die deshalb häufig aus der Fertigung <strong>und</strong><br />

dem Handel mit hölzernen Gerätschaften verschiedenster An die Einkünfte<br />

gewannen, um die erforderlichen Lebensmittel erwerben zu können,<br />

sahen sich in ihrer Existenz bedroht, als ihnen die Waldungen <strong>und</strong><br />

das Schlagrecht in den Wäldern genommen wurden78. Wo die Wälder<br />

74 In dem Akt der Verbrennung des Katasters, also von Reditsunterlagen,<br />

drückt sich natürlich noch sehr viel mehr aus. Abgesehen von einer durchaus<br />

möglichen tiefenpsychologischen Deutung des Vorganges wird in diesem Akt<br />

auch ein Protest gegen Nicht-Vecinos als Bodenkäufer <strong>und</strong> gegen eine Besteuerung<br />

nach dem im Kataster ausgewiesenen Gr<strong>und</strong>besitz zu sehen sein.<br />

75 Vgl. Carr, a. a. O., S. 273, Anm. 1. Die Behandlung des Waldes im Rahmen<br />

der Desamortisation, bzw. das Eingreifen des Staates gegen eine vollständige<br />

Privatisierung der Wälder, kann hier nicht ausführlicher dargestellt werden.<br />

Vgl. den Überblick Marla-Pilar Laso <strong>und</strong> Erich Bauer, La propiedad<br />

forestal en Espana. Madrid 1964, insb. S. 25 ff. Apolinar de Rato, Venta de<br />

los Montes por el Estado, in: Boletln de la Sociedad Geogräfica de Madrid Bd.<br />

XX, Nr. 4—5 (April-Mai 1886), S. 234—241, zeigt die Emotionen, die die Diskussion<br />

belastet haben.<br />

70 Als gegen Ende des 19. Jh. die den sechs Gemeinden des Concejo General<br />

de Valdeburön gehörenden Waldungen unter staatliche Verwaltung gestellt<br />

wurden, hörte das Schlagen von Holz durch die Einwohner auf, denn große<br />

Holzhändler erhielten bei den Versteigerungen den Zuschlag, die jetzt im Zuge<br />

der modernen Forstverwaltung eingeführt wurden. Damit wurde eine traditionelle<br />

Bestätigung der Bewohner dieser Bergregion unmöglich, die darin bestanden<br />

hatte, hölzerne Ackergerätschaften <strong>und</strong> Wagen aus in den Gemeindewaldungen<br />

geschlagenem Holz zu fertigen <strong>und</strong> auf den Messen in Medina de RIoseco,<br />

Medina del Campo, Villalon <strong>und</strong> Tordesillas zu verkaufen. Auf dem<br />

Rückweg wurden das Getreide <strong>und</strong> der Wein aus dem Verkaufserlös erworben,<br />

die die heimatlichen Äcker nicht in ausreichender Menge oder gar nicht hervorbrachten.<br />

Mit der Einführung neuer Milchkuhrassen — heute ist die Schweizer<br />

Kuh eingeführt — gelang es den Bewohnern, die bisher sek<strong>und</strong>äre Viehwirtschaft<br />

zum ausschließlichen Erwerbszweig umzugestalten <strong>und</strong> die Krise zu überbrüdccn.<br />

Von größter Bedeutung erwiesen sich dabei die aus der Vergangenheit<br />

überkommenen, im Gegensatz zum spärlichen Ackerland nicht in Privathand


J ohann H ellwege<br />

, ,« »I« Sommerweiden wichtiger Bestandteil der Viehwirtsdiaft<br />

vlbervlics ftls yon verschiedenen Ortschaften in Gemeinschaft gexvaren<br />

<strong>und</strong> • ^ dcr Eingriff des Staates nicht selten eine 2ernutst<br />

wur . „ „ wirts(haft 77. Gerade in der Usurpierung zuvor<br />

Störung der • Gr<strong>und</strong>hcrrcn anerkannter Waldungen <strong>und</strong> Weiden bei<br />

als EtBcnt«1« „csctzlichcn Aufhebung der Gr<strong>und</strong>herrschaft hatte<br />

£ 2 ' sin" in de” Ge“ inde” dt",M<br />

" Ä T D ß a m o n is a t io n <strong>und</strong> der PnVnüsierung der Gmeindelä».<br />

, , • , aW auch das Leben in der Gemeinschaft des Mumzipmms<br />

T i d T n d gesAwtcht worden. Abgesehen vom Verfall bzw. Wegfall<br />

gcnosscmdiaftHdien Sinn fördarndun Flurawang-, = *<br />

in vielen europäisdien Ländern mit dem Anbruch der mdnsmeUen Epod,.<br />

•-Jlte+i-ercnnssensdiaftlichen Weideländereien, die z. T. nur<br />

übergeleiteten gemei Ortschaft z. T. aber auch in „mancomunidad“ von<br />

7 n Fwohnem" aller sechs Ortschaften zusammen genutzt wurden Heute ist<br />

den Einwohnern aller<br />

e;nes der w;ditigsten Zentren der spam-<br />

Hä k ä ä ä<br />

S Ä S v U Valenti, El pdm j. t a n » » «n b i t a t<br />

dn Estudioi Tnml.n.« Nr. 7 (jAnn.r-jnn, 1952 . S. 2 «,«"<br />

E l Beispiel <strong>für</strong> eine Weid- <strong>und</strong> F t a f J » “ Sy t a *<br />

von der Größe eines Landkreises Car os de ecea eatensidn, propiedades,<br />

de Segovia. Estudio histönco-legal acerca de su g * pjjer hatte<br />

derechos y estado present, Segovia 1893<br />

»ich eine umfangreiche Selbstverwaltung entwickelt _ S ß pinien.<br />

Eine belgische Gesellschaft hat hier 1840 einen über 200I Hekmr<br />

wald aus den Bicncs Comunalcs erworben, die in diesem F worden, wie<br />

rechte waren. Vgl. ebda. S. 170 ff. Sicherlich ist der Wald gut geht.<br />

f<br />

Mv-P. Laso <strong>und</strong> Erich Bauer, a.a.O., S. 30, Ausfuhren, aber gegen<br />

deren Genossenschaft durch die Gesellschaft bedroht wor en w • Madrid<br />

7* Vgl. S. de Mox6, La disolueiön del regimen senoria en P j-£och-<br />

1965, S, 56, Anm. 126 <strong>und</strong> S. 59, Anm. 135. Es sind hier Bera“ P die tfeiburgen<br />

des Anardiismus wie Alcald del Valle <strong>und</strong> Grazalema ge • ^ jm<br />

den <strong>und</strong> Wald von Gr<strong>und</strong>hcrrcn besetzen. Ortschaften ha e" [y hin-<br />

Verlaufe der kirdilidicn Desamortisation Land zu den Bienes . . agrawgtkauftl<br />

Vgl. z. B. Antonio L6pez Gömez, Valdelaguna. Oo ^ 57 ^ 0.<br />

tUt en las momaflai burgalcsas, in: Estudios Geogrdficos J g . j der<br />

vertiber 1954) S. 552. Andererseits hatte sich gerade in der<br />

ComunaUf |cgcn Übergriffe der Gr<strong>und</strong>herren das Muniz<br />

zu$an>'<br />

^ ^<br />

//j*»g«i(Jiloiscn <strong>und</strong> war vor Gcridit gegangen. Vgl. Moxö, a. a. ■><br />

Gcnossensdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus L Spanien 329<br />

beobachten laßt70, sind mit dem Einbruch des Besitzindividualismus auch<br />

gemeinschaftlich-genossenschaftliche Einrichtungen <strong>und</strong> das Zusammenleben<br />

in der dörflichen Gemeinschaft regelnde Mechanismen <strong>und</strong> Ordnungen<br />

zerstört bzw. ausgehöhlt worden, die in ihrer Zahl <strong>und</strong> Verbreitung<br />

wohl gerade die Besonderheit der spanischen genossenschaftlichen<br />

Tradition ausmachen.<br />

Die Bruderschaften, die nicht nur eine gesellschaftliche <strong>und</strong> religiöse<br />

Aufgabe erfüllten, sondern die verschiedenartigsten sozial-<strong>für</strong>sorgerischen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Funktionen übernehmen konnten80, wurden<br />

mit dem Verkauf ihres Haus- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitzes im Zuge der Desamortisation<br />

häufig zerstört«. Wie wohl in keinem anderen Land Europas<br />

war die städtische <strong>und</strong> ländliche Bevölkerung seit Jahrh<strong>und</strong>erten in sol-<br />

70 Vgl. zum Beispiel <strong>für</strong> Deutschland Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen<br />

Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jh. (Deutsche Aerargeschichte,<br />

hg. v. G. Franz, Bd. III). 2. Aufl. Stuttgart 1967, S. 267 ff. <strong>und</strong><br />

Bernd Andreae, Fruchtfolgen <strong>und</strong> Fruchtfolgesystemc in Niedersachsen Bremen-Horn<br />

1952.<br />

80 Die Geschichte der spanischen Bruderschaften der Neuzeit ist kaum beiint’<br />

^ nn8Ieidl s!ch audl «ne zahlreiche Titel umfassende Bibliographie herstellen<br />

läßt. Meistens hält man sich an Nebensächlichkeiten von rein lokalem<br />

Interesse auf, so daß die meisten Darstellungen ins Folkloristische abgleiten.<br />

Es sei hier auf die herausragende Arbeit von Antonio Rumeu de Armas, Histo- \<br />

na de la previsiön social en Espana. Cofradlas-Gremios-Hermandades-Monte- »<br />

plos. Madrid 1944, verwiesen. Aus dem Titel geht schon hervor, daß das Hauptaugenmerk<br />

auf den sozial<strong>für</strong>sorgerischen Aspekt gelegt wurde.<br />

81 Vgl. J. P orres MartIn-C leto, La desamortizacidn del siglo XIX en<br />

Toledo. Toi. 1965, S. 264 passim, S. 405. Porres verzeichnet die Besitzungen der<br />

einzelnen Bruderschaften. Es sei aufmerksam gemacht auf die Cofradla de la Virgen<br />

y Madre de Dios, „probablemente la de mayor solidez econömica de Toledo“.<br />

Sie besaß 14 Häuser, 500 Fanegas an Weideland in Talavera mit 2.500<br />

Reales an jährlicher Pachteinnahme, weiter 90 Fanegas Land mit 80 Olivenbaumen<br />

in Almonacid, die 150 Reales im Jahr einbrachten, sowie 906,25 Reales<br />

an Zinseinnahmen aus drei ausgegebenen Krediten über insgesamt 27 615<br />

Reales. Vgl. ebda. S. 279 f. Nun darf man dies Beispiel nicht verallgemeinern,<br />

denn wenigstens am Ende des 18. Jhs. bestanden die Einkünfte der meisten<br />

Bruderschaften aus Almosen, Gewinnen aus Lotterien, Spendensammlungen etc.<br />

Vgl. die Berichte der Provinzintendanten aus dem Jahre 1773. Arehivo Histönco<br />

National, Consejos Suprimidos Legs. 7091—7098. Ich werde demnächst<br />

über die spanischen Bruderschaften eine Arbeit vorlegen. — Es sei hier noch als<br />

Kuriosität erwähnt, daß die Casa de Misericordia in Valladolid aus dem Verkauf<br />

des Bestandes an Wadis der ihr zugeschlagenen Bruderschaften 35 246<br />

Reales erlösen konnte (1785). Razön de la Cera bendida de las cofradfas agregadas<br />

i esta Real Casa de Misericordia en Valladolid i 29 de Septiembre de<br />

1785. Arehivo Histdrico Provincial (Valladolid), Fondos de la Diputacidn Leg.<br />

33. Eine Desamortisation erfaßte selbst diese Dinge! I


330<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 331<br />

dien mutualistisdicn Organisationen zusammcngcsdilossen “ Am Ende<br />

des Anden Regime zählte man in Spanien bei einer Bevölkerung von etwa<br />

10 Millionen Einwohnern nidn weniger als etwa 28 000 Brudersdiaften<br />

M. Sind diese Gcscllungseinheitcn sdion gar nid« aus dem kirchlichen<br />

Leben <strong>und</strong> den öffentlichen Festlidikeitcn wegzudenken, so wird man<br />

auch schwerlich die Rolle der Bruderschaften im Leben des Einzelnen<br />

überschätzen können. In der Funktion einer Krankenkasse, einer Kreditanstalt,<br />

einer Versidierung gegen Viehsterben etc. bzw. als Träger des<br />

örtlichen Hospitals <strong>und</strong> der lokalen Krankenpflege bewahrte die Bruder-<br />

65 Dabei waren Mitgliedschaften in mehreren Bruderschaften zur gleichen<br />

Zeit durchaus üblich. Vgl. z. B. das Testament des berühmten Kaufmannes <strong>und</strong><br />

Bankiers Sim6n Ruiz vom 10. März 1597, § 4: „ ... que para enterrarme Hamen<br />

al cabildo mayor de la dicha villa, y a las cofradias de la Santa Charidad de<br />

csta villa, y del Santlssimo Sacramento de la Iglcsia de Sahagun, y de Cruz,<br />

de las qualcs Cofradias yo soy cofrade, para que con los mas cofradcs que se<br />

hallarcn, acompancn mi cucrpo“. Ein gedrucktes Exemplar in Archivo Histörico<br />

Provincial (Valladolid), Fondos de la Diputaciön Leg. 60. Vgl. auch Testament<br />

der Maria Pörez, vecina aus Fuenlabrada, vom 7. August 1615: „A las<br />

quatro cofradias de estc lugar de que soi cofrada que son las del Santissimo<br />

Sacramento, Veracruz y nuestra Seiiora de el rosario y Concepcion mando de<br />

limosma a doce reales a cada una con que den a dos achas que ardan a la misa<br />

de mi enterramiento y a la de mi cabo de ano“. Archivo de la Chancillerla<br />

(Valladolid), Sala de Hijosdalgo Leg. 257. Exp. 4. Gerade die Frau, insbesondere<br />

die verwitwete Frau, scheint im Rahmen der Bruderschaften ein ganz erstaunliches<br />

Maß an Freiheiten genossen zu haben.<br />

83 Der »Plan que manifiesta los Gastos de las Cofradias, Hermandades y<br />

Cuerpos Colegiados de estos Reinos . . . , vom 30, Oktober 1775, Madrid (Archivo<br />

Histörico Nacional, Consejos Suprimidos Leg. 7090, Exp.: Expediente<br />

general sobre estineiön y arrcglo de las cofradias erigidas en las Provincias y<br />

diocesis del Reyno, Folio 201), verzeichnet:<br />

Zahl der Bruderschaften,<br />

Zünfte, Corporationen<br />

In den Provinzen der Krone von Kastilien:<br />

In den Provinzen der Krone von Aragön:<br />

19 024 (+)<br />

6 557<br />

25 581<br />

(h) Es sind nicht einbegriffen die Bruderschaften der Intendanturen Salamanca,<br />

Ciudad Rodrigo, Cuenca, Granada <strong>und</strong> Jaön, sowie der Kanarischen Inseln,<br />

der Stadt Soria <strong>und</strong> 150 Ortschaften der Provinz Soria sowie der Ortschaften<br />

Galiciens mit Ausnahme der sieben Partidohauptstädte. Ebenso fehlen die Bruderschaften<br />

aus Madrid. Die Zahl von 28 000 Bruderschaften in Spanien ist<br />

wahrscheinlich sogar noch zu niedrig angesetzt. Auf regionale <strong>und</strong> lokale Massierungen,<br />

die sich durchaus beobachten lassen, kann hier nicht eingegangen werden.<br />

schafc das Individuum vor Schaden <strong>und</strong> Unglück während des Lebens8«.<br />

Als Witwen- <strong>und</strong> Waisenkasse bzw. als Vereinigung zum Gebet <strong>und</strong> zur<br />

Durchführung von Gedächtnismessen sorgte die Bruderschaft nach dem<br />

Tode ihrer Mitglieder <strong>für</strong> die Hinterbliebenen <strong>und</strong> das Seelenheil des<br />

Verstorbenen85. Als Disziplinarorgan, aber auch als Einrichtung der<br />

Aussöhnung zwischen den Parteien wird man den Bruderschaften eine<br />

erhebliche Rolle in der Friedenswahrung zumessen müssen88. Zahlreich<br />

83 Vgl. Rumeu de Armas, a. a. O., <strong>und</strong> aus der Fülle der Literatur, die hier<br />

zitiert werden könnte, sei verwiesen auf Marfa J i m &n e z Salas, Historia de la<br />

asistencia social en Espana en la Edad Moderna (Monograffas Histörico-Sociales<br />

IV). Madrid (1958), bes. S. 147 ff. <strong>und</strong> Anhang S. 259 ff. In der Unordnung<br />

<strong>und</strong> Unübersichtlichkeit des Buches spiegelt sich das behandelte Thema.<br />

88 Die Bruderschaften erlebten ihre erste große Blütezeit in der Krise des<br />

Spätmittelalters, etwa vom 14. bis 16. Jh., <strong>und</strong> ihr Aufkommen ist sicherlich<br />

im Zusammenhang mit der ökonomischen Krisensituation, den Epidemien <strong>und</strong><br />

massenpsychotischen Erscheinungen dieser Epoche zu sehen.<br />

80 In vielen, auch durchaus schon neuzeitlichen Bruderschaftssatzungen erscheint<br />

die Verpflichtung zur Aussöhnung untereinander, ehe man zu dem nahezu<br />

rituellen Mahl anläßlich der Feiertage der Bruderschaft zu Tisch geht. Diese<br />

Aussöhnung hatte öffentlich, im Kreis der Mitbrüder zu geschehen. Es sei hier<br />

ein aufschlußreiches Beispiel genannt, das zugleich den Komplex Gr<strong>und</strong>herrschaft:<br />

Genossenschaft berührt. Im Jahre 1524 gab sich die Geißlerbrüderschaft<br />

vom Wahren Kreuz (cofradfa de la vera cruz de los hermanos disciplinantes)<br />

aus Villalpando eine Satzung. Hier heißt es:<br />

» ... Por quanto entre todos christianos paresse mal qualquier division que aya<br />

quanto mas y quanto peor parescera averla entre los hermanos que nos avemos<br />

vitado en la cofradia de la sancta cruz y por esto acordamos y mandamos que<br />

el domingo de ramos primero que viene y todos los otros domingos de ramos<br />

que de aqui adelantefueren hasta la fin del m<strong>und</strong>o nos ayamos de juntar en el<br />

monasterio de San Francisco desta villa de villalpando a las dos despues del<br />

medio dia en la casa donde solemos comer y alii juntos nos perdonemos los unos<br />

a los otros todas nuestras injurias y ofensas y malquerencias y el hermano que no<br />

quisiere perdonar al hermano confrade que pague dos libras de cera para la<br />

cofradia y no sea mas tenido por cofrade ni pueda estar en nuestro ayuntamiento<br />

asta que nos sea manifiesto que el tal cofrade a perdonado a todos con quienes<br />

tuyiere diferencia.“ „Otrosi por quanto entre los hermanos dexado las ofensas y<br />

injurias personales puede aver diferencias de hazienda mandamos... nombremos<br />

quatro personas entre nosotros que se Hamen los concertadores y que estos quatros<br />

miren solamente de trabajar todo lo a eUos posible y por todas las vias y maneras<br />

que pudieren de concertar los hermanos que denen o pueden tener algunas<br />

diferencias agora scan por erencia o de otra manera... e que los dichos quatro<br />

concertadores ayan de tener en cada domingo de ramos por escripto y memorial<br />

de todas las diferencias que an atajado yde todas las que no an podido atajar<br />

porque nuestra voluntad es que todos vibamos en una buena hermandad porque<br />

mas limpiamente y con mejores consecuencias podamos servir a nuestro senor.“<br />

(Nach dem Zusatz, daß jede Änderung der Satzung mit dem Condestable zu<br />

erörtern sei, folgen die Unterschriften des Duque de Frias als Gr<strong>und</strong>herrn<br />

(24. 4. 1524) <strong>und</strong> des Bischofs von Leön. Archivo Histörico Nacional, Cödices<br />

1187 B).


332<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 333<br />

sind aber auch die Klagen, daß man sich im Dienste der Bruderschaft —<br />

z. B. als ihr Vorsteher — oftmals ruinierte, weil, aus der Rolle heraus,<br />

die die Bruderschaften im lokalen Leben spielten, man sich diesen, mit<br />

hohen finanziellen Aufwendungen verb<strong>und</strong>enen Ehrenämtern nicht entziehen<br />

konnte, wollte man nicht das Gesicht verlieren87. Daneben finden<br />

sich aber auch viele Beispiele da<strong>für</strong>, daß die Angehörigen einer Bruderschaft<br />

gemeinsam ein der Bruderschaft gehörendes Stüde Land bearbeiteten<br />

oder eine der Bruderschaft gehörende Schafherde verpachteten, um<br />

aus dem Verkauf der Produkte bzw. den Pachteinnahmen nicht nur die<br />

zumeist recht üppigen Festmähler zu bestreiten, sondern auch Hilfsfonds<br />

zu begründen <strong>und</strong> Rücklagen zu schaffen 88. In Navarra lassen sich zahlreiche<br />

Bruderschaften nachweisen, die gemeinsam mit dem Halten von<br />

Milchvieh — bis zu solchen Größenordnungen, daß Hirten <strong>und</strong> Melker<br />

angestellt werden mußten — wirtschaftlich tätig wurden80. Schließlich<br />

diente die Form der Bruderschaften auch dazu, kapitalintensive Gewerbe,<br />

wie etwa die Hochseefischerei, zu ermöglichen <strong>und</strong> Risiken abzudekken.<br />

Selbst Absatzgenossenschaften in Gestalt von Bruderschaften lassen<br />

Hier wird offenbar nach dem Aufstand der Comunidades eine Bruderschaft<br />

durch einen Gr<strong>und</strong>herren als Schieds- <strong>und</strong> Schlichtungsinstrument benutzt.<br />

87 Vgl. Espediente general sobre estincion y arreglo de las cofradlas erigidas<br />

en las provincias y diocesis del Reyno. Ardiivo Histörico Nacional, Consejos<br />

Suprimidos Leg. 7090.<br />

89 Vgl. J. C osta, Colectivismo Agrario, S. 409 ff. Vgl. z. B. den Pachtvertrag<br />

zwischen der Bruderschaft der Heiligen Maria aus Tudela <strong>und</strong> Gabriel<br />

Maestro aus Renedo über 119 von der Bruderschaft gepachtete Schafe, der nach<br />

öffentlicher Versteigerung am 5. 6. 1796 in Tudela abgeschlossen wurde. Archivo<br />

Histörico Provincial (Valladolid), Fpndos de la Diputaciön Leg. 40. Maestro<br />

zahlte pro Schaf jährlich fünf Reales <strong>und</strong> mußte dazu zwei Lämmer an die<br />

Bruderschaft abgeben. Die Laufzeit betrug fünf Jahre: In der Ortschaft Cintruenigo<br />

(Navarra) war 1770 gerade eine auf kollektiver Wirtschaft beruhende<br />

Bruderschaft im Entstehen begriffen. Von der Bruderschaft des Heiligen San<br />

Isidro der Bauern heißt es: „Por no tener rentas algunas, se contribuie por cada<br />

Labrador, algun dia a labrar con sus cavallerias las tierras que se arrendaren,<br />

y con su producto, se compran tierras para el Sancto: y con este arvitrio se han<br />

comprado algunas tierras que se administran y siembran.“ Vgl. das in Anm.<br />

89 genannte Dokument, Fol. 106 v.<br />

i dem ,^stai^0 General. . . de todas las Cofradlas que hay en los puebos<br />

de las 5 Merindades del Reyno de Navarra (1770), Archivo Histörico Nacionai,<br />

Consejos Suprimidos Leg. 7096 gab es z. B.: In Cortes eine Bruderschaft<br />

es eiligen Michael, die 60 Kühe ihr Eigen nannte <strong>und</strong> den Hirten mit 600<br />

reales im Jahr entlohnte. (Fol. 121r.) In Sesma eine Cofradla de Animas mit<br />

„HO reses de lana que se mantienen en las iervas de la villa“ (Fol. 253r.) Hier<br />

Wlr j I* • ef? ndunß von Bruderschaft <strong>und</strong> Bienes Comunales deutlich, die<br />

gerade bei solchen Hirtenbruderschaften wohl immer gegeben ist.<br />

sich beobachten00. Jede Zunft verfügte über eine Bruderschaft, <strong>und</strong> selbst<br />

Bettler, Diebe, Schauspieler <strong>und</strong> andere nicht gerade hochgeachtete Gruppen<br />

schlossen sich in dieser Organisationsform zusammen. Kleinere O rtschaften,<br />

aber auch die Bewohner einzelner Stadtviertel organisierten sich<br />

in Bruderschaften, um neben der Erhaltung der Kirche andere Gemeinschaftsaufgaben<br />

besser bewältigen zu können01. Es sei schließlich die<br />

00 Vgl. Lorenzo Sanfeliu, La cofradla de San Martin de hijosdalgo navegantes<br />

y mareantes de Laredo (Apuntes para su historia). Madrid 1944, <strong>und</strong><br />

Joaquin C osta, Colectivismo agrario, S. 423 ff. Kap.: Colectivismo Pesquero.<br />

Vgl. auch die Ordonnanzen der Bruderschaft des Heiligen Peter aus Bermeo<br />

(1530?), Archivo de la Chancillcrla (Valladolid), Pleitos de Vizcaya Leg. 1330,<br />

Exp. 6. Als Beispiel einer Absatzbruderschaft sei auf die „Cofradla de San<br />

Gregorio Nazianzeno de cosedieros propietarios de viiias, de la villa de Bilbao,<br />

su dezmatorio y campanil en que es comprehcndida la Anteiglesia de Beyona*<br />

hingewiesen. Diese Bruderschaft, zu der auch einige Geistliche gehörten, hat mit<br />

allen rechtlichen <strong>und</strong> gerichtlichen Mitteln versucht, die Weine aus der Rioja<br />

vom Markt fernzuhalten, „ynterin se venden y consumen los chocolles (dünner<br />

Wein) de la propia cosecha“. Es war eine vollständige Absatzorganisation aufgebaut<br />

worden, wobei die Schankwirte durch Kontrolleure der Bruderschaft<br />

überprüft wurden, ob sie nicht Weine aus der Rioja ausschenkten. Wirtschaftshistoriker<br />

seien nachdrücklich auf den 1362 (!) Folios umfassenden Pleito aufmerksam<br />

gemacht in Chancillerla (Valladolid), Pleitos de Vizcaya, Leg. 502,<br />

Exp. 2 (Die Auseinandersetzungen ziehen sich durch die zweite Hälfte des 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts).<br />

01 Dieser Brauch läßt sich besonders häufig in den baskischen Provinzen <strong>und</strong><br />

in Navarra beobachten, ist aber keineswegs auf diese Regionen beschränkt.<br />

Solche Bruderschaften (meistens „de Animas“ oder „del Rosario“) waren in der<br />

Regel der Pfarrei angeschlossen <strong>und</strong> nicht einem Kloster, einer Einsiedelei etc.<br />

Es sei ein Beispiel aus Pamplona wiedergegeben, das die Bedeutung dieser Bruderschaften<br />

<strong>für</strong> das Gemeinschaftsleben sichtbar macht:<br />

„Zapaterias.<br />

En este Barrio se nombra un Prior y dos mayorales el terzer dia de Pasqua de<br />

Resurrecciön y en el y en la Parroquia de San Nicolas se zelebra una misa por los<br />

difuntos del Barrio, por cuia limosna se dan 16 o 18 reales de plata, que se paga<br />

y distribuie entre los Vezinos, con proporcion a su posibiüdad y a sus Resultas<br />

da el Prior en la calle publica dos Tortas de a dos libras y un cantaro de vino<br />

para todos los vecinos. El primer dia de Pasqua asisten todos los Vezinos con<br />

el Prior a la Misa Popular de la Parroquia y al regreso de ella da el Prior otra<br />

igual refaccion o agasajo, y por la tarde despues de asistir todos los vezinos a las<br />

Visperas de dicha Parroquia salen de comunidad a un lugar publico exterior en<br />

que se reconzilian los que no estan corrientes en su amistad y buelben a la Casa<br />

del Prior donde les da un rcfresco de Pan, Vino y queso, en todo lo quäl y en un<br />

farol que se enziende todas las noches al oscurecer y alumbra de una Ymagen<br />

de Nuestra Senora de Beldn, y a la Calle gasta el Prior como 200 reales de Plata.<br />

Los unicos fondos de este Barrio es un Censo de 100 ducados de plata de capital,<br />

que produze 3 de renta, que se emplean en reparo y limpieza del pozo comun del<br />

Barrio composiciön del farol quatro reales al escribano y si algo sobra, se da<br />

alos Pobres del Barrio.“


334<br />

J ohann H ellwege<br />

Rolk der Bmiendmftci. erwähnt, d,= s,e Ms t o <strong>und</strong> A nfang® *«<br />

ß r Dn».en- «nd Stüdtctireiber, aber and. <strong>für</strong> die b.ldend.n Knnsder<br />

L i c i t haben, intbe.onder. nad,dem d.e groSen Vermögen ,m Verlauf.<br />

L 16 <strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts zerstört worden warenWie tief die von<br />

allen Bruderschaften gepflegte Verehrung des Sdiutzpatrons einer Ortschaft<br />

eines Gewerbes oder einer Region in die Mentalität der Bevölkerung<br />

Eingang fand bzw. durch sie gefördert wurde zeigt ein von Langdon-Davics<br />

berichteter Gesang aragonesischer Anarchisten aus dem Jahre<br />

1936: . _ , .<br />

„La Virgcn del Pilar dice que no quiere ser Fachista<br />

Es el Capitdn General del partido anarchista“03.<br />

Angesichts dieses Brauchtums riet selbst der den Bruderschaften feindlich gesonnene<br />

Intendant zur Mäßigung. „Pcro como los Vizinos desdc el cstablccimiento<br />

de los Barrios, cuio prinzipio se ignora, estan en csta costumbre, y es el<br />

unico alicientc para la concurrencia, a los Actos del Barrio de Reconzihacion,<br />

Amistad y Union pudicra esta novedad (die Aufhebung der Bruderschaft) turbarlos<br />

en la continuacion y desviarlos de la buena armonia, con que se aplican<br />

e intcrcsan en la quictud, y bucn gobicrno del Barno. Vgl. Joseph Lanuza an<br />

Conde de Aranda vom 3. 1772, Pamplona Estado General de todas las<br />

cofradias que bay en los pueblos de las Menndades del Reyno de Navarra,<br />

Fol. 5r—5v. <strong>und</strong> angelegtes Schreiben. Archivo Histdnco Nacional, Consejo<br />

SU?:*Vgl Noel Salomon, Sur les representations thcatrales dans les „pueblos<br />

des provinces de Madrid ec Tolede (1589-1640), in: Bulletin Hispanique Nr. 62<br />

(1960), S. 398—422, <strong>und</strong> N. D. Shergold, A History of the Spanish Stage trom<br />

Medieval Times until the End of the Seventeenth Century. Oxford 1967. In<br />

Notariatsarchiven begegnet man auf Schritt <strong>und</strong> Tritt Verträgen zwischen ru<br />

derschaften <strong>und</strong> Künstlern, die einen Altar fertigen, ein Bild malen etc. im<br />

Namen <strong>und</strong> auf Rechnung der Bruderschaft. Hier ist ein m. W. noch völlig un<br />

bearbeitetes Feld <strong>für</strong> die spanische Kunstgeschichte! Was die Franzosen ni t<br />

geraubt hatten, ist dann im Verlaufe der Desamortisation zu großen Teilen ver<br />

schw<strong>und</strong>en. Vgl. z. B. Exposiciön que la Hermandad de la Santa Candad e<br />

Sevilla dirige al Excmo. Sr. Ministro de Fomento, en demanda del cuadro de su<br />

propiedad Santa Isabel, de Murillo y en contestacidn al dictamen de la Rca<br />

Academia de San Fernando que indebidamente lo retiene. Sevilla 1891. **.<br />

Nun auf ähnliche Weise sind ja auch viele Sammlungen in Deutschland „begründet“<br />

worden. Vgl. Gudrun C alov, Museen <strong>und</strong> Sammler des 19. Jhs. in<br />

Deutschland. (Museumsk<strong>und</strong>e, hg. v. Deutschen Muscumsb<strong>und</strong>, 38. Band, 1969,<br />

10. Band der 3. Folge). Berlin 1969.<br />

93 J. Langdon-D avies, Behind the Spanish Barricades. London 1936, S. 45.<br />

Langdon-D. berichtet über ein Dorf in den Pyrenäen, in dem man den Heiligen<br />

Eudald verehrte, der in einem Nagelfaß zu Tode gemartert worden<br />

war. Bei Prozessionen soll es vorgekommen sein, daß der Schrein vor einem<br />

Nagel- <strong>und</strong> Hausratgeschäft plötzlich so schwer wurde, daß man ihn absetzen<br />

mußte. Als die Anarcho-Syndikalisten 1936 die Kirchen in Katalonien abbrannten,<br />

so erzählt Langdon-D. mit Pokergesicht als wahr verbürgt, „six triumphant<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 335<br />

Die Geschichte der Bruderschaften in Spanien ist kaum erforscht.<br />

Gerade in ihnen, so scheint es, wird die genossenschaftliche Tradition<br />

Spaniens ganz besonders deutlich. Wenn man dem Deutschen Vereinsmeierei<br />

nachsagt, dann müßte man dem Spanier Bruderschaftsmeierei<br />

vorwerfen. Es waren in wesentlichen Punkten ganz im Stile der alten<br />

Bruderschaften organisierte, z. T. geheime Gesellschaften wie die berühmt-berüchtigte<br />

„Mano Negra“ in Andalusien oder die mutualistischen<br />

Arbeitergesellschaften in Katalonien, mit denen die Anarchisten den<br />

Kampf gegen die staatlichen Organe <strong>und</strong> die kapitalistische, industrielle<br />

Produktionsweise aufnahmen °4. Ein Vergleich des erst vor kurzem aufgef<strong>und</strong>enen<br />

Reglements der Mano Negra mit einer Bruderschaftssatzung<br />

aus dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert zeigt vom Stil <strong>und</strong> Inhalt her ganz erstaunliche<br />

Gemeinsamkeiten, wenn auch der religiöse Eifer der anarchistischen<br />

Bruderschaft nicht mehr christlichen Charakter trägtM. Gerade die den<br />

Handwerkern <strong>und</strong> Bauern bzw. Landarbeitern gemeinsame genossenschaftliche<br />

Tradition00 <strong>und</strong> die etwa zur gleichen Zeit wie die Desamoranardiists<br />

bore St. Eudald on their shoulders to his second, but probably less<br />

painful, martyrdom. The appointed place was approached by way of the street<br />

with a nail-shop, and, as they passed the shop, Puig saw six anarchists put their<br />

disengaged hands to their belts, draw six revolvers, point them threateningly<br />

in the direction of the Saint, while one said: „If you dare get heavy, we’ll<br />

shoot you.“ The new symbols proved definitely in the ascendant, and St. Eudald,<br />

disheartened, tried no experiments with mass or density. This story is true.“<br />

Ebda., S. 189.<br />

04 Vgl. Clara E. Lida, Agrarian Anarchism in Andalusia. Documents on the<br />

Mano Negra, in: International Review of Social History Vol. XIV (1969), Teil<br />

3, S. 315—352, <strong>und</strong> Casimiro MARTf, Origenes del anarquismo en Barcelona.<br />

Barcelona 1959, S. 29 f.<br />

05 Vgl. das Reglement bei Lida, a. a. O., S. 338—345, etwa mit der Regia, y<br />

Estatutos, de la venerable Hermandad, nuevamente f<strong>und</strong>ada en esta ciudad de<br />

Sevilla, para el amparo, curaciöny hospicio de todos los sacerdotes pobres,<br />

desvalidos, enfermos y peregrinos que a ella concurrieren. Sevilla 1728. Wenn<br />

hier auch Gott statt einer abstrakten sozialen Grechtigkeit angerufen wird, so ist<br />

die Schilderung des sozialen Elends doch im wesentlichen die gleiche. Natürlich<br />

fehlen alle Geheimhaltungsanweisungen, denkt man aber an Cervantes Schilderungen<br />

aus der Unterwelt Sevillas, so finden sich aber doch wieder viele gemeinsame<br />

Elemente zwischen der Mano Negra <strong>und</strong> der Bettler- <strong>und</strong> Gaunerbruderschaft<br />

des 17. Jhs., die es sicherlich gegeben hat <strong>und</strong> die auf Geheimhaltung<br />

hin angelegt war. Nun zeigen alle Vereinssatzungen ein hohes Maß an<br />

Gleichförmigkeit dem Inhalte nach, <strong>und</strong> nicht anders verhält es sich mit Brureschaftsatzungen,<br />

ein eingehender stilistischer Vergleich, der hier besonders weiterhelfen<br />

könnte, muß jedoch an dieser Stelle unterbleiben.<br />

00 Die Handwerker einer Ortschaft hatten natürlich die gleichen Rechte in<br />

der Nutzung der Bienes Comunalcs. Sie waren zusammen mit den Bauern <strong>und</strong>


336<br />

J ohann H ellwege<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 337<br />

tisation sich vollziehende, von ganz ähnlichen sozialen <strong>und</strong> rechtlichen<br />

Konsequenzen begleitete Aufliebung der Zünfte <strong>und</strong> Zunftordnungen r<br />

machen einsichtig, warum es oft gerade Handwerker waren die als<br />

Agitatoren <strong>und</strong> Führerpersönlichkeiten bei anarchistischen Revolten her-<br />

V°Mh dem Niedergang der genossenschaftlich organisierten Bruderschaff<br />

ten ging bereits ein erheblicher Teil der auf Gemeindeebene organisierten<br />

‘ <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> Heil<strong>für</strong>sorge verloren. Aber auch die nicht von Bruderschaften,<br />

sondern aus den Einkünften in Pacht ausgegebener Gemeindeländereien<br />

oder aus eigenem Gr<strong>und</strong>besitz unterhaltenen Hospitäler, die es<br />

in nahezu jeder spanischen Ortschaft gegeben hatte, verschwanden weitgehend<br />

in solchen Gebieten, wo die Desamortisation rigoros durchgesetzt<br />

wurde. Wie gegen die Bruderschaften so war auch der erste Angriff gegen<br />

die Hospitäler <strong>und</strong> die sogenannten Casas de Misericordia — einer Mischung<br />

aus Kranken-, Armen- <strong>und</strong> Arbeitshaus — bereits gegen Ende<br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts von den liberalen Reformern geführt wurden, die<br />

die Brücke vom sogenannten Liberalismus des Ancien Regime zu den<br />

Liberalen des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bilden"®. Wenn die Zusammenlegung der<br />

Tagelöhnern Mitglieder derselben Bruderschaften, wenn man einmal von den<br />

wenigen noch erhaltenen, streng nur einer Berufsgruppe vorbehaltenen Bruderschaften<br />

absieht. Gerade die städtische Wohnwcise der Tagelöhner <strong>und</strong> Bauern<br />

Andalusiens förderte den Kontakt. Es bedurfte gar nicht einmal eines wandernden<br />

Handwerkerelcments, wie es in den massenpsychotischen Unruhen des<br />

Spätmittelalters, aber auch noch der Neuzeit so häufig begegnet, um die soziale<br />

Unruhe auf das Land zu tragen, das es in diesem Sinne in Andalusien während<br />

der langen Monate der Arbeitslosigkeit, die auch die Monate der anarchistischen<br />

Ausbrüche waren, gar nicht gibt. Es sei noch auf ein Wort von Ernest L abrousse<br />

hingewiesen. Er nennt den französischen Weinbauern des 18. Jhs. „einen Handwerker<br />

des Bodens, der im Bewußtsein seiner beruflichen Überlegenheit gegenüber<br />

dem Mann des Pfluges eigentlich ein Abgesandter der Stadt ist“. (La crise<br />

de l'economie franfaise 1 la fin de 1’Ancien Regime et au ddbut de la Revolution.<br />

Paris 1943. Zitiert nach Gonzalo Anes Alvarez, En Espaiia durante el siglo<br />

XVIII: äuge econömico y permanencia de estructuras tradicionales, in: Anuario<br />

del Instituto de Investigaciones Histöricas Nr. 7 (Rosario (Argentinien) 1964),<br />

S. 119. Gerade in Arcos oder Jerez de la Frontera, wo der Anarchismus mit dem<br />

größten Fanatismus <strong>und</strong> mit der schärfsten Gewaltanwendung verfolgt worden<br />

ist, waren Weinbauern die Anführer.<br />

07 Vgl. Comellas, a. a. O., S. 80 ff.<br />

*8 Abgesehen davon dürfte der Analphabetismus unter den Landarbeitern<br />

wesentlich höher gewesen sein als unter Handwerkern. Vgl. auch Pitt-Rivers,<br />

a. a. O., S. 220.<br />

M Vgl. Antonio Elorza, La Ideologfa liberal en la Ilustraciön espanola.<br />

Madrid 1970 <strong>und</strong> Miguel Artola, Los orfgenes de la Espaiia contemporanea.<br />

2 Bde. Madrid 1959. Vgl. auch die genannten Monographien von Mox6 <strong>und</strong><br />

oft winzigen Hospitäler <strong>und</strong> die Auflösung einer großen Zahl von Bruderschaften<br />

bei gleichzeitiger Verwendung ihres Vermögens zur Ausstattung<br />

der neugeschaffenen Casas de Misericordia auch vom Standpunkt<br />

staatlicher Fürsorgepolitik angemessen gewesen sein mag I0°, so<br />

war damit die soziale <strong>und</strong> ärztliche Hilfe in den kleinen Ortschaften<br />

aber entscheidend geschwächt worden. Mit der Umwandlung des Vermögens<br />

der Casas de Misericordia in staatliche Schuldverschreibungen ist<br />

aber dann ein Weg beschritten worden, der in den Ruin dieser tharitativen<br />

Einrichtungen führte, ohne daß von staatlicher Seite inzwischen ein<br />

System der ärztlichen <strong>und</strong> sozialen Fürsorge errichtet worden wäre m .<br />

Ähnlich sind auch die zum Teil jahrh<strong>und</strong>ertealten, zum Teil erst unter<br />

energischer Förderung der Regierung während der zweiten Hälfte des<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts begründeten Getreidemagazine, deren es 1793 nicht<br />

weniger als 8 090 in Spanien gab, angetastet <strong>und</strong> schließlich weitgehend<br />

zerstört worden. Begründet, um dem bedürftigen Bauern zu geringem<br />

Zins Saatgut <strong>und</strong> um den Gemeinden in Notzeiten preiswertes Getreide<br />

zum Brotbacken zur Verfügung zu stellen, hatten sich die Positos — die<br />

Getreidemagazine — gelegentlich allerdings auch an der Spekulation<br />

mit dem Getreide beteiligt102. Mit der zwangsweisen Übernahme von<br />

Vinas y Mey. Der sehr komplizierte Vorgang, wie er etwa in der Entwicklung<br />

des Agrarreformgesetzes von Campomanes über den Jovellanos des Ancien Regime<br />

hin zum Jovellanos der Cortes von Cadiz sichtbar ist, kann hier nicht<br />

dargestellt werden. Vgl. bcs. G. Anes Alvarez, El informe sobre la ley agraria<br />

y la Real Sociedad Econömica Matritense de Amigos del Pais, in: Homenaje a<br />

don Ramön Carande Bd. I (Madrid 1963), S. 23—63, <strong>und</strong> Ramön Prieto<br />

Bances, Campomanes y Jovellanos ante el rdgimen agrario de Asturias, in:<br />

Anuario de Historia del Derecho Espanol Bd. XXXI (1961), S. 269—280. Zur<br />

<strong>Sozial</strong>politik des ausgehenden Ancien Regime sei hier nur genannt William J.<br />

Callahan, The Problem of Confinement: An Aspect of Poor Relief in Eightf<br />

eenth-Century Spain, in: The Hispanic American Historical Review Bd. 51,<br />

Nr. 1 (Februar 1971), S. 1—24.<br />

too Als Beispiel einer solchen Zusammenlegung ist in der nebenstehenden<br />

Tabelle das aus Medina del Campo <strong>und</strong> Umgebung der Casa de Misericordia in<br />

Valladolid zufließende, aus Bruderschaften <strong>und</strong> frommen Stiftungen stammende<br />

Einkommen zusammengefaßt (s. Anlage).<br />

101 Vgl. Porres MartIn-Cleto, a. a. O., S. 356 ff. <strong>und</strong> Francisco Collantes<br />

de TerAn, Memorias histöricas de los establecimientos de caridad de Sevilla y<br />

descripciön artlstica de los mismos. 2 Teile Sevilla 1884/89.<br />

102 Vgl. Gonzalo Anes Alvarez, Los Pösitos en la Espaiia del siglo XVIII,<br />

in: Moncda y Crödito Nr. 105 (Juni 1968), S. 39—69, <strong>und</strong> zur Rolle der Getreidespeicher,<br />

die auch durch Privatpersonen oder aufgr<strong>und</strong> frommer Stiftungen<br />

bzw. durch Bruderschaften begründet sein konnten, bei der Preisgestaltung<br />

VSW G 59/3 23


338<br />

J ohann H ellwege<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 339<br />

Anteilen der ncugcgründctcn Staatsbank begann noch unter Karl IV.<br />

der Sdiröpfungsprozcß dieser, meistens auf genossenschaftlicher Basis in<br />

den Gemeinden betriebenen Einrichtungen. In dem Absinken der Zahl<br />

der Getreidemagazine auf 3 407 im Jahre 1863 von ehemals mehr als<br />

8 000 solcher Hilfseinrichtungen, die gerade dem kleinen Bauern <strong>und</strong><br />

Tagelöhner die Existenz erleichterten, spiegelt sich die Verschlechterung<br />

wider, die die Situation der sozial Schwachen auf dem Lande in der<br />

Zwischenzeit erfahren hatte. In der Provinz Sevilla waren um 1840<br />

praktisch die Pdsitos bereits verschw<strong>und</strong>en, die gerade in Andalusien<br />

1793 über die bedeutendsten Rücklagen verfügt hatten. Ein Versuch,<br />

stattdessen Agrarbanken mit dem Restvermögen an Gr<strong>und</strong>besitz der<br />

Getreidemagazine zu begründen, scheiterte kläglich103. Mit der Überführung<br />

der sogenannten Bienes de Propios in Privatbesitz, derjenigen<br />

Teile der Gemcindeländereien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücke, aus deren Verpachtung<br />

bzw. aus deren Nutzungsgebühren die Geldmittel im wesentlichen erwirtschaftet<br />

wurden, die zur Bestreitung von Gemeindeaufgaben erforderlich<br />

waren <strong>und</strong> mit denen auch vielfach die an den Staat abzuführenden<br />

Steuern der Gemeindemitglieder bezahlt wurden104, entfielen viele, im<br />

Verlaufe der Jahrh<strong>und</strong>erte durch das Munizipium spontan entwickelte<br />

Dienstleistungen <strong>und</strong> Annehmlichkeiten. Der aus solchen Mitteln besoldete<br />

Arzt, Apotheker, Barbier <strong>und</strong> Lehrer verließen das Dorf. Der Bürger,<br />

der gegen Entlohnung aus diesem Fond bereit gewesen war, neben<br />

seiner Landwirtschaft die Rolle des Gastwirts bzw. des Weinhändlers<br />

oder des Krämers zu übernehmen, da gewisse Konsumgüter, Werkzeuge<br />

<strong>und</strong> Waren in der Ortschaft nicht selbst hergestellt werden konnten, der<br />

Weg in die Städte aber oft sehr beschwerlich war, dieser Bürger gab seine<br />

Dienste auf. Man war wieder den wucherischen Wanderhändlern ausgeliefert<br />

I05. Es hat lange gedauert, bis in entlegenen Teilen Spaniens<br />

ein Grad der Alphabetisierung wieder erreicht wurde durch die Entsenvgl.<br />

ders., Las crisis agrarias en la Espana modema (Biblioteca Polltica Taurus<br />

Bd. 16). Madrid 1970.<br />

103 Vgl. Lazo DIaz, a. a. O., S. 25 ff.<br />

104 Vgl. Jesus MartIn N ino, La ley de Arbitrios Provinciales y Municipals<br />

de 1870. Un precedcnte del impuesto sobre la renta, in: Moneda y Cr^dito<br />

Nr. 96 (März 1966), S. 33—70. Erst um 1870 gelang es allmählich, das System<br />

der Gemeindefinanzen wieder zu konsolidieren.<br />

105 Als ein Beispiel <strong>für</strong> eine Ortschaft, bzw. Region, in der diese Einrichtungen<br />

verwirklicht waren, sei verwiesen auf Santiago M £ n d e z Plaza, Costumbres<br />

comunales de Aliste. Madrid 1900. Am Ende des Ancien Regime verfügten<br />

die meisten Ortschaften über derartige Einrichtungen. Es handelt sich um solche<br />

Überreste, die dann von nichtgcsdiulten Beobachtern gern als Errungenschaften<br />

des Anarchismus angesehen werden. Vgl. Langdon-Davies, a. a. O., S. 66—71.<br />

dung vom Staate besoldeter Lehrer, der sich mit dem Bildungsstand vor<br />

der Zerschlagung der Kommunen als <strong>für</strong> die Gr<strong>und</strong>schulausbildung verantwortliche<br />

Instanz vergleichen ließ 10°. Oftmals war in ländlichen, kleinen<br />

<strong>und</strong> abgelegenen Gemeinden ein fortgeschrittenes Stadium des Agrarkollektivismus<br />

— um den Ausdruck Joaquin Costas zu gebrauchen —<br />

erreicht. Selbst das Geld war nahezu nicht bekannt, weil es in dem fast<br />

auf die Ortschaft allein beschränkten Wirtschaftsraum überflüssig war.<br />

Tauschverkehr herrschte vor oder das Getreide war an die Stelle des<br />

Geldes getreten. Es gibt auch Beispiele da<strong>für</strong>, daß Ortschaften eigenes,<br />

nur in ihrem Bereich als Zahlungsmittel anerkanntes Geld hatten herstcllen<br />

lassen 107. In der Vollversammlung der gleichberechtigten <strong>und</strong><br />

vielfach auch sozial gleichgestellten Bürger, dem Concejo Abierto, konnten<br />

alle, diese kleine abgeschlossene Welt angehenden Angelegenheiten<br />

geregelt werden. Bis in das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein hat diese Bürgerversammlung<br />

in der Montana von Le6n <strong>und</strong> Santander sowie in Asturien<br />

funktioniert108. Sitten, Gebräuche <strong>und</strong> das Gewohnheitsrecht regelten<br />

loo Vgl, Mendez Plaza, S. 48 ff. Zum Analphabetismus in Spanien vgl. Lorenzo<br />

Luzuriaga, El analfabetismo en Espana. Madrid 1926. L. liegen erst<br />

statistische Angaben ab 1860 vor. Besonders aufschlußreich sind die Angaben<br />

über regionale <strong>und</strong> interprovinziale Verteilung des Analphabetismus. Murcia<br />

<strong>und</strong> Andalusien liegen jeweils an der Spitze. Besonders bemerkenswert ist m. E.,<br />

daß Landkreise wie Riano, Murias de Paredes, Reinosa — stark genossenschaftlich<br />

geprägte, ländliche Gebiete —, nach Madrid <strong>und</strong> Santander die wenigsten<br />

Analphabeten aufwiesen (1920).<br />

107 Vgl. Jackson, Origins of Spanish Anarchism, S. 138; M£ndez Plaza,<br />

a. a. O., S. 41. Die Abschaffung des Geldes, ein Programmpunkt nahezu jeder<br />

anarchistischen Revolte, konnte bei Bauern, die wie in Spanien seit Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

an einen Wirtschaftszustand gewöhnt waren, in dem es mangels Zahlungsmitteln<br />

kaum zu Geldverkehr kommen konnte (vgl. G. Anes Alvarez,<br />

Las crisis agrarias en la Espana moderna (Biblioteca Polltica Taurus Bd. 16).<br />

Madrid 1970, S. 308), immer mit Einverständnis rechnen. Oftmals verkaufte<br />

man ein Stück Vieh in der Stadt erst dann, wenn eine Steuer zu bezahlen war,<br />

die in Geld erhoben wurde. Es liegt nahe, daß dann der Glaube aufkommen<br />

konnte, daß mit dem Geld auch die Steuern verschwinden würden. Über die<br />

Verbindung von Geld <strong>und</strong> Gerechtigkeit bzw. die Vorstellung, daß, wenn das<br />

Geld einmal abgeschafft sei, das Recht nicht mehr gekauft werden könne, der<br />

Reiche also nicht mehr im Vorteil sei, vgl. Pitt-Rivers, a. a. O., S. 144.<br />

los Vgl. Ncmesio MartInez Antuna, Supcrvivencia del Concejo medieval<br />

en Calao (Caso), in: Boletln del Instituto de Estudios Asturianos Jg. VII, Nr. 18<br />

(1953), S. 111—131, ders., El concejo abierto en Asturias, in: Boletln del Instituto<br />

de Estudios Asturianos Jg. V, Nr. 14 (1951), S. 259—275, <strong>und</strong> ders. Supervivencia<br />

del Concejo abierto de Arenas de Cabrales, in: Boletln del Instituto<br />

de Estudios Asturianos Jg. VIII, Nr. 22 (1954), S. 218—235.<br />

23*


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340<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 341<br />

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342<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 343<br />

Ortschaft Bruderschaft Renten Renten in Geld Lasten in Getreide Lasten in Mrs. Getreide nach Verbleibende<br />

bzw. Name der in Getreide (*) Marar. (•*** *) (Weizen) Abzug der Lasten (•) Summe in Mrs.<br />

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344<br />

J ohann H ellwege<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 345<br />

treffen 110. Joaqufn Costa hat vor allen anderen auf die erhaltenen Reste<br />

einer großen „agrarkollcktivistischcn“ Tradition in Spanien <strong>und</strong> auf die<br />

Bedeutung dieses Erbes <strong>für</strong> eine Lösung der Agrarfrage hingewiesen m .<br />

Das Munizipium, der spanische Pueblo als nahezu autarke, autonome<br />

Gesellungscinheit, in der es zu spontanen Schöpfungen von Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> Mechanismen der Selbstverwaltung kommen konnte, war einmal<br />

Wirklichkeit gewesen, ehe mit der fortschreitenden Bürokratisierung der<br />

Welt der Staat mit seiner Allmacht <strong>und</strong> seinen Dienern in diese Idylle<br />

einbrach <strong>und</strong> sie zu überwältigen begann. In den fein <strong>und</strong> bis in letzte<br />

Details ausgearbeiteten Regeln, nadi denen etwa Streitigkeiten geschlichtet<br />

Ehrenämter in Bruderschaften besetzt wurden118 oder nach denen<br />

die Rodung, Bebauung <strong>und</strong> Bewachung eines Stückes aus den Gemeinschaftsländereien<br />

durch die Zusammenarbeit des Pueblo geschah <strong>und</strong> nach<br />

denen schließlich in öffentlicher Versammlung der gemeinsam erzielte<br />

Ertrag auf die Mitglieder der Gemeinschaft verteilt wurde n l, zeigte sich<br />

xio Es sei hier auf die bereits genannte Literatur verwiesen, die mehr oder<br />

weniger in der Nachfolge J. Costas entstanden ist. Es ist zu hoffen, daß mit<br />

einer in den letzten Jahren zu beobachtenden Costa-Rcnaissance auch die spanische<br />

Agrarverfassung wieder stärker in das Blickfeld der Historiker tritt. Eines<br />

der Hauptwerke Costas (Derccho consuetudinario y economla popular de Espana.<br />

2 Bde. Barcel. 1902) war mir leider ebenso wie die neuere Arbeit von Alejandro<br />

N ieto (Bienes Comunales. Madrid 1964) nicht zugänglich. Es sei hier<br />

noch auf eine vergleichende Studie aufmerksam gemacht, die im portugiesischspanischen<br />

Grenzgebiet entstanden ist. Jorge DIas, Rio de Onor. Comunitarismo<br />

agro-pastoril. Cancioneiro de Margot Dias. Porto 1953. In einer bereits seit<br />

langem in Angriff genommenen Untersuchung über die spanischen Bruderschaften<br />

werde ich den genossenschaftlichen Aspekt detaillierter behandeln.<br />

tu Dabei muß man sich jedoch darüber im klaren sein, wie Jackson richtig<br />

hervorhebt, daß Costas „choix de faits n’est pas le choix d’un historien tächant<br />

de donner un r£cit objectif et gdndral, mais bien un choix rdfldchi destine ä<br />

souligner les Elements „progressifs“ qu'il veut voir imit£es en son temps“.<br />

Gabriel Jackson, Costa et sa „revolution par le haut", in: Estudios de Historia<br />

Modema Bd. III (1953), S. 297.<br />

118 Vgl. die Rolle des „corredor“, des Vermittlers in Auseinandersetzungen,<br />

mit dessen Hilfe man das Gesicht wahren kann. Pitt-Rivers, a. a. O., S. 129 f.<br />

its Es sei hier verwiesen auf das Wahlverfahren des Vorstehers der Bruderschaft<br />

der „guisados a caballo“ aus Cuenca, einer Reiterbruderschaft aus Bürgerlichen,<br />

die erstaunliche Privilegien aus dem Spätmittelaltcr in die Neuzeit<br />

hatten herüberretten können. Das Verfahren ist derartig kompliziert, daß hier<br />

zuviel Raum aufgewendet werden müßte, wenn eine verständliche Darlegung<br />

gegeben würde. Vgl. Abschrift von 1566 der Satzungen der Bruderschaft in<br />

Archivo General de Simancas, Cdmara de Castilla Leg. 2278.<br />

1,4 Vgl. das Kapitel „Rozadas“ in Santiago M£ndez Plaza, Costumbres<br />

comunales de Aliste. Madrid 1900, S. 17—25.<br />

das Organisationstalent <strong>und</strong> die Eignung zur Selbstverwaltung der spanischen<br />

Bevölkerung. Gerade in solchen kollektivpsychischen Stimmungen<br />

<strong>und</strong> Erfahrungen, die unter Umständen wie z. B. vielerorts in Andalusien<br />

zeitlich schon länger zurückliegen können, wird man die Ursachen<br />

chiliastisch-anarchistischer Bewegungen zu suchen haben. Zwar mögen<br />

bei dem kurzen historischen Gedächtnis der Menschen die konkreten<br />

Umstände der „guten, alten Zeit“ längst der aktiven Erinnerung entfallen<br />

sein, jedoch bedeutet dies nicht, daß auch die im Gruppenkontakt<br />

erworbenen Erfahrungen verloren sein müssenl15. Als dann im Verlaufe<br />

der Durchsetzung der kapitalistischen <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> Rechtsordnung durch<br />

den spanischen Liberalismus sich in Andalusien die Latif<strong>und</strong>ien neu entwickelten<br />

<strong>und</strong> zugleich die „Allmende“ aufgehoben wurde11«, lag der<br />

Gedanke der Bodenreform, der Redistribution bzw. des Reparto, „der<br />

wie alle Bewegungen anaklitischen Rückgängigmachens auf das Modell<br />

einer gemeinschaftlichen Urstiftung zurückgreift“117, nahe. Es ist<br />

verständlich, wenn das rebellierende agrarische Proletariat von der das<br />

Wesen des Institutioneilen nicht begreifenden Vorstellung ausging, daß<br />

man nur die Polizisten, die Steuerbeamten oder den neuen Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />

vertreiben oder erschlagen müsse, damit mit einem Schlag die<br />

alten Zustände, die man als „den Tag“ in die Zukunft projizierte118,<br />

hergestellt würden. Es bedurfte keiner politischen Doktrin, wie Pitt-<br />

Rivers treffend beobachtet hat, damit die Pueblos in Andalusien rebellierten<br />

110. Mit dem Eindringen der kapitalistischen Wert: m idW irtschaftsordnung<br />

<strong>und</strong> deT I^ISH H a^E H uH SdungdH ltaate, nicht mehr<br />

3em~PuehIo^gegenüber loyaler Beamter war der spanische Pueblo als<br />

Inbegriff einer auf genossenschaftlichem Sinn beruhenden Gesellungseinheit<br />

<strong>für</strong> die bezeichnenderweise auch selbst als „el pueblo“ bezeichnete<br />

Gemeindebevölkerung in Frage gestellt.<br />

n« Auf das Fehlen einer historischen <strong>Sozial</strong>psychologie hat neuerlich Hans-<br />

Ulrich Wehler mit Nachdruck hingewiesen. Vgl. Zum Verhältnis von


346<br />

J ohann H ellwege<br />

Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 347<br />

Mögen die frühen Anarchisten, die sich als solche bewußt waren, auch<br />

geglaubt haben, mit ihren Forderungen nach Autonomie <strong>und</strong> Souveränität<br />

des Munizipiums einem fernen Zukunftsideal zuzustreben, so war den<br />

Theoretikern des spanischen Anarchismus im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert bewußt,<br />

daß sie die Rückkehr in die Vergangenheit postulierten. Puente <strong>und</strong><br />

Pcstana hielten gerade deswegen auch die Durchsetzung des Anarchismus<br />

auf dem Lande <strong>für</strong> völlig problemlos150. Die starken genossenschaftlichen,<br />

z. T. auch sozialistisch-kollektivistischen Züge, wie sie die agrarische<br />

Gesellschaft in Spanien vor dem Anbruch der industriellen Epoche<br />

aufwies, finden in gewisser Weise eine Entsprechung <strong>und</strong> Ergänzung in<br />

den Theorien <strong>und</strong> Lehren einiger Spätscholastiker <strong>und</strong> Arbitristas des 16.<br />

<strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts, <strong>für</strong> die es im übrigen Europa keine Parallelen<br />

gibt. Joaquin Costa, der große Vorkämpfer <strong>für</strong> eine Verbesserung der<br />

Lebensbedingungen der spanischen Landbevölkerung, hat ein wenig überspitzt<br />

von der „spanischen Schule kollektivistischer Wirtschaft“ gesprochen<br />

i:l. Wenn es im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert auch zur Neuauflage ihrer Schriften<br />

gekommen ist, so ist doch sehr wenig wahrscheinlich, daß die Lehren<br />

dieser Schule um 1850 einem breiteren Publikum bekannt gewesen sind.<br />

Sie sollen hier nur als Ausdruck des gleichen geschichtlichen Unterstroms<br />

genannt werden, der in Spanien eine starke genossenschaftliche Tradition<br />

hervorgebracht <strong>und</strong> getragen hat.<br />

iso Vgl. Isaac P uente, El Comunismo Libertario. Sus posibilidades de Realizaeiön<br />

en Espana. Valencia 1933 (Neuaufl. Toulouse 1947), <strong>und</strong> Angel P estana,<br />

Consideraciones y juicios acerca de la Tcrcera Internacional (Seg<strong>und</strong>a parte de<br />

la Memoria presentada el Comitd de la C. N. T.) Barcelona 1922 (Reprint 1970).<br />

111 Vgl. Joaquin C osta, Colectivismo Agrario en Espana, Primera Parte:<br />

Doctrinas (Ausgabe Buenos Aires 1944, S. 11—184). Alle Darstellungen (Brenan,<br />

J ackson, u. a.) folgen mehr oder weniger C osta, dabei wird dann doch<br />

leicht übersehen, daß es gerade im 16. Jh. auch eine starke, auf Auflösung der<br />

Bienes Comunales bzw. auf Einschränkung der Nutzungsrechte der Allgemeinheit<br />

zielende Richtung gegeben hat. Neben Bodadilla sei hier ein m. W. nahezu<br />

unbekannter Arbitrista genannt, den ich in einem kürzeren Aufsatz demnächst<br />

vorstellen möchte. Hernando del Pulgar, ein Enkel des großen Chronisten (vgl.<br />

Memorial, gerichtet an Philipp II., vom 15. 12. 1595, Granada. Archivo General<br />

de Simancas, Camara de Castilla Leg. 2245), führt in seinem „Discurso por el<br />

quäl se declara la caussa de la.carestia que ay en los bastimentos, y otras cosas,<br />

y el medio para reduzir las a moderados precios (Druck. O. O. o. J. (1595?) aus:<br />

Damit das Vieh sich vermehre „que asi la yerva como la vellota sea particular<br />

y no general y comun como aora es, porque asi se guardara el monte y se comera<br />

la yerva y vellota por tan buen Orden, que los ganados multipliquen con grandes<br />

ventajas de lo que aora passa, y aun que esto esta tan puesto en razon que (como<br />

dizen los ciegos lo veran) se puede reforzar con la cspiriencia que ay en estremadura,<br />

que por ser sus dehessas de particulares se sustenta tanta copia de<br />

Nach den Beziehungen, die sich zwischen genossenschaftlicher Tradition<br />

<strong>und</strong> den Anfängen des Anarchismus bei einem nur ersten groben Abstecken<br />

des Untcrsuchungsfeldcs erkennen lassen, scheint die Vermutung<br />

erlaubt zu sein, daß ein enger räumlicher <strong>und</strong> zeitlicher Zusammenhang l<br />

zwischen dem Auftreten des Anarchismus <strong>und</strong> dem Niedergang genossenschaftlicher<br />

Gesellungseinheiten <strong>und</strong> Besitzformen besteht, der im wesentlichen<br />

durch die Desamortisation <strong>und</strong> deren Begleiterscheinungen ausgelöst,<br />

z. T. aber auch nur verschärft wurden. Wo genossenschaftliche<br />

Traditionen <strong>und</strong> Freiheiten bewahrt werden konnten, trat der Anarchismus<br />

in Gestalt von Bauernrebellionen nicht auf, weil anarchistische Ziele<br />

hier zu einem nicht geringen Teil bereits erreicht waren12S. Wo umgekehrt<br />

genossenschaftliche Traditionen weitgehend ausgehöhlt <strong>und</strong> zerstört<br />

wurden <strong>und</strong> eine Proletarisierung der zuvor durch das genossenschaftliche<br />

Erbe geschützten Landbevölkerung die Folge war, trat der<br />

Anarchismus mit Zielsetzungen ans Licht, die nicht zuletzt die Wieder-1<br />

herstellung der alten, stark genossenschaftlich geprägten Zustände be- )<br />

deutet hätten. Der Anarchismus hatte, wie Brenan sich treffend ausgedrückt<br />

hat, sein inneres Auge auf die Vergangenheit gerichtet, <strong>und</strong> diese<br />

Vergangenheit bestand <strong>für</strong> den ländlichen Anarchismus ganz wesentlich<br />

in der genossenschaftlich, oft sogar kollektivistisch geprägten Dorfge- '<br />

meinschaft, in der alle Autorität wurzelte 1M. Durch nicht aufzuhaltende I<br />

wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Wandlungen war dieses Idealbild<br />

insbesondere mit der Einführung der kapitalistischen <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> Wirtganado,<br />

que si fueran comunes no pudieran mantener el medio, porque acudiera<br />

tanto que en pocos dias estragara la yerva y vellota, y en la ciudad de Loxa se<br />

a hecho la misma esperiencia, porque quando era la vellota del comun no se<br />

podia hazer un puerco, y aora que su Magestad la tiene vendida a particulares<br />

se haze tanto ganado que ay para el Pueblo y para otras partes, y sera adelante<br />

mudio mas, porque se va criando gran encinar nuevo, y aun que para esto cuesta<br />

dinero la vellota, anda la came a muy menor precio que solia... . Ganz modem<br />

muten seine Ausführungen an, wenn er beredinet, daß „en Estremadura ay<br />

vezes que una oveja pasta por quatro reales, y un puerco por diez, y no vale<br />

mas cara la lana y la carne que en el Andaluzia, y es por criarse alli mas ganado<br />

en una legua de termino cerrado, que en tres leguas de baldios . . . . Selbst die<br />

Flüsse will P. privatisieren, was einer Revolution im Eigentumsrecht gleichgekommen<br />

wäre! (Archivo General de Simancas, Cdmara de Castilla Leg. 2245).<br />

Gerade hier zeigt sich eine starke Parallelität im Krisenverlauf zwischen dem<br />

16. Jh., besonders der Epoche Philipps, <strong>und</strong> der ersten beiden Drittel des 19. Jh.<br />

1=2 Hier spitze ich bewußt thesenhaft zu. Keineswegs sollen komplementäre<br />

Vorgänge oder mögliche Animositäten gegen Kastilien geleugnet werden. Zugleich<br />

darf das Phänomen des Latif<strong>und</strong>ismus in Andalusien mit all seinen Begleiterscheinungen<br />

nicht außer acht gelassen werden.<br />

155 Brenan, a. a. O., S. 195.


348<br />

J ohann H ellwege<br />

Genossenschaft). Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 349<br />

schaftsordnung in immer weitere Fernen gerückt worden, ein Prozeß, den<br />

der Anarchismus als umkehrbar begriff. Die Lehren Proudhons, Fouriers<br />

<strong>und</strong> vor allem Bakunins fielen auf einen durch jahrh<strong>und</strong>ertelange geschichtliche<br />

Erfahrung bereiteten Boden. Gerade die Verbindung von<br />

Utopie <strong>und</strong> Konservativismus, die <strong>für</strong> die bäuerliche Bevölkerung die Lehren<br />

des Anarchismus darstellen mußten, traf die Stimmung in der Kleinbauern-<br />

<strong>und</strong> Landarbeiterschaft genauer als jede andere moderne <strong>Sozial</strong>bewegung.<br />

Die anarchistische Agitation, die im wesentlichen erst nach<br />

1870 einsetzte, war in erster Linie wohl nur eine Artikulationshilfe <strong>für</strong><br />

die Bauern <strong>und</strong> Tagelöhner, um ihre Sehnsüchte in Worte fassen zu können.<br />

Eine aufgestaute kollektive Stimmung <strong>und</strong> erhöhte emotionelle<br />

Temperatur — man denke etwa an das Leben auf den Cortijos124 —<br />

konnte sich in den anarchistischen Lehren aussprechen <strong>und</strong> Erleichterung<br />

verschaffen. „Gerade weil die moderne soziale Agitation die andalusischen<br />

Bauern unter einer Form erreichte, die völlig außerstande war, sie<br />

die Notwendigkeit von Organisation, Strategie, Taktik <strong>und</strong> Geduld zu<br />

lehren, verschwendeten sie ihre revolutionäre Energie beinahe vollständig“<br />

Die noch im Einzelnen zu leistende Erforschung der genossenschaftlichen<br />

Tradition in Spanien, die in den Anfängen des Anarchismus weiterwirkte,<br />

scheint erheblich dazu beitragen zu können, die Vorstellung<br />

vom individualistischen, weil anarchistischen bzw. vom anarchistischen,<br />

weil individualistischen Spanier — den es als Typ natürlich nicht geben<br />

kann — in den Bereich der Vorurteile zu verweisen. Zugleich erscheint<br />

eine bestimmte Konzeption von der Erforschung der Anfänge des spanischen<br />

Anarchismus wenigstens sehr ergänzungsbedürftig. Gerade in einigen<br />

neueren Arbeiten zur Geschichte der spanischen Arbeiterschaft wird<br />

sie vertreten. Sie besteht darin, nach Art einer inzwischen weithin aufgegebenen<br />

Methode der Literaturgeschichte eine Geschichte der Wirkung<br />

einzelner Werke ausländischer Theoretiker in der spanischen Pamphletliteratur<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zu erstellen <strong>und</strong> dabei feinste Verästelungen<br />

zu verfolgen, oft auch nur zu vermuten12B. Man kommt dem Phä­<br />

nomen des frühen Anarchismus <strong>und</strong> seinen Besonderheiten näher, wenn<br />

man sidi die Veränderungen im Leben der rebellierenden Bauern, Tagelöhner<br />

<strong>und</strong> Handwerker vergegenwärtigt, die von einem Geschick überwältigt,<br />

dessen Zwänge ihnen nicht einsichtig waren, sich nur in Gewalt<br />

artikulieren konnten. Auch die Geschichte der Theorien <strong>und</strong> Geistesströmungen<br />

sei hiermit dazu ermuntert, um der eigenen wissenschaftlichen<br />

Aussage willen sich mehr der äußerst mühsamen Erforschung der kleinen<br />

sozialen Gemeinschaften zu widmen. Der Wunsch nach einer stärkeren<br />

Sicht der Probleme aus mehr von unten nach oben zielender Perspektive,<br />

die sich durchaus mit einer Schau in umgekehrter Richtung vereinbaren<br />

läßt <strong>und</strong> ergänzt, bedeutet keineswegs, daß man als Historiker nur einer<br />

bestimmten Weltanschauung zu huldigen hätte.<br />

124 Das Leben in diesen Agrarkasernen, fern der Familie, bei ewig gleicher<br />

karger Kost <strong>und</strong> in einer scharf abgestuften Arbeiterhierarchie, ist beschrieben<br />

bei J. C aro Baroja, Remarques sur la vie agraire en Andalousie, in: Etudes<br />

Rurales. Nr. 10 (Juli—September 1963), S. 81—101.<br />

122 H obsbawm, <strong>Sozial</strong>rebellen, S. 124.<br />

118 Ein Beispiel ist meiner Ansicht nach Manuel N ünez de Arenas u. Manuel<br />

T unön de Lara, Historia del Movimiento Obrero Espanol (Collecciön „Trabajo<br />

y Sociedad* 11). Barcelona 1970.


Die britische Erdölpolitik im Nahen Osten<br />

1914-1956<br />

Von H e l m u t M e j c h e r , Tübingen<br />

Im Verlauf des I. Weltkrieges errang Großbritannien die militärische<br />

<strong>und</strong> politische Vormachtstellung im Nahen Osten, die es bis zur Suezkrise<br />

im Jahr 1956 behauptete. Wichtige Motive dieser imperialen Expansionspolitik<br />

Whitchalls sind bereits wohlbekannt, z. B. die Errichtung einer<br />

Landbrücke zwischen dem afrikanischen <strong>und</strong> indischen Kolonialbesitz;<br />

die Land- <strong>und</strong> Luft-strategische Flankendeckung <strong>für</strong> eine wichtige Etappe<br />

der maritimen Verbindungswege des Britischen Empires; die Verteidigung<br />

Indiens gegen die Nordwestbedrohung durch Rußland. Sehr wenig<br />

dagegen wissen wir über die tatsächliche Rolle der arabischen Ölvorkommen<br />

in den Überlegungen <strong>und</strong> Entscheidungen der verschiedenen Ministerien,<br />

Ausschüsse <strong>und</strong> Kabinette in Whitehall K Die systematische Auswertung<br />

bisher verschlossener oder vernachlässigter Archivbestände 2 zeigt<br />

Der Artikel ist die erweiterte Fassung eines Vortrags, den der Autor anläßlich<br />

des 12. Assistentenkolloquiums der VDI-Hauptgruppe Technikgesdiichte<br />

am 5. Mai 1971 in Hamburg hielt. Das zentrale Thema der Tagung lautete:<br />

Erdöl <strong>und</strong> Politik. Da auf der Tagung ein gesonderter Vortrag über die britische<br />

Erdölpolitik im Iran gehalten wurde, konnte eine thematische Beschränkung auf<br />

den arabischen Mittleren <strong>und</strong> Nahen Osten vorgenommen werden.<br />

1 Über den großen Einfluß des arabischen Erdöls auf die britische Mittclost-<br />

Politik <strong>und</strong> ihren imperialistischen Charakter gibt es offenbar mehr Zustimmung<br />

als Information. Nur so ist es erklärlich, daß die letzte Darstellung des<br />

Themas durch die Oxforder Mittelost-Expertin Elizabeth M o n r o e ( s. Britain’s<br />

Moment in the Middle East, London 1963, chapt. 4) keine exakte Widerlegung<br />

erfuhr, obwohl die Autorin einen Einfluß des Erdöls auf so wichtige Etappen<br />

der britischen Politik wie die Lösung der Mosulfrage bestreitet. Vgl. hierzu aber<br />

die Revision ihres Urteils in: The Ro<strong>und</strong> Table and the Middle Eastern Peace<br />

Settlement 1917 1922, The Ro<strong>und</strong> Table, Issue No. 240, November 1970.<br />

Es handelt sich hierbei in erster Linie um unveröffentlichtes Material im<br />

Public Record Office <strong>und</strong> India Office sowie aus dem Milner Nachlaß. Was die<br />

hier benutzten Sigeln angeht, so bedeuten CAB= Cabinet Papers, F . O . = Foreign<br />

Office, C.O.== Colonial Office, B.T.=Board of Trade, Adm.=Admiralty, I.O.<br />

-India Office. Im vorliegenden Artikel wurde unveröffentlichtes Material lediglich<br />

tür die Jahre bis 1928 herangezogen. Für die darauffolgende Zeit wurde<br />

Spezial-Literatur benutzt.<br />

J. Fächer, Alzenau.......................................................................... 388<br />

Neue Beiträge zur gcsch. Landesk<strong>und</strong>e Tirols. Festschrift<br />

F. Hüter ................................................................................ 388<br />

U. M. Schwor, Kulturelle Beziehungen Nürnberg — Deutsche<br />

im SUdostcn, 14.—16. Jh................................................................ 391<br />

G. Lorenz, Erzstift Bremen währ. d. Westfäl. Friedenskongresses 392<br />

R. Isler, Diplomatie als Gespräch. Bismarck — Österreich . . . 393<br />

G. C allesen, Schleswig-Frage u. <strong>Sozial</strong>demokratie 1912/24 . . 395<br />

E. Kolb u. R. R ürup, Der Zcntralrat der dt. soz. Republik . . 396<br />

W. Benz, Süddcutschland in d. Weimarer Republik 1918—23 . 397<br />

M. Vogt, Die Entstehung des Youngplans............................... 398<br />

H. K. Meier, Friendship <strong>und</strong>er stress — US-Swiss relations<br />

1900—50<br />

E. Sieyes, Qu’est-ce que lc Tiers £ ta t? ................................................. 399<br />

J.-P. D evos, Description de l’Espagne par Lhermite-Cock . . 402<br />

2. Social Science Information sur les sciences sociales VI/4 403<br />

— Boavida 403 — Mathy 404 — Vierhaus 404<br />

B. l. E. Schneider, J. A. Schumpeter.................................... 404<br />

C. M. C ipolla,Economic History of World Population . . . 406<br />

J. Brückl, Z o llin g .......................................................................... 406<br />

Land, Church, and People. Festschrift H. P. R. Finberg . . 408<br />

Population in Industrialization, hsg. v. M. D rake . . . . 409<br />

P. M attick, Arbeitslosigkeit in USA 1929—35 ...................... 410<br />

2. Gr<strong>und</strong>fragen Maas-Moscl-Saar 412 — Schoppmeyer 412 —<br />

G embruch 412 — C omba 412<br />

C. a.l. L. R eichhold, Christentum — Gesellschaft — <strong>Sozial</strong>ismus 413<br />

A. V. C icourel, Methode u. Messung in d. Soziologie . . . . 414<br />

A.-M. D ubler, Armen- u. Bettlerwesen, Freie Ämter 16.—18. Jh. 415<br />

J. C harlier, La Peste ä Bruxelles 1667—69 ................................ 416<br />

J. M illar, Vom Ursprung des Unterschieds in den Rangordnungen<br />

....................................................................................... 417<br />

P. T rappe, <strong>Sozial</strong>er Wandel in Afrika I .................................... 418<br />

2. V inovskis 418 — Gallaway/V edder 419<br />

C.b.l. J. v. Steynitz, Mittelalterl. Hospitäler........................... 419<br />

H. Frhr. v. H aller v . H allerstein u . E. Eichhorn, Das Pilgrimspital<br />

Hl. Kreuz vor N ürnberg........................................... 419<br />

C.c.l. G. F ranz, Geschichte des dt. Bauernstandes.................. 420<br />

Sh. N a’Aman, Frühgeschichte der dt. Arbeiterbewegung 1862/63 421<br />

T. M oser, Jugendkriminalität u. Gesellschaftsstruktur . . . . 423<br />

E. P. T hompson, The Making of the English Working Class . . 423<br />

H. G roneuer, Caresana — oberital. Gr<strong>und</strong>herrschaft im Ma. . 425


K. Becker, Alcmacs e dcsccndcntes na gucrra do Paraguai . . . 426<br />

L. Bethell, The Abolition of Brazilian Slave Trade................... 427<br />

2. D avies 428 — P rothero 428 — P hilips >428 — Y amamura<br />

428 — A ldrich 428 — H iggs 428<br />

C.d.l. A. G awlik, Diplome Kaiser Heinrichs IV............................ 429<br />

H. Simon, W u n s to r f .................................................................. 430<br />

J. F üchtner, Bündnisse der Bodcnscestädte bis 1390 . . . . 431<br />

K. K ollnig, Wcistümer der Zent Schriesheim............................. 432<br />

Th. Schiller, Stiftungen im gesellschaftl. Prozeß........................ 433<br />

L. Roos, Demokratie als Lebensform (Kirche)............................. 434<br />

2. Van der V orst 437<br />

C. e.l. W. D. O rtmann, Landkreis Scheinfeld......................... 437<br />

I. Leister, Wachstum brit. Industriegroßstädte.......................... 438<br />

D . a.l. C h. H eimpel, Einnahmen u. Ausgaben d. H l. Geist-<br />

Hospitals Biberach 1500—1630 ............................................... 439<br />

2. Okada 441<br />

IV. Eingegangene B ü c h e r.............................................................. 442

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