Kolpingmagazin 05-06 2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FAMILIE<br />
Ein Drittel der<br />
Väter verliert nach<br />
einer Scheidung<br />
oder Trennung jeden<br />
Kontakt zu<br />
den Kindern.<br />
Seit Simon Ford als Selbstständiger<br />
zu Hause arbeitet,<br />
hat sich die Beziehung zu<br />
den Kindern verändert.<br />
mir zu spielen“, sagt eine siebenjährige Grundschülerin<br />
aus München. „Er ist dauernd in der Arbeit, und<br />
wenn er zuhause ist, dann klingelt ganz oft sein Handy,<br />
weil ihn die Kollegen anrufen.“ Sie spricht mit leiser<br />
Stimme und wickelt eine Haarsträhne um den Finger.<br />
Nach einer Pause sagt sie: „Das macht mich sehr traurig.“<br />
Papas, die zu wenig da sind – vielen anderen Kindern<br />
ergeht es ähnlich. Für das LBS-Kinderbarometer<br />
wurden bundesweit rund 10 000 Kinder zwischen 9<br />
und 14 Jahren befragt. Als wichtigster Kinderwunsch<br />
wurde dabei geäußert, mehr Zeit mit ihren Vätern<br />
verbringen zu wollen.<br />
Papst Franziskus diagnostizierte Anfang 2015 eine<br />
„tiefe Krise der Vaterrolle“. Es handle sich um eines der<br />
schlimmsten Probleme unserer Zeit. Man müsse sogar<br />
von einer „Gesellschaft ohne Väter sprechen, denn<br />
diese Figur scheint in unserer Kultur von heute verschwunden“,<br />
sagte er. Väter würden fehlen, weil sie<br />
nicht da sind oder weil sie vielleicht Mühe haben, Väter<br />
zu sein. Ein weiteres Problem sei, dass Väter oft zu<br />
stark auf sich selbst konzentriert seien und dabei die<br />
Familie als solche aus dem Blick verlieren. „Das sieht<br />
man beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen, denen<br />
eine väterliche Bezugsperson in ihrem Alltag fehlt.<br />
Diese Kinder fallen dann durch die Abwesenheit des<br />
Vaters auf“, so der Papst. Und mahnte: „Bitte, liebe Väter,<br />
seid aufmerksamer.“ Bereits in seinem Amt als<br />
Erzbischof von Buenos Aires habe der Papst, wie er<br />
weitererzählte, immer wieder Väter gefragt, ob sie mit<br />
ihren Söhnen und Töchtern spielen und wie viel Zeit<br />
sie dafür aufwenden würden. „Ich muss zugeben, dass<br />
die Antworten oft sehr enttäuschend waren“, so der<br />
Papst. Er habe feststellen müssen, dass es Kinder und<br />
Jugendliche gab, die in sozusagen verwaisten Familien<br />
lebten. Aber lässt sich diese Beobachtung aus dem<br />
Herkunftsland des Papstes, aus Südamerika, so ohne<br />
weiteres auf Europa, auf Deutschland übertragen?<br />
Nachgefragt beim Düsseldorfer Psychoanalytiker<br />
Matthias Franz. Auch er sagt: „Das heutige Problem<br />
ist der abwesende Vater.“ Viele Kinder würden heute<br />
weitgehend ohne eine feste männliche Bezugsperson<br />
aufwachsen. Die personelle Situation in Kindergärten<br />
und Grundschulen vertiefe die Situation: Es gäbe<br />
kaum Erzieher und Lehrer, weil diese Berufe immer<br />
noch vorwiegend von Frauen besetzt seien. Insbesondere<br />
in den frühen Lebensjahren eines Kindes sei der<br />
Vater oft nur wenig präsent. Oder fehle, früher oder<br />
später, ganz. Ein Drittel der Väter verliert nach einer<br />
Scheidung oder Trennung jeden Kontakt zu den Kindern.<br />
Die Zahl der Betroffenen wächst: Täglich erleben<br />
500 Kinder die Trennung oder Scheidung ihrer<br />
Eltern. Das sind 200 000 Kinder jährlich. „Der Anteil<br />
der in Einelternfamilien aufwachsenden Kinder hat<br />
sich in den vergangenen drei Jahrzehnten auf knapp<br />
20 Prozent verdreifacht“, so Matthias Franz. Der Vater<br />
werde oft nur noch zu einem „Wochenend-Papa“. Die<br />
Statistik zählt in Deutschland über 2,3 Millionen alleinerziehende<br />
Mütter, aber nur 390 000 alleinerziehende<br />
Väter. Ein bitterer Beigeschmack: 60 Prozent<br />
der getrennten Väter zahlen keinen, unregelmäßig<br />
oder zu wenig Unterhalt.<br />
Doch nicht immer wollen die Väter, die fehlen, tatsächlich<br />
fehlen. Ins Väterzentrum Berlin kommen<br />
jährlich um die tausend Väter, um sich nach einer