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Kolpingmagazin 05-06 2016

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FAMILIE<br />

Ein Drittel der<br />

Väter verliert nach<br />

einer Scheidung<br />

oder Trennung jeden<br />

Kontakt zu<br />

den Kindern.<br />

Seit Simon Ford als Selbstständiger<br />

zu Hause arbeitet,<br />

hat sich die Beziehung zu<br />

den Kindern verändert.<br />

mir zu spielen“, sagt eine siebenjährige Grundschülerin<br />

aus München. „Er ist dauernd in der Arbeit, und<br />

wenn er zuhause ist, dann klingelt ganz oft sein Handy,<br />

weil ihn die Kollegen anrufen.“ Sie spricht mit leiser<br />

Stimme und wickelt eine Haarsträhne um den Finger.<br />

Nach einer Pause sagt sie: „Das macht mich sehr traurig.“<br />

Papas, die zu wenig da sind – vielen anderen Kindern<br />

ergeht es ähnlich. Für das LBS-Kinderbarometer<br />

wurden bundesweit rund 10 000 Kinder zwischen 9<br />

und 14 Jahren befragt. Als wichtigster Kinderwunsch<br />

wurde dabei geäußert, mehr Zeit mit ihren Vätern<br />

verbringen zu wollen.<br />

Papst Franziskus diagnostizierte Anfang 2015 eine<br />

„tiefe Krise der Vaterrolle“. Es handle sich um eines der<br />

schlimmsten Probleme unserer Zeit. Man müsse sogar<br />

von einer „Gesellschaft ohne Väter sprechen, denn<br />

diese Figur scheint in unserer Kultur von heute verschwunden“,<br />

sagte er. Väter würden fehlen, weil sie<br />

nicht da sind oder weil sie vielleicht Mühe haben, Väter<br />

zu sein. Ein weiteres Problem sei, dass Väter oft zu<br />

stark auf sich selbst konzentriert seien und dabei die<br />

Familie als solche aus dem Blick verlieren. „Das sieht<br />

man beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen, denen<br />

eine väterliche Bezugsperson in ihrem Alltag fehlt.<br />

Diese Kinder fallen dann durch die Abwesenheit des<br />

Vaters auf“, so der Papst. Und mahnte: „Bitte, liebe Väter,<br />

seid aufmerksamer.“ Bereits in seinem Amt als<br />

Erzbischof von Buenos Aires habe der Papst, wie er<br />

weitererzählte, immer wieder Väter gefragt, ob sie mit<br />

ihren Söhnen und Töchtern spielen und wie viel Zeit<br />

sie dafür aufwenden würden. „Ich muss zugeben, dass<br />

die Antworten oft sehr enttäuschend waren“, so der<br />

Papst. Er habe feststellen müssen, dass es Kinder und<br />

Jugendliche gab, die in sozusagen verwaisten Familien<br />

lebten. Aber lässt sich diese Beobachtung aus dem<br />

Herkunftsland des Papstes, aus Südamerika, so ohne<br />

weiteres auf Europa, auf Deutschland übertragen?<br />

Nachgefragt beim Düsseldorfer Psychoanalytiker<br />

Matthias Franz. Auch er sagt: „Das heutige Problem<br />

ist der abwesende Vater.“ Viele Kinder würden heute<br />

weitgehend ohne eine feste männliche Bezugsperson<br />

aufwachsen. Die personelle Situation in Kindergärten<br />

und Grundschulen vertiefe die Situation: Es gäbe<br />

kaum Erzieher und Lehrer, weil diese Berufe immer<br />

noch vorwiegend von Frauen besetzt seien. Insbesondere<br />

in den frühen Lebensjahren eines Kindes sei der<br />

Vater oft nur wenig präsent. Oder fehle, früher oder<br />

später, ganz. Ein Drittel der Väter verliert nach einer<br />

Scheidung oder Trennung jeden Kontakt zu den Kindern.<br />

Die Zahl der Betroffenen wächst: Täglich erleben<br />

500 Kinder die Trennung oder Scheidung ihrer<br />

Eltern. Das sind 200 000 Kinder jährlich. „Der Anteil<br />

der in Einelternfamilien aufwachsenden Kinder hat<br />

sich in den vergangenen drei Jahrzehnten auf knapp<br />

20 Prozent verdreifacht“, so Matthias Franz. Der Vater<br />

werde oft nur noch zu einem „Wochenend-Papa“. Die<br />

Statistik zählt in Deutschland über 2,3 Millionen alleinerziehende<br />

Mütter, aber nur 390 000 alleinerziehende<br />

Väter. Ein bitterer Beigeschmack: 60 Prozent<br />

der getrennten Väter zahlen keinen, unregelmäßig<br />

oder zu wenig Unterhalt.<br />

Doch nicht immer wollen die Väter, die fehlen, tatsächlich<br />

fehlen. Ins Väterzentrum Berlin kommen<br />

jährlich um die tausend Väter, um sich nach einer

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