Kolpingmagazin 05-06 2016
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NACHRICHTEN<br />
Kolpingwerk Deutschland positioniert sich zum Embryonenschutz<br />
Bioethik braucht internationale Standards<br />
Ab der ersten Zellteilung der befruchteten Eizelle gilt das Embryonenschutzgesetz für den<br />
Menschen bereits in seinem frühen Entwicklungsstadium.<br />
Der Bundesvorstand des Kolpingwerkes<br />
Deutschland hat sich angesichts des sich in<br />
Großbritannien abzeichnenden Tabubruchs<br />
in der Bioethik positioniert. Er spricht ein<br />
klares Nein gegenüber einer „verbrauchenden<br />
Forschung“ mit menschlichen Embryonen<br />
aus, ebenso gegenüber der Forschung<br />
zur Verwirklichung von Eingriffen in die<br />
Keimbahn menschlicher Embryonen. Er<br />
plädiert für einen Schutz des Menschen<br />
vom ersten bis zum letzten Augenblick des<br />
Lebens. Hier der Wortlaut der Erklärung:<br />
1. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung<br />
bedeutet ein hohes Gut: Die<br />
Menschheit verdankt ihr u. a. den medizinischen<br />
Fortschritt mit der erfolgreichen Bekämpfung<br />
von Krankheiten, unter denen<br />
die Menschen lange Zeit leiden mussten.<br />
2. Ein Teil des medizinischen Fortschritts<br />
besteht in der Reproduktionsmedizin, die<br />
eine künstliche Befruchtung – die Vereinigung<br />
von Ei und Samenzelle außerhalb des<br />
Körpers – ermöglicht. Dies belastet die Eltern,<br />
insbesondere die Frau, durch die nötigen<br />
Eingriffe. Besondere Verantwortung<br />
obliegt den beteiligten Medizinern, weil sie<br />
den Befruchtungsakt anstelle des Zeugungsaktes<br />
ausführen. Eine künstliche Befruchtung<br />
wird nach der Lehre der katholischen<br />
Kirche abgelehnt, weil die Zeugung menschlichen<br />
Lebens vom Liebesakt abgekoppelt<br />
wird (Dignitas personae Nr. 6). Besonders<br />
scharf wird von der Kirche kritisiert, dass<br />
die künstliche Befruchtung „die willentliche<br />
Beseitigung von Embryonen“ mit sich<br />
bringt (Dignitas personae Nr. 14).<br />
3. In Deutschland ist die künstliche Befruchtung<br />
legal. Sie ist aber nicht eine reine Privatangelegenheit<br />
der Beteiligten. Über die<br />
Wahrung der Menschenwürde zu wachen<br />
und das menschliche Leben vom ersten bis<br />
zum letzten Augenblick zu schützen, gehört<br />
zu den Rechten und Pflichten des staatlichen<br />
Handelns. Deshalb hat der Gesetzgeber<br />
in Deutschland bereits seit dem Jahr 1990<br />
die Reproduktionsmedizin aus ethischen<br />
Gründen durch das Embryonenschutzgesetz<br />
reguliert und in verantwortbare Bahnen<br />
gelenkt. Dabei schützt der deutsche Gesetzgeber<br />
den Embryo vom Zeitpunkt der<br />
Entstehung an. Embryo ist nach § 8 Embryonenschutzgesetz<br />
die befruchtete, entwicklungsfähige<br />
menschliche Eizelle. Als<br />
entwicklungsfähig gilt laut Gesetz jede befruchtete<br />
Eizelle, außer es zeigt sich innerhalb<br />
von 24 Stunden nach der Befruchtung,<br />
dass sie sich nicht teilen kann. Unter Strafe<br />
gestellt wird die missbräuchliche Anwendung<br />
von Fortpflanzungstechniken mit<br />
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe<br />
unter anderem, wenn eine Befruchtung<br />
zu einem anderen Zweck als zur<br />
Schwangerschaft vorgenommen wird, innerhalb<br />
eines Zyklus mehr als drei Embryonen<br />
übertragen werden oder mehr als drei<br />
Eizellen im Eileiter befruchtet werden. Strafbar<br />
ist bereits, mehr Eizellen einer Frau zu<br />
befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus<br />
übertragen werden sollen. Ebenso streng<br />
verboten ist die Verwendung des menschlichen<br />
Embryos für Zwecke, die keine<br />
Schwangerschaft herbeiführen sollen.<br />
4. Anfang Februar hat in Großbritannien die<br />
Zulassung einer neuen Forschungsmethode<br />
Aufsehen erregt. Die britische Behörde<br />
HFEA (Human Fertilisation and Embryology<br />
Authority) hat die genetische<br />
Veränderung von vorhandenen menschlichen<br />
Embryonen erlaubt, die von der Reproduktionsmedizin<br />
nicht mehr zur Erzeugung<br />
einer Schwangerschaft benötigt<br />
werden. Dies würde in Deutschland gegen<br />
die gültigen ethischen Normen verstoßen<br />
und wäre nach den Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes<br />
unter Strafe gestellt.<br />
Die britischen Wissenschaftler brechen damit<br />
ein bislang weltweit gültiges Tabu und<br />
erlauben erstmals die Manipulation der<br />
menschlichen Keimbahn. Die Veränderungen<br />
sollen Aufschluss darüber geben, warum<br />
es zu Fehlgeburten kommt. Die Embryonen<br />
dürfen keiner Frau eingepflanzt<br />
und müssen nach längstens zwei Wochen<br />
vernichtet werden.<br />
5. Auch der Europäische Gerichtshof<br />
(EUGH) in Luxemburg stellte in einem<br />
Grundsatzurteil im Oktober 2011 Embryonen<br />
unter den Schutz der Menschenwürde.<br />
6. Menschliche Embryonen dürfen nicht als<br />
Forschungsmaterial zur Verfügung stehen!<br />
Eingriffe in die menschliche Keimbahn und<br />
die damit verbundene Umprogrammierung<br />
sämtlicher Nachkommen können in ihren<br />
Auswirkungen nicht eingeschätzt werden,<br />
sie sind unkalkulierbar. Sie betreffen die<br />
Genstruktur nachfolgender Generationen,<br />
ihre Manipulation muss aus ethischen<br />
Gründen tabu bleiben. Die Anwendung von<br />
Keimbahnveränderungen in der menschlichen<br />
DNA würde zudem das Risiko verursachen,<br />
dass die gewonnenen medizinischen<br />
Erkenntnisse nicht nur zur Abwendung von<br />
schweren Erkrankungen genutzt werden,<br />
sondern auch zur Entwicklung von optimierten<br />
Menschen („Designer-Babys“). Die<br />
genetische Optimierung von Menschen<br />
würde ein unausschöpfliches Betätigungsfeld<br />
bieten, dessen logisches Ergebnis darin<br />
bestehen würde, genetisch ideale Menschen<br />
zu erschaffen.<br />
7. Das Kolpingwerk tritt für hohe rechtliche<br />
Standards in der Bioethik in Deutschland<br />
ein, welche die Würde des Menschen<br />
vom Beginn bis zum Ende des Lebens schützen.<br />
Fotos: shutterstock_375421339, Barbara Bechtloff, Ludolf Dahmen<br />
4 KOLPINGMAGAZIN MAI-JUNI <strong>2016</strong>