SLT_BR_Festakt_H_60_25JahreSLT
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Dr. Klaus Wallbaum:<br />
Ich kann Ihnen den Unterschied zwischen<br />
Sachsen-Anhalt und Sachsen<br />
nennen. Ich war zunächst Anfang 1990<br />
für wenige Monate in Leipzig tätig,<br />
danach mehrere Monate in Sachsen-<br />
Anhalt und kam dann hierher nach<br />
Dresden. Einen großen Unterschied<br />
habe ich kennengelernt: Die Situation<br />
hier in Dresden war sehr viel politisierter<br />
als die in Sachsen-Anhalt. In Sachsen-<br />
Anhalt waren von den tragenden politischen<br />
Kräften viele alte Blockpartei-<br />
Mitglieder aktiv und hier in Dresden<br />
gab es ein starkes Ringen um die Macht<br />
und um die Vorherrschaft zwischen<br />
den Vertretern der alten Blockpartei CDU<br />
und den Erneuerern, personifiziert in<br />
Arnold Vaatz und in Matthias Rößler.<br />
Das war die eine Sache.<br />
Zum Zweiten: In Sachsen gab es einen<br />
Ministerpräsidenten vom Schlage<br />
Kurt Biedenkopfs, er hat immer große<br />
bundesweite Aufmerksamkeit garantiert,<br />
diese gab es in den anderen neuen<br />
Ländern nicht. Sachsen war in den<br />
ersten Jahren schon etwas ganz Besonderes<br />
und wenn ich jetzt die Zeit bis<br />
1993 Revue passieren lasse, möchte ich<br />
auch noch drei Ereignisse erwähnen.<br />
Das eine Ereignis war der Aufstieg von<br />
Heinz Eggert und das Ringen um Stasi-<br />
Belastungen, das sehr stark personifiziert<br />
wurde. Ich habe hier im Landtag<br />
einige Abgeordnete interviewt, die Stasibelastet<br />
waren und damit ein großes<br />
Problem hatten – und die anderen Leute<br />
hatten mit ihnen ein großes Problem.<br />
Das zweite: die Bundespräsidentenkandidatur<br />
von Steffen Heitmann. Diese<br />
war von großem medialem Echo be -<br />
gleitet. Es gab auch viel Unrechtes,<br />
was damals geschrieben wurde, was<br />
auch ein Ost-West-Konflikt war, weil<br />
viele Medien eben westgesteuert waren.<br />
Und Drittens: Das Thema »Hoyerswerda«<br />
muss ich auch erwähnen, die<br />
rechtsradikalen Ausschreitungen in<br />
der Stadt haben hier und bundesweit<br />
Schlagzeilen gemacht.<br />
Sachsen war – kurz gesagt – in den<br />
ersten Jahren sehr spannend.<br />
Alexandra Gerlach: Dr. Werner Reutter<br />
arbeitet derzeit an der Universität<br />
Potsdam; vorher war er lange an der<br />
FU Berlin tätig. Sie untersuchen das<br />
Ganze wissenschaftlich. Sie forschen<br />
schwerpunktmäßig über Föderalismus.<br />
Was für eine Bedeutung hatte damals<br />
die Gründung des Sächsischen Landtags<br />
für die Identität der Sachsen?<br />
Dr. Werner Reutter: Das ist natürlich<br />
eine schwierige Frage. Generell liebe ich<br />
das Wort »Identität« in diesem Kontext<br />
nicht wirklich, weil die Annahme, jeder<br />
müsse sich zu einer politischen Gemeinschaft<br />
bekennen, im Grunde zu einer<br />
Psychologisierung politischer Zusammenhänge<br />
führt und ich das als kein<br />
wirklich überzeugendes Konzept empfinde.<br />
Ich finde, es ist auch keine politische<br />
Orientierungsgröße. Ich weiß auch nicht,<br />
ob es politisch opportun ist, sich auf die<br />
Identität einer bestimmten politischen<br />
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