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8810-Mocca Oktober 1988

MOCCA Oktober 1988

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~ Gespräch: Der Jurist Karl Wiemann über<br />

seine Erfahrungen als Rechtsbeistand<br />

von Ausländern:<br />

Wie de.r Krefelder Psychologe Dr.<br />

Gerherd Susen das Phänomen<br />

"Ausländerfeindlichkeit" erklärt:<br />

Jo Wolf, Vorsitzender des Ausländerbeirats,<br />

über Ausländerfeindlichkeit<br />

in Meers:<br />

Die<br />

Verwal<br />

graues<br />

.,<br />

ng • e1n<br />

!onster 1 '<br />

Die Angst vor der Allmacht der Bürokratie beherrscht sie olle: .,Mit der<br />

Moerser Verwaltung kommt kaumein Ausländer zurecht. Dort, in den<br />

Amtsräumen, ist der einzelne Ausländer gor nichts, bloß ein Aktenstück."<br />

Der Moerser Jurist Korl Wiemann weiß genou, wovon er<br />

spricht: Seit Jahren vertritt er vor Gericht die Interessen von Ausländern.<br />

Wer seine Gemeinschaftsproxis betritt, merkt das sofort: er fühlt<br />

sich wie noch Sri Lonko, Ghana oder Angola zugleich versetzt. So<br />

sehr bestimmen die ongolonischen, türkischen, singhalesischen und<br />

sonstigen ausländischen Klienten das Bild der Kanzlei, daß sie aus<br />

den Büroräumen Wiemanns nicht mehr wegzudenken sind .<br />

.,AIIelne gehe ich nicht. Ich traue mich nicht", gestehen viele der<br />

Asylbewerber im gebrochenen Englisch zögernd vor ihrem Rechtsbeistand,<br />

wenn ein notwendiger Gong auf das Ausländer· oder<br />

Sozialamt ansteht. So muß der zweiundfünfzigjährige Wiemann ok<br />

eine seiner Proxisgehilfinnen als vertrauenswürdige Begleiterin mit·<br />

schicken, wenn ein Flüchtling beispielsweise seine erste Aufenthaltsduldung<br />

erwirken will. .,Die Bediensteten der Stadt sind zu wenig<br />

sensibilisiert. Wie verheerend sich ihr Verholten auswirkt diesen<br />

Menschen gegenüber, die sich in einem fremden Land zurechtfinden<br />

müssen, ist einigen Beamten nicht bewußt."<br />

Wiemonn:., DieAsylbewerber stoßen aufeine unfoßbore Kälte. Wie<br />

in Kofkos Schloß ." Oder, härter noch: ein .,graues Monster für die<br />

Ausländer" sei die Verwaltung. Es müsse doch möglich sein, so<br />

empört sich Wiemonn, daß jeder Angestellte im Ausländer- und<br />

Sozialamt zehn bis fünfzehn Minuten für den jeweiligen Antragsteller<br />

aufbringt.<br />

~~SüNDEN•<br />

BJOCK.<br />

S•<br />

LÄNDERn<br />

Spätestens seit der Aufklärung könnte man<br />

annehmen, daß der Mensch ein rationales<br />

Wesen sei und sein Denken und Handeln<br />

noch vernünkigen Kriterien ausrichte. Doch<br />

weit gefehlt! Gefühle und Bedürfnisse richten<br />

sich nicht noch der Ratio. Daher sind<br />

Voreingenommenheilen so zählebig.<br />

Diese Muster von Vorurteilen finden wir<br />

jeden T og, überall: Mon kann mit jemandem<br />

nichts anfangen, der Ungewöhnliches<br />

sogt und tut. Also ist der Betreffende .,bekloppt".<br />

Das ist schnell, einfach und vor<br />

ollem sicher. Denn jetzt entfällt die sorgfältige<br />

Auseinandersetzung damit- und den<br />

eigenen Vorurteilen. Ausländer nehmen<br />

Arbeitsplätze weg und sind daher schuld<br />

an der Arbeitslosigkeit: Dieses Vorurteil ist<br />

ebenso publikumswirksam wie oberfläch-<br />

-1e<br />

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s1n: •<br />

n1e<br />

11ft•<br />

erwünsch<br />

Ausländische Arbeitnehmer sind von uns angeworben worden, als<br />

wir ihre Arbeitskraft dringend benötigten, um die Leistungsfähigkeit<br />

unserer Wirtschaft zu erholten. Sie kamen mit ihren Familien auch<br />

noch /11-.oers, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Der<br />

Bergbau war auf sie angewiesen, um die gebotene Kohleproduktion<br />

zu gewährleisten. Durch ihre Kaufkraft, ihr Steueraufkommen und<br />

Beiträge zur Sozialversicherung trugen und trogen diese Arbeitsemigranten<br />

zu unserem Wohlstand bei.<br />

Doch die Zeiten der Vollbeschäftigung sind vorbei. Auch in Moers<br />

gibt es Arbeitslose. Mit .,Ausländer raus"- und ähnli~hen Haßparolen<br />

werden sie nun zu Sündenböcken für die verfehlte Wirtschaftspolitik<br />

der Bundesregierung gemocht.<br />

Dies bleibt auch in Moers nicht ohne Wirkung: Freie Flächen in<br />

unserer Stadt werden mit Hetzparolen gegen diese Menschen<br />

besprüht.<br />

Ausländische Grundschulkinder werden auf dem Schulweg von<br />

deutschen Jugendlichen bedroht und gor tätlich angegriffen.<br />

ln einigen Gaststätten weigert man sich, sie zu bedienen und weist<br />

ihnen go·undlos die Tür .

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