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8712-Mocca Dezember 1987

MOCCA Dezember 1987

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''GALILEI''<br />

IN MOERS<br />

Bericht über die letzte Inszenierung Holk Freytags<br />

Nachdem das Schloßtheater Meers in der sollten die Positionen dieser beiden<br />

letzten Spielzeit den Schwerpunkt seiner<br />

Stücke in der Antike hatte, will es wirken. Die Vertreter der beiden Mächte<br />

Parteien kräftiger und weniger starr<br />

nun mehr Zeitstücke ins Programm treten immer wieder auf der Vorderbühne<br />

nehmen.<br />

mit Galilei ins Gespräch. Sie reflektieren<br />

die Entwicklung der Meinungen zu<br />

Stücken, wie 11 Hunsrück 11 von Klaus Pohl<br />

und "Iphigenie" von Jochen Berg, steltt dem von Galilei entwickelten Weltbild.<br />

das STM das "Leben des Galilei" von<br />

Bertolt Brecht voran. Mit dem "Leben Die letzten Probleme des STM waren der<br />

des Galilei" beendet Holk Freytag seine Real itätsbezug und das sinnvolle Ansetzen<br />

der Pause. Die Szenen des Stücks<br />

Spielzeit am STM. Er beendet seine<br />

Arbeit, wie er sie begann, mit einem sind nicht chronologisch, sondern thematisch<br />

aneinandergereiht. Sie folgen<br />

Brecht-Stück. Bei der Inszenierung<br />

tauchten e~n~ge Probleme auf. Diese in unregelmäßigen Zeitabständen aufeinander,<br />

gelegentlich bleibt ihr zeit­<br />

beschrieb Gerold Theobalt, Dramaturg am<br />

STM, und erläuterte, wie sie gelöst liches Verhältnis zueinander unklar.<br />

wurden.<br />

Galilei beweist das von Kopernikus<br />

entworfene Planetensystem. Doch die<br />

Zunächst stellte sich Holk Freytag die Kirche läßt ihn von der Inquisition<br />

Frage, welche der drei von Brecht geschriebenen<br />

Fassungen er inszenieren im Mittelpunkt des Universums, verliert<br />

denunzieren. Steht die Erde nicht mehr<br />

sollte. Er entschied sich für ein Mittelmaß:<br />

Die erste Fassung kombinierte on.<br />

der Stuhl Petri seine zentrale Funkti­<br />

er mit der Schlußszene der dritten<br />

Fassung. Oie erste Fassung schrieb Freytag entschied sich für eine Pause<br />

Bertolt Brecht 193B/39 im dänischen vor der letzten - der Zwölften - Szene.<br />

Exil unter dem Eindruck der Atomspaltung.<br />

Die dritte entstand 195S. Sie ist denn sie liefert einen Blick in die<br />

Sie ist die Schlüsselszene des Stücks, Galilei bleibt nach dem<br />

eine Rückübersetzung der 1945/46 geschriebenen<br />

zweiten Fassung, die unter Galileis Handeln. Den Zuschauer plagen<br />

Zukunft und erklärt die Motive für<br />

dem Einfluß der Hiroshima-Bombe entstand.<br />

Durch die von Freytag gewählte rigkeiten, und er sehnt sich nach der<br />

nach zwei Stunden Konzentrationsschwie­<br />

Kombination wird die Aussage des Stücks Pause, die ihm erst vor der letzten<br />

deutlicher: Die Darstellung des Mißverhältnisses<br />

von Wissenschaft und "Leben" gutem Grund, denn so wird die Schlüs­<br />

Szene gegönnt wird. Allerdings aus<br />

und die fortschreitende Entfernung der selszene geschickt herausgehoben. Der<br />

Wissenschaft von den Menschen. Galilei Zuschauer hat Zeit sich zu distanzieren<br />

sagt in der letzten Szene: "Ihr mögt und ist anschließend aufnahmefähig für<br />

mit der Zeit alles entdecken, was es zu die Erklärungen Galileis.<br />

entdecken gibt, und eurer Fortschritt Theobald erklärte, daß die Frage nach Wir sind Voyeure des Glücks. Wir , die<br />

wird doch nur ein Fortschreiten weg von dem Sinn der Weltraumforschung hochaktuell<br />

sei. Sollten sich die Menschen Gehirn eines Wissenschaftlers schauen.<br />

Zuschauer, dürfen ins Leben und ins<br />

der Menschheit sein.<br />

II<br />

nicht mehr auf die Erde und ihre Probleme<br />

konzentrieren, als Milliarden für Tunnel , schwarz . Und e~n~ge Sterne<br />

Und in sein Zimmer : Wir blicken in den<br />

"Lehrtheater" - das ist ein Problembegriff<br />

für Holk Freytag. So stellte sich die Weltraumforschung auszugeben? schimmern durch die Decke . Sie erzeugen<br />

ihm die Frage, wie man es vermeiden<br />

Schatten auf Papierrollen, Heften,<br />

kann, mit einem eher lehrhaften Stück, Von den späteren Dramen Brechts gilt Zeitungen und Ordnern. Sie türmen sich<br />

Lehrtheater zu machen. So sollte auf das "Leben des Galilei" als eins der in Wandregalen und auf dem Holzboden .<br />

keinen Fall die ursprüngliche Berliner schwierigsten und seine Interpretationen<br />

sind heftig umstritten. Das STM Hier lebt ein belesener und gelehrter<br />

Das Zimmer lebt. Wir glauben zu wissen:<br />

Inszenierungsform übernommen werden.<br />

Gerold Theobalt erklärte, daß bewußt l iefert eine eigenwillige Inszenierungsform.<br />

Josef Ostendorf verkörpert dorf).<br />

Mensch : Galileo Galilei (Josef Ostern­<br />

kabarettistische Mittel eingesetzt<br />

worden seien. Er lege Wert darauf, daß den am Ende bösen alten Mann Galilei,<br />

das STM mit dem Brecht-Stück kein "episches"<br />

Theater mache. Doch gerade· aus Feigheit seine Thesen widerruft, auch uns. Der dicke, runde Globus läßt<br />

der nicht um der Sache willen, sondern Wissen schwängert die Luft, befruchtet<br />

dies werde oft von den Zuschauern behauptet.<br />

Auch die anderen Schauspieler können will nicht wissen , was die Welt im<br />

faszinierend als sinnlichen Epikureer. uns die Sehnsucht Galileis erahnen. Er<br />

überzeugen. Im Ganzen ist das "Leben Innersten zusammenhält, nein, er will<br />

Ein weiteres Problem war die Verteilung des Galilei" eine eigenwillige, nicht wissen, wie sich die Erde-im All hält.<br />

der Rollen. Fast fünfzig verschiedene immer verständliche Inszenierung, die<br />

Rollen mit nur neun Ensemble-Mitgliedern<br />

zu besetzen, war nicht einfach. So man sich, ist es beispielsweise notwenhundert<br />

, wußten sie nichts. Sie glaub­<br />

jedoch zu interessieren weiß. Nur fragt Heute wissen wir 's. Damals, 16. Jahr­<br />

wollte Freytag aus der Not eine Tugend dig, die erschreckende Ekelhaftigkeit ten.<br />

machen. Er verteilte alle Figuren der des Klerus durch einen bis zur dritten<br />

weltlichen und die der geistlichen Zuschauerreihe sabbernden Kardinal zu Astronauten krächzen über Funk ihre<br />

Macht bis auf die Figur des kleinen verkörpern?<br />

Anweisungen durch das Wel t all. Und<br />

Mönchs - auf je einen Schauspieler. So<br />

Natalie Podranski , Galilei prophezeit: "Jetzt ist eine<br />

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