AHK-Magazin 2015/2016
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ANDACHT<br />
DIE BLICKRICHTUNG GOTTES<br />
EINE ORIENTIERUNG FÜR UNSERE ZEIT<br />
Wenn etwas in Vergessenheit zu<br />
geraten scheint, dann gilt es,<br />
„ein besonderes Augenmerk“<br />
da rauf zu verwenden und den Blick neu darauf<br />
zu richten. Der „ländliche Raum“ scheint<br />
eine solche neue Aufmerksamkeit nötig zu<br />
haben, sonst würden wir nicht so oft von ihm<br />
sprechen. Das gilt mittlerweile für etliche<br />
Be reiche: für Kirche und Gesellschaft, ja<br />
auch für die Wirtschaft, das Handwerk eingeschlossen.<br />
Alles orientiert sich auf die<br />
großen Städte, die Kultur sowieso und selbst<br />
die kleinen Verkaufseinrichtungen auf dem<br />
Lan de haben ums Überleben zu kämpfen.<br />
Auch die Kirchen tun sich schwer damit,<br />
„in der Fläche“ zu bleiben und gerade im<br />
ländlichen Raum dünnen die Pfarrstellen<br />
stark aus. Es fällt schwer, etwa Ärzte auf<br />
dem Lande anzusiedeln, selbst „Prämien“<br />
scheinen nicht wirklich zu helfen. Und auch<br />
Handwerkerleistung ist auf dem flachen<br />
Land viel schwerer nachzufragen, zu mal in<br />
Zeiten, wo Handwerksbetriebe Hoch konjunktur<br />
haben. Die Räume, in denen das<br />
Leben spielt, haben solche schönen Namen<br />
wie „Ballungsräume“ oder „Speck gürtel“.<br />
Eine gute und nützliche Orientierung bietet<br />
uns Gottes Wort: Gott sieht auf das Kleine,<br />
auf das, was sonst übersehen wird. Die<br />
Blickrichtung Gottes ist das „Unten“.<br />
Martin Luther macht das deutlich in seiner<br />
Auslegung des Lobgesanges der Maria,<br />
das Magnificat, das wir im Lukas evangelium,<br />
Kapitel 1, finden:<br />
„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein<br />
Geist freut sich Gottes, meines Hei landes;<br />
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.<br />
Siehe, von nun an werden mich<br />
selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat<br />
große Dinge an mir getan, der da mächtig<br />
ist und dessen Name heilig ist.“<br />
Luther fragt ganz anschaulich danach, wo<br />
Gott denn anders hinschauen könnte? Wenn<br />
er nach oben schauen wollte, so wäre da<br />
nichts, den keiner ist über ihm. Wollte er zur<br />
Seite schauen, da wäre da ja auch nichts,<br />
denn keiner ist ihm gleich. Er muss also<br />
„nach unten“ schauen, so dass er „die Niedrigkeit<br />
seiner Magd“, Maria, genau sieht<br />
und kennt. Diese grundsätzliche Blickrichtung<br />
Gottes ist etwas Tröstliches für alle, die<br />
unten sind. Sie sollen wissen: Sie werden<br />
nicht übersehen.<br />
Für die aber, die oben stehen oder meinen<br />
ganz oben zu stehen, hat das allerdings<br />
auch etwas Beängstigendes. Im Magnificat<br />
heißt es weiter:<br />
„Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut,<br />
die hoffärtig sind in ihres Herzens<br />
Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und<br />
erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt<br />
er mit Gütern und lässt die Reichen leer<br />
ausgehen.“<br />
Gehen wir also leer aus? Vermutlich werden<br />
die wenigsten Menschen sich selbst als<br />
„reich“ bezeichnen. Aber: Die meisten von<br />
uns sind es! Deshalb wollen so viele Men<br />
4 HANDWERK & KIRCHE