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pictorial4-16

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editorial<br />

touch art culture and history<br />

Selfies –<br />

warum nur?<br />

Wie kommt es<br />

zu dieser aufbrandenden<br />

Bilderflut ungefragter<br />

Selbstportraits?<br />

Was<br />

ist da los?<br />

Ganz ohne Mitleid analysiert,<br />

gibt es doch wenig<br />

Grund anzunehmen,<br />

irgendjemand wollte das Bild eines<br />

Menschen sehen, der noch nicht<br />

einmal jemanden finden konnte, der<br />

bereit war, ihn zu knipsen.<br />

Ist das Selfie-Schießen selbstbelohnendes<br />

Verhalten? Gibt es einen<br />

endorphinschauernden Lustgewinn<br />

dabei, auch ohne Beifall und Zuspruch von anderen?<br />

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz sieht Narzissmus<br />

als aktuelles gesellschaftliches Problem. Alles beginnt<br />

mit Fehlern bei der Kindererziehung: Wahrscheinlich verursacht<br />

jede das Ego des Kindes verantwortungslos aufblähende<br />

Prinzessinnen-Geburtstagsfeier wenige Jahre später<br />

hunderte unerwünschter Selbstportraits im Internet!<br />

Vielleicht hätten die Menschen früher allerdings auch genauso<br />

gerne Selbstbilder geknipst wie wir heute – es fehlte<br />

ihnen nur schlicht und einfach das Smartphone.<br />

Wer die Ausstellung „Ich bin hier! Von Rembrandt zum<br />

Selfie“ , die bis Ende Januar in Karlsruhe zu sehen war, besucht<br />

hat, konnte auf diese Idee kommen.<br />

Im vorigen Sommer planschte ein junges Mädchen neben<br />

uns mit einem Selfiestick durch das Freibad und schmachtete<br />

ihr Smartphone mit Entenmund und tellergroßen Augen<br />

an. Ein peinlicher Blick hinter die Kulissen ihres Auftritts<br />

im sozialen Netzwerk.<br />

Ob sie Angst hatte, sich in ein Sommerwölkchen aufzulösen,<br />

wenn sie mit dem Fotografieren aufhörte, habe ich<br />

sie nicht gefragt.<br />

Unser Autor Lars Bauernschmitt durchmisst dieses Motiv:<br />

Wenn nicht unablässig Fotos im Internet erscheinen, dann<br />

droht man zu verschwinden, dann gibt es keinen Beweis<br />

für die eigene Existenz.<br />

Alle, die auch keine Selfies mehr sehen können – erst<br />

Recht keine mit der eigenen Visage – aber neugierig sind,<br />

was die Süchtigen so antreiben mag, der möge direkt<br />

weiterblättern zu seinem Artikel „Lebst du nur, oder bist du<br />

auch?“<br />

Auf Rettung vor der Gesichtsflut ist nicht zu hoffen. Selbst<br />

Studien, die nahelegen, dass die Beliebtheit mit der Zahl<br />

der geposteten Eigenportraits schrumpft, können sie nicht<br />

stoppen. Dieses Editorial sicher auch nicht.<br />

Viel Glück,<br />

Barbara Hartmann<br />

w w w . a k g - i m a g e s . c o m

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