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editorial<br />
touch art culture and history<br />
Selfies –<br />
warum nur?<br />
Wie kommt es<br />
zu dieser aufbrandenden<br />
Bilderflut ungefragter<br />
Selbstportraits?<br />
Was<br />
ist da los?<br />
Ganz ohne Mitleid analysiert,<br />
gibt es doch wenig<br />
Grund anzunehmen,<br />
irgendjemand wollte das Bild eines<br />
Menschen sehen, der noch nicht<br />
einmal jemanden finden konnte, der<br />
bereit war, ihn zu knipsen.<br />
Ist das Selfie-Schießen selbstbelohnendes<br />
Verhalten? Gibt es einen<br />
endorphinschauernden Lustgewinn<br />
dabei, auch ohne Beifall und Zuspruch von anderen?<br />
Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz sieht Narzissmus<br />
als aktuelles gesellschaftliches Problem. Alles beginnt<br />
mit Fehlern bei der Kindererziehung: Wahrscheinlich verursacht<br />
jede das Ego des Kindes verantwortungslos aufblähende<br />
Prinzessinnen-Geburtstagsfeier wenige Jahre später<br />
hunderte unerwünschter Selbstportraits im Internet!<br />
Vielleicht hätten die Menschen früher allerdings auch genauso<br />
gerne Selbstbilder geknipst wie wir heute – es fehlte<br />
ihnen nur schlicht und einfach das Smartphone.<br />
Wer die Ausstellung „Ich bin hier! Von Rembrandt zum<br />
Selfie“ , die bis Ende Januar in Karlsruhe zu sehen war, besucht<br />
hat, konnte auf diese Idee kommen.<br />
Im vorigen Sommer planschte ein junges Mädchen neben<br />
uns mit einem Selfiestick durch das Freibad und schmachtete<br />
ihr Smartphone mit Entenmund und tellergroßen Augen<br />
an. Ein peinlicher Blick hinter die Kulissen ihres Auftritts<br />
im sozialen Netzwerk.<br />
Ob sie Angst hatte, sich in ein Sommerwölkchen aufzulösen,<br />
wenn sie mit dem Fotografieren aufhörte, habe ich<br />
sie nicht gefragt.<br />
Unser Autor Lars Bauernschmitt durchmisst dieses Motiv:<br />
Wenn nicht unablässig Fotos im Internet erscheinen, dann<br />
droht man zu verschwinden, dann gibt es keinen Beweis<br />
für die eigene Existenz.<br />
Alle, die auch keine Selfies mehr sehen können – erst<br />
Recht keine mit der eigenen Visage – aber neugierig sind,<br />
was die Süchtigen so antreiben mag, der möge direkt<br />
weiterblättern zu seinem Artikel „Lebst du nur, oder bist du<br />
auch?“<br />
Auf Rettung vor der Gesichtsflut ist nicht zu hoffen. Selbst<br />
Studien, die nahelegen, dass die Beliebtheit mit der Zahl<br />
der geposteten Eigenportraits schrumpft, können sie nicht<br />
stoppen. Dieses Editorial sicher auch nicht.<br />
Viel Glück,<br />
Barbara Hartmann<br />
w w w . a k g - i m a g e s . c o m