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MODERN<br />

MURA<br />

L<br />

MAGAZINE<br />

Sichtweisen zu Urban Art im gesellschaftlichen Kontext<br />

LISBON RESEARCH PAPER ON MURO FESTIVAL IN BAIRRO PADRE CRUZ BY FLORIAN GROSS • ELISA GEORGI • RAUL LLAMAS KIRCHHOFF • TABEA KUNGL • 06/16


Editorial<br />

BOM DIA E<br />

OLÁ.<br />

»Jede Beobachtung von Kultur ist zugleich eine Form ihrer Gestaltung<br />

durch die Anwendung des Kulturprogramms.«<br />

Siegfried J. Schmidt<br />

Das Bairro Padre Cruz, ein Vorort nördlich von Lissabon, wirkte bei dem allgegenwärtig<br />

Dauerregen, welcher uns in der Entstehungszeit dieses Magazins begleitete, nicht<br />

trister als es das bei Sonnenschein tut. Das lag wohl an all den Künstlern, Helfern und<br />

Besuchern, welche im Viertel umherwuselten, staunten, redeten, arbeiteten.<br />

Grund dieses Treibens war das MURO Festival de Arte Urbana, organisiert durch die Galeria<br />

de Arte Urbana (GAU). Das Festival versucht durch und mit urbaner Kunst<br />

einem Randquartier der polarisierenden Stadt Lissabons Aufmerksamkeit zu schenken,<br />

aber gerade auch den Bewohnern die Möglichkeit zu bieten, Heimatlichkeit in den<br />

neu bezogenen Häusern und Nachbarschaften herzustellen und sich mit dem Viertel<br />

neu und andersartig zuidentifizieren.<br />

Diese künstlerische Begegnung greifen wir mit Hilfe der dialogischen Begegnung<br />

auf, sosteht dieses MODERN MURAL MAGAZINE unter dem Aspekt der Intervention<br />

durch urbane Künste; es diskutiert Begrifflichkeiten, Meinungen, Ansichten zur Kunst,<br />

zum Festival, zur Szene und ist dabei reich an Personen und Sichtweisen, die anders<br />

nicht hätten sein können. Durch die Interviews mit Kuratoren, Künstlern und Machern<br />

des MURO Festivals soll sichtbar gemacht werden, wie Kontaktzonen und neue kulturelle<br />

Konfigurationen entstehen, aber auch, wo Beziehungen durch alte Vorurteile und<br />

neue Interessen blockiert werden.<br />

Durch die Bandbreite der Beiträge ist es nach der Lektüre dieser Ausgabe dem Leser<br />

möglich, und wir fordern dazu auf, sich selbst eine Meinung zu dieser Thematik zu bilden.<br />

Wir danken allen Interviewpartnern, aufgeschlossenen Bewohnern und Helfern und wün-<br />

schen viel Spaß beim Lesen.<br />

1


I N H A L T S V E


INES MACHADO<br />

Seite 6<br />

A LITTLE STORY OF GRAFITTI<br />

Seite 14<br />

MATHIEU TREMB-<br />

LIN<br />

Seite 16<br />

PROJEKT2508<br />

Seite 31<br />

BILDERSTRECKE BAIRRO PADRE<br />

CRUZ<br />

Seite 32<br />

BILDERSTRECKE MURO FESTIVAL<br />

Seite 40<br />

PEDRO SOARES<br />

NEVES<br />

Seite 58<br />

SAN SPIGA<br />

Seite 66<br />

REVUE<br />

Seite 76<br />

UNSER COVER: VIOLANT<br />

Seite 78<br />

R Z E I C H N I S


Fotos<br />

Elisa Georgi<br />

I N E S<br />

MACHADO<br />

Berlin hat das Brandenburger Tor, London<br />

den Big Ben, New York die Freiheitsstaute<br />

und Lissabon hat Street Art oder besser gesagt<br />

Urban Art? Die Fassaden der Stadt stellen<br />

schon seit längerer Zeit eine Leinwand<br />

für Künstler aus aller Welt dar. Die Galeria<br />

de Art Urbana (GAU) bemüht sich bereits<br />

seit 2008 Street Art in die Kunstszene Lissabons<br />

zu integrieren und sie dadurch mehr in<br />

den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Auf<br />

unserer Exkursion besuchten wir das Street<br />

Art Festival „MURO Festival de Arte Urbana<br />

LX_2016“ und hatten das Vergnügen mit<br />

der Verantwortlichen und Gründerin von<br />

GAU, Ines Machado, zu sprechen und mehr<br />

über ihre Arbeit und das Festival zu erfahren.<br />

Interview<br />

Elisa Georgi & Florian Groß<br />

Text<br />

Florian Groß<br />

6


»Die Straßen sind unsere<br />

Pinsel,<br />

Unsere Paletten die Plätze.<br />

Tausendseitige<br />

Zeitchroniken vergaßen<br />

Revolutionstage hinauszutrompeten<br />

–<br />

Futuristen, auf die Straße,<br />

Ihr Trommler und ihr Poeten!«<br />

Vladimir Majakowskie<br />

(1839 – 1930), Erlaß an die<br />

Armee der Kunst<br />

8


ernab vom Stadtzentrum<br />

befindet<br />

F<br />

sich das Wohngebiet<br />

Bairro Padre<br />

Cruz. Gute 25 Minuten dauert<br />

die Fahrt mit dem Auto<br />

durch den dichten Straßenverkehr.<br />

Vorbei an moderner<br />

Architektur, heruntergekommen<br />

Fassaden und großen<br />

Brachen führt der Weg direkt<br />

an einen Ort, der durch<br />

seine Architektur aus zwei<br />

unterschiedlichen Jahrzehnten<br />

nicht deutlicher voneinander<br />

getrennt sein könnte.<br />

Hier gibt es alles, was das<br />

Leben wohnlicher macht:<br />

Schulen, einen Kindergarten,<br />

eine Sporthalle, ein Kulturzentrum,<br />

eine Kirche, eine<br />

kleine Stadtbibliothek, einige<br />

Gemeinschaftsgärten,<br />

mehrere Kultur- und Sportvereine,<br />

Cafés, eine Apotheke<br />

und eine kleine Markthalle.<br />

Trotz alledem fühlt sich der<br />

Ort leer an. Die atmosphärische<br />

Leere, die diesen Ort<br />

umgibt, charakterisiert sich<br />

zum einen durch seine<br />

Geschichtslosigkeit und<br />

Beliebigkeit, zum anderen<br />

durch die einheitliche Planung<br />

des Ortes und dessen<br />

ökonomische Logik (vgl.<br />

Peschken 2009).<br />

In den frühen 60er Jahren<br />

ließen sich hier Arbeiter aus<br />

verschieden Teilen der Peripherie<br />

und weiteren Teilen<br />

Portugals nieder. Die Menschen<br />

kannten sich und<br />

teilten kulturelle Gewohnheiten.<br />

Bis dahin kennzeichnete<br />

sich das Wohngebiet<br />

vor allem durch kleine einstöckige<br />

Häuser und einem<br />

harmonischen Zusammenleben.<br />

Ab Mitte der 90er<br />

Jahren kam es zum Bau<br />

einer neuen Nachbarschaft.<br />

Die neuen Gebäude, die<br />

über fünf Stockwerke in den<br />

Himmel ragen und an die<br />

Plattenbauten der ehemaligen<br />

DDR erinnern, sollten<br />

möglichst viel Wohnfläche<br />

bieten. Ungeachtet sozialer<br />

und physischer Probleme,<br />

die dadurch hätten entstehen<br />

können, wurden Menschen<br />

aus weiteren Teilen<br />

Lissabons nach Bairro Padre<br />

Cruz umgesiedelt.<br />

Die daraus resultierende atmosphärische<br />

Leere ist das<br />

Symptom, dessen Ursache<br />

in der Entfremdung und<br />

Entwurzelung der Bewohner<br />

zu finden ist. Seit der Zwangsumsiedlung<br />

wohnen fremde<br />

Menschen dicht beieinander,<br />

die nicht unbedingt die<br />

Nähe zu ihren Mitmenschen<br />

suchen. Es kommt nur selten<br />

zu Interaktionen zwischen<br />

ihnen und die Bildung einer<br />

Gemeinschaft geht nur sehr<br />

schleppend voran. Bairro<br />

Padre Cruz wirkt weitestgehend,<br />

wie eine Kleinstadt<br />

und trotzdem macht es den<br />

Eindruck als pulsiere hier<br />

die geistige Haltung eines<br />

Großstädters, die von Gerog<br />

Simmel als „Reserviertheit“<br />

bezeichnet wird (vgl. Simmel<br />

1957).<br />

Das Misstrauen gegenüber<br />

den flüchtigen Begegnungen<br />

und dem neuen Umfeld<br />

sowie die Gegensätzlichkeit<br />

der Menschen verleiten die<br />

Bewohner dazu, ihre letzten<br />

Kraftreserven für den Erhalt<br />

ihrer Gewohnheiten aufzubrauchen,<br />

sodass kaum<br />

noch etwas bleibt, um die<br />

äußeren Reize auf sich wirken<br />

zu lassen. Dies endet<br />

größtenteils in Gleichgültigkeit,<br />

Aversion, gegenseitiger<br />

Fremdheit und Abstoßung,<br />

was nicht selten Hass und<br />

Kampf mit sich bringt (vgl.<br />

Simmel 1957). Die alte und<br />

neue Nachbarschaft lebt<br />

mehr oder weniger parallel<br />

nebeneinander her.<br />

Nach vielen Gesprächen<br />

mit den Bewohnern zeigte<br />

sich eben genau das zuvor<br />

genannte Problemfeld,<br />

welches viele Bewohner sich<br />

bis heute nicht heimisch fühlen<br />

lässt und, dass sie sich mit<br />

ihrem Viertel nicht oder nur<br />

schwer identifizieren können.<br />

Mit Peschkens Worten lässt<br />

sich Bairro Padre Cruz als ein<br />

leerer Ort bezeichnen. Er „ist<br />

nicht leer, weil dort überhaupt<br />

nichts ist, sondern,<br />

weil ihm etwas Bestimmtes<br />

fehlt: Eine Funktion und<br />

Nutzung, eine Gestaltung,<br />

eine Geschichte oder<br />

einfach urbanes Leben“<br />

(Peschken 2007: 11).<br />

Die Galeria de Art Urbana,<br />

die bereits in anderen<br />

Teilen der Stadt durch<br />

künstlerische Interventionen<br />

viel Aufmerksamkeit erregen<br />

konnte, hat ein Festival<br />

ins Leben gerufen, mit<br />

dem, unter anderem, eben<br />

jene Probleme aufgegriffen<br />

werden sollen. Ursprünglich<br />

beschreibt der Begriff „Intervention“<br />

das Eingreifen eines<br />

Staates in die inneren An-<br />

9


gelegenheiten eines anderen<br />

Staates. Im Kunstdiskurs<br />

wurde der Begriff auch durch<br />

die Situationistische Internationale<br />

umgedeutet und beschreibt<br />

die „Vorgehensweise<br />

bzw. Strategie, [um]<br />

auf bestehende (soziale,<br />

politische, institutionelle,<br />

oder urbanistische) Strukturen<br />

aufmerksam zu machen<br />

und diese umzugestalten“<br />

(Wege 2001: 23).<br />

In Bairro Padre Cruz verfolgt<br />

GAU eine klare Visionen<br />

und möchte durch die gezielte<br />

Inszenierung der Kunst<br />

das Leben im Viertel lebhafter<br />

gestalten, Austausch und<br />

Kommunikation fördern und<br />

Street Art frei und öffentlich<br />

zugängig machen. Zwischen<br />

dem 30. April und 15. Mai<br />

diesen Jahres verwandelte<br />

sich das Wohngebiet in ein<br />

großes Festivalgelände.<br />

Street Art Künstler, überwiegend<br />

aus Portugal, aber<br />

auch aus Spanien, Deutschland,<br />

Frankreich und den<br />

Niederlanden verzierten<br />

die Fassaden der Häuser<br />

mit riesigen Murals und<br />

Illustrationen. Als weitere<br />

Formen der Kunst kamen<br />

Past-Ups, Stancils und Installationen<br />

zum Einsatz, darunter<br />

auch The Stupid von<br />

Robert Panda. The Stupidist<br />

eine sitzende, menschenähnliche<br />

Figur, die bereits<br />

in weiten Teilen der Stadt<br />

Lissabons installiert wurde.<br />

Der Künstler möchte mit<br />

dieser Art von Kunst vor allem<br />

die Wahrnehmung der<br />

Menschen anregen und<br />

ihre Reaktionen auf die Figur<br />

studieren.<br />

Neben der üblichen Street<br />

Art gab es ein vielseitiges<br />

Programm mit Diskussionsrunden,<br />

Live-Musik, Animationen<br />

und verschiedensten<br />

Shows, darunter Theateraufführungen<br />

und Puppenspiele.<br />

Ines Machado beschreibt<br />

diese Ansammlung von<br />

Kunst im öffentlichen Raum<br />

mit dem allumfassenden<br />

Begriff „Urban Art“. Neben<br />

GAU waren die Stadtverwaltung,<br />

sowie die Gemeinde<br />

vonCarnide an der<br />

Organisation des Festivals<br />

beteiligt. Auch die Bewohner<br />

von Padre Cruz wurden<br />

eingeladen, sich aktiv an<br />

der Planungsphase zu beteiligen.<br />

Ihre W ünsche, Sorgen<br />

und Bedenken waren<br />

wichtig für den weiteren<br />

Verlauf und die Umsetzung<br />

des gesamten Projektes. Organisierte<br />

Street Art Touren<br />

durch Lissabon<br />

sollten die Bewohner von<br />

Bairro Padre Cruz im Vorfeld<br />

für das Thema sensibilisieren<br />

und ihnen einen ersten<br />

Eindruck davon verschaffen,<br />

was in ihrem Wohngebiet<br />

entstehen könnte.<br />

Außerdem gab es viele freiwillige<br />

Helfer, die den Bewohnern<br />

und Besuchenden<br />

Fragen zum Festival und<br />

dessen Ziele beantworten<br />

konnten. Wie zu erwarten<br />

stießen die Veranstalter zum<br />

Teil auf Widerstand seitens<br />

der Bewohner. Zwei Ziele<br />

wurden von Ines Machado<br />

besonders in den Vordergrund<br />

gerückt: Zum einen<br />

soll urbane Kunst mehr in<br />

den Fokus der Öffentlichkeit<br />

gerückt werden.<br />

In den letzten 7 Jahren hat<br />

die Street Art Szene in Lissabon<br />

immer mehr Aufmerksamkeit<br />

und Anerkennung<br />

von Außerhalb erhalten.<br />

Dieser Moment soll in Form<br />

eines Festivals festgehalten<br />

und gefeiert werden.<br />

Außerdem sei Street Art<br />

eine demokratische Form<br />

der Kunst und sollte nicht<br />

nur in Museen oder Galerien<br />

zu sehen sein. Zum<br />

anderen wurde vom Kulturrat<br />

der Stadt das Ziel<br />

vorgegeben, die bereits zu<br />

Beginn erwähnten Probleme<br />

aufzugreifen und mit Mitteln<br />

der Kunst, eine positive Entwicklung<br />

für das Wohngebiet<br />

herbeizuführen. In diesem<br />

Fall hat die Kunst eine<br />

interaktive, aktivierende und<br />

identitätsbildende Funktion.<br />

Indem die Bewohner mit<br />

ihren eigenen Vorstellungen<br />

und Wünschen konfrontiert<br />

wurden, wurden sie auch<br />

dazu angeregt, über das<br />

Wesen ihres Wohnraumes<br />

und ihr Verhältnis zu sozialen<br />

Praktiken nachzudenken.<br />

Aus diesem Grund sind<br />

es auch eher die schönen<br />

und positiven Gefühle, die<br />

in Bairro Padre Curz durch<br />

die Street Art Kunst erzeugt<br />

werden sollten. Das ist vor<br />

allem wichtig, da der Raum<br />

als Konstrukt menschlicher<br />

Aushandlungsprozesse mit<br />

seiner Umwelt zu verstehen<br />

ist (vgl. Geschke 2013).<br />

Folglich kann das Festival<br />

als ein Art Impulsgeber<br />

gesehen werden, welcher<br />

10


»I hope the hype Lisbon is experiencing<br />

by tourism won‘t destroy<br />

the identi ty of the city itself. I think,<br />

some part of this is caused by street<br />

art but the other part comes from<br />

the charisma/vibe of the city. I also<br />

hope we will continue to be a city<br />

of freedom, also a freedom of expression.<br />

The city which is a synonym<br />

of creati vity and new ideas. Furthermore<br />

I hope the artistic expression<br />

and culture can be continued<br />

and enable the city to aim for positive<br />

results - not only economically but<br />

also in terms of social issues, united<br />

through the happiness of people.«<br />

11


Wahrnehmung, Verbundenheit<br />

und Kommunikation zu<br />

fördern versucht und jeden<br />

einzelnen Bewohner von<br />

Bairro Padre Cruz mit den<br />

Gegebenheiten konfrontiert.<br />

Es liegt auch an den Menschen<br />

selbst, sich aktiv an<br />

einer positiven Entwicklung<br />

des Viertels zu beteiligen,<br />

denn „ohne sinnliche Wahrnehmung<br />

ist keine leibliche<br />

Entfaltung, ohne die<br />

Gestaltung der Dingwelt<br />

keine häusliche Entfaltung<br />

und ohne Kommunikation<br />

kein öffentlicher Entfaltungsraum<br />

denkbar“ (Geschke<br />

2013: 159).<br />

Es gilt auch die Potenziale<br />

zu erkennen, die sich durch<br />

die Öffnung des Raumes<br />

ergeben und für eine dauerhafte<br />

Veränderung sorgen<br />

können. Wie schon Heinz<br />

von Foerster sagte: „Handle<br />

stets so, dass die Anzahl<br />

der Möglichkeiten wächst“<br />

(Heinz von Foerster 1993:<br />

49).<br />

An dem Beispiel von Bairro<br />

Padre Cruz wird die Entwicklung<br />

von Street Art über<br />

die letzten zwei Jahrzehnte<br />

ziemlich deutlich. In den<br />

90er Jahren war Graffiti ein<br />

wichtiger Bestandteil der Hip<br />

Hop Kultur.<br />

Zu dieser Zeit war Graffiti<br />

(Kalligrafie) eher ein soziales<br />

Phänomen. Angetrieben<br />

von Machtkämpfen rivalisierender<br />

Gangs diente es der<br />

Selbstdarstellung und der<br />

Übermittlung von Botschaften<br />

und hatte keinen künstlerischen<br />

Hintergrund.<br />

In diesem Kontext wird Graffiti<br />

immer noch als Vandalismus<br />

und damit als eine illegale<br />

Tat angesehen. Zum<br />

Ende der 90er stagnierte<br />

die Entwicklung der Graffiti<br />

Szene in Lissabon, bis<br />

sie 2002 einen neuen Aufschwung<br />

erlebte.<br />

Im Jahre 2005 kam es in<br />

der Hauptstadt zu einem<br />

regelrechten Boom. Dieser<br />

wurde unter anderem auch<br />

durch die „null-Toleranz-Politik“,<br />

die von der damaligen<br />

Street Art Hochburg Barcelona<br />

gefahren wurde, begünstigt.<br />

Plötzlich waren an<br />

den Fassaden der Stadt nicht<br />

mehr bloß Graffitis zu sehen.<br />

Neue Formen der Kunst, die<br />

zuvor nur in Büchern, Museen<br />

und Galerien bestaunt<br />

werden konnten, sind Teil<br />

der Straßenkunst geworden.<br />

Jedoch kam es großflächig<br />

immer wieder zu Beschädigung<br />

kultureller Güter. GAU<br />

wurde damit beauftragt dieses<br />

Problem in den Griff zu<br />

bekommen.<br />

„We can’t stick our head in<br />

the ground and pretend that<br />

nothing is happening”, beschrieb<br />

Ines Machado die<br />

Situation.<br />

Street Art sollte jedoch<br />

nicht komplett aus der<br />

Stadt verschwinden. Das<br />

Ziel bestand darin, jegliche<br />

Arten der Kunst friedlich und<br />

demokratisch koexistieren zu<br />

lassen.<br />

Zu diesem Zweck wurden in<br />

der Stadt Flächen eingerichtet,<br />

die Künstlern einen<br />

legalen Zugang zur Stadt<br />

und Street Art ermöglichten.<br />

Warum die Stadt ein solches<br />

Interesse an dem Erhalt<br />

und an der Förderung von<br />

Street Art haben könnte,<br />

liegt unter anderem auch<br />

an der Wirkung, die die Beziehung<br />

von Kunst und Stadt<br />

hervorruft. So ist Kunst mittlerweile<br />

zu einem zentralen<br />

Wirtschaftsfaktor städtischer<br />

Ökonomien geworden.<br />

Sie ist imagefördernd und<br />

weitestgehend fester Bestandteil<br />

urbaner Aufwertungsprozesse.<br />

Sie verschafft<br />

den Menschen einen neuen<br />

Blick auf die Stadt, bietet Gesprächsstoff,<br />

schafft neue Aktions-<br />

oder Handlungsräume<br />

und macht vorhandene<br />

Lebensformen sichtbar.<br />

Kunst im öffentlichen Raum<br />

lässt also nicht zu, dass sie<br />

aus nur einer Perspektive<br />

erforscht und gelesen wird.<br />

Aufgabe und Funktion, Sinn<br />

und Zweck von Kunst sind<br />

wichtige Faktoren, die im<br />

Stadtdiskurs geklärt werden<br />

müssen, um eine eindeutige<br />

Zuschreibung vornehmen zu<br />

können.<br />

Aus diesem Grund sollte<br />

Kunst im öffentlichen Raum<br />

immer kritisch, affirmativ und<br />

paradox betrachtet werden<br />

(vgl. Hildebrandt 2012).<br />

Ines Machado macht deutlich,<br />

was sie über diese Entwicklung<br />

denkt: „I think it’s an<br />

evolution in a positiv way. I<br />

think it’s better because you<br />

have more creative people<br />

and more freedom of speech.”<br />

Hier klaffen die Meinungen<br />

der Street Art Szene<br />

auseinander. Ines Machado<br />

erzählt, dass der Unmut in<br />

der Graffiti Szene deutlich<br />

zu spüren sei. Die Graffiti<br />

Künstler der alten Schule<br />

12


»Why should someone<br />

who made a degree<br />

or went to illustration<br />

school shouldn’t be<br />

able to paint in the<br />

streets?«<br />

seien verärgert über diese<br />

Entwicklung, über den Hype<br />

und über die „Legalisierung“<br />

vor Street Art. Sie behaupten<br />

die Stadt gehöre ihnen und<br />

durch die städtische Förderung<br />

von Street Art würde<br />

der ursprüngliche Gedanke<br />

des politisches Protestes<br />

und des Widerstandes verloren<br />

gehen.<br />

Ines Machado hat darauf<br />

eine einfache und schlagfertige<br />

Antwort: „Why should<br />

someone who made a degree<br />

or went to illustration<br />

school shouldn’t be able to<br />

paint in the streets?”<br />

Es geht hier nicht darum<br />

etwas Illegales in etwas<br />

Legales zu transformieren.<br />

Das „taggen“, an nicht autorisierten<br />

Orten, wird auch<br />

weiterhin als eine Straftat<br />

geahndet.<br />

Street Art soll lediglich<br />

in ihrer berechtigten Ausdrucksform<br />

wahrgenommen<br />

werden und nicht mehr als<br />

Sachbeschädigung und Beschmutzung<br />

fremden Eigentums.<br />

Die Stadt Lissabon, die<br />

von Ines Machado selbst als<br />

die Stadt der Kreativität und<br />

Freiheit bezeichnet wird, ist<br />

groß genug und bietet Platz<br />

für jegliche Arten der Kunst,<br />

sei es Graffiti, Architektur,<br />

Statuen oder Denkmäler.<br />

Geschke, Sandra M. (2013). Doing Urban Spaces. Ganzheit<br />

liches Wohnen zwischen Raumbildung und Mensch<br />

werdung. Bielefeld: transcript Verlag.<br />

Peschken, Martin (2007). Ästhetik der Leere. Dessau.<br />

Von Foerster, Heinz (1993). Wissen und Gewissen. Versuch<br />

einer Brücke. Berlin: suhrkamp taschenbuch wissen<br />

schaft.<br />

13


A<br />

STORY<br />

LITTLE<br />

OF<br />

URBAN<br />

ART<br />

A<br />

Adbustig - Das Verändern von Werbung<br />

im öffentlichen Raum durch übermalen,<br />

abreißen oder Rekontextualiersieren einzelner<br />

Elemente<br />

Arancismo auch Arankismo - Destruktive<br />

Form des Adbusting bei dem teile von Plakaten<br />

oder ähnlichen abgerissen oder zerschnitten<br />

werden.<br />

CCan - Sprühdose auch „Kanne“ oder „Dose“<br />

genannt<br />

Cap - Sprühkopf/Sprühventil der Sprühdose<br />

mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />

und Bezeichnungen:<br />

Fatcaps: breiter Strahl, viel Farbe, z.B für<br />

großflächige Füllungen<br />

Skinnycaps (Skinnies): dünner Strahl, für<br />

Outlines, Tags und feine Arbeiten<br />

B<br />

Biten bzw. Biting - (engl. to bite ‚beißen‘)<br />

Das Nachmachen oder plumpe Kopieren<br />

von Ideen und oder Styles eines andern<br />

Künstlers durch einen „Biter“<br />

Blackbook (engl. black ‚schwarz‘ und book<br />

‚Buch‘) Skizzen- und Ideenbuch der Künstler,<br />

in welches auch Fotos und ähnliches<br />

eingeklebt werden können<br />

Bombing (engl. bombing ‚Bombardieren‘)<br />

- Schnelles einfaches, illegales anbringen<br />

von Pieces oder Tags<br />

Burner (engl. to burn) - Ein besonders<br />

gut geleglücktes Piece<br />

Bust/gebustet werden - Das Gefasstwerden<br />

eines Writers oder Streetarist durch Polizei<br />

oder Security<br />

D<br />

Drip/Drop/Nase/Nose - Herunterlaufende<br />

Tropfen bei zu dick aufgetragener Farbe<br />

auf Grund von Fahrlässigkeit oder als bewusstes<br />

Stilmittel<br />

F<br />

Fading - Fließender Übergang zwischen<br />

zwei Farben innerhalb eines Bildes<br />

Fame (eng. Ruhm) - Der Fame ist das Ansehen<br />

welches der Künstler in- und außerhalb<br />

der Szene genießt<br />

Flow (engl. Fluss) - Bezeichnung für die<br />

Dynamik und Harmonie eines Bildes und<br />

die Art seiner Wirkung<br />

14


HHall of Fame/Hall (eng. Ruhmeshalle)<br />

- Legal besprühbare Flächen, auf welchen<br />

sich die Künstler entfalten, messen und mit<br />

einander kommunizieren können<br />

MMarker, Stift oder Tagger - Meist dicker<br />

Filzstift zum malen von Tags oder Logos<br />

Masterpiece - Das persönlich eigene Lieblingsbild<br />

eines Künstlers<br />

Message - Intension oder Botschaft eines<br />

Pieces, Tags oder Paste Ups<br />

Mural/Concept Wall - Aufwendiges, großflächiges<br />

Werk eines oder mehrerer Künstler<br />

Writer, bei dem eine Wand nach einen<br />

bestimmten Konzept gestaltet wird<br />

P<br />

Paste Up - Das Anbringen von Postern mit<br />

Kleister oder Sprühkleber welche vorher<br />

von dem Kunstschaffenden gestaltet wurden<br />

Kunstrichtungen welche mit ihrer Arbeit<br />

Geld verdienen sich und die Ideale der<br />

Szene zu verkaufen<br />

Sketch - Skizze auf Papier, z. B. in Blackbooks<br />

Stencil - Schablone oder mit einer Schablone<br />

entstandenes Bild<br />

Sticker - Aufkleber mit Logo, Crewnamen<br />

oder ähnlichem.<br />

Style - Die Einzigartigkeit und spezielle Art<br />

der Bildgestaltung eines Künstlers oder einer<br />

Crew<br />

T<br />

Tag / taggen (engl. ‚Markierung‘ ‚Etikett‘)<br />

- Signaturkürzel, und Unterschrift<br />

einer Crew oder eines Künstlers als Buchstaben<br />

oder Logo wobei das taggen die<br />

Ausführung eines Tags ist<br />

Throw-up - Schnell gemaltes Bild, das nur<br />

mit einer raschen Schraffierung oder gar<br />

nicht ausgefüllt ist<br />

Toy (engl. „Spielzeug“) - Bezeichnung für einen<br />

unerfahrenen (schlechten) Writer<br />

WWall (eng. Wand) - Wand an die ein Writer<br />

RRooftop (eng. Hausdach) - Bombing,<br />

Paste Up oder ähnliches auf Dachvorsprüngen<br />

Roll-down - Von einem Dach oder Dachvorsprung<br />

nach unten mit Farbrollen gestaltetes<br />

Piece<br />

Roll-up - Von unten nach oben mit Pinseln<br />

oder Farbrollen angebrachtes Piece<br />

S<br />

Sell out - Vorwurf an Künstler oder<br />

oder Streetartist sein Werk bringt<br />

Writer - Bezeichnung für einen Graffiti-Sprüher,<br />

welcher sich durch Graffiti ausdrückt<br />

Writing - Das anbringen von Tags oder<br />

Pieces<br />

Y<br />

Yard/Train-Yard - Gelände, auf dem Züge<br />

oder U-/S-Bahnen abgestellt werden<br />

15


Fotos<br />

Augusto<br />

Mathieu Tremblin<br />

Florian Groß<br />

MATHIEU<br />

TREMBLIN<br />

Mathieu Tremblin, 1980 in Frankreich geboren,<br />

betreibt Kunst im urbanen Raum, die sich<br />

ortspezifisch, anonym, autonom und spontan<br />

äußert und damit Gesellschaft, Leben und<br />

Politik des Ortes hinterfragt. Aktuell arbeitet er<br />

an seiner Promotion in Visual Arts in Strasbourg.<br />

Seine Homepage im Stil eines Desktophintergrunds<br />

von Windows XP ist einen<br />

Besuch wert – allein schon aus nostalgischen<br />

Gründen. Mit uns sprach Mathieu über Street<br />

Art und ob man das überhaupt so nennen sollte,<br />

wo Kunst eigentlich hingehört, auf die Straße<br />

oder ins Museum, warum und wie sich die Szene<br />

der urbanen Künste veränderte und was<br />

das Ganze eigentlich mit Marketing zu tun hat.<br />

Interview<br />

Tabea Kungl, Elisa Georgi & Raul Llamas Kirchhoff<br />

Text<br />

Tabea Kungl<br />

16


M<br />

athieu, how did<br />

Street art or muralism<br />

changed the<br />

way graffiti used to be?<br />

Is it still possible to achieve<br />

something through this if<br />

you are getting paid to do<br />

it, get the paint and get the<br />

walls?<br />

So, actually, myself, I am, I<br />

was, still some kind of writer,<br />

graffiti writer, but I also used<br />

to do and I still do, let’s<br />

call it European name writing,<br />

not American name<br />

writing graffiti.<br />

That is also my background<br />

and that’s the reason I came<br />

to Name-writing and that I do<br />

not consider myself neither<br />

a street-artist, nor a muralist.<br />

Muralism has kind of a tradition<br />

for me, which is based<br />

on various places on earth.<br />

Here in Portugal we can say<br />

that after the revolution in the<br />

70s there were murals, kind<br />

of a movement of muralism,<br />

which was socially engaged<br />

and it was same in Dublin<br />

and Mexico.<br />

So than you get that muralism<br />

topic that came back<br />

perhaps or some kind of<br />

reminiscence or a loop related<br />

to graffiti and street art.<br />

And it started to appear after<br />

the phase when graffiti went<br />

into decoration, the way municipalities<br />

in the mid 90s to<br />

the mid 2000s did.<br />

Actually graffiti was used<br />

to remove tags from the<br />

city because they knew, they<br />

understood that there was<br />

this kind of scale of respect<br />

that were tags. You got<br />

throw-up, graffiti pieces,<br />

fresco. And when you are<br />

in fresco, supposedly, the<br />

guys are enough respected<br />

from the street, so that<br />

nobody will go over their<br />

fresco. If this is muralism<br />

related to graffiti, this exists<br />

as a form of name writing<br />

graffiti. Then you’ve got that<br />

also that writer, or kind of illustrator,<br />

but acting in the<br />

streets so maybe it would<br />

called street art, but for me<br />

it is muralism.<br />

In France, some were in<br />

Europe doing that kind of<br />

triumph muralism illegal, well<br />

let’s say legal, but it was not<br />

about legal or illegal. It was<br />

about doing painting in spaces<br />

that nobody cared about.<br />

Those were better than<br />

known places, so maybe<br />

because of them or because<br />

of the fact that for example<br />

in 2007 or 2006 BLUE came<br />

to ASALTO Festival in Spain<br />

and started to do a few<br />

murals without permission,<br />

almost without being<br />

invited. He just arrived and<br />

said ‚Hey guys, can I paint<br />

this here?‘ - They said yes. So<br />

it went kind of viral on the<br />

internet, because it was also<br />

the beginning of the Web<br />

2.0, of blogging and social<br />

networks and went beyond<br />

the use that was, some kind<br />

of underground.<br />

Then with Facebook and<br />

blogs, you get that crossover<br />

from involved users<br />

and almost random users.<br />

So actually suddenly in<br />

the end of the 2000s, there<br />

was this muralism, where<br />

people asked writers to do<br />

these kind of big scale paintings.<br />

So yes, it depends on<br />

what you’re talking about, if<br />

there is some kind of muralism,<br />

we have to define if<br />

it’s name writing related<br />

muralist, which could be<br />

big, but it was always background,<br />

characters, small<br />

pieces that were brought by<br />

authors or by municipalities.<br />

Not that quality muralism,<br />

besides of the rules of exercise.<br />

Then you’ve got that,<br />

let’s say One-Author-Muralism,<br />

sometimes very specific,<br />

sometimes with some<br />

kind of discourse, which<br />

wasn’t the case of most of<br />

the graffiti-writing muralism.<br />

And then: Street Art.<br />

For me it is very symbolic and<br />

précising, but only when we<br />

talk to about people from<br />

the beginning. Street Art is<br />

an American name for something<br />

somehow existing<br />

in different places, e.g. in<br />

France it is Art de la Rue.<br />

So there already existed<br />

a word. Remember a time<br />

when you called Street Art,<br />

Art de la Rue. So it is interesting<br />

to find the point where<br />

people stopped using their<br />

own name for Street Art to<br />

use the American one and<br />

what it changed.<br />

Because Art de la Rue<br />

in France was really a condescending<br />

form of a guy<br />

doing a living statue, space<br />

art. It was the idea of doing<br />

something in the street, but<br />

getting paid directly for it -<br />

like a spectacle.<br />

But it was also a way for a<br />

Hip Hop connected guy or<br />

municipality to talk about something<br />

that they don’t reco-<br />

18


»Besides the history of the<br />

exhibition space with which<br />

you can play, you also have<br />

this mind space, white space<br />

without anything that<br />

could disturb your attention,<br />

so can say precisely say<br />

the things you want to say,<br />

which is not the case when<br />

you do it in a big space.«<br />

19


gnize like Break Dance and<br />

Graffiti.<br />

But at some point Art de<br />

la Rue became this kind of<br />

mess. So it isn’t the same<br />

when we say street art right<br />

now.<br />

So Street Art at the beginning<br />

when it started to be<br />

used in France was actually<br />

those guys who shifted<br />

from graffiti name writing<br />

into visual identity, so it is<br />

some kind of visual communication,<br />

brandalism without<br />

something to say. So that’s<br />

how the street art term for<br />

me, for my experience as a<br />

viewer, came out and then<br />

it started to be used because<br />

those guys were entering<br />

galleries as some kind<br />

of a brand.<br />

Using street art as a way<br />

of saying ‚Oh, those guys<br />

have street credibility, let’s<br />

buy them and bring them<br />

into the gallery‘. It’s an<br />

eternal cycle, because it<br />

has already happened in the<br />

70s and 80s with graffiti, but<br />

didn’t really work, so street art<br />

was the new term in order to<br />

make more politically correct,<br />

or maybe a bit savage art,<br />

sell. For me it’s marketing,<br />

Street Art.<br />

So either it’s marketing or<br />

it’s this kind of a visual identity,<br />

so some kind of a modern<br />

perspective on art.<br />

The artist functions as a signature.<br />

It is totally outdated<br />

regarding what art is about<br />

these days. A lot of artists I<br />

admire, besides those big<br />

stars everybody knows, who<br />

are obeying on the rules<br />

of the market and playing<br />

with it, are artists who went<br />

viral, doing work nobody<br />

recognizes as art work and<br />

that’s how they are doing it.<br />

The idea in the older stories<br />

and in the 60s was always to<br />

push beyond for art. So actually<br />

there is this totally crazy<br />

gap where you have those<br />

guys doing some kind<br />

of white-male-middle-aged<br />

cartoons and selling it on the<br />

market and saying it’s Street<br />

Art where it’s actually on<br />

canvas and also doing<br />

some festival and maybe<br />

doing some illegal work, but<br />

who cares anyways? It is just<br />

some kind of brandalism and<br />

you’ve got the definition of<br />

art, which is way more interesting<br />

and socially engaged,<br />

complex and stuff.<br />

So, that’s why I don’t want to<br />

use Street Art, because when<br />

you speak about Street Art,<br />

you speak about nothing.<br />

No, it’s like some guy<br />

doing some decorative shit<br />

putting it on canvas and<br />

selling it in galleries. How<br />

can it be street art if it’s in<br />

galleries?<br />

Yes, it is a practice and it is<br />

actually the one that the municipality<br />

market is using and<br />

that’s why it is popular and<br />

everybody sees it and there<br />

are some stars with it and<br />

that’s why it is not really interesting.<br />

At the end it’s not really specific,<br />

it is rooted to the idea<br />

of a figure of an artist, who<br />

has some kind of knowledge<br />

or skills that nobody else has.<br />

Graffiti, or name-writing-graffiti<br />

was just a base of anybody<br />

who could write and the<br />

fact of writing was doing<br />

name-writing-graffiti. The recognition<br />

of the fact that<br />

you are putting your name<br />

everywhere is just a fact of<br />

practicing.<br />

Actually street Art could be<br />

a practice, but as you start to<br />

get interesting in the scene,<br />

you always come back to the<br />

same names. So, for me it’s<br />

marketing.<br />

Who did the marketing?<br />

Who started to use the term<br />

‘Street Art’?<br />

It’s the guys who created<br />

the market. A gallery owner<br />

was supporting writers in<br />

the 80s, but it wasn’t working.<br />

So she and another guy started<br />

to use this term and they<br />

made an exhibition in 2001<br />

which was called Street Art<br />

- well, actually it wasn’t her<br />

fault, the show was quite<br />

good, but all of the guys<br />

in this show did something<br />

totally different than Street<br />

Art, they were creative artists<br />

and actually this definition<br />

started to come after<br />

some talented guy went<br />

this path and shift from under<br />

the direction, it is doing<br />

this conceptual invasion, but<br />

when it is in galleries, it is<br />

mostly selling art. It is doing<br />

something else.<br />

Most of the writers doing<br />

muralism went into the galleries<br />

using this street Art theme<br />

as legitimation, but they<br />

are mostly doing the same<br />

shit they do in the streets,<br />

so, what’s the point?<br />

Calling it Street Art and<br />

then you start calling it mura-<br />

20


Mathieu<br />

repainting<br />

the<br />

Grafitti of<br />

the local<br />

Crew.<br />

21


»And actually it’s not the<br />

fact of doing it illegal, I’m<br />

not doing things because<br />

they’re illegal, that’s<br />

the teenage point of<br />

view, or the municipality’s<br />

point of view. I don’t<br />

consider doing graffiti as<br />

vandalism, that’s all. I just<br />

consider that urban space<br />

should be public, entirely<br />

public and not private,<br />

that’s it.«<br />

22


lism and in the galleries ‚illustrations‘<br />

or ‚paintings‘, but<br />

Street Art, I don’t’ get it. I just<br />

see the relationship with power<br />

and marketing.<br />

So which term would you<br />

rather use?<br />

I use the word name-writing-graffiti,<br />

I use urban<br />

practices, urban art - I’m<br />

okay with the expressions,<br />

it’s just saying what it is. You<br />

don’t have Urban Art in Galleries,<br />

but in two years you’re<br />

going to have exhibitions<br />

in Urban Art in galleries,<br />

because they also fucked<br />

up this term.<br />

What I mean is, what I<br />

like in Urban Art is actually,<br />

street is kind of the street<br />

credibility, like street marketing.<br />

When you say ‚urban‘<br />

you speak about urbanity<br />

and urbanism. It’s already<br />

something that is more complex<br />

than using ‚street‘.<br />

Street is just street-dealer,<br />

there is no deep thought<br />

about this term. It’s kind of<br />

a bad-guys-thing you don’t<br />

want to name properly, so<br />

you just call it street - it’s kind<br />

of condescending. So if I<br />

need to use a term, I will say<br />

Urban Art in English, but in<br />

French I will say art urbaine.<br />

There is art in urban space<br />

and mostly what I’m using as<br />

a term is ‚Art Practices in<br />

Urban Space‘, because there<br />

is no movement, there<br />

is just a market with street<br />

art, but there are also these<br />

festivals for sure. But there<br />

are surfing on it.<br />

What I did here in Lisbon<br />

was actually graffiti, let’s say,<br />

conceptional graffiti. Like<br />

lettering. I painted letters<br />

and some kind of mural,<br />

which was actually the copy<br />

of a Google-form-survey I<br />

did.<br />

So it wasn’t like skilled, I didn’t<br />

even decide the graphic<br />

qualities of my own painting,<br />

so I don’t see how it could<br />

be this term ‚graffiti‘.I did<br />

graffiti, but I past over some<br />

erased names of writers that<br />

were at the entrance of the<br />

neighborhood, because the<br />

municipality painted over it,<br />

as the mayor was going to<br />

visit the neighborhood, so I<br />

found it very bad.<br />

There is a local scene of<br />

name-writers and they get<br />

erased, because foreigners<br />

get invited to invade their<br />

neighborhood to do so called<br />

‘beautiful paintings’, were<br />

their own are somehow ugly?<br />

I don’t get it. It’s not how these<br />

things should work. So, I<br />

just painted over andthere<br />

was this ghost of the graffiti,<br />

so I kind of did their graffiti,<br />

which is disrespectful to the<br />

traditional name-writing in<br />

the conservative vision, but<br />

that’s what I like to do, you<br />

know, we are in 2016, we<br />

are not in the 90s or in the<br />

80s, so there are all of these<br />

traditional, conservative values,<br />

that everyone is copying,<br />

but the most known people<br />

are mostly not the ones<br />

who are doing it conservatively,<br />

so that’s again the<br />

same question.<br />

So I guess Name-writing is a<br />

practice and when it comes<br />

to art, it has to change a<br />

bit, maybe become a painting.<br />

It’s not even writing a<br />

name, it’s going over it and<br />

becoming an illustration.<br />

So Name-Writing is just<br />

name writing. You can be 16,<br />

you can be 70, you can do it<br />

with a crazy style or not - it’s<br />

just a practice.<br />

Do you see yourself as a<br />

part of the movement you<br />

just described? You sound<br />

a little bit angry to what<br />

happened to Urban Art<br />

and the Name-Writing-Scene<br />

and traditional graffiti,<br />

but you too crossed other<br />

people with your work, but<br />

you still did it and took part<br />

of the festival.<br />

Well, actually in the same<br />

time I was passing over the<br />

guys’ painting on the wall, I<br />

was paying tribute to them,<br />

because that is the reason I<br />

chose this graffiti of the local<br />

Barrio Padre Cruz Crew.<br />

It is kind of self critic, because<br />

I was invited and what I<br />

would have loved to do, but<br />

that’s the problem of this terminology<br />

of Street Art, is that<br />

you have to work specific<br />

on 10 days not having any<br />

specific places, but just look<br />

around and find out how<br />

to interact, that’s somehow<br />

what I did, but there was<br />

also this relationship with the<br />

financiers of the project, where<br />

actually they wanted people<br />

to come and ask us to do<br />

something precisely and yes,<br />

it’s a job, but I don’t get paid<br />

for it, but also Pedro invited<br />

me and I trust this guy and I<br />

like to experiment with new<br />

23


24


Finished<br />

Mural in<br />

Bairro Padre<br />

Cruz.<br />

25


context and when you are<br />

not getting paid, you still<br />

have liberty of doing things<br />

differently. I engaged myself<br />

to do something, I made<br />

a proposition, I did it, but I<br />

also did two things differently,<br />

where actually when I had<br />

been paid, maybe it would<br />

have been difficult for me<br />

to do something else in<br />

agreement with the organizers<br />

of this festival.<br />

And actually it’s not the<br />

fact of doing it illegal, I’m<br />

not doing things because<br />

they’re illegal, that’s the<br />

teenage point of view, or<br />

the municipality’s point of<br />

view. I don’t consider doing<br />

graffiti as vandalism, that’s all.<br />

I just think that urban space<br />

should be public, entirely<br />

public and not private,<br />

that’s it.<br />

And then maybe you’ll find<br />

a way in order to regulate<br />

graffiti-things as a commercial<br />

or as marketing, but they’re<br />

not - so who’s the hypocrite<br />

in this? It’s the writers who<br />

do their own advertising, but<br />

actually it’s just a nickname,<br />

so nobody really knows who<br />

they are.<br />

And then you have big<br />

companies buying a building<br />

and putting up this<br />

gigantic billboard.<br />

I’m not against advertising,<br />

it’s just so obvious for a<br />

municipality to have advertising<br />

without regulation in the<br />

street, but in the same time<br />

it’s strange to have graffiti,<br />

where it’s just people doing<br />

it, which means that there<br />

are people in town who are<br />

living.<br />

Be afraid of the places<br />

where there is no graffiti,<br />

it means that nobody is<br />

living there, but if you have<br />

enough graffiti, that means<br />

you have enough people<br />

passing it everyday, so you’re<br />

safe.<br />

The topic or the issue of the<br />

festival is to generate publicity<br />

for this part of the city<br />

and to get more people<br />

involved to see it, in fact<br />

to gain more life quality for<br />

the people living there.<br />

Do you think this is achievable?<br />

Not in the matter I did it.<br />

They have several curators<br />

and figures inviting guys. So<br />

at some point they involved<br />

the community of writers,<br />

of international artists,<br />

of directors of the festival,<br />

of students, even the population<br />

that gives a world<br />

for free, but maybe not for<br />

free, maybe they’re not the<br />

owner of the building, so<br />

they’re not going to decide<br />

whether there is going to be<br />

a painting or not.<br />

For the municipality it’s not<br />

bad, maybe they have a bad<br />

image or no image at all, and<br />

then with the artists, people<br />

start to understand ‚Visit the<br />

neighborhood!‘, but the problem<br />

is, if people don’t have<br />

a view on the neighborhood<br />

maybe because there is no<br />

bus to go there or it’s just a<br />

place where people sleep,<br />

so it’s also a conception of<br />

the city which is highlighted.<br />

As far as I understood<br />

they’re building new buildings,<br />

so maybe they want<br />

people to buy a flat or to<br />

come live here, so it is some<br />

kind of communicational<br />

operation on some level.<br />

But do you think it could<br />

evolve the level of happiness,<br />

of a good life for the<br />

people living there in a long<br />

time view?<br />

Maybe, but for me it’s all based<br />

on the problem of doing<br />

events.<br />

Actually I think art should be<br />

spread everyday. For example<br />

when you do graffiti, I think<br />

it’s difficult for a writer to propose<br />

something in a neighborhood<br />

as for them to organize<br />

an event and suddenly<br />

you have 10 walls. So if a<br />

guy comes and says ‚Yeah,<br />

I would like to improve your<br />

quality of life by doing a wall.‘<br />

Nobody will say yes. But then<br />

there is the municipality promoting<br />

the idea of a good<br />

life through painting, some<br />

kind of communication.<br />

That’s also why I say Street<br />

Art is a tool, a tool for gentrification<br />

or urban renewal<br />

like changing the image. So<br />

it depends on the person,<br />

but also on the will from the<br />

municipality to have site-specific-related<br />

walls, but if you<br />

want to have this, you need<br />

to invite artists to be involved<br />

during a long period. So it’s<br />

a different scale, it’s not<br />

communication anymore.<br />

From the municipality point<br />

of view, they are trying to<br />

do their best. They’ve got<br />

some tools, some councilor<br />

26


Mathieu painting<br />

the Google<br />

Form in Bairro<br />

Padre Cruz.<br />

27


in communication and they<br />

just follow what they’re told.<br />

So if we want to talk about<br />

the social change though<br />

the implementation of art<br />

forms, maybe it’s better to<br />

look at other initiatives which<br />

are not that popular and<br />

shiny, because I don’t understand<br />

how foreign artists<br />

could be invited for 4 days,<br />

like me, and do something<br />

relevant to the territory if they<br />

don’t get in touch with all of<br />

the issues.<br />

So, there is one guy from the<br />

Netherlands, one from Germany<br />

and you, from France,<br />

but the rest are Portuguese<br />

people.<br />

I’m just saying that bringing<br />

foreigners in order to create<br />

an image of a credibility of<br />

international thing. It’s just<br />

then they are involving local<br />

writers, but I’m not 100% sure<br />

that local writers care about<br />

the place or the paint,<br />

because actually writing is<br />

just writing.<br />

You have to go beyond writing<br />

and most of the time<br />

even beyond the use of<br />

spray-cans or name-writing if<br />

you want to get in touch with<br />

the context.<br />

Actually, I didn’t paint any<br />

name, I didn’t paint MY name,<br />

I painted a name of a collective<br />

which is like the youngster<br />

collective and I painted it,<br />

because actually it’s like the<br />

name of local people.<br />

None of the guys did classic<br />

name-writing, they just<br />

did some characters, but if<br />

you just get the image, you<br />

won’t know that it is in this<br />

precise neighborhood.<br />

So it’s very hard to speak<br />

about social change<br />

though art, if the art you’re<br />

doing is kind of addressed<br />

to a globalized vision and<br />

also, cityscale-vision, because<br />

that’s the thing; if you want<br />

to speak with people and interact<br />

with them, you are acting<br />

their scale and when you<br />

start to act at the scale of the<br />

city or addressing to municipality<br />

to the mayor of the<br />

city and maybe to an image<br />

of the global city, not to the<br />

«So, that’s why I don’t<br />

want to use Street Art,<br />

because when you<br />

speak about Street Art,<br />

you speak about nothing.»<br />

28


people, but maybe it’s efficient<br />

also, somehow.<br />

If you want to be respected<br />

by people, show them<br />

some respect.<br />

Which was this phrase in<br />

Portuguese that was erased<br />

previously to the festival and<br />

that was repainted afterward<br />

by the writers who did it,<br />

but like 20 years ago and<br />

this phrase actually switched<br />

from a name-writing, constructive<br />

perspective to a<br />

cultural perspective, because<br />

people appropriate this<br />

form and it was some kind<br />

of symbol for them.<br />

It could have also been this<br />

Padre Cruz Statue, which is<br />

almost one of the only forms<br />

of art that the people have<br />

here, so maybe at some<br />

point, one of the paintings<br />

which was done in a totally<br />

different perspective will<br />

become some kind of symbol<br />

of the inhabitants, but<br />

it’s not something you can<br />

expect.<br />

You can’t plan it. If you want<br />

to plan it, I’m not sure if it will<br />

work the way you planned it.<br />

I did a little research on<br />

your work and you also<br />

work in museums and galleries.<br />

Do you feel like there<br />

is a difference in depth of<br />

the meaning of your work if<br />

you do it in the streets or put<br />

the same art in a gallery? Do<br />

you feel like there is a lack or<br />

like something is missing?<br />

No, because I don’t do the<br />

same art in galleries, I’m always<br />

working site-specific.<br />

When you come to a white<br />

cube, the white cube has its<br />

own history, so you can act<br />

in the same manner if you<br />

work in the street and take<br />

care of the history you’re<br />

referring to. And sometimes<br />

a gesture in urban space can<br />

have a different sense, but<br />

could be the same in a gallery<br />

and be relevant.<br />

What could be very basically<br />

interesting, if at some<br />

point name-writing could<br />

go through art skills of the<br />

writers regarding specific<br />

perspective of painting.<br />

It could be painting directly<br />

onto the walls of the gallery,<br />

but mostly writers don’t do<br />

this, because galleries are<br />

actually not promoting the<br />

mural, but the fact of selling<br />

objects, but there are also<br />

none-profit-galleries, so it’s<br />

not a rule, it’s just a manner<br />

and you interact with it<br />

and so from my point of view.<br />

I feel like being inspired from<br />

what’s happening in the city<br />

could make you do good artpieces<br />

in galleries whilst not<br />

using the same tools, which<br />

are maybe bringing the same<br />

issues, but in a different<br />

way. A good way of telling<br />

the same story in two<br />

manners, would be thought<br />

documentation, with the process,<br />

with the surveillance of<br />

a neighborhood, making<br />

kind of a larger picture<br />

and more complex vision.<br />

I mean outside the context,<br />

which gives you some inputs<br />

of what the work is related to.<br />

I was invited to do shows and<br />

the reason why I accepted<br />

was always that the people<br />

paying me to come, were<br />

giving me materials, authorizing<br />

me to experiment and<br />

use the gallery as a studio and<br />

chasing the way I wanted to<br />

show it and most of the time<br />

I was doing things outdoor,<br />

but also bringing back some<br />

traces of things I did outdoor<br />

inside to put it into a dialogue<br />

with some specific<br />

gestures I did in the gallery,<br />

so it started to construct<br />

some kind of vision, because<br />

then you come to the gallery,<br />

you see something that is related<br />

to your own city or your<br />

neighborhood and you can<br />

see it for real and the existence<br />

of the site-specific<br />

gesture you’re doing and<br />

the documentation bring<br />

you two perspectives of the<br />

same work.<br />

That’s also how I use the<br />

Internet. They are not going<br />

to promote the pieces<br />

which were curated, they are<br />

not going to say ‚yeah, you<br />

did illegal work, that was super!‘.<br />

So I just did it and then<br />

at some point it will end<br />

up on my website or I<br />

will communicate it on my<br />

blog. So it’s just like using<br />

the Internet as a place to<br />

show things differently or<br />

more precisely, giving some<br />

context. ‚Besides the history<br />

of the exhibition space with<br />

which you can play, you also<br />

have this mind space, white<br />

space without anything<br />

that could disturb your attention,<br />

where you can say<br />

precisely say the things you<br />

want to say, which is not<br />

the case when you do it in<br />

a big space. It could be used<br />

29


against you, it could be understood<br />

in the wrong way, it<br />

could be many things.<br />

That’s why it’s interesting to<br />

have both ways. You are not<br />

obligated to use both spaces<br />

in the same manner,<br />

you can do totally different<br />

things.<br />

You are also using the Internet<br />

for marketing issues.<br />

Actually, that’s not how it<br />

works. I started in 2006 to use<br />

the Internet as place to show<br />

my work.<br />

I was doing it on the street<br />

and then I was doing a feedback<br />

on what I did on the<br />

street, giving some keys of<br />

the complexity of the thing I<br />

was feeling when I was doing<br />

it.<br />

Like I was doing a slogan,<br />

but the reason I was doing<br />

a slogan was I spent 2 years<br />

surveilling the neighborhood<br />

and meeting the people and<br />

at some point that’s a way of<br />

telling a story, which people<br />

who just come across<br />

the street can’t see, but the<br />

locals will understand it.<br />

So it’s my kind of contribution;<br />

a comment on the<br />

situation. And the thing with<br />

the blog; people are actually<br />

taking things from<br />

my website and put it onto<br />

their blogs and after they<br />

do that, I take their contact<br />

and say ‚Well, you stole that<br />

work from my website.<br />

You didn’t even give surrounding<br />

and how it happened<br />

or credit. So I’m giving<br />

you the information that<br />

if you do that again you’ll get<br />

the whole picture. ‘So, Marketing<br />

would be if I wanted<br />

to sell something or of getting<br />

fame, which is totally<br />

stupid.<br />

I’m like a baby in the market<br />

of art, but actually I don’t<br />

want the recognition of the<br />

money, I just, in fact I don’t<br />

want recognition, I just want<br />

to be able to do the things as<br />

free as possible in the manner<br />

I’m doing it. I want to experiment<br />

with situations.<br />

In the beginning, you said<br />

that Street Art was this<br />

big American terminus and<br />

that it started with the<br />

Web 2.0 and that it wasn’t<br />

for the people in a specific<br />

city, but for all the people,<br />

kind of global. But you’re<br />

still doing it global, you’re<br />

not doing it for the people<br />

in the city.<br />

Okay, for example the painting,<br />

the mural I did, I did it<br />

site-specific. Well, what was<br />

my situation? I was invited<br />

because I was French into<br />

a neighborhood I don’t<br />

know and the thing is, my<br />

perspective ... a Street Art<br />

Festival as a context, so I’m<br />

doing it in English, because<br />

actually I spoke English<br />

with the people, so it’s site-specific,<br />

it’s for the people.<br />

It’s not for the local people,<br />

except if you think about the<br />

fact that they have this kind<br />

of cultural invasion and then<br />

they are forced to live wi th it.<br />

So it’s some kind of critique<br />

about this situation. And actually,<br />

I first wanted to do<br />

it in Portuguese and asked<br />

the neighborhood and<br />

because I didn’t know all<br />

of the territorial marketing<br />

or communication with the<br />

municipality, Pedro said ‚No,<br />

no, do it in English‘.<br />

And actually that’s not<br />

the way municipalities address<br />

the people of the<br />

neighborhood, so it’s a<br />

comment on the way it’s<br />

communicated.<br />

I know this kind of context,<br />

so I knew it would also<br />

work this way and people see<br />

English and ask ‚Why is it in<br />

English and not in Portuguese?‘<br />

and then they will<br />

get in touch with the answers,<br />

they will actually understand<br />

that the reason why it’s<br />

not in Portuguese, it’s not a<br />

communication gesture; this<br />

artistic festival is somehow<br />

not only addressed to them<br />

it is also addressed to the<br />

imagery of the city.<br />

30


projekt2508<br />

Kultur- und Kreativwirtschaft sind Wirkungsbereiche,<br />

die seit jeher stark von diversen<br />

äußeren Einflussfaktoren – Politik, Gesellschaft,<br />

konkurrierenden Tätigkeitsfeldern<br />

– beeinflusst werden. Neben den internen<br />

Strukturen, die es zu organisieren gilt wächst<br />

der Druck von außen stetig. Betriebe der<br />

Kulturwirtschaft stehen vor Herausforderungen,<br />

die ihr klassisches Handlungsfeld<br />

überschreiten.<br />

Wie kann der Kulturbetrieb diese Herausforderung<br />

meistern und zugleich sein Kerngeschäft<br />

aufrecht erhalten?<br />

Seit 2003 bietet die projekt2508 Gruppe<br />

Full-Service Dienstleistungen für die Kulturund<br />

Tourismuswirtschaft – wir beraten, konzipieren<br />

und setzen um. projekt2508 berät<br />

und unterstützt Regionen, Kulturinstitutionen<br />

und Städte bei der Konzeption und<br />

Umsetzung von Marketing- und Kommunikationsstrategien<br />

sowie in der kulturtouristischen<br />

Attraktionsentwicklung. Zudem<br />

leisten wir Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

und übernehmen die operative Betreuung<br />

Ihres Projekts.<br />

Die projekt2508 Gruppe setzt sich aus folgenden<br />

Modulen zusammen:<br />

expo2508 entwickelt Ausstellungen, Museen<br />

und touristische Attraktionen – vom Konzept<br />

bis zur schlüsselfertigen Übergabe.<br />

kontor2508 ist kompetenter Ansprechpartner<br />

rund um das Thema Museumsshop<br />

und Merchandising.<br />

art cities SERVICES GmbH umfasst die<br />

Geschäftsbereiche art cities BOX (innovative<br />

Kulturreisepakete für Individualreisende)<br />

und art cities REISEN (Führender Paketreiseveranstalter<br />

im Kulturreisesegment). Mit<br />

dieser Firma werden konkrete Reiseprodukte<br />

in Deutschland aber auch europa- und<br />

weltweit angeboten.<br />

Die CULTURE LOUNGE- Die Kulturhalle<br />

der ITB in Berlin ist die zentrale Plattform<br />

für den internationalen Kulturtourismus. Als<br />

Partner der ITB bieten wir Ausstellern und<br />

Kunden attraktive Präsentations- und Kommunikationsmöglichkeiten.<br />

Durch die fachübergreifende Zusammensetzung<br />

des Teams ist es möglich, Konzepte<br />

und Strategien zu planen sowie deren<br />

Umsetzung zu betreuen. Darüber hinaus<br />

gibt die Kompetenzvielfalt die Möglichkeit,<br />

individuell auf die Ansprüche des kulturwirtschaftlichen<br />

Betriebes zu reagieren. Der<br />

modulare Aufbau der projekt2508 Gruppe<br />

kommt der Diversität des Marktes entgegen,<br />

der sich je nach Anforderungsprofil<br />

mit verschiedenen Kompetenzbereichen<br />

zusammen arbeiten kann.<br />

projekt2508 Gruppe<br />

Bonn | Berlin | Konstanz | Antwerpen<br />

31


Fotos<br />

Elisa Georgi<br />

BAIRRO<br />

PADRE<br />

C R U Z<br />

Die Sozialbausiedlungen im Barrio Pedro<br />

Cruz sind der Ort des MURO Festivals<br />

und der durchgeführten Untersuchung.<br />

Ein fotografischer Rundgang.<br />

32


Fotos<br />

Elisa Georgi<br />

Raul Llamas Kirchhoff<br />

MURO<br />

FESTIVAL<br />

Organisiert durch die Galeria de Arte<br />

Urbana (GAU), fand vom 30.04 - 15.05.<br />

im nordöstlich des Stadtzentrum Lissabons<br />

gelegenen Randbezirk Bairro Padre<br />

Cruz das MURO Festival de Arte<br />

Urbana LX_ 2016 statt. Durch verschiedenste<br />

Formen der Urban Art zeigten<br />

nationale und internationale Künstler<br />

ihr Verständnis des Viertels und<br />

dessen Polarisation zwischen Beheimatlichung<br />

und Fremdheit seiner Bewohner.<br />

40


LOW BROS


RAM


VIOLANT


TINTA CRUA


FELIPE PANTONE


RAM


VIOLANT


NOMEN


LEONOR BRILHA


Fotos<br />

Elisa Georgi<br />

Tabea Kungl<br />

PEDRO<br />

SOARES<br />

NEVES<br />

Pedro lehrt an der Universität Lissabon Design<br />

und wurde als Kurator auf das MURO<br />

FESTIVAL eingeladen. Die kontroverse Auswahl<br />

seiner Künstler für das Festival spiegelt<br />

seine Kritik an der kommerziellen Orientierung<br />

des Grafitti- und Urban Art-Sektors.<br />

Über seine Erfahrung und Meinung zu diesem<br />

Thema sowie dem Mehrwert des Festivals<br />

für die Anwohner sprachen wir mit ihm.<br />

Interview<br />

Elisa Georgi, Raul Llamas Kirchhoff<br />

Text<br />

Elisa Georgi<br />

58


er 25. April 1974 ist<br />

D<br />

wohl einer der wichtigsten<br />

und bedeutsamsten<br />

Tage der<br />

jüngeren portugiesischen<br />

Geschichte. Ein linksgerichteter<br />

Aufstand initiiert durch<br />

große Teile der portugiesischen<br />

Armee, bekannt als<br />

Nelkenrevolution, stürzte die<br />

autoritäre Diktatur des sogenannten<br />

Estado Novo (portugiesisch:<br />

„Neuer Staat“), und<br />

eröffnete somit den Weg zur<br />

demokratischen Republik.<br />

Sowohl die Revolutionszeit,<br />

als auch die Zeit des politischen<br />

und gesellschaftlichen<br />

Umbruchs danach, wurden<br />

künstlerisch in Form von<br />

Murals und Graffiti aufgearbeitet,<br />

noch heute können<br />

viele der Kunstwerke in Lissabon<br />

bestaunt werden.<br />

Kurz darauf, in den 80er Jahren,<br />

etablierte sich in Portugal<br />

eine große und vielfältige<br />

Graffiti-Szene; es ging nun<br />

nicht mehr vorrangig um politische<br />

Inhalte und die Aufarbeitung<br />

von Erlebten, nach<br />

und nach kommerzialisierte<br />

sich die Szene. Zudem setzt<br />

die Stadt Lissabon inzwischen<br />

statt auf Repressionen<br />

und Bestrafung der Sprayer<br />

auf Kollaboration: Als ein veraltetes<br />

Mietgesetzt Hausbesitzern<br />

verbietet, Mieten zu<br />

erhöhen und damit erreicht,<br />

dass ein Großteil der Häuser<br />

nicht mehr renoviert wird, reagiert<br />

die Stadt und legalisiert<br />

Straßenkunst an vielen<br />

Fassaden. Das bröckelnde<br />

Stadtbild wird somit zur Leinwand<br />

für Straßenkünstlern<br />

und zieht Street-Art-Interessierte<br />

wie ein Magnet an.<br />

Dabei werden Street-Art-<br />

Künstler immer mehr zu Stars<br />

der Szene, Künstler wie Vhils,<br />

Add Fuel, Blu oder Bordalo<br />

II haben Facebookseiten,<br />

stellen in Kunstgalerien aus,<br />

schmücken Magazin- Cover<br />

und verkaufen ihre Kunst auf<br />

Plakaten und Ähnlichem.<br />

Die Entwicklung vom illegalen<br />

Graffiti zur legalen und<br />

kommerzialisierten Street Art<br />

wird seit vielen Jahren vom<br />

Designer und Professor Pedro<br />

Soares Neves beobachtet.<br />

Er selbst hat in den 90er<br />

Jahren in Lissabon begonnen,<br />

Kontakte in die Graffiti-Szene<br />

zu sammeln und<br />

künstlerisch aktiv zu sein. Dabei<br />

stellen für ihn die Begriffe<br />

eher zwei parallele Welten<br />

dar, verschiedene Arten, um<br />

in Dialog zu treten.<br />

So gibt es Leute, welche in<br />

nicht-künstlerischen Jobs arbeiten<br />

und in ihrer Freizeit<br />

Graffiti zeichnen, ebenso<br />

wie es Künstler gibt, welche<br />

legal im Rahmen von Festivals<br />

oder Galerien tätig sind<br />

und dennoch illegal Wände<br />

oder Züge besprühen. „It’s a<br />

job, like any other“, so Pedro.<br />

Wichtig ist für ihn dabei dennoch,<br />

durch Street Art Dinge<br />

zu reflektieren, zu hinterfragen.<br />

Die für jeden im öffentlichen<br />

Raum zugänglich gemachte<br />

Ausdrucksform der Street Art<br />

wird von Kai Jakob reflektiert.<br />

Er zieht eine klare Grenze<br />

zwischen den Begriffen des<br />

Graffiti und der Street Art.<br />

So findet Graffiti „nur innerhalb<br />

dieser Grenze statt, mit<br />

allen kulturellen Erscheinungen,<br />

die dazu gehören, also<br />

auch die Skaterkultur oder<br />

Hip Hop“ (Jakob 2009: 75).<br />

Street Art stellt demnach<br />

eine Weiterentwicklung der<br />

Graffiti-Kultur dar, „hat sich<br />

als differenzierte Disziplin<br />

hervorgetan“ (Jakob 2009:<br />

75), welche eine neue Form<br />

der urbanen Kommunikation<br />

darstellt. So bedient sich<br />

Street Art, oder auch Urban<br />

Art, zwar einer Technik des<br />

Graffiti, verfolgt allerdings<br />

teilweise andere Ziele. „Street<br />

Art basiert einerseits auf der<br />

neueren Tradition der Graffiti<br />

und anderseits der esoterischen<br />

Tradition der Moderne,<br />

den Status quo zu hinterfragen.<br />

Sie stellt die zur Norm<br />

gewordene Stadterfahrung<br />

auf den Kopf“ (Seno 2010:<br />

16). Urban Art stellt demnach<br />

eine produktive, und nicht<br />

wie Graffiti eine destruktive<br />

Kunstform dar. Vor allem<br />

leerstehende Häuser, verfallene<br />

Viertel oder verwahrloste<br />

Wände laden Sprayer und<br />

Künstler dazu ein, diese zu<br />

verändern, durch die eigene<br />

Kunst, Technik und Farbe individuell<br />

zu gestalten, kurz:<br />

sich diese anzueignen.<br />

Erklärungsansätze für die Zusammenhänge<br />

zwischen einem<br />

geographischen Raum<br />

und Graffiti oder Street Art<br />

bietet die Chicagoer Schule<br />

(vgl. Park 1915). Vor dem<br />

Hintergrund ihres sozialökologischen<br />

Ansatzes wurde<br />

dabei nachgegangen, wie<br />

es, angesichts der raschen<br />

Veränderung und Verstäd-<br />

60


»Grafitti<br />

is<br />

somehow<br />

the DNA of<br />

the city.«<br />

61


terung, sowie unter den<br />

Bedingungen von sozialen<br />

Lebensräumen, Milieus und<br />

Subkulturen, zu kriminellen<br />

Handlungen kommt.<br />

In den Studien von Clifford<br />

R. Shaw und seiner Mitarbeitenden<br />

wurde dabei ersichtlich,<br />

dass nicht der Raum,<br />

sondern vor allem soziale<br />

Bedingungen und Bewegungen<br />

in ihm delinquentes<br />

Verhalten generieren.<br />

Kurz darauf untersuchten<br />

James Q. Wilson und George<br />

L. Kelling dieses Phänomenen<br />

genauer; mit der<br />

„Broken Windows“-Theorie<br />

konstatieren sie, dass Gemeinschaften<br />

durch irritierende<br />

und störende Einflüsse<br />

von außen aus der<br />

Balance geraten können.<br />

„Broken Windows“ (englisch,<br />

zerbrochene Fensterscheiben)<br />

symbolisieren dabei<br />

verfallene und verwahrloste<br />

Häuser und Stadtteile und<br />

sind Ausdruck dafür, dass<br />

sich niemand darum kümmert,<br />

beziehungsweise sich<br />

niemand an der Unordnung<br />

stört. Ein solches Umfeld<br />

würde dann Straftäter anlocken<br />

(vgl. Kelling 1996).<br />

Bezogen auf Street Art und<br />

Graffiti, wird folgendes deutlich:<br />

Während Graffiti von seinem<br />

destruktiven Charakter<br />

lebt, seine Illegalität herausfordert,<br />

in vielen Stadtteilen<br />

sofort beseitigt wird und dadurch<br />

nur in ausgewählten,<br />

„unordentlichen“ Nachbarschaften<br />

leben und wirken<br />

kann, zeichnet sich Street Art<br />

durch seinen konstruktiven<br />

Charakter aus. So wird Street<br />

Art nicht ausschließlich in<br />

verlassenen Stadtgebieten<br />

gefunden, Street Art Artisten<br />

geht es vor allem darum,<br />

durch ihre Arbeit auf oder<br />

an der Straße eine hohe<br />

Anzahl an Passanten anzusprechen.<br />

Öffentliche und<br />

gute frequentierte Orte sind<br />

Grundlage der Street Art, Betrachtende<br />

sollen zum Nachdenken<br />

angeregt werden. Es<br />

ist intendiert, dass sich Vorbeilaufende<br />

wenigstens für<br />

kurze Zeit mit dem Werk auseinandersetzen<br />

können.<br />

Straßen, Häuser, Wohnblöcke,<br />

Fassaden — all diese<br />

Oberflächen sind der Kommunikationsraum<br />

der Bürger<br />

und werden somit zu deren<br />

Benutzerschnittstellen.<br />

62


„Street Art fungiert damit als<br />

Indikator für ein kreatives und<br />

ideologisch ungebundenes<br />

Potential der Bürger“ (Jakob,<br />

2009:90). Ergo, je frequentierter<br />

Orte einer Stadt durch<br />

Menschen kreativ beeinflusst<br />

werden, desto höher ihr Interesse<br />

an der Mit- und Umgestaltung<br />

des eigenen Lebensraumes,<br />

aber auch des<br />

vorherrschenden Sozialgefüges.<br />

Somit ist Urban Art eine omnipräsente<br />

Sprache, eine Kultur<br />

der Zeichen und Codes,<br />

Menschen müssen und wollen<br />

kommunizieren. „Grafitti<br />

is somehow the DNA of the<br />

city“. Dies zu verstehen, und<br />

als Stadt zu nutzen, muss<br />

Aufgabe der Architekten und<br />

Stadtplaner sein, so Pedro.<br />

In der Semiotik der Stadt<br />

stellt Street Art ein in stetiger<br />

und offener Veränderung<br />

stehendes Kommunikationssystem<br />

dar, welches erst<br />

durch die Vergänglichkeit<br />

des städtischen Kontextes<br />

leben kann. Somit entsteht<br />

ein Prozess der kommunikativen<br />

Weiterentwicklung,<br />

welcher passend durch das<br />

Hall’sche Kommunikationsmodell<br />

verdeutlicht werden<br />

kann. So beschreibt Hall in<br />

seinen Überlegungen zum<br />

Dekodierungsprozess drei<br />

unterschiedliche Lesearten<br />

(vgl. Hall 1999).<br />

1. Die dominant-hegemoniale<br />

Lesart. Die Dekodierung<br />

erfolgt hier im Sinne des Encodings,<br />

die Nachricht wird<br />

also genauso aufgenommen<br />

und verstanden, wie vom<br />

Produzenten intendiert.<br />

2. Die ausgehandelte Lesart.<br />

Der Rezipient stimmt mit einigen<br />

Teilen wird überein, während<br />

bei anderen Teilen ein<br />

unterschiedliches Verständnis<br />

oder gar Unverständnis<br />

der Nachricht vorliegt.<br />

3. Die oppositionelle Lesart.<br />

Die Intentionen der Produktion<br />

werden bei der Dekodierung<br />

zwar erkannt, jedoch<br />

nicht angenommen und sogar<br />

widersprochen.<br />

Street Art bedient sich dabei<br />

vor allem bei den ersten beiden,<br />

offensichtlichen Lesarten<br />

und findet aus genau diesem<br />

Grund auch eine hohe<br />

Akzeptanz in der Öffentlichkeit.<br />

Passanten werden zur<br />

Reflexion ermuntert, „indem<br />

er sich mit der Inhaltlichkeit<br />

des Werkes auseinandersetzen<br />

kann, sofern er diese entdeckt<br />

und sie sein Interesse<br />

zu wecken vermag“ (Jakob<br />

2009: 90f.). Im Gegensatz zu<br />

Graffiti, welche durch die nur<br />

für spezielle Kulturkreise und<br />

Gruppierungen sichtbaren<br />

Zeichen und Symbole lebt,<br />

stellt Street Art eine omnipräsente<br />

Sprache dar.<br />

Die U27 Sinus-Milieu-Studie<br />

ordnet der Graffiti-Szene<br />

so eindeutig das Sinus B<br />

II Milieu zu (Hedonistische<br />

Jugendliche), während sich<br />

Mitglieder und Rezipienten<br />

der Street-Art-Szene nicht in<br />

eindeutigen Milieus verorten<br />

lassen (vgl. Brändle, 2008:<br />

15), da die zunehmende Medienpräsenz<br />

als Erweiterung<br />

des Straßenkommunikationsraumes<br />

angesehen werden<br />

muss. Die steigende Präsenz<br />

von Street Art in Fernsehen,<br />

Zeitschriften, Blogs und Facebook<br />

im Form von Eigenund<br />

Fremddarstellung, sowie<br />

das verstärkte Auftreten<br />

in Galerien und Museen,<br />

tragen dazu bei, dass Street<br />

Art nicht ausschließlich Passanten<br />

im öffentlichen Raum<br />

anspricht, sondern durch<br />

die Medialisierung zu einer<br />

höheren gesellschaftlichen<br />

Akzeptanz führt. „Street Art<br />

ist Zeitgeist, Street Art wird<br />

Kunstbegriff“ (Jakob 2009:<br />

91). Eine neue Form von Dialog<br />

entsteht; Künstler können<br />

durch autorisierte Kunst Einfluss<br />

auf Menschen sowohl<br />

vor Ort, als auch überall auf<br />

der Welt nehmen.<br />

Das MURO Festival, initiiert<br />

von der Stadt und getragen<br />

durch eine Galerie, ist dafür<br />

ein ideales Beispiel. „When<br />

you have a no-rule opportunity<br />

and do it with quality<br />

and give at the same time a<br />

good reply to the needs of<br />

the people and not just do a<br />

festival, it’s good“, so Pedro.<br />

Doch inwiefern kann ein von<br />

außen organisiertes Festival<br />

die Lebensqualität in einem<br />

Viertel wie dem Bairro Padre<br />

Cruz nachhaltig verbessern?<br />

Zurückkommend auf das<br />

oben schon angesprochene<br />

Zitat von Jakob, „Street Art<br />

fungiert damit als Indikator<br />

für ein kreatives und ideologisch<br />

ungebundenes Potential<br />

der Bürger“ (Jakob,<br />

2009:90), offenbart sich die<br />

Differenz einer Intervention,<br />

welche nicht aus der Stimme<br />

63


der Anwohner, sondern der<br />

Stadt entsteht.<br />

Der soziale Raum, in den hier<br />

eingegriffen wird, beschreibt<br />

Bourdieu als „relationale (An)<br />

Ordnung von Menschen<br />

und Menschengruppen im<br />

permanenten Verteilungskampf“<br />

(Löw nach Bourdieu<br />

2001: 181), und stellt damit<br />

einen Raum der Beziehungen<br />

dar. Die Struktur des<br />

Raumes manifestiert sich in<br />

räumlichen Gegensätzen,<br />

einem mehrdimensionalem<br />

Raum, der sich als „Ensemble<br />

objektiver Kräfteverhältnisse“<br />

(Bourdieu 1985, S. 10) verstehen<br />

lässt. Demzufolge hält<br />

jeder Akteur eine Stellung im<br />

Raum inne; der Zusammenstoß<br />

zweier innerhalb des<br />

sozialen Raumes weit voneinander<br />

entfernten Akteuren<br />

wird vermieden. Stoßen diese<br />

Akteure im Raum aufeinander,<br />

werden Handlungen<br />

provoziert.<br />

Durch das Festival werden<br />

Künstler, Interessierte und<br />

Touristen in einen Raum eingeladen,<br />

welchen sie sonst<br />

nicht erschließen. Durch das<br />

Zusammenbringen dieser<br />

Akteure wird ein neuer Raum<br />

geschaffen. Das Festival und<br />

die Kunst, senden neue Impulse<br />

aus, die alle Akteure<br />

im Raum bewegen. Anwohnende,<br />

Passierende und Aufmerksame,<br />

aber auch Menschen,<br />

die durch Medien von<br />

dem Festival und dem Viertel<br />

erfahren, werden ungewollt<br />

in ihrer Handlungsstruktur<br />

beeinflusst. „Above all, I see<br />

this as a space of experimentation.“<br />

, schätzt Pedro die Situation<br />

im Viertel ein.<br />

Die Wechselwirkung, welche<br />

im Raum durch das Festival<br />

zwischen Abwohnenden<br />

und Besuchenden entstehen,<br />

kann mit Hilfe von Martina<br />

Löw beschrieben werden.<br />

In ihrem Verständnis entsteht<br />

Raum erst durch die aktive<br />

Verknüpfung von Menschen,<br />

dabei können sowohl Dinge<br />

als auch Menschen miteinander<br />

verknüpft werden.<br />

Sie unterscheidet dabei in<br />

sich zwei sich gegenseitig<br />

bedingende, raumkonstituierende<br />

Vorgänge: das Spacing<br />

und die Syntheseleistung.<br />

Spacing umfasst das Errichten,<br />

Bauen und Positionieren<br />

von sozialen Gütern (materielle<br />

Dinge, symbolische<br />

Güter, dies sind im Rahmen<br />

des Festivals die Murals und<br />

Kunstwerke) und Lebewesen<br />

im Raum, also Besuchende.<br />

Dabei wird „Raum als relationale<br />

(An-)Ordnung von sozialen<br />

Gütern und Menschen“<br />

(Löw, 2001, S.158) definiert.<br />

Das bewusste Positionieren<br />

in Relation zu anderen Positionierungen<br />

wird vorausgesetzt.<br />

Die Syntheseleistung<br />

verknüpft die sinnlich wahrnehmbaren<br />

Elemente zu einer<br />

räumlichen Einheit.<br />

Der damit einhergehende<br />

Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozess<br />

fasst Menschen<br />

und Güter zu habituell geprägten<br />

Räumen zusammen<br />

und ist somit atmosphärisch<br />

erfahrbar. So sind Räume das<br />

Resultat von Handlungen,<br />

ebenso strukturiert Handlung<br />

aber auch Räume.<br />

Durch das Positionieren des<br />

Festivals in einem Randbezirk<br />

von Lissabon, welcher bis<br />

dato nie medial vertreten war,<br />

entsteht eine neue räumliche<br />

Einheit. Der dynamische<br />

Prozess des Handelns lässt<br />

bei Anwohnenden und Besuchenden<br />

ein Miteinander,<br />

Nebeneinander und zum<br />

Teil auch Gegeneinander<br />

entstehen; jede Handlung<br />

welche hierdurch impliziert<br />

wird, markiert und symbolisiert<br />

den Raum neu.<br />

So entsteht aus dem Viertel<br />

durch die Intervention des<br />

Festivals ein neuer Raum,<br />

welcher nicht nur durch die<br />

Kunst, sondern auch als Ergebnis<br />

der Raumkonstitution<br />

ein atmosphärisches Miteinander<br />

schaffen kann. In der<br />

eigentlichen Gesellschaft<br />

wird eine Parallelgesellschaft,<br />

ein Gegenbild zur Gesellschaft<br />

gezeichnet, welches<br />

Foucault auch als „Illusionsoder<br />

Kompensationsraum“<br />

(Löw nach Foucault, 2001)<br />

bezeichnet.<br />

Das Street-Art-Festival im<br />

Bairro Padre Cruz, eine Heterotopie<br />

der Gesellschaft,<br />

dient als Raum, „der verdeutlicht,<br />

wo man nicht ist und damit<br />

offensichtlich macht, wo<br />

man ist“ (Löw nach Foucault,<br />

2001). Durch die Offensichtlichkeit<br />

und Anziehungskraft,<br />

welche das Festival mit sich<br />

bringt, wird das Viertel in die<br />

Mitte der Öffentlichkeit gedrängt,<br />

um auf sich und die<br />

Probleme aufmerksam zu<br />

machen, Missstände werden<br />

offenbart. Was und wie viel<br />

das Festival tatsächlich für<br />

das Viertel und die Anwoh-<br />

64


»At least something<br />

is<br />

happening«<br />

ner bringt, kann zu diesem<br />

Zeitpunkt noch nicht gesagt<br />

werden.<br />

Ob das Festival nun eine rein<br />

optische Verschönerung ist,<br />

oder nachhaltig die sozialen<br />

Strukturen im Viertel verbessert,<br />

bleibt momentan<br />

noch Teil des Experimentes.<br />

Und so meint Pedro abschließend:<br />

„I think it will be<br />

unpredicatable what will be<br />

the outcome, but at least something<br />

is happening.“<br />

Brändle, Linus (2008). Wie ticken Jugendliche? Sinus-Milieustudie U27.<br />

Verfügbar unter: http://www.ref-sg.ch/anzeige/projekt/105/175/<br />

wie_ticken_jugendliche_zusammenfassung_der_sinus_milieu<br />

studie_u27.pdf (letzter Aufruf: 29.06.2016)<br />

Hall, Stuart (1999). Kodieren/Dekodieren. In: Bromley/Kreuzner (1999)<br />

Jakob, Kai (2009). Street Art. Kreativer Aufstand einer Zeichenkultur im<br />

urbanen Zwischenraum. In: Geschke, S.M. (Hrsg.). Straße als<br />

kultureller Aktionsraum. Interdisziplinäre Betrachtungen des<br />

Straßenraumes an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis.<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />

Löw, Martina (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp<br />

Park, Robert E. (1915). The City. Suggestions for the Investigation of Be<br />

havior in the City Environment. Chicago: American Journal of<br />

Sociology<br />

Seno, E, McCormick C. & Schiller M.&S. (2010). Wooster Collective/Tres<br />

pass - Die Geschichte der urbanen Kunst. Köln: Taschen<br />

65


Fotos<br />

Elisa Georgi<br />

Raul Llamas Kirchhoff<br />

S A N<br />

SPIGA<br />

Sanspiga ist ein Multitalent, Künstler und<br />

Professor für Design an der Hochschule<br />

Buenos Aires. Geboren in Patagonien und<br />

aus dem Arrankismo, einer destruktiven<br />

Form des Adbustings stammend, klebt er,<br />

wenn er nicht grade offiziell ausstellt, selber<br />

seine Paste-Ups, wo er steht und geht.<br />

Wir haben mit ihm über seine Sicht zum<br />

Muro Festival und Streetart im Allgemeinen<br />

gesprochen und nebenbei gelernt,<br />

welche die in seinen Augen bisher unterschätzteste<br />

moderne Kunstform ist.<br />

Interview & Text<br />

Raul Llamas Kirchhoff<br />

66


H<br />

allo, schön das du<br />

Zeit gefunden hast.<br />

Erzähl uns doch<br />

mal wie du zur<br />

Kunst gekommen bist und<br />

was du so machst.<br />

Na ja, jetzt wo du fragst, ich<br />

habe schon immer gern gemalt<br />

und in der Grundschule<br />

hatte ich dann eine sehr<br />

gute Lehrerin die mit uns<br />

Wahlsimulationen durchgespielt<br />

hat. Und als Kind<br />

war ich noch sehr ehrgeizig<br />

und wollte Präsident werden.<br />

(lacht) Jedenfalls habe ich<br />

für diese Wahl Poster von<br />

mir gemacht und sie dann<br />

mit meinen Freunden in der<br />

ganzen Schule aufgehängt.<br />

Das war im Nachhinein betrachtet<br />

wohl so etwas wie<br />

meine erste Intervention.<br />

Neben dem Malen haben<br />

mich eben auch immer Poster<br />

fasziniert und generell die<br />

Kunst Dinge zu präsentieren,<br />

daher war es eine logische<br />

Konsequenz, dass ich<br />

Grafikdesign studiert habe.<br />

Da ich allerdings aus Patagonien,<br />

dem Süden Argentiniens<br />

komme, musste ich nach<br />

Buenos Aires, um dort zu<br />

studieren. Zusätzlich haben<br />

zu dieser Zeit meine Brüder<br />

dort gewohnt. Dort habe ich<br />

studiert und entdeckte,dass<br />

Design für mich so etwas<br />

wie eine Berufung darstellt.<br />

Und das, obwohl man damals<br />

noch gar nichts wusste,<br />

immerhin kam 1998 das<br />

Phänomen Internet erst grade<br />

so auf und es war nicht<br />

leicht an Informationen über<br />

Malerei, Design und Kunst<br />

zu kommen. Nach dem Studium<br />

habe ich angefangen<br />

dort als Designprofessor zu<br />

lehren, woraus dann viele<br />

Projekte entstanden sind.<br />

Ich unterrichte immer noch<br />

ab und an das erste Jahr,<br />

in welchem man den Studierenden<br />

noch viel mit auf den<br />

Weg geben kann<br />

Und wie kommt es, dass du<br />

jetzt hier in Lissabon gelandet<br />

bist?<br />

Seit diesem Jahr unterrichte<br />

ich nur noch in unregelmäßigen<br />

Abständen, weil ich für<br />

die Universität einen Forschungsauftrag<br />

Inne habe.<br />

Es geht dabei darum, zu<br />

erfahren wie Grafikdesign<br />

an den besten Hochschulen<br />

der Welt gelehrt wird,<br />

wobei der Fokus vor allem<br />

auf Europa und Lateinamerika<br />

liegt. Ich vergleiche<br />

zum Beispiel die Lebensgeschichten<br />

der Dozierenden<br />

vor Ort und lege dabei ein<br />

audio-visuelles Register an.<br />

Dafür werde ich jetzt noch<br />

ein bisschen über zwei Monate<br />

reisen.<br />

Spannend. Wie bist du<br />

dann konkret auf dieses<br />

Festival hier gekommen?<br />

Oh das ist eine recht lustige<br />

Geschichte. Ich war noch am<br />

Mittwoch in einem Hostel in<br />

Madrid und hab mit einer<br />

Freundin Bier getrunken, als<br />

sie mir einen Freund vorstellte,<br />

der Streetart-Touren<br />

durch die Stadt anbietet. Als<br />

ich mit ihm unterhielt, meinte<br />

er: ‚was machst du denn<br />

hier? In Lissabon ist grade<br />

das größte Streetart Festival<br />

der Welt, da musst du doch<br />

hin!‘ Also hab ich direkt am<br />

nächsten Tag mein Zimmer<br />

gecancelt und bin hergekommen.<br />

Im Regen. Und<br />

ohne vorher mit jemandem<br />

zu sprechen. Hier hab ich<br />

dann mit Ines gesprochen<br />

und sie ihrerseits, konnte<br />

es kaum fassen, dass hier<br />

plötzlich so ein verrückter<br />

Südamerikaner auf der Matte<br />

steht, der auch noch in genau<br />

diesem Gebiet arbeitet<br />

und forscht. Und so bin ich<br />

dann hier rein gerutscht.<br />

Ich komme quasi aus der<br />

völligen Unabhängigkeit.<br />

Wie haben uns gut verstanden<br />

und sie hat mir die Wände<br />

hier und das Viertel gezeigt.<br />

Und ich meinte ‚Top,<br />

hier will ich unbedingt was<br />

kleben!‘ Ich war beeindruckt<br />

von den Menschen hier und<br />

sehr glücklich, Teil des Ganzen<br />

geworden zu sein. Und<br />

na ja, das ist eben meine Geschichte.<br />

(lacht).<br />

Streetart scheint im Wandel.<br />

Angefangen hat es<br />

mit Zerstörung, mit Protest<br />

und jetzt werden Künstler<br />

plötzlich bezahlt, um, wie<br />

hier, Murals zu malen. Wie<br />

konnte das passieren?<br />

Die Urbane Kunst hat sich<br />

in diese Richtung entwickelt<br />

seit sie existiert. Es gibt inzwischen<br />

einen großen Markt,<br />

es gibt Galerien. Diese Galerien<br />

sind inzwischen richtige<br />

Institutionen mit großem<br />

Einfluss. Mich persönlich hat<br />

es dabei nie groß interessiert<br />

Teil von Etwas zu sein. Weder<br />

68


von der Streetart, noch von<br />

der Kunst in Museen, da in<br />

meinen Augen beide Märkte<br />

darstellen. Streetart ist mittlerweile<br />

so geworden wie<br />

jeder andere Kunstmarkt<br />

auch. Man kann einfach<br />

hingehen und sich ein Bild<br />

kaufen, was einem besonders<br />

gut gefällt. Dennoch es<br />

gibt auch immer noch Viele,<br />

die dem Ursprünglichen<br />

Gedanken treu bleiben und<br />

ihre Kunst zum Protest oder<br />

Widerstand nutzen. Aus diesem<br />

Grund begeistern mich<br />

vor allem Plakate. Sie bieten<br />

eine ganz eigene Form die<br />

Stadt zu lesen. Wenn man<br />

in eine Stadt kommt und<br />

sich die Plakate dort anschaut,<br />

sieht man sofort was<br />

in der Stadt gerade los ist.<br />

Buenos Aires zum Beispiel<br />

ist zur Zeit voll mit Plakaten<br />

mit der Aufschrift „Wenn sie<br />

dich gekündigt haben, zöger’<br />

nicht lang und ruf’<br />

folgende Nummer an..“<br />

Eben weil es im Moment<br />

viele Menschen ohne Arbeit<br />

gibt und viele gekündigt<br />

worden. Das sind natürlich<br />

Plakate, die legal im öffentlichen<br />

Raum hängen und viel<br />

Geld kosten Es ist auch alles<br />

voll mit Postern von Handwerkern,<br />

Prostituierten und<br />

und und.. überall hängen<br />

kleine Zettel und Plakate. Es<br />

gibt demnach also Gewerke<br />

und Schichten in der Stadt,<br />

die sich auf der Straße in<br />

analoger Form ausdrücken<br />

und das ist unglaublich interessant<br />

für mich. Dadurch<br />

bleibt die alte Methode der<br />

unabhängigen analogen<br />

Kunst auf der Straße bestehen<br />

und misst sich konstant<br />

mit der öffentlichen, übergroß<br />

bezahlten. Diesen Dialog<br />

zu beobachten hat einen<br />

ganz eigenen Zauber. Ob<br />

das schon Streetart ist weiß<br />

ich nicht, aber für mich ist das<br />

auf jeden Fall schon eine erste<br />

Form der Kommunikation.<br />

Wenn Streetart sich für<br />

dich von der Straße entfernt<br />

hat und eine Art Markt<br />

geworden ist, was hältst du<br />

persönlich von Festivals wie<br />

diesem?<br />

Interview mit San<br />

Spiga<br />

69


Maradona Paste Up<br />

von San Spiga<br />

70


71


Ich finde sie wunderbar. Unglaublich<br />

gut sie zu sehen<br />

und zu wissen, dass so etwas<br />

existiert. Ich könnte mir<br />

kaum etwas besseres vorstellen,<br />

als selber einen Kurator<br />

zu haben, der mich eingeladen<br />

und bezahlt hätte<br />

hier Kunst zu machen. Ich bin<br />

nicht gegen Bezahlung für<br />

Kunst. Sagen wir Mein Opa<br />

hatte ein Café und hat dort<br />

Bier und Kaffee verkauft. Ich<br />

arbeite jetzt daran Grafikdesigner<br />

zu sein. Also verkaufe<br />

ich, wenn du so willst,<br />

Designarbeiten und Kunst.<br />

Das mache ich primär der<br />

Kunst zuliebe und wenn du<br />

mich fragst, ich würde gerne<br />

davon leben, von der Kunst.<br />

Aber geht mit diesem<br />

Gedanken nicht der Wille<br />

nach Revolution in der<br />

Kunst oder besser in der<br />

Streetart unter? Wenn sie<br />

dich einladen und dir sagen<br />

‚die Wand da kannst du anmalen<br />

und die da nicht’?<br />

Ich finde das kommt dann<br />

darauf an inwieweit sie von<br />

dir verlangen dich zu verändern<br />

oder dir vorschreiben<br />

eine bestimmt Message zu<br />

vermitteln. Im Allgemeinen<br />

sehe ich Streetart eher als<br />

etwas Dekoratives. Oder zumindest<br />

habe ich hier [auf<br />

dem Festival] noch keine<br />

annähernd aggressive oder<br />

revolutionäre Botschaft gesehen.<br />

Ich glaube auf der<br />

einen Seite ist es gut, wenn<br />

Arbeiten eine Botschaft enthalten.<br />

Auf der anderen Seite<br />

denke ich jedoch, auch<br />

dass niemand dem Künstler<br />

vorschreiben kann politisch<br />

oder revolutionär zu sein, beziehungsweise<br />

ist es anmaßend<br />

diese Punkte allgemein<br />

von Streetart zu verlangen.<br />

Ich glaube es ist mehr etwas<br />

Dekoratives und Ästhetisches<br />

und das kann auch<br />

gut sein. Ich persönlich bevorzuge<br />

Bilder mit Botschaften,<br />

aber vorschreiben kann<br />

man es niemandem.<br />

Wir haben uns auch mit<br />

andern Künstlern unterhalten,<br />

die hier arbeiten und<br />

einige waren etwas traurig,<br />

weil Menschen, die<br />

her kommen sich lediglich<br />

etwas Interessantes anschauen<br />

wollen. Viele der<br />

Arbeiten werden einfach<br />

als etwas Ästhetisch-Schönes<br />

wahrgenommen, aber<br />

die Botschaft scheint dabei<br />

verloren zu gehen.<br />

Das ist natürlich eine große<br />

Debatte von der gesellschaftlichen,<br />

politische<br />

Funktion von Urban Art.<br />

Für mich ist Streetart vor<br />

allem eine weitere Facette<br />

der Kunst. Darum mache ich<br />

keinen großen Unterschied<br />

zwischen dem Einen und<br />

dem Anderen. Wenn man<br />

einmal historisch denkt,<br />

kommt man zum Beispiel<br />

auf die Kunst im Mittelalter,<br />

da waren Bilder auch lediglich<br />

Mittel zur Ergötzung der<br />

Bourgeoisie. Es ging darum<br />

die Werte der Oberschicht<br />

wiederzugeben, und das hat<br />

wiederum absolut nichts mit<br />

Revolution zu tun. Daher<br />

ist Streetart für mich einfach<br />

eine zusätzliche Ausdrucksweise<br />

der Kunst. Aber<br />

das ist eine sehr interessante<br />

Frage, über die ich gern länger<br />

Nachdenken würde und<br />

die es zu diskutieren gilt. Ich<br />

persönlich mag natürlich<br />

eher Kunst die etwas aussagt.<br />

Deswegen mag ich auch,<br />

wie gesagt, Poster so sehr.<br />

Da kann man ein Bild machen,<br />

welches durch einen<br />

Text ergänzt ist und auf diese<br />

Art und Weise auch tiefgreifende<br />

Aussagen verbreiten.<br />

Im Grunde so wie auch die<br />

Werbung funktioniert. Dort<br />

gibt es immer ein Bild und<br />

eine Botschaft. Ich mag es<br />

sehr, wenn Kunst aus dieser<br />

Mischung von Text und Bild<br />

funktioniert.<br />

Zum Beispiel auch die Memes.<br />

Die Memes sind die<br />

Ausdrucksform der Jugend<br />

und bisher schenkt ihnen<br />

keiner große Aufmerksamkeit.<br />

Ich halte es für eine<br />

Kunstform, die explodieren<br />

müsste. Wir alle kommunizieren<br />

damit. Auf Facebook.<br />

Immer. Ich persönlich jetzt<br />

nicht so sehr, aber alle, die<br />

jünger sind.<br />

Guter Punkt. und zurück<br />

zum Festival. Dieses Viertel<br />

hier ist ja so etwas wie<br />

ein Problemviertel und die<br />

Stadtplaner wollen es durch<br />

diese Aktion jetzt aufwerten.<br />

Meinst du Happenings, wie<br />

diese hier, können helfen?<br />

Und wenn ja, wie?<br />

In Buenos Aires arbeite ich<br />

größtenteils in Vierteln, die<br />

noch deutlich ärmer und gefährlicher<br />

sind als das hier.<br />

Dort machen wir seit einigen<br />

72


San Spiga sprüht<br />

auf Wunsch eines<br />

Anwohners das<br />

Logo seines Lieblingsvereins<br />

an<br />

seine Hauswand<br />

73


»Zu sehen, wie Meschen<br />

leben, kann etwas<br />

bei ihnen ändern.<br />

Ich weiß nicht wie viel<br />

und was sich letztlich<br />

ändert, aber etwas ändert<br />

sich.«<br />

74


Jahren Ausstellungen, Murals<br />

und Interventionen, daher<br />

ist dies auch eine Frage,<br />

die ich mir häufig stelle<br />

und die ich in Gesprächen<br />

oft gefragt werde. „Warum<br />

bringt ihr den Leuten kein<br />

Essen oder Kleidung anstelle<br />

dort zu malen?“Das frage<br />

ich mich auch und komme<br />

dann immer zu dem Gedanken<br />

zurück, dass es unsere<br />

Aufgabe als Künstler ist,<br />

uns mit Kunst auszudrücken.<br />

Vielleicht wäre es besser<br />

Essen und Kleidung in die<br />

Viertel zu bringen, aber das<br />

ist nun mal nicht meine Aufgabe.<br />

Darum wurde ich nicht<br />

gebeten. Das sind Dinge, um<br />

die sich der Staat kümmern<br />

muss, die Politik oder Sozialarbeiter.<br />

Wir sind Künstler,<br />

wir drücken uns mit Farben<br />

aus, mit Bildern und Murals.<br />

Darauf sind wir spezialisiert.<br />

Und wir ändern damit eine<br />

Menge. Schaut man sich<br />

zum Beispiel das Panorama<br />

dieser Viertel an, sind sie<br />

meist grau und trist. Da ändern<br />

unsere Werke Welten.<br />

Hier im Viertel habe ich<br />

auch schon einen Bewohner<br />

kennengelernt, der mich<br />

beim Plakate kleben gesehen<br />

hat mich ansprach und<br />

meinte: “Hey mach doch<br />

bitte auch was an meinem<br />

Haus!“. Und für ihn habe ich<br />

dann schon etwas verändert.<br />

Und für mich auch. Beim<br />

Vorbereiten jetzt habe<br />

ich mich deutlich mehr<br />

über das Poster seinen<br />

Lieblingsvereins gefreut als<br />

über meine Poster die ich<br />

hier verkleben werde, die<br />

auf den ersten Blick ‚cooler‘<br />

und designt sind. Für mich<br />

ist das fast schon wie ein<br />

Arbeitsauftrag. Ich hab ihm<br />

gesagt: „Morgen komme ich<br />

vorbei und mach dir das“.<br />

Na das ist ja dann schon<br />

eine funktionierende Intervention.<br />

Was uns aufgefallen<br />

ist, als wir gestern<br />

hier waren, ist, dass es lauter<br />

Touristengruppen gab<br />

die genau wie wir umhergelaufen<br />

sind und Fotos<br />

gemacht haben. Ich hatte<br />

fast schon ein schlechtes<br />

Gewissen, dass wir nur<br />

wegen der Kunst kommen<br />

und nicht wegen der Menschen<br />

die hier leben.<br />

Das stimmt schon. Und<br />

auch für mich ist es das<br />

erste internationale Festival<br />

dieser Art, was ich besuche.<br />

Und ich wurde ja nicht<br />

mal eingeladen sondern<br />

bin einfach selber hergekommen.<br />

In jedem Falle ziehe<br />

ich es aber vor, dass es an<br />

einem Ort wie hier gemacht<br />

wird und nicht im Zentrum.<br />

Denn sonst wärt ihr und auch<br />

die andern an diesen Ort gegangen.<br />

Das passiert zum<br />

Beispiel in Buenos Aires und<br />

an vielen anderen Orten,<br />

dass man die eh schon coolen<br />

Viertel anmalt, weil niemand<br />

so richtig an der Stadtrand<br />

will. Wenn ich dann<br />

mit meinen Designstudenten<br />

mal in die ärmeren<br />

Viertel gehe, weiß ich dass<br />

sie ohne den Anreiz dort zu<br />

malen, ein solches Viertel<br />

niemals betreten hätten. Es<br />

ist eine neue Erfahrung für<br />

sie. Und zu sehen wie andere<br />

Menschen leben, kann<br />

etwas bei ihnen ändern. Ich<br />

weiß nicht wie viel und was<br />

sich letztlich ändert, aber etwas<br />

ändert sich.<br />

Wunderbare Schlussworte.<br />

Vielen Dank für das Interview<br />

und viel Erfolg auf bei<br />

deinen weiteren Forschungen.<br />

Ich hoffe wir sehen uns<br />

in Berlin.<br />

75


Revue<br />

ADEUS.<br />

Die Perspektiven, Meinungen, Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen der Contributors<br />

des MODERN MURAL Magazines könnten nicht weiter auseinandergehen, von<br />

optimistisch bis pessimistisch, überzeugt bis unüberzeugt, durchforscht bis verklärt.<br />

Die dadurch offerierte Bandbreite ist zunächst nicht bewusst durch die Redaktion gewollt,<br />

sondern hat sich durch die Interviews und Forschungen allein gebildet undrepräsentiert<br />

dadurch die Heterogenität der Urban Art Szene, wie sie nicht nur im Bairro Padre<br />

Cruz, sondern auf der ganzen Welt existiert.<br />

Diese Ambivalenz spricht für die Kunst, die Künstler und alle Beteiligten und zeigt, dass<br />

niemals eine Homogenität der Persönlichkeiten und Geschmäcker und damit verbunden,<br />

der Meinung, vorherrschen kann. Diese Szene lebt, wie so viele andere auch, von eben<br />

diesem Facettenreichtum.<br />

Kann urbane Straßenkunst als Interventionsmittel zur Beheimatlichung fungieren?<br />

Sie lasen Expertenmeinungen dazu, die sich begründen, ergänzen, widersprechen. Daher<br />

hat sich die Redaktion entschieden, dieser Vielfalt an Stimmen und Meinungen einen<br />

wertungsfreien Raum zu geben, welcher nun auch nicht durch ein von uns finalisierendes<br />

Meinungsbild geschlossen werden soll, sondern vielmehr Ihnen als alle Möglichkeiten<br />

und Meinungen offen halten soll.<br />

Dieses Urban Art Issue soll genau das initiieren und dabei nicht selbst zu einem endgültigen<br />

Ergebnis auf die oben gestellte Frage gelangen. In diesem Sinne hoffen wir Gespräche,<br />

Diskurse, Diskussionen angeregt haben zu könnenund Sie in der nächsten Edition des MO-<br />

DERN MURAL Magazines wieder als Leser begrüßen zu dürfen.<br />

76


MODERN MURAL MAGAZINE<br />

Editors in Chief<br />

Elisa GEORGI<br />

Florian GROSS<br />

Raúl LLAMAS KIRCHHOFF<br />

Tabea KUNGL<br />

Contributors of this issue<br />

AUGUSTO<br />

Ines MACHADO<br />

SANSPIGA<br />

Pedro SOARES NEVES<br />

Mathieu TREMBLIN<br />

Special thanks to<br />

PROJEKT 2508<br />

All inquiries<br />

art@lotenheim.de<br />

Dieses Magazin ist eine Arbeit von Studierenden<br />

des Studiengangs kwl][cultural engineering.<br />

Reproduction in any manner in any language in whole or in<br />

part without prior written permission is prohibited.<br />

All rights reserved.<br />

77


Foto<br />

Elisa Georgi<br />

UNSER COVER:<br />

VIOLANT<br />

VIOLANT passt auf unser Cover wie kein<br />

Zweiter. Mit ihm sprachen wir zu allererst<br />

auf dem Gelände des MURO Festivals.<br />

Er betreibt Kunst für die Message, für das Gefühl<br />

und nicht etwa des Geldes wegen oder um<br />

etwas zu verschönern oder zu verbessern. Dabei<br />

ist es ihm aber sehr wichtig, nie Botschaften<br />

oder Versprechen für die Zukunft mit seinen<br />

Kunstwerken zu machen; „if you make a promise,<br />

you burn a candle“. Diese Aussage von ihm spiegelt<br />

sich auch in seinem Mural, welches er auf<br />

dem Coverfoto malt, wider. Mehr seiner Arbeiten<br />

unter: https://www.facebook.com/j.m.violant<br />

78

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