Vals ist sein Garten
A great writing today in the Schweizer Illustrierte about my work. Thanks for the interview with the SI Grüne.
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GRUEN INTERVIEW<br />
<strong>Vals</strong> <strong>ist</strong> <strong>sein</strong><br />
<strong>Garten</strong><br />
SVEN WASSMER<br />
Inmitten von Preisel<br />
beer- und Heidelbeerbüschen:<br />
2014 begann<br />
Sven Wassmer im «Silver»<br />
in <strong>Vals</strong> GR, zehn Monate<br />
später erhielt er vom<br />
GaultMillau 17 Punkte.<br />
Keiner <strong>ist</strong> so konsequent wie er:<br />
Der 29-Jährige kocht strikt saisonal,<br />
gilt als Entdeckung des Jahres und<br />
experimentiert neuerdings mit Ameisen.<br />
48<br />
49
GRUEN INTERVIEW<br />
Interview: Barbara Halter<br />
Fotos: Lukas Lienhard<br />
Mit einer flachen Schale in<br />
der Hand geht Chefkoch Sven<br />
Wassmer durch den Wald –<br />
«meinen <strong>Garten</strong>» nennt der<br />
29-Jährige das <strong>Vals</strong>ertal. Überall<br />
erspäht er geniessbare<br />
Pflänzchen. Die Brunnenkresse<br />
zieht er samt Wurzeln aus dem<br />
Boden, zerrieben schmeckt<br />
sie ähnlich wie Wasabi. Sauerklee<br />
pflückt er gleich kiloweise.<br />
Drei- bis viermal in der Woche<br />
sind er und <strong>sein</strong>e Köche morgens<br />
mit Sammeln beschäftigt.<br />
Die gefundenen Wildkräuter,<br />
Pilze und Beeren sind ein<br />
wichtiger Bestandteil <strong>sein</strong>er<br />
Küche im Restaurant Silver,<br />
das zum Hotel und Thermalbad<br />
7132 in <strong>Vals</strong> gehört.<br />
GRUEN: Sven Wassmer,<br />
bei wem haben Sie gelernt,<br />
welche Pflanzen aus dem<br />
Wald man essen kann?<br />
Vieles habe ich mir selbst<br />
beigebracht, mit Büchern und<br />
durch Kollegen, die ähnlich<br />
ticken wie ich. Geweckt wurde<br />
diese Leidenschaft während<br />
meiner Zeit in London, als<br />
ich bei Nuno Mendes kochte.<br />
Das Sammeln<br />
von Wildkräutern<br />
lernte Sven<br />
Wassmer in London<br />
kennen. Aus<br />
dem Sauerklee<br />
entsteht Glace.<br />
Wir haben dort in Parks<br />
und an den Flüssen Kräuter<br />
für die Küche gesammelt.<br />
Ihr Credo in der Küche<br />
lautet «strickt saisonal».<br />
Was bedeutet das konkret?<br />
Ich arbeite eng mit einem<br />
Gemüsebauern zusammen<br />
und richte mich nach der<br />
Natur. Im «Silver» verteilen<br />
wir keine Karte, der Gast<br />
DER GRUEN-FOOTPRINT<br />
Wie ökologisch <strong>ist</strong> Sven Wassmer unterwegs?<br />
1 Auto und Motorrad 47<br />
2 Öffentlicher Verkehr, Elektro-/Erdgas-Fahrzeuge 10<br />
3 Treibstoff privater Verkehr 0<br />
4 Private Flugreisen 0<br />
5 Auslastung des Autos 11<br />
6 Kompensation von Flugreisen 6<br />
7 Anzahl motorisierte Fahrzeuge 6<br />
Total Punkte 80<br />
80 Punkte = Ui, ui … Die vielen Flugreisen (zuletzt <strong>sein</strong>e Hochzeitsreise<br />
nach Asien) wirken sich schlecht aufs Resultat aus!<br />
Dafür <strong>ist</strong> Sven Wassmer in <strong>Vals</strong> umweltfreundlich<br />
unterwegs: Zur Arbeit geht er zu Fuss.<br />
Der GRUEN-Footprint wurde vom WWF Schweiz für<br />
SI GRUEN entwickelt. Der Test soll für den Alltag sensibilisieren<br />
und Spass bereiten. Berechnen Sie Ihren eigenen Footprint<br />
auf den Seiten 12 und 13.<br />
entscheidet bloss, ob er neun<br />
oder zwölf Gänge möchte.<br />
Das gibt mir die Freiheit, genau<br />
das zu kochen, was Saison <strong>ist</strong>.<br />
Wenn keine Kräuter im Wald<br />
wachsen, dann gibt es auch<br />
keine Kräuter in der Küche.<br />
Im Winter beispielsweise<br />
kommt bei mir fast nie etwas<br />
Grünes auf den Teller. Dafür<br />
koche ich handgetauchte<br />
Jakobsmuscheln aus Norwegen<br />
oder einen mit der Angel gefan<br />
genen Kabeljau. Fische aus<br />
Schleppnetzen kaufe ich nicht.<br />
Das <strong>ist</strong> nicht nachhaltig und<br />
somit für mich nicht vertretbar.<br />
Wäre es nicht ökologischer,<br />
nur Fisch aus der Umgebung<br />
zu beziehen?<br />
Nur weil etwas aus der Region<br />
kommt, bedeutet das noch<br />
lange nicht, dass es umweltfreundlicher<br />
<strong>ist</strong>. Eine Fischzucht<br />
braucht me<strong>ist</strong> viel<br />
Energie. Ich habe das Glück,<br />
mit der Alpenfischzucht in<br />
Cumbel einen Lieferanten<br />
zu haben, der in der Nähe<br />
<strong>ist</strong> und ökologisch produziert.<br />
Wieso verzichten Sie nicht<br />
ganz auf Jokobsmuscheln<br />
oder Königskrabben? Geht<br />
das wegen der Gäste nicht?<br />
Ich möchte nicht darauf verzichten!<br />
Nach den Gästen<br />
richte ich mich nicht. Mit<br />
meinem Menü erzähle ich<br />
eine Geschichte, und gewisse<br />
Meeresfrüchte sind – wenn<br />
sie Saison haben – ein Bestandteil<br />
davon. Im Vordergrund<br />
stehen aber die Produkte aus<br />
dem <strong>Vals</strong>ertal.<br />
Der eine oder andere Gast<br />
wird trotzdem reklamieren –<br />
vor allem wegen der konsequenten<br />
Saisonalität. Oder<br />
nicht?<br />
Es gibt tatsächlich Gäste – vor<br />
allem im Winter, wenn es viel<br />
Kohlgemüse und eingemachte<br />
Sachen gibt –, die finden, ein<br />
paar Tomaten auf dem Teller<br />
täten gut … Ich sehe mich<br />
auch als Erzieher und erkläre<br />
dann, wieso der Winter die<br />
völlig falsche Zeit für Tomaten<br />
<strong>ist</strong>. Vielfach macht es klick.<br />
Aber ich akzeptiere auch,<br />
dass einigen Gästen meine Art,<br />
zu kochen, nicht gefällt.<br />
Gibt es Lebensmittel, die<br />
Sie aus ethischen Gründen<br />
nicht verarbeiten?<br />
Ich habe praktisch keine<br />
Gänseleber auf der Karte und<br />
wenn, dann nur ungestopfte.<br />
Thunfisch gibt es gar nie,<br />
der <strong>ist</strong> für mich tabu. Mein<br />
Fleisch kommt nur aus <strong>Vals</strong><br />
und von Bauern, die ich<br />
kenne. Ich brauche den Bezug<br />
zum Tier. Ich will es auf der<br />
Weide sehen, es zum Metzger<br />
begleiten und selber ausei nandernehmen.<br />
In der Spitzengastronomie<br />
gibt es immer noch wenig<br />
vegetarische Restaurants.<br />
Wieso eigentlich?<br />
Vielleicht fehlt es den Köchen<br />
einfach an Kreativität und Mut,<br />
etwas Neues auszuprobieren.<br />
Ich liebe Gemüse. In meinem<br />
«Tasting Menu» hat es immer<br />
mindestens zwei vegetarische<br />
Gerichte. Wer sich als Vege tarier<br />
anmeldet, bekommt natürlich<br />
alle Gänge ohne Fleisch<br />
und Fischprodukte. Was ich<br />
nicht anbiete, <strong>ist</strong> ein veganes<br />
Menü. Ich habe das schon<br />
gemacht, aber es verfälscht<br />
meine Geschichte. Die <strong>Vals</strong>er<br />
Sahne, die Alpenbutter oder<br />
die Milch gehören dazu.<br />
„Ich sehe mich auch<br />
als Erzieher und<br />
erkläre den Gästen,<br />
wieso der Winter die<br />
völlig falsche Zeit<br />
für Tomaten <strong>ist</strong>.“<br />
Diesen Frühling<br />
hat Sven Wassmer<br />
geheiratet. Seine<br />
Frau Amanda<br />
Bulgin <strong>ist</strong> Sommelière<br />
im «Silver»,<br />
das zum Hotel<br />
7132 gehört.<br />
50<br />
Sven Wassmer www.svenwassmer.com www.twitter.com/svenwassmer Das Restaurant Silver www.7132.com Produzenten, die Sven Wassmer beliefern www.sennereivals.ch (Milchprodukte) www.hofpadanatsch.ch (Schottische Hochlandrinder) www.lumare.ch (Seesaibling)<br />
51
GRUEN INTERVIEW<br />
„Während des<br />
Sammelns im<br />
Wald probierte ich<br />
eine Ameise. Ihr<br />
Zitronenaroma hat<br />
mich umgehauen.“<br />
4. Ausgabe<br />
vom 2. bis am 25. September 2016<br />
Im September feiern wir die Schweizer Weine !<br />
Mehrmals in der<br />
Woche suchen<br />
Sven Wassmer<br />
und <strong>sein</strong> Team<br />
Kräuter, Pilze<br />
und Beeren. Eine<br />
gute Gelegenheit,<br />
um Stress<br />
abzubauen.<br />
Sie kochen mit Biogemüse<br />
und Biofleisch. Wegen des<br />
Geschmacks oder wegen der<br />
Umwelt?<br />
Wegen beidem. Die Umwelt<br />
<strong>ist</strong> mir wichtig. Wenn ich höre,<br />
was Konzerne wie Monsanto<br />
oder Syngenta angerichtet<br />
haben, werde ich wahnsinnig!<br />
Das <strong>ist</strong> der absolute Horror.<br />
Mit der Vereinheitlichung von<br />
Saatgut geht viel Kulturerbe<br />
verloren, Pestizide und Spritzmittel<br />
machen Natur und Menschen<br />
krank.<br />
Schmeckt Biogemüse besser<br />
als konventionelles?<br />
Ja. Im konventionellen Landbau<br />
wird zum Beispiel ein<br />
Fenchel nach zwölf Tagen<br />
geerntet, ein Biobauer lässt<br />
einen Fenchel drei bis vier<br />
Wochen wachsen, zudem<br />
gedeiht er in richtiger Erde.<br />
Nur das Beste <strong>ist</strong> gut genug …<br />
Werden da nicht automatisch<br />
Lebensmittel verschwendet?<br />
Wir verarbeiten alle Tiere<br />
komplett, «from nose to tail».<br />
Ich kochte auch schon<br />
Gerichte mit Entenherz –<br />
das sonst auf dem Müll landet,<br />
obwohl es sehr fein schmeckt.<br />
In diesem Fall muss man<br />
den Gast etwas austricksen:<br />
Beim Entenherz sagen wir<br />
dann bloss «Ente mit Randen»,<br />
weil sonst einige Leute ablehnend<br />
reagieren würden.<br />
Wer etwas Ahnung von Anatomie<br />
hat, erkennt, was auf<br />
dem Teller liegt, alle anderen<br />
sind erstaunt, wenn sie am<br />
Ende des Essens die detaillierte<br />
Menükarte lesen. Beim<br />
Gemüse gilt das gleiche<br />
Prinzip. Aus der Bergkartoffel<br />
mache ich ein fermentiertes<br />
Kartoffelbrot, bei dem ich<br />
auch die Schale verarbeite.<br />
Beschreiben Sie eine typische<br />
Sven-Wassmer-Kreation.<br />
Ich koche sehr pur<strong>ist</strong>isch und<br />
minimal<strong>ist</strong>isch. Sehr gern mag<br />
<strong>ist</strong> die Blumenkohl-Mousse<br />
mit einem Rindstatar vom<br />
Schottischen Hochlandrind<br />
aus <strong>Vals</strong>, dazu mit Tannenöl<br />
aromatisierte <strong>Vals</strong>er Sahne und<br />
selbst gesammelte Wildkräuter<br />
wie Schafgarbe, Schildampfer,<br />
Sauerklee, Pimpernelle und<br />
Gundermann.<br />
Welche Experimente stehen<br />
noch bevor?<br />
Ich möchte diesen Sommer<br />
ein Gericht mit Ameisen<br />
ausprobieren. Während des<br />
Sammelns im Wald kostete<br />
ich mal eine, ihr Zitronenaroma<br />
hat mich umgehauen!<br />
Mir schwebt ein Gemüsegericht<br />
mit einer Vinaigrette<br />
aus Waldameisen vor.<br />
Viele Menschen definieren<br />
sich heute übers Essen, sind<br />
geradezu fixiert auf eine<br />
spezielle Ernährung. Woher<br />
kommen all diese Ess-Trends?<br />
Ich denke, dahinter stehen<br />
grosse Konzerne, die den<br />
Konsumenten diktieren, was<br />
gerade total angesagt oder<br />
gesund <strong>ist</strong>. Ausserdem fehlen<br />
bei vielen Menschen das<br />
Wissen und die Zeit zum<br />
Kochen. Hier springt wieder<br />
die Industrie ein und liefert<br />
Produkte, die dies kompensieren<br />
sollen.<br />
Wieso sind Sie überhaupt<br />
Koch geworden?<br />
Ich habe schon immer gern in<br />
der Küche mitgeholfen. Mit<br />
fünf oder sechs Jahren war ich<br />
«Chef Salatsauce», am Herd zu<br />
stehen, wäre damals noch zu<br />
gefährlich gewesen. Wir hatten<br />
einen <strong>Garten</strong> mit Obstbäumen.<br />
Vieles, was ich heute mache,<br />
lernte ich von meiner Oma. Sie<br />
macht Konfitüren und Löwenzahnhonig<br />
selber, setzt Sauerkraut<br />
an, kocht Kompott ein.<br />
Wo kaufen Sie privat ein?<br />
Ich gehe ab und zu in den<br />
Supermarkt. Dann habe ich<br />
natürlich das Glück, dass<br />
ich beim Gemüsebauern gleich<br />
eine K<strong>ist</strong>e für mich mitnehmen<br />
kann, und hier im Dorf kriege<br />
ich die besten Milchprodukte,<br />
Eier und Trockenfleisch.<br />
Und wer kocht zu Hause?<br />
Meine Frau, sie kann das hervorragend.<br />
Sie sagt mir auch,<br />
welchen Wein ich aus dem Keller<br />
holen soll – schliesslich <strong>ist</strong><br />
sie die Sommelière im «Silver».<br />
Ich wasche dafür ab.<br />
Wettbewerb<br />
Swiss Wine Week<br />
Ich bin dabei !<br />
Vom 15. Juli bis am 25. September haben Sie<br />
die Chance 36 AOC-Flaschen aus den sechs<br />
Weinbauregionen, die an den Schweizer<br />
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Teilnehmen können Sie unter folgendem Link :<br />
Wein massvoll geniessen<br />
Nehmen Sie teil !<br />
www.swisswine.ch/week<br />
52<br />
Hier hat Sven Wassmer gekocht www.andreascaminada.com www.restaurant-focus.ch<br />
Schweiz. Natürlich.