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So wohnen Sie in 20 Jahren - Wohnblog.ch

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Thema | Wohnen<br />

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Die Zukunftsfors<strong>ch</strong>er von Swissfuture haben vier Szenarien entwickelt,<br />

wie die Mens<strong>ch</strong>en <strong>in</strong> der S<strong>ch</strong>weiz im Jahr <strong>20</strong>30 <strong>wohnen</strong> könnten. E<strong>in</strong><br />

exklusiver Blick <strong>in</strong> die Zukunft mit dem <strong>So</strong>nntagsBlick magaz<strong>in</strong><br />

Text Christian Maurer, Illustrationen Igor Kravarik<br />

6 <strong>So</strong>nntagsBlick magaz<strong>in</strong>


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Medianlohn 8500 Franken/Monat<br />

Arbeitslosigkeit 3,5 %<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl 9,5 Mio.<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum dur<strong>ch</strong><br />

E<strong>in</strong>wanderung 45 000/Jahr<br />

Referenzz<strong>in</strong>ssatz für<br />

Mietwohnungen 4 %<br />

Wohnungsbelegung 2 Personen<br />

Geburtenrate 1,5 K<strong>in</strong>der/Frau<br />

Dank e<strong>in</strong>er florierenden Wirts<strong>ch</strong>aft, e<strong>in</strong>es<br />

hohen Ausbildungsniveaus und e<strong>in</strong>er<br />

rasanten Globalisierung kann si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong><br />

grosser Teil der S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung<br />

e<strong>in</strong>en aufwendigen Wohn- und Lebensstil<br />

leisten. Man hat etwa e<strong>in</strong>e riesige, mit dem besten<br />

Equipment von den berühmtesten Designern ausgestattete<br />

Kü<strong>ch</strong>e, ko<strong>ch</strong>t dort aber kaum, weil man<br />

oft im Res taurant isst oder bei E<strong>in</strong>ladungen e<strong>in</strong>en<br />

Cater<strong>in</strong>gservice benützt. Man hat e<strong>in</strong> gestyltes<br />

S<strong>ch</strong>lafzimmer mit grossem Bett und <strong>in</strong>tegrierter<br />

Multimedia-Te<strong>ch</strong>nik, lebt aber die meiste Zeit als<br />

S<strong>in</strong>gle und überna<strong>ch</strong>tet an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten.<br />

Das Wohnzimmer böte genug Platz für e<strong>in</strong>e Party,<br />

do<strong>ch</strong> man empfängt eher selten Gäste zu Hause;<br />

man geht lieber mit ihnen aus.<br />

Zum Beispiel Stephen Ho<strong>ch</strong>reutener. Er arbeitet<br />

bei e<strong>in</strong>er S<strong>ch</strong>weizer Grossbank. Auf die Frage<br />

na<strong>ch</strong> se<strong>in</strong>em Wohnort muss er jeweils ausholen.<br />

Weil er drei Jahre <strong>in</strong> London lebte und bis heute<br />

regelmässig <strong>in</strong> der Stadt zu tun hat, verfügt er dort<br />

immer no<strong>ch</strong> über e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wohnung, wo si<strong>ch</strong><br />

das Personal fast wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hotel um alles<br />

kümmert, au<strong>ch</strong> während se<strong>in</strong>er Abwesenheit.<br />

Während der Wo<strong>ch</strong>e lebt Stephen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studio<br />

<strong>in</strong> der Zür<strong>ch</strong>er Innenstadt, am Wo<strong>ch</strong>enende trifft<br />

er si<strong>ch</strong> mit se<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong> und deren To<strong>ch</strong>ter <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em umgebauten Bootshaus <strong>in</strong> Freienba<strong>ch</strong> SZ.<br />

Das ist, au<strong>ch</strong> aus steuerli<strong>ch</strong>en Gründen, se<strong>in</strong> offizieller<br />

Wohnsitz. In New York, wo er si<strong>ch</strong> ebenfalls<br />

oft berufli<strong>ch</strong> aufhält, verfügt er zudem über e<strong>in</strong><br />

permanentes Gästezimmer bei e<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong>.<br />

Se<strong>in</strong>e diversen Logis s<strong>in</strong>d teuer, trendy, modern<br />

und <strong>in</strong> High-End-Ausführung, aber unpersönli<strong>ch</strong><br />

möbliert. Wie die meisten Leute se<strong>in</strong>es S<strong>ch</strong>lags<br />

hat er ke<strong>in</strong>e Zeit, ganze Samstage <strong>in</strong> Möbelges<strong>ch</strong>äften<br />

zu verbr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong> befreundeter Innenar<strong>ch</strong>itekt<br />

kümmert si<strong>ch</strong> darum. Die e<strong>in</strong>zige persönli<strong>ch</strong>e<br />

Note kommt von den Buddhafiguren, die<br />

Stephen jeweils von se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>gapur- und Hongkongreisen<br />

mit na<strong>ch</strong> Hause br<strong>in</strong>gt.<br />

Viel wi<strong>ch</strong>tiger als Gemütli<strong>ch</strong>keit ist ihm die<br />

funk tionale Ausrüstung der Häuser: Si<strong>ch</strong>erheit,<br />

e<strong>in</strong> gebaute Medien- und Kommunikationste<strong>ch</strong>nologie,<br />

e<strong>in</strong>e prestigeträ<strong>ch</strong>tige, supermoderne und<br />

gestylte Kü<strong>ch</strong>e, die aber do<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> <strong>in</strong> der<br />

Bedienung ist, e<strong>in</strong> naher 24/7-Home-Delivery-<br />

Service, der au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>mal spontan e<strong>in</strong>e Party für<br />

fünfzig Leute mitorganisieren kann. Au<strong>ch</strong> Wa<strong>ch</strong>-<br />

und Re<strong>in</strong>igungspersonal sowie e<strong>in</strong>e Art Sekretär-/<br />

Butlerservice gehören für ihn selbstverständli<strong>ch</strong><br />

zur «Ausrüstung» se<strong>in</strong>er modernen Wohnungen.


Thema | Wohnen<br />

�y home is my castle, sagen die<br />

Briten. <strong>Sie</strong> haben re<strong>ch</strong>t!<br />

Ni<strong>ch</strong>ts ist für den Mens<strong>ch</strong>en<br />

wi<strong>ch</strong>tiger als se<strong>in</strong>e Wohnung.<br />

Unsere «dritte Haut», sagt der Kommunikationstheoretiker<br />

Marshall McLuhan – neben<br />

der ri<strong>ch</strong>tigen Haut und den Kleidern. Über<br />

e<strong>in</strong> Drittel unserer Lebenszeit verbr<strong>in</strong>gen wir<br />

<strong>in</strong> den eigenen vier Wänden, S<strong>ch</strong>lafen ni<strong>ch</strong>t<br />

e<strong>in</strong>gere<strong>ch</strong>net. Zählen wir die Ruhezeit dazu,<br />

s<strong>in</strong>d es gar über 40 Jahre. Ke<strong>in</strong> Wunder, ist<br />

au<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>weizer<strong>in</strong>nen und S<strong>ch</strong>weizern<br />

ni<strong>ch</strong>ts wertvoller als ihr Zuhause. Und dieses<br />

wird zunehmend vertei digt. Mit Zähnen und<br />

Klauen. Wer die Hälfte se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens<br />

für die Wohnungsmiete ausgibt, erwartet<br />

au<strong>ch</strong> etwas für se<strong>in</strong> Geld, stellen Hausverwalter<br />

fest, die si<strong>ch</strong> zunehmend mit Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aftsstreitereien<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

müssen.<br />

Ke<strong>in</strong> Lärm. Ke<strong>in</strong>e Gerü<strong>ch</strong>e. Ke<strong>in</strong>e Unordnung.<br />

<strong>So</strong> stellen si<strong>ch</strong> Herr und Frau<br />

S<strong>ch</strong>weizer ihre Rückzugsoase vor. Na<strong>ch</strong> dem<br />

hektis<strong>ch</strong>en Alltag <strong>in</strong> der Werkstatt oder im<br />

Grossraumbüro ist sie der Ort, um aufzutan-<br />

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8 <strong>So</strong>nntagsBlick magaz<strong>in</strong><br />

ken, Ruhe zu f<strong>in</strong>den – so zu se<strong>in</strong>, wie man<br />

will. «E<strong>in</strong>e Art Insel, die man jeden Abend<br />

na<strong>ch</strong> den kle<strong>in</strong>en alltägli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>en<br />

errei<strong>ch</strong>en kann», bes<strong>ch</strong>reibt die Konsumpsy<strong>ch</strong>olog<strong>in</strong><br />

Simonetta Carbonaro unser Heim.<br />

Hier, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en eigenen vier Wänden,<br />

kann jeder tun und lassen, was er will. Oder<br />

m<strong>in</strong>destens fast. Denn neue Wohn- und <strong>Sie</strong>dlungsformen<br />

verändern au<strong>ch</strong> unser Leben<br />

zu Hause. Verdi<strong>ch</strong>tetes Bauen etwa, weiss<br />

der Re<strong>ch</strong>tsanwalt und Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aftsmediator<br />

Felix U. Brets<strong>ch</strong>ger. Für Raumplaner ist<br />

dies der Königsweg zur effizienten und s<strong>ch</strong>onungsvollen<br />

Nutzung des knappen Bodens<br />

<strong>in</strong> der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Für die Leute, die verdi<strong>ch</strong>tet <strong>wohnen</strong><br />

müssen, kann es die Hölle se<strong>in</strong>. Der Na<strong>ch</strong>-<br />

bar ist nah, man hört ihn dur<strong>ch</strong> die dünnen<br />

Wände – egal, ob er se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der ans<strong>ch</strong>reit,<br />

Sex hat oder au<strong>ch</strong> nur TV s<strong>ch</strong>aut. Fenster<br />

von der Decke bis zum Boden ermögli<strong>ch</strong>en<br />

jedem Passanten tiefe E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong>s Privatleben<br />

– den Na<strong>ch</strong>barn sowieso.<br />

Der legendäre deuts<strong>ch</strong>e Cartoonist He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong><br />

Zille mutmasste bereits Anfang des letzten<br />

Jahrhunderts: «Man kann e<strong>in</strong>en Mens<strong>ch</strong>en<br />

mit e<strong>in</strong>er Wohnung genauso töten wie<br />

mit e<strong>in</strong>er Axt.»<br />

Wer verdi<strong>ch</strong>tet baut, muss au<strong>ch</strong> für die<br />

soziale Verdi<strong>ch</strong>tung sorgen, sagt Barbara<br />

Emmenegger, Dozent<strong>in</strong> am Institut für<br />

<strong>So</strong>zio kultur an der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Luzern. Das<br />

hiesse: Der Staat müsste Konfliktmanagement<br />

organisieren, Quartieridentität stiften<br />

und öffentli<strong>ch</strong>en Raum für alle s<strong>ch</strong>affen.<br />

Werden wir <strong>in</strong> Zukunft so <strong>wohnen</strong>? Verwaltet<br />

und organisiert <strong>in</strong> grossen dur<strong>ch</strong>lässigen<br />

Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aften? Oder jeder für si<strong>ch</strong>,<br />

e<strong>in</strong>geigelt h<strong>in</strong>ter dicken Vorhängen? Oder<br />

wieder wie Nomaden, heute da und morgen<br />

dort, woh<strong>in</strong> uns die Arbeit oder die S<strong>ch</strong>ule<br />

gerade h<strong>in</strong>treibt? Wie lange können wir<br />

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Medianlohn (<strong>20</strong>10: 5779) 8500 CHF 7000 Franken 8000 Franken 5000 Franken<br />

Arbeitslosigkeit (<strong>20</strong>11: 3 %) 3,5 % 9 % 2 % 8 %<br />

Bevölkerung (<strong>20</strong>10: 7,9 Mio.) 9,5 Mio. E<strong>in</strong>wohner 8,7 Mio. E<strong>in</strong>wohner 9,5 Mio. E<strong>in</strong>wohner 7,9 Mio. E<strong>in</strong>wohner<br />

Zuwanderung (<strong>20</strong>10: 65 000) 45 000 Personen / Jahr 22 000/Jahr 35 000/Jahr 0/Jahr<br />

Referenzz<strong>in</strong>s (<strong>20</strong>12: 2,5 %) 4 % 6 % 5 % 3 %<br />

Ausländeranteil: (<strong>20</strong>11: 22 %) Ausländeranteil: 24 % Ausländeranteil: 23 % Ausländeranteil: 24 % Ausländeranteil: 21 %<br />

Geburtenrate (<strong>20</strong>06:<br />

ø 1,5 K<strong>in</strong>d/Frau)<br />

ø 1,5 K<strong>in</strong>d/Frau ø 1,2 K<strong>in</strong>d/Frau ø 1,8 K<strong>in</strong>d/Frau ø 1,2 K<strong>in</strong>d/Frau<br />

Staatsquote (<strong>20</strong>09: 34,6 %) Staatsquote: 32 % Staatsquote: 50 % Staatsquote: 50 % Staatsquote: 60 %<br />

Folgen für die Wohnformen � Steigende Liegens<strong>ch</strong>aftspreise<br />

bzw. Mieten<br />

� Multilokales Wohnen nimmt<br />

zu<br />

� S<strong>in</strong>kende Belegung von<br />

Wohnungen auf 2,0 Personen<br />

� Viel Spekulation mit Liegens<strong>ch</strong>aften,<br />

grosse Bautätigkeit,<br />

viele Abrisse<br />

Was s<strong>in</strong>d die zentralen<br />

Wohnwerte?<br />

Flexibilität, Konnektivität,<br />

Selbst<strong>in</strong>szenierung, Stil,<br />

Prestige, Komfort<br />

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Simonetta Carbonaro, Konsumpsy<strong>ch</strong>olog<strong>in</strong><br />

� Rückgang <strong>in</strong> der Wohnbautätigkeit<br />

und der Erneuerung<br />

bestehender Bausubstanz<br />

� Räumli<strong>ch</strong>e Segregation<br />

� Steigende Belegung von<br />

Wohnungen auf 2,4 Personen<br />

� S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e Baupolizei<br />

� Störanfällige Energie-<br />

Infrastruktur<br />

S<strong>ch</strong>utz – Si<strong>ch</strong>erheit, soziales<br />

Netz <strong>in</strong> Teilgesells<strong>ch</strong>aften für<br />

K<strong>in</strong>derhüten und Ähnli<strong>ch</strong>es.<br />

Unterstützung von Abhängigen<br />

<strong>in</strong> der Sippe/Familie<br />

� Bewusste Ergänzung und<br />

teure Sanierung bestehender<br />

Häuser, um Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />

gere<strong>ch</strong>t zu werden<br />

� Glei<strong>ch</strong>bleibende Belegung<br />

von Wohnungen (2,3 Personen)<br />

� «Quoten» für preisgünstige<br />

Wohnungen<br />

� Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ungsvors<strong>ch</strong>riften<br />

Flexibilität, Natur, Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aft,<br />

lebendiges Quartier,<br />

Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung, Stil,<br />

Dur<strong>ch</strong>lässigkeit<br />

� S<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>ender Zerfall der<br />

Bausubstanz<br />

� Prekäre Wohnsituationen –<br />

oft dur<strong>ch</strong> eigene Handarbeit<br />

aufgebessert<br />

� Staatli<strong>ch</strong>e Wohnungsmarktpolitik<br />

� Steigende Belegung von<br />

Wohnungen (2,5 Personen)<br />

� Heiztemperatur-<br />

Vors<strong>ch</strong>riften<br />

Privatsphäre, Rückzug,<br />

Autonomie


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Medianlohn 7000 Franken/Monat<br />

Arbeitslosigkeit 9 %<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl 8,7 Mio.<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum dur<strong>ch</strong> E<strong>in</strong>wanderung<br />

22 000/Jahr<br />

Referenzz<strong>in</strong>ssatz für Mietwohnungen 6 %<br />

Wohnungsbelegung 2,4 Personen<br />

Geburtenrate 1,2 K<strong>in</strong>der/Frau<br />

Die Kluft zwis<strong>ch</strong>en Arm und Rei<strong>ch</strong> ist riesig,<br />

soziale Konflikte nehmen zu. Wer Geld hat, lebt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em umzäunten Ghetto für Rei<strong>ch</strong>e. Alle anderen<br />

<strong>in</strong> heruntergekommenen Quartieren und Dörfern.<br />

Die Hypoz<strong>in</strong>sen s<strong>in</strong>d sprunghaft gestiegen, der<br />

Mittelstand kommt unter die Räder. Wegen der<br />

ökonomis<strong>ch</strong>en Stagnation s<strong>ch</strong>rumpfen die Löhne,<br />

steigt die Arbeitslosigkeit, und K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />

Armutsrisiko. Immer mehr Leute können si<strong>ch</strong> die<br />

Wohnung au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> sanierungsbedürftigen Häusern<br />

kaum mehr leisten, statt <strong>in</strong> eigenen Zimmern zu<br />

leben, müssen K<strong>in</strong>der mit Kajütenbetten im Wohnzimmer<br />

auskommen, die Eltern mit e<strong>in</strong>em Bettsofa.<br />

Maximilian Hungerbühler ist e<strong>in</strong> Verlierer <strong>in</strong> der<br />

Konflikt-S<strong>ch</strong>weiz. Er hat Bu<strong>ch</strong>händler gelernt.<br />

Do<strong>ch</strong> wegen der rasanten Digitalisierung und<br />

dem generellen Niedergang des Bildungsniveaus<br />

starb se<strong>in</strong> Beruf <strong>in</strong>nert weniger Jahre aus. Nun<br />

s<strong>ch</strong>lägt er si<strong>ch</strong> mehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t als re<strong>ch</strong>t mit Gelegenheitsjobs<br />

dur<strong>ch</strong> und wohnt bei se<strong>in</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>wes ter. Die hat e<strong>in</strong>e günstige Zweizimmerwohnung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Quartier, das zu 90 Prozent<br />

von – meist arbeitslosen, randständigen – Zuwanderern<br />

aus Zentralasien bewohnt ist.<br />

Trotz Eisengittern vor Fenstern und Haustüre<br />

wird alle paar Wo<strong>ch</strong>en bei Hungerbühlers e<strong>in</strong>gebro<strong>ch</strong>en.<br />

E<strong>in</strong>e Anzeige br<strong>in</strong>gt ni<strong>ch</strong>ts; hier werden<br />

m<strong>in</strong>dere Straftaten von S<strong>ch</strong>aria-Geri<strong>ch</strong>ten beurteilt,<br />

und Hungerbühlers haben zu diesen lokalen<br />

Behörden ke<strong>in</strong> Vertrauen. Kürzli<strong>ch</strong> hat jemand<br />

«S<strong>ch</strong>weizer raus» an ihre Hausmauer gesprayt.<br />

Ausser den – meist jugendli<strong>ch</strong>en – Gangs wagt<br />

si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> diesem Viertel na<strong>ch</strong> zehn Uhr abends niemand<br />

mehr aus dem Haus. Es gibt <strong>in</strong> der Stadt<br />

mehrere derart heruntergekommene, «ethnis<strong>ch</strong>e»<br />

Quartiere, <strong>in</strong> die ke<strong>in</strong> Polizist mehr e<strong>in</strong>en<br />

Fuss zu setzen wagt. Kürzli<strong>ch</strong> ist im obersten<br />

Stockwerk des Na<strong>ch</strong>barhauses Feuer ausgebro<strong>ch</strong>en.<br />

Es stellte si<strong>ch</strong> heraus, dass die Dreizimmerwohnung<br />

<strong>in</strong> mehreren «S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten» von fast<br />

zwanzig Personen bewohnt war. Da die Zufahrtsstrasse<br />

wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em orientalis<strong>ch</strong>en Basar von<br />

Verkaufsständen gesäumt ist, s<strong>ch</strong>affte es die<br />

Feuerwehr ni<strong>ch</strong>t, dur<strong>ch</strong>zukommen.<br />

Maximilian selbst s<strong>ch</strong>läft im Wohnzimmer auf<br />

e<strong>in</strong>em ausziehbaren <strong>So</strong>fa. Der öffentli<strong>ch</strong>e Verkehr<br />

ist unzuverlässig. Die Busse s<strong>in</strong>d s<strong>ch</strong>mutzig und<br />

besonders abends hat Maximilian e<strong>in</strong> mulmiges<br />

Gefühl, wenn er sie benutzen muss. Die Strassen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Zustand. Meist ist Maximilian<br />

mit dem Velo unterwegs, das ist am<br />

s<strong>ch</strong>nellsten.<br />

Se<strong>in</strong>e Eltern <strong>wohnen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verlassenen<br />

Altbau <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fast mens<strong>ch</strong>enleeren Dorf. Die<br />

Reise dorth<strong>in</strong> mit Zug und Bus dauert fast e<strong>in</strong>en<br />

Tag; während Maximilians ges<strong>ch</strong>äftstü<strong>ch</strong>tiger<br />

Cous<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>ner <strong>in</strong> der Konflikt-S<strong>ch</strong>weiz, nur<br />

gerade zweie<strong>in</strong>halb Stunden brau<strong>ch</strong>t, um mit<br />

dem «Hyperrapid-Zug» von Paris na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong> zu<br />

kommen.


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Medianlohn 8000 Franken/Monat<br />

Arbeitslosigkeit 2 %<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl 9,5 Mio.<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum dur<strong>ch</strong><br />

E<strong>in</strong>wanderung 35 000/Jahr<br />

Referenzz<strong>in</strong>ssatz für Mietwohnungen 5 %<br />

Wohnungsbelegung 2,3 Personen<br />

Geburtenrate 1,8 K<strong>in</strong>der/Frau<br />

Allen geht es gut. Und alle s<strong>in</strong>d zufrieden. Dank steigender<br />

Löhne s<strong>in</strong>d höhere Hypothekarz<strong>in</strong>sen ke<strong>in</strong><br />

Problem. Der generelle Optimismus lässt sogar die<br />

Geburtenrate ansteigen – endli<strong>ch</strong> hat die S<strong>ch</strong>weiz<br />

wieder K<strong>in</strong>der! Das Familien leben ist e<strong>in</strong> zentraler<br />

Wert <strong>in</strong> der Bevölkerung, <strong>in</strong> der Villa Kunterbunt des<br />

ökologis<strong>ch</strong> bewussten S<strong>ch</strong>weizers. Ni<strong>ch</strong>t Design<br />

und viel Platz s<strong>in</strong>d wi<strong>ch</strong>tig, sondern Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />

und Umweltbewusstse<strong>in</strong>. Die Wirts<strong>ch</strong>aft floriert<br />

trotzdem, der S<strong>ch</strong>weizer kann si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> Leben, geleitet<br />

von sozialen und ökologis<strong>ch</strong>en Werten, leisten.<br />

Die breite Mittels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t wä<strong>ch</strong>st, und ökonomis<strong>ch</strong>e<br />

oder gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Konflikte gibts ni<strong>ch</strong>t.<br />

E<strong>in</strong>e typis<strong>ch</strong>es Beispiel für die Öko-S<strong>ch</strong>weiz ist<br />

Angela Grünenfelder. Die Gartenar<strong>ch</strong>itekt<strong>in</strong> wohnt<br />

<strong>in</strong> der genossens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en <strong>Sie</strong>dlung «Y<strong>in</strong> und<br />

Yang», wo sie au<strong>ch</strong> ehrenamtli<strong>ch</strong> zwei Na<strong>ch</strong>mittage<br />

pro Wo<strong>ch</strong>e im K<strong>in</strong>derhort arbeitet. Mit ihrem<br />

Partner Friedri<strong>ch</strong>, von Beruf <strong>So</strong>zialpädagoge, hat<br />

sie drei K<strong>in</strong>der. In der Überbauung «Y<strong>in</strong> und Yang»<br />

wird viel Wert auf Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit gelegt. Es<br />

gibt e<strong>in</strong>en kollektiven Esssaal; jeder Bewohner hat<br />

si<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>tet, m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal pro Monat für<br />

alle Interessierten zu ko<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> die Re<strong>in</strong>igungsarbeiten<br />

der geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Räume erledigen<br />

die Bewohner zusammen. Bei na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Problemen gibt es ke<strong>in</strong>e höhere Instanz, an die<br />

man si<strong>ch</strong> wenden könnte; es muss alles <strong>in</strong> der<br />

Hausversammlung ausdiskutiert werden. Kommt<br />

man überhaupt ni<strong>ch</strong>t mehr weiter, kann man si<strong>ch</strong><br />

an den Coa<strong>ch</strong> und Mediator aus der bena<strong>ch</strong>barten<br />

<strong>Sie</strong>dlung «Regenbogen» wenden. Umgekehrt ist<br />

Friedri<strong>ch</strong> dort zu zehn Prozent als «Peacemaker»<br />

angestellt. Auffällig <strong>in</strong> der Wohnung s<strong>in</strong>d die tropis<strong>ch</strong>en<br />

Hängepflanzen im Badezimmer. In der<br />

warmen Feu<strong>ch</strong>tigkeit rund um die Dus<strong>ch</strong>e gedeihen<br />

sie besonders üppig; es sieht aus wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Regenwald. Weil der W<strong>in</strong>tergarten als Arbeitsplatz<br />

besonders beliebt ist, hat die Familie e<strong>in</strong> Rotationssystem<br />

e<strong>in</strong>geführt. Am orig<strong>in</strong>ellsten s<strong>in</strong>d die Zimmer<br />

der 9-jährigen Zwill<strong>in</strong>ge. Weil sie man<strong>ch</strong>mal<br />

e<strong>in</strong> Zimmer für si<strong>ch</strong> wollen und man<strong>ch</strong>mal ni<strong>ch</strong>t,<br />

wurde e<strong>in</strong>e Zwis<strong>ch</strong>enwand e<strong>in</strong>gebaut, die aus<br />

e<strong>in</strong>em wei<strong>ch</strong>en Kunststoff besteht. Die Ges<strong>ch</strong>wister<br />

können das Nebenzimmer betreten, <strong>in</strong>dem sie<br />

dur<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>en der S<strong>ch</strong>litze s<strong>ch</strong>lüpfen, die si<strong>ch</strong> h<strong>in</strong>ter<br />

ihnen wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zauberstück wieder s<strong>ch</strong>liessen.<br />

Die ganze <strong>Sie</strong>dlung wurde na<strong>ch</strong> dem Öko-Standard<br />

AAA+ gebaut; das heisst, sie besteht zu<br />

m<strong>in</strong>destens 90 % aus natürli<strong>ch</strong>en Materialien,<br />

ist völlig emissionsfrei und produziert mehr Energie<br />

als sie verbrau<strong>ch</strong>t. Der Gemüsebedarf wird zu<br />

50 % aus den grossflä<strong>ch</strong>igen Gärten h<strong>in</strong>ter der<br />

<strong>Sie</strong>dlung, aber au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> «urban farm<strong>in</strong>g» auf<br />

den Hausdä<strong>ch</strong>ern und -fassaden gedeckt, die<br />

<strong>in</strong>dividuell, aber mit geme<strong>in</strong>sam benutztem Gerät<br />

bewirts<strong>ch</strong>aftet werden. Beim «Y<strong>in</strong> und Yang»-<br />

E<strong>in</strong>gang stehen 17 Recycl<strong>in</strong>g-Conta<strong>in</strong>er für vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Abfallsorten, au<strong>ch</strong> wenn tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

sehr wenig Abfall anfällt.


no<strong>ch</strong> E<strong>in</strong>familienhäuser auf der grünen<br />

Wiese bauen? Wie ho<strong>ch</strong> darf künftig das<br />

Ho<strong>ch</strong>haus se<strong>in</strong>? Wie viel Wohnraum dürfen<br />

wir no<strong>ch</strong> beanspru<strong>ch</strong>en? Was können wir uns<br />

leis ten? F<strong>in</strong>anziell, aber au<strong>ch</strong> ökologis<strong>ch</strong>?<br />

E<strong>in</strong> Fors<strong>ch</strong>ungsteam von Swissfuture,<br />

der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Vere<strong>in</strong>igung für Zukunftsfors<strong>ch</strong>ung,<br />

hat vier mögli<strong>ch</strong>e Szenarien<br />

entwickelt, wie die S<strong>ch</strong>weiz <strong>in</strong> <strong>20</strong> <strong>Jahren</strong><br />

aussehen könnte:<br />

� E<strong>in</strong>e Ego-S<strong>ch</strong>weiz, <strong>in</strong> der es den meisten<br />

Mens<strong>ch</strong>en f<strong>in</strong>anziell immer besser geht.<br />

� E<strong>in</strong>e Konflikt-S<strong>ch</strong>weiz, <strong>in</strong> der die Armen<br />

ärmer und die Rei<strong>ch</strong>en rei<strong>ch</strong>er werden.<br />

� E<strong>in</strong>e Öko-S<strong>ch</strong>weiz, der es f<strong>in</strong>anziell gut<br />

geht und die si<strong>ch</strong> den Ausglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />

Umwelt und Wirts<strong>ch</strong>aft leisten kann.<br />

� E<strong>in</strong>e Angst-S<strong>ch</strong>weiz, die si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>igelt, den<br />

<strong>So</strong>nderfall zum Überlebenspr<strong>in</strong>zip ma<strong>ch</strong>t<br />

und dabei verarmt.<br />

Für diese vier Zukunftsvisionen haben<br />

si<strong>ch</strong> die Swissfuture-Fors<strong>ch</strong>er um Georges T.<br />

Roos die mögli<strong>ch</strong>en Folgen für die Wohnformen<br />

von morgen ausgeda<strong>ch</strong>t, die <strong>So</strong>nntagsBlick<br />

magaz<strong>in</strong> exklusiv zeigen kann<br />

(siehe Tabelle).<br />

Zwei Szenarien, die Ego-S<strong>ch</strong>weiz und die<br />

Öko-S<strong>ch</strong>weiz, gehen von e<strong>in</strong>em positiven<br />

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���������Zukunftsfors<strong>ch</strong>er Georges T. Roos<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum aus. Die anderen<br />

zwei, die Konflikt-S<strong>ch</strong>weiz und die Angst-<br />

S<strong>ch</strong>weiz, von e<strong>in</strong>er Stagnation des Brutto<strong>in</strong>landprodukts.<br />

Au<strong>ch</strong> die E<strong>in</strong>wanderung – e<strong>in</strong><br />

wi<strong>ch</strong>tiger Faktor für den Immobilienmarkt<br />

– variiert je na<strong>ch</strong> Szenario stark.<br />

Diese vier Grundannahmen, wie die<br />

S<strong>ch</strong>weiz von morgen aussehen könnte, ha-<br />

Wohnen | Thema<br />

ben weitrei<strong>ch</strong>ende Auswirkungen auf das<br />

Wohnen. Im Ego-Szenario ist mit e<strong>in</strong>em<br />

starken Anstieg der Immobilienpreise und<br />

stürmis<strong>ch</strong>er Wohnbautätigkeit zu re<strong>ch</strong>nen.<br />

Wohnbezogene Services und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Installationen,<br />

zum Beispiel für die Si<strong>ch</strong>erheit,<br />

spielen e<strong>in</strong>e wi<strong>ch</strong>tige Rolle. «Für die Bauwirts<strong>ch</strong>aft<br />

ist das e<strong>in</strong> Traumszenario», sagt<br />

der Zukunftsfors<strong>ch</strong>er Georges T. Roos.<br />

«Weniger Freude würden die Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>ützer<br />

daran haben. Und für e<strong>in</strong>kommenss<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e<br />

Familien wird es s<strong>ch</strong>wierig,<br />

wuns<strong>ch</strong>gemässen Wohnraum zu f<strong>in</strong>den.»<br />

Im Konflikt-Szenario kommt der Mittelstand<br />

immer stärker unter die Räder. Viele<br />

Haus- und Wohnungsbesitzer können die<br />

Hypothekarz<strong>in</strong>sen ni<strong>ch</strong>t mehr bezahlen.<br />

«Der Mittelstand wäre fraglos der Verlierer.<br />

Ni<strong>ch</strong>t zuletzt das mögli<strong>ch</strong>e Platzen der Immobilienblase<br />

würde das Ersparte dieser<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t verni<strong>ch</strong>ten», kommentiert Roos. Die<br />

Bausubstanz wird verna<strong>ch</strong>lässigt, wäh-


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rend dafür die klassis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aftshilfe<br />

e<strong>in</strong>e Renaissance erlebt. Und für die<br />

S<strong>ch</strong>weiz gäbe es e<strong>in</strong>e ganz neue <strong>Sie</strong>dlungsform,<br />

wie es sie heute <strong>in</strong> den USA, aber au<strong>ch</strong><br />

<strong>in</strong> Entwicklungsländern s<strong>ch</strong>on gibt: bewa<strong>ch</strong>te<br />

Wohlstandsghettos für Rei<strong>ch</strong>e, sogenannte<br />

«Gated Communities».<br />

Beim Öko-Szenario ist der Wohnungsmarkt<br />

weitgehend im Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Die<br />

Bausubstanz wird unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung<br />

der Na<strong>ch</strong>haltigkeit erhalten und ergänzt. Es<br />

entstehen neue geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wohnformen<br />

mit kle<strong>in</strong>en Kernberei<strong>ch</strong>en für S<strong>in</strong>gles<br />

oder Familien und grosszügigen geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

genutzten Erholungs- und<br />

Wohnberei<strong>ch</strong>en sowohl dr<strong>in</strong>nen wie draussen.<br />

«E<strong>in</strong> sorgfältiger Bezug der Wohnung<br />

na<strong>ch</strong> draussen – <strong>in</strong> die Lands<strong>ch</strong>aft und<br />

Quartierstrassen – br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e massive Verbesserung<br />

der Lebensqualität», me<strong>in</strong>t Roos.<br />

Dazu werden Ökologie und Energieeffizienz<br />

beim Bauen selbstverständli<strong>ch</strong>. Hier sieht<br />

Roos Potenzial: «Au<strong>ch</strong> wenn es zu s<strong>ch</strong>ön<br />

kl<strong>in</strong>gt, um wahr zu se<strong>in</strong>, b<strong>in</strong> i<strong>ch</strong> überzeugt:<br />

Es ist mögli<strong>ch</strong>, dass <strong>in</strong> <strong>20</strong> <strong>Jahren</strong> jedes neue<br />

Haus au<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, dezentrales<br />

Kraftwerk ist.»


Fotos: AKG-Images (3)<br />

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Medianlohn 5000 Franken/Monat<br />

Arbeitslosigkeit 8 %<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl 7,9 Mio.<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum dur<strong>ch</strong> E<strong>in</strong>wanderung 0/Jahr<br />

Referenzz<strong>in</strong>ssatz für Mietwohnungen 3 %<br />

Wohnungsbelegung 2,5 Personen<br />

Geburtenrate 1,2 K<strong>in</strong>der/Frau<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz verarmt: Die Löhne s<strong>in</strong>ken, die Arbeitslosigkeit steigt.<br />

Die Leute haben Mühe, ihre Miete zu bezahlen. Fast jeder unterhält<br />

irgendwo e<strong>in</strong>en Garten und versu<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> als Selbstversorger.<br />

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist prekär: Wohnungen s<strong>in</strong>d<br />

teuer, kle<strong>in</strong> und überfüllt – trotz ausufernder staatli<strong>ch</strong>er E<strong>in</strong>griffe.<br />

Den S<strong>ch</strong>weizern gehts immer s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter, und sie haben bere<strong>ch</strong>tigte<br />

Angst, dass es ihnen bald no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter gehen wird. In<br />

ihrer Wohnung ri<strong>ch</strong>ten sie darum rückwärtsgewandte Idyllen e<strong>in</strong> –<br />

neue Möbel sehen aus wie aus dem 19. Jahrhundert, auf Tis<strong>ch</strong>en<br />

und Kommoden liegen gehäkelte S<strong>ch</strong>utzdecken. Vieles ist selbst<br />

gema<strong>ch</strong>t, von den Möbeln bis zur notdürftigen Instandstellung der<br />

ganzen Wohnung. Das S<strong>ch</strong>utz- und Si<strong>ch</strong>erheitsbedürfnis ist so<br />

gross, dass viele Eltern das K<strong>in</strong>derzimmer mit S<strong>ch</strong>aumstoff auskleiden,<br />

damit si<strong>ch</strong> die Kle<strong>in</strong>en ni<strong>ch</strong>t verletzen können.<br />

Norma Halter gehört zu den Ents<strong>ch</strong>eidungsträger<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der<br />

Angst-S<strong>ch</strong>weiz. <strong>Sie</strong> arbeitet im Jugendamt, Abteilung «Ernährung».<br />

Mit ihrer pflege bedürftigen Mutter wohnt sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

kle<strong>in</strong>en Dreizimmerwohnung <strong>in</strong> Wil. Wenn es ihr zu eng wird, zieht<br />

Im Angst-Szenario wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>ch</strong>wierigen<br />

makroökonomis<strong>ch</strong>en Umfeld trotz<br />

tiefer Z<strong>in</strong>sen wenig gebaut. Es gibt e<strong>in</strong>en<br />

s<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>enden Zerfall der Bausubstanz und<br />

viele Vors<strong>ch</strong>riften, zum Beispiel bezügli<strong>ch</strong><br />

der Heiztemperatur. Das «Hotel Mama»<br />

wird zu e<strong>in</strong>er kostengünstigen «Zwangswohnform».<br />

Roos warnt: «Te<strong>ch</strong>nokraten<br />

werden unser Wohnen bestimmen: bester<br />

Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utz, bester Klimas<strong>ch</strong>utz, bester<br />

Mieters<strong>ch</strong>utz, Ende der Zersiedelung.<br />

Was auf der Strecke bleibt, ist die Freiheit. Es<br />

gibt eben e<strong>in</strong>en wesentli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ied<br />

zwis<strong>ch</strong>en ‹gut› und ‹gut geme<strong>in</strong>t›.»<br />

Diese vier Wohnformen <strong>20</strong>30 s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />

Prognosen, ke<strong>in</strong>e fiktionalen Spekulationen<br />

wie bei der Science-Fiction-Serie «Raums<strong>ch</strong>iff<br />

Enterprise». Wel<strong>ch</strong>es der vier Zukunftsszena-<br />

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Plüs<strong>ch</strong>sessel mit ges<strong>ch</strong>wungenen<br />

Füssen, Häkeldecke auf dem <strong>So</strong>fa<br />

und gemusterte Tapeten – das war<br />

die Wohnung des aufstrebenden<br />

Bürgertums um 1900.<br />

Li<strong>ch</strong>tdur<strong>ch</strong>flutete Räume, funktionale<br />

Möbel, klare L<strong>in</strong>ien – so stellten si<strong>ch</strong><br />

die Designrevolutionäre vom Bauhaus<br />

das gesunde und praktis<strong>ch</strong>e<br />

Wohnen <strong>in</strong> den 19<strong>20</strong>er-<strong>Jahren</strong> vor.<br />

Wohnen | Thema<br />

sie si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> ihren S<strong>ch</strong>rebergarten zurück, wo sie Gemüse anbaut<br />

und Rosen zü<strong>ch</strong>tet. Eigentli<strong>ch</strong> müsste sie ihre Mutter aus gesundheitli<strong>ch</strong>en<br />

Gründen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pflegeheim unterbr<strong>in</strong>gen, aber das<br />

wäre zu teuer. Zudem dürfte sie dann ni<strong>ch</strong>t mehr <strong>in</strong> der Wohnung<br />

bleiben, sondern müsste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zweizimmerwohnung ziehen<br />

(Anzahl Personen + 1 = maximale Anzahl Zimmer, so lautet die<br />

Regel).<br />

Norma kümmert si<strong>ch</strong> bei der Jugendbehörde um übergewi<strong>ch</strong>tige<br />

K<strong>in</strong>der. Wird sie von Lehrpersonen auf e<strong>in</strong>en Fall aufmerksam<br />

gema<strong>ch</strong>t, kommt es zu e<strong>in</strong>er Intervention bei den Eltern. <strong>Sie</strong> überprüft<br />

dann die Ko<strong>ch</strong>- und Essgewohnheiten zu Hause und begleitet<br />

die Erziehungsverantwortli<strong>ch</strong>en beratend und kontrollierend<br />

bei der Umstellung der Ernährung. Erweisen si<strong>ch</strong> die Eltern als unbelehrbar,<br />

ist Norma gezwungen, die Verpflegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mediz<strong>in</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Gesundheitskü<strong>ch</strong>e zu verordnen.<br />

Normas Wohnung ist e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> und funktional, fast spartanis<strong>ch</strong><br />

e<strong>in</strong>geri<strong>ch</strong>tet. Die meiste Zeit verbr<strong>in</strong>gen die beiden Bewohner<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> der Kü<strong>ch</strong>e mit der hölzernen Sitzbank, die Normas Mutter<br />

von ihren Eltern geerbt hat. Die Kü<strong>ch</strong>e hat den Vorteil, dass es<br />

dort im Gegensatz zum Rest der Wohnung e<strong>in</strong> biss<strong>ch</strong>en weniger<br />

kalt ist. Au<strong>ch</strong> die Katze «Miu» liegt meist vor dem Backofen. Auf<br />

dem Tis<strong>ch</strong> stehen immer fris<strong>ch</strong>e Blumen aus dem eigenen Garten.<br />

Auf dem Bü<strong>ch</strong>ergestell im Wohnzimmer prangt e<strong>in</strong>e vergilbte Ausgabe<br />

des Appenzeller Bauernkalenders, an der Wand hängen Bilder<br />

von Segant<strong>in</strong>i und Carigiet und e<strong>in</strong> Stammbaum mütterli<strong>ch</strong>erseits,<br />

der zehn Generationen zurückrei<strong>ch</strong>t.<br />

Platzsparend, übersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, pflegelei<strong>ch</strong>t<br />

– mit der E<strong>in</strong>baukü<strong>ch</strong>e der<br />

1950er-Jahre, au<strong>ch</strong> Laborkü<strong>ch</strong>e<br />

genannt, wollten die Hausbauer das<br />

Leben der Hausfrau erlei<strong>ch</strong>tern.<br />

rien e<strong>in</strong>tritt, und wie wir <strong>in</strong> <strong>20</strong> <strong>Jahren</strong> wirkli<strong>ch</strong><br />

<strong>wohnen</strong> werden, ist offen. «Wir haben es heute<br />

<strong>in</strong> der Hand, die Wei<strong>ch</strong>en zu stellen», sagt<br />

Zukunftsfors<strong>ch</strong>er Roos.<br />

Die Studie «Wohnformen <strong>20</strong>30» wird morgen<br />

Montag im Prime Tower <strong>in</strong> Züri<strong>ch</strong> präsentiert. <strong>Sie</strong><br />

ist zusammen mit der Hauptstudie «Wertewandel<br />

<strong>in</strong> der S<strong>ch</strong>weiz <strong>20</strong>30. Vier Szenarien» erhältli<strong>ch</strong><br />

unter www.swissfuture.<strong>ch</strong><br />

Sparsam möbliert, grossflä<strong>ch</strong>ig und<br />

mit riesigen Fenstern – so sieht<br />

die ideale Wohnung des mobilen<br />

Mens<strong>ch</strong>en zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts<br />

aus.<br />

<strong>So</strong>nntagsBlick magaz<strong>in</strong> 13

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