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Seltsam A., Legler T.J., Petershofen E.K. Rhesus D - Abteilung ...

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Ausgabe 7<br />

2006<br />

Die neuen Richtlinien<br />

Dr. med. Detlev Nagl<br />

<strong>Rhesus</strong> D-Diagnostik<br />

in der Schwangerschaft<br />

Prof. Dr. med. Axel <strong>Seltsam</strong><br />

Prof. Dr. med. Tobias J. <strong>Legler</strong><br />

Dr. rer. nat. Eduard K. <strong>Petershofen</strong><br />

Kongressbericht<br />

Dr. Andreas Karl<br />

Therapie mit Erythrozytenkonzentraten<br />

bei chronischer Anämie<br />

Prof. emerit. Dr. med. Hermann Heimpel<br />

Dr. med. Britta Höchsmann<br />

Dr. med. Markus Wiesneth<br />

Anscheinend schuldig – Überlegungen<br />

zu einem BGH-Urteil<br />

Dr. med. Andre Fritzsch<br />

Die ärztlichen Aufklärungspfl<br />

ichten – Neue weitere Anforderungen<br />

bei der Verabreichung von<br />

Blutprodukten?<br />

Christoph Kleinherne, Rechtsanwalt<br />

Beiträge zur Transfusionsmedizin<br />

S ONDERAUSGABE<br />

zur DGTI-Tagung September 2006<br />

››


››<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Die Ständige Konferenz der<br />

Geschäftsführer der DRK-Blutspendedienste<br />

vertreten durch:<br />

den Sprecher:<br />

Prof. Dr. Erhard Seifried,<br />

Sandhofstr. 1,<br />

60528 Frankfurt/M<br />

beteiligte und für die<br />

Regionalteile zuständige<br />

Blutspendedienste:<br />

DRK-Blutspendedienst<br />

Baden-Württemberg -<br />

Hessen gGmbH, Mannheim<br />

Blutspendedienst des Bayerischen<br />

Roten Kreuzes, München<br />

DRK-Blutspendedienst<br />

Mecklenburg-Vorpommern gGmbH,<br />

Neubrandenburg<br />

DRK Blutspendedienst Nord gGmbH,<br />

Lütjensee<br />

Blutspendedienst der Landesverbände<br />

des DRK Niedersachsen, Sachsen-<br />

Anhalt, Thüringen, Oldenburg und<br />

Bremen gGmbH, Springe<br />

DRK-Blutspendedienst Ost gGmbH,<br />

Dresden<br />

DRK-Blutspendedienst West gGmbH,<br />

Ratingen<br />

Redaktion<br />

(verantwortlich):<br />

Dr. Detlef Nagl, München<br />

Friedrich-Ernst Düppe, Hagen<br />

Feithstraße 182, 58097 Hagen<br />

Tel.: 0 23 31/8 07-0<br />

Fax: 02331/881326<br />

Email: f.dueppe@bsdwest.de<br />

Redaktion:<br />

Dr. Jörgen Erler, Baden-Baden;<br />

Dr. Robert Deitenbeck, Hagen;<br />

PD Dr. Hermann Eichler, Ratingen;<br />

Ursula Lassen, Springe;<br />

Jens Lichte, Lütjensee;<br />

Dr. Markus M. Müller, Frankfurt/M.;<br />

Dr. Detlev Nagl, Augsburg;<br />

Prof. Dr. Hubert Schrezenmeier, Ulm;<br />

Prof. Dr. Sybille Wegener, Rostock.<br />

Mit Autorennamen gekennzeichnete<br />

Fachartikel geben die Meinung des<br />

Autors wieder und müssen nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

und der Herausgeber widerspiegeln.<br />

Der Herausgeber der „hämotherapie“<br />

haftet nicht für die Inhalte der Fachautoren.<br />

Die Fachinformationen entbinden<br />

den behandelnden Arzt nicht, sich<br />

weiterführend zu informieren.<br />

Realisation:<br />

concept-design GmbH & Co. KG<br />

deltacity.NET GmbH & Co. KG<br />

SIGMA-DRUCK GmbH<br />

www.deltacity.net<br />

Auflagen:<br />

Gesamtauflage: 36.500 Ex.<br />

ISSN-Angaben auf der Rückseite<br />

Zitierweise:<br />

hämotherapie, 7/2006, Seite ...<br />

Inhalt<br />

Editorial 7/2006<br />

Prof. Dr. med. Erhard Seifried<br />

Die neuen Richtlinien<br />

Weitere Anmerkungen zur Novelle 2005 der Richtlinien<br />

zur Hämotherapie<br />

Dr. med. Detlev Nagl<br />

<strong>Rhesus</strong> D-Diagnostik in der Schwangerschaft<br />

Prof. Dr. med. Axel <strong>Seltsam</strong><br />

Prof. Dr. med. Tobias J. <strong>Legler</strong><br />

Dr. rer. nat. Eduard K. <strong>Petershofen</strong><br />

Kongressbericht<br />

Neuntes wissenschaftliches Symposium der Forschungsgemeinschaft<br />

der DRK-Blutspendedienste zum Thema Hämovigilanz in Dresden<br />

Dr. Andreas Karl<br />

Therapie mit Erythrozytenkonzentraten<br />

bei chronischer Anämie<br />

Prof. emerit. Dr. med. Hermann Heimpel<br />

Dr. med. Britta Höchsmann<br />

Dr. med. Markus Wiesneth<br />

Anscheinend schuldig –<br />

Überlegungen zu einem BGH-Urteil<br />

Dr. med. André Fritzsch<br />

Die ärztlichen Aufklärungspfl ichten –<br />

Neue weitere Anforderungen bei der Verabreichung<br />

von Blutprodukten?<br />

Christoph Kleinherne, Rechtsanwalt<br />

Die Autoren / Abo- und Redaktionsservice<br />

3<br />

4-14<br />

15-25<br />

26-31<br />

32-43<br />

44-49<br />

49-58<br />

59


Editorial 7/2006<br />

Sehr geehrte Leserin,<br />

sehr geehrter Leser,<br />

das Ihnen heute vorliegenden Heft 7 unserer<br />

Zeitschrift ist anlässlich des 39. Jahreskongresses<br />

der Deutschen Gesellschaft<br />

für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie<br />

e.V. (DGTI) in Frankfurt am Main herausgegeben<br />

worden. Der vom 19. bis 22.<br />

September in der Messe Frankfurt stattfindende<br />

Kongress wird in diesem Jahr in Zusammenarbeit<br />

mit der International Society<br />

for Cellular Therapy-Europe (ISCT-Europe)<br />

veranstaltet.<br />

Neben den traditionellen Themen wie<br />

Qualität und Sicherheit von Blutprodukten,<br />

Immunhämatologie, Transplantationsmedizin,<br />

Hämotherapie und vielen anderen wurden<br />

Schwerpunkte dieses transfusionsmedizinischen<br />

Fachkongresses entsprechend der<br />

rasanten Entwicklung und aufgrund zunehmender<br />

neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

in den letzten Jahren gewählt:<br />

Regenerative Medizin an Beispielen wie der<br />

Stammzell-Therapie beim akuten Myokardinfarkt,<br />

die Transplantation hämatopoietischer<br />

Stammzellen aus Nabelschnurblut und die<br />

modernen Ansätze der Gentherapie werden<br />

auf diversen Symposien und Hauptvorträgen<br />

aus wissenschaftlicher, regulatorischer<br />

und klinischer Sicht beleuchtet und diskutiert.<br />

Aber auch andere für die Anwender<br />

relevante neue Aspekte beispielsweise der<br />

Pathogeninaktivierung von Blutpräparaten,<br />

welche die ohnehin hohe Sicherheit der<br />

Blutprodukte noch weiter erhöhen könnte<br />

und für die erste Verfahren vor der klinischen<br />

Einführung stehen, sind ein Thema,<br />

dem ein ganzer Kongressvormittag gewid-<br />

met wird. Hier werden die diversen Verfahren<br />

zur Pathogenreduktion miteinander verglichen<br />

und ebenfalls regulatorische, klinische,<br />

pharmakologisch-toxikologische und<br />

nicht zuletzt auch Kosten-Aspekte neben<br />

Wirksamkeit und Sicherheit eine wichtige<br />

Rolle spielen.<br />

Unabhängig von diesen neuen Entwicklungen<br />

werden wir die wichtigen Aspekte<br />

der täglichen klinischen Anwendung, der<br />

Hämotherapie, und der praktischen Transfusionsmedizin<br />

nicht vernachlässigen. Dafür<br />

ist auch das vorliegende Heft ein gutes<br />

Beispiel:<br />

Dr. Detlef Nagl vom Blutspendedienst des<br />

Bayerischen Roten Kreuzes nimmt sich im<br />

versprochenen zweiten Teil seines Kommentars<br />

zu den aktuellen „Richtlinien zur<br />

Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen<br />

und zur Anwendung von Blutprodukten<br />

(Hämotherapie)” der Bundesärztekammer<br />

und des Paul-Ehrlich-Instituts den auch für<br />

die Anwender wichtigen und hochinteressanten<br />

Teil des Qualitätsmanagements bzw.<br />

der Qualitätssicherung vor. Er kommentiert<br />

speziell auch Aufgaben und Qualifikation des<br />

von vielen Kliniken derzeit noch zu implementierenden<br />

Qualitätsbeauftragten.<br />

Die Autorengruppe um die Professoren<br />

Axel <strong>Seltsam</strong> und Tobias <strong>Legler</strong> sowie Dr.<br />

Eduard <strong>Petershofen</strong> fassen in ihrem Übersichtsartikel<br />

zur <strong>Rhesus</strong> D-Diagnostik in der<br />

Schwangerschaft den aktuellen Stand und<br />

die neuesten Entwicklungen zum Nachweis<br />

dieser noch immer relevanten Form der fetomaternalen<br />

Inkompatibilität zusammen:<br />

Dank Einführung der generellen Anti-D-<br />

Prophylaxe rhesusnegativer schwangerer<br />

Frauen, welche noch kein Anti-D gebildet<br />

hatten, ist der Anteil von Anti-D-Antikörpern<br />

als Ursache eines Morbus haemolyticus<br />

neonatorum zwar zahlenmäßig stark reduziert<br />

worden, aber weiterhin klinisch bedeutsam.<br />

Dr. Andreas Karl fasst in seinem Beitrag<br />

das neunte wissenschaftliche Symposium der<br />

Forschungsgemeinschaft der DRK-Blutspendedienste<br />

zum Thema Hämovigilanz zusam-<br />

men, welches im November 2005 in Dresden<br />

mit internationaler Beteiligung stattgefunden<br />

hat.<br />

Einen weitern Beitrag möchte ich mit besonderer<br />

persönlicher Freude ankündigen,<br />

da er unter der Federführung meines früheren<br />

klinischen Lehrers, Herrn Professor<br />

Hermann Heimpel, entstand, mit dem mich<br />

beinahe 15 Jahre klinische Hämatologie und<br />

Onkologie am Universitätsklinikum Ulm verbinden.<br />

Neben Professor Heimpel haben die<br />

Kollegen Dr. Britta Höchsmann und Dr.<br />

Markus Wiesneth aus dem Institut für klinische<br />

Transfusionsmedizin in Ulm die Therapie<br />

mit Erythrozytenkonzentraten bei<br />

chronischer Anämie in einem sehr praxisnahen,<br />

überaus lesenswerten Artikel zusammengefasst.<br />

Schließlich möchte ich auf die beiden Artikel<br />

von Rechtsanwalt Kleinherne und Dr.<br />

Fritzsch hinweisen, die das Bundesgerichtshof-Urteil<br />

zur ärztlichen Aufklärungspflicht<br />

bei der Verabreichung von Blutprodukten<br />

aus der Sicht des Juristen bzw. Kollegen am<br />

Krankenbett kommentieren: Dieser Richterspruch,<br />

wie in den Beiträgen im Detail erklärt,<br />

betrifft einen in das Jahr 1985 zurückreichenden,<br />

tragischen Fall einer HIV-Infektion.<br />

Der Spruch des Bundesgerichtshof hat<br />

aber durchaus aktuelle Relevanz für alle<br />

diejenigen, die täglich Blutprodukte am Patienten<br />

anwenden.<br />

Mit der Zusammenstellung dieses Heftes<br />

hoffen die Redaktion der hämotherapie, die<br />

Autoren der Beiträge und ich, wieder eine<br />

für Sie als Leserschaft interessante Mischung<br />

gefunden zu haben, welche den einen oder<br />

anderen gewinnbringenden Aspekt zu Ihrer<br />

täglichen Arbeit im Bereich der Hämotherapie<br />

beitragen kann.<br />

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen<br />

und Lesern eine spannende Lektüre<br />

und hoffe auf Ihre Rückmeldungen und<br />

Fragen, die wir gerne beantworten.<br />

Herzlichst,<br />

Ihr Professor Dr. med. Erhard Seifried<br />

❯❯❯<br />

‹ Prof. Dr. med. Erhard Seifried<br />

Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main,<br />

DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gGmbH<br />

Sandhofstraße 1, D-60528 Frankfurt, e.seifried@blutspende.de<br />

3<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

4<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Die neuen Richtlinien<br />

Dr. med. Detlev Nagl<br />

Institut für Transfusionsmedizin Augsburg<br />

Blutspendedienst des Bayerischen Roten<br />

Kreuzes<br />

Seit Jahren gehört Dr. Detlev Nagl zu<br />

den regelmäßigen Kommentatoren neuer<br />

Hämotherapie-Richtlinien in dieser Zeitschrift.<br />

Seine kritischen Anmerkungen sind<br />

getragen von den langjährigen Erfahrungen<br />

des Praktikers, der sowohl die Herstellungs-<br />

wie auch die Anwendungsseite der<br />

Richtlinien kennt. Im vorliegenden Kommentar<br />

behandelt der Autor den Teil der Richtlinien,<br />

der sich mit dem Qualitätsmanagement<br />

und der Qualitätssicherung<br />

beschäftigt.<br />

Since years Dr. Detlev Nagl is a<br />

commentator of new German guidelines<br />

for transfusion medicine in this journal.<br />

His critical notes are based on longtime<br />

experience in transfusion medicine both<br />

in the part of preparation of blood<br />

components and their application to<br />

patients. This time he commentates the<br />

chapter of the new guidelines which rules<br />

quality management and quality assurance<br />

in transfusion medicine.<br />

Weitere Anmerkungen zur Novelle 2005<br />

der Richtlinien zur Hämotherapie<br />

In der letzten Ausgabe unserer<br />

Zeitschrift habe ich zwei Ab-<br />

schnitte der aktualisierten „Richt-<br />

linien zur Gewinnung von Blut und<br />

Blutbestandteilen und zur Anwen-<br />

dung von Blutprodukten (Hämo-<br />

therapie) – Aufgestellt gemäß<br />

Transfusionsgesetz von der Bun-<br />

desärztekammer im Einverneh-<br />

men mit dem Paul-Ehrlich-Institut“<br />

rezensiert. Und zwar die Ausfüh-<br />

rungen zu den blutgruppensero-<br />

logischen Untersuchungen bei Pa-<br />

tienten und zur Anwendung von<br />

Blutprodukten.<br />

Am Ende meiner Betrachtungen<br />

habe ich angekündigt, dass ich<br />

mich im nächsten (also dem vor-<br />

liegenden) Heft mit dem Abschnitt<br />

„Qualitätsmanagement /Qualitäts-<br />

sicherung“ befassen werde, was<br />

ich hiermit tun will.<br />

Ich gebe zu, dass ich vor allem<br />

auf den überarbeiteten Abschnitt<br />

in den neuen Richtlinien zu diesem<br />

Thema QM und QS sehr gespannt<br />

war und eine Revision bestimmter<br />

Punkte, die ich in den Vorgänger-<br />

Richtlinien kritisiert hatte, erwartet<br />

hatte.<br />

Es wurden ja in der Erstellungs-<br />

phase der Richtlinien-Novelle im-<br />

mer wieder Entwurfsfassungen<br />

vorgelegt. Dass dabei wesentliche<br />

Teile des Abschnitts „Qualitäts-<br />

management /Qualitätssicherung“<br />

erst einmal zurückhaltend publi-<br />

ziert bzw. überhaupt nicht veröf-<br />

fentlicht wurden, deutete auf einen<br />

intensiven Diskussionsprozess in-<br />

nerhalb der Richtlinien-Kommissi-<br />

on und darauf hin, dass vielleicht<br />

ein Punkt in der Neufassung revi-<br />

diert würde.<br />

Es handelt sich um das aus mei-<br />

ner Sicht zumindest diskutierens-<br />

werte Konstrukt eines zusätzlich<br />

zu installierenden Qualitätsbeauf-<br />

tragten für die Hämotherapie.<br />

In der Ausgabe 1/2001 dieser<br />

(damals noch ausschließlich auf<br />

den Kunden- bzw. Interessenten-<br />

kreis des Blutspendedienstes des<br />

BRK beschränkten) Zeitschrift ha-<br />

be ich im Rahmen meiner Rezen-<br />

sion/Rezeption der damals neuen<br />

Richtlinien 2000 die neu einge-<br />

führte Funktion eines Qualitätsbe-<br />

auftragten, der – und das war aus<br />

meiner Sicht das Hauptproblem<br />

– nicht gleichzeitig Transfusi-<br />

onsverantwortlicher der Ein-


ichtung der Krankenversorgung<br />

sein darf, kritisiert. Ich zitiere mich<br />

selbst:<br />

„Ich habe mich nun seit einigen<br />

Jahren immer wieder sehr intensiv<br />

mit den Richtlinien auseinander-<br />

gesetzt. Der Begriff und die Funk-<br />

tion des transfusionsverantwortli-<br />

chen Arztes ist mir daher schon<br />

seit geraumer Zeit geläufi g und<br />

auch sein Aufgabenbereich –<br />

dachte ich zumindest bislang.<br />

Nach meinem Verständnis war die<br />

Qualitätssicherung im Bereich der<br />

Hämotherapie – sprich: die Vorga-<br />

be und schriftliche Fixierung aller<br />

Vorgänge und Abläufe bei der An-<br />

wendung von Blutprodukten sowie<br />

die Überwachung und Überprü-<br />

fung ihrer Einhaltung – die urei-<br />

genste Aufgabe des Transfusi-<br />

onsverantwortlichen.<br />

Und ich war froh, beobachten zu<br />

können, wie sukzessive eine Ein-<br />

richtung der Krankenversorgung<br />

nach der anderen im Versorgungs-<br />

bereich unseres Blutspendediens-<br />

tes die Vorgaben des Transfusi-<br />

onsgesetzes umsetzte, so dass<br />

zum Stichtag 7. 7. 2000 die Forde-<br />

rungen des § 15 TFG zur Qualitäts-<br />

sicherung umgesetzt waren und<br />

alle Einrichtungen einen transfu-<br />

sionsverantwortlichen Arzt prä-<br />

sentieren konnten.<br />

Die Installation der Transfusions-<br />

verantwortlichen lief nicht überall<br />

ohne Geburtswehen ab, nicht sel-<br />

ten musste (sanfter) Druck ausge-<br />

übt werden (wer drängt sich schon<br />

nach dieser Funktion?), aber letz-<br />

ten Endes konnte man nun befrie-<br />

digt in die Runde sehen und fest-<br />

stellen: Im Großen und Ganzen<br />

alles und überall erledigt. Typi-<br />

scher Fall von „denkste!“: Jetzt<br />

braucht man also noch zusätzlich<br />

einen Qualitätsbeauftragten für<br />

die Hämotherapie! Auf ein Neu-<br />

es!“<br />

Ich tröstete mich damals damit,<br />

dass ich mit meiner Fehleinschät-<br />

zung (Qualitätssicherung in der<br />

Hämotherapie ist Sache des Trans-<br />

fusionsverantwortlichen) nicht al-<br />

leine lag, sondern mein Missver-<br />

ständnis auch mit den unbestreit-<br />

bar kompetenten Kommentatoren<br />

des Transfusionsgesetzes, näm-<br />

lich von Auer und Seitz teilte, die<br />

u. a. ausführen (Kommentar zum<br />

TFG, Kohlhammer Verlag), dass<br />

der Transfusionsverantwortliche<br />

das Qualitätsmanagement über-<br />

nehme.<br />

Und immerhin sah ich mich mit<br />

dem doch nicht unwesentlichen<br />

Kretschmer (Marburg) auf einer<br />

Linie, der ebenfalls Skepsis zum<br />

Punkt „Qualitätsbeauftragter“ äu-<br />

ßerte, insbesondere aus folgen-<br />

dem Grund: „Durch die Tatsache,<br />

dass der Qualitätsbeauftragte<br />

nicht fachkompetent sein muss,<br />

besteht die Gefahr, dass er die<br />

transfusionsmedizinische Quali-<br />

tätssicherung nur formal und da-<br />

für umso bürokratischer oder un-<br />

genügend, in beiden Fällen aber<br />

fachlich inkompetent angeht.“<br />

Was die Fachkompetenz des<br />

Qualitätsbeauftragten betrifft, so<br />

versuchen die neuen Richtlinien<br />

jetzt allerdings mit entsprechen-<br />

den Qualifi zierungsvorgaben nach-<br />

zubessern (siehe später).<br />

Kurzum: Die neuen RiLi sind in<br />

Kraft (seit November 2005), der<br />

Qualitätsbeauftragte bleibt er-<br />

halten. Also schauen wir uns nach<br />

dieser Vorrede und Rückschau<br />

einfach das Kapitel „Qualitätsma-<br />

nagement/Qualitätssicherung“ an.<br />

Und zwar wieder vorrangig (wir<br />

sind ja auch und vor allem eine<br />

Kundenzeitschrift) die Abschnitte,<br />

die sich mit der Qualitätssiche-<br />

❯❯❯<br />

5<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

6<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

rung bei der Anwendung von<br />

Blutprodukten befassen.<br />

(Der übliche Hinweis: Neuerun-<br />

gen in der Novelle 2005 gegenü-<br />

ber den Richtlinien 2000 sind, falls<br />

sie nicht ohnehin im Text als sol-<br />

che vorgestellt werden, farblich<br />

hervorgehoben.)<br />

Transfusionsverantwortlicher<br />

Bei der auch durch das Transfusi-<br />

onsgesetz zwingend vorgeschrie-<br />

benen Funktion des Transfusions-<br />

verantwortlichen (TV) gibt es eine<br />

Änderung, die den Einrichtungen<br />

der Krankenversorgung das Le-<br />

ben erleichtert. Die Hürde für ei-<br />

nen Facharzt, der nicht Transfusi-<br />

onsmediziner ist bzw. nicht die<br />

Zusatzbezeichnung „Bluttransfusi-<br />

onswesen“ besitzt (und das trifft<br />

ja für die meisten Kliniken und<br />

Praxen zu), die Qualifi kation zum<br />

Transfusionsverantwortlichen zu<br />

erwerben, wurde jetzt von einer<br />

bislang geforderten 4-wöchigen<br />

Hospitation in einer zur Weiterbil-<br />

dung für Transfusionsmedizin be-<br />

fugten Einrichtung auf 2 Wochen<br />

reduziert.<br />

Wie bisher kann, falls die erforder-<br />

lichen Voraussetzungen für eine „in-<br />

terne“ Besetzung der Transfusions-<br />

verantwortlichkeit nicht vorliegen,<br />

„externer, entsprechend qualifi zier-<br />

ter Sachverstand“ herangezogen<br />

werden. Dann müssen aber die Zu-<br />

ständigkeit und Aufgaben vertrag-<br />

lich festgelegt und Interessenskon-<br />

fl ikte ausgeschlossen sein.<br />

Ansonsten bleibt es bei den bis-<br />

herigen Anforderungen:<br />

approbierter Arzt<br />

Qualifi kation und Kompetenz den<br />

Aufgaben entsprechend (s. o.)<br />

Transfusionsmedizinisch<br />

qualifi ziert (s. o.)<br />

Hämostaseologische<br />

Grundkenntnisse<br />

Auch an den Aufgaben des<br />

Transfusionsverantwortlichen än-<br />

dert sich nichts: Er hat die Einhal-<br />

tung von Gesetzen, Verordnungen,<br />

Richtlinien, Leitlinien und Empfeh-<br />

lungen der entsprechenden Ins-<br />

titutionen, Gesellschaften usw. si-<br />

cher zu stellen, sorgt für eine<br />

einheitliche Organisation der Hä-<br />

motherapie und die qualitätsgesi-<br />

cherte Bereitstellung der Blutpro-<br />

dukte und kümmert sich um die<br />

Fortentwicklung des QS-System.<br />

Alles qualitätssichernde Maßnah-<br />

men!<br />

Was die oben aufgeführten<br />

grundsätzlichen Qualifi kationen für<br />

den Transfusionsverantwortlichen<br />

betrifft, so räumen die Richtlinien<br />

Ausnahmen ein. Aber hier wird’s<br />

dann schon etwas unübersicht-<br />

lich:<br />

Wenn in einer Einrichtung nur<br />

Plasmaderivate angewendet wer-<br />

den, sind für die Qualifi kation<br />

als Transfusionsverantwortlicher<br />

nicht die sonst geforderten 16, son-<br />

dern nur 8 Stunden theoretische<br />

von einer Ärztekammer anerkann-<br />

te Fortbildung (Kursteil A) Voraus-<br />

setzung. Man darf also nach dem<br />

ersten Tag der im Regelfall 2-tägi-<br />

gen Fortbildung wieder nach Hau-<br />

se fahren (die Familie freut sich!).<br />

Und eine Hospitation kann auch<br />

entfallen.<br />

Das ist ja noch einigermaßen<br />

übersichtlich – aber jetzt!<br />

„Werden in einer Einrichtung<br />

nur Immunglobuline zur passiven<br />

Immunisierung (z. B. Tetanuspro-<br />

phylaxe, auch <strong>Rhesus</strong>prophylaxe)<br />

angewendet, genügt eine Qualifi -<br />

kation nach Abschnitt 1.4.3.6.“<br />

Wir befi nden uns an dieser Stelle<br />

in Abschnitt 1.4.3.1. und um zu wis-<br />

sen, woran wir sind, müssen wir<br />

jetzt also zu Abschnitt 1.4.3.6. wei-<br />

terblättern.<br />

Und das ist so ein Punkt, der an<br />

den neuen Richtlinien (noch viel<br />

mehr als bei den alten Richtlinien,<br />

wo dies auch schon, aber noch<br />

nicht so exzessiv, praktiziert wur-


de) ziemlich nervt (und vor allem<br />

im Kapitel Qualitätsmanagement/<br />

Qualitätssicherung): Diese dauern-<br />

den Quer- und Weiterverweise<br />

(und dazu noch immer wieder die<br />

Fußnoten). Ständig ist man am Vor-<br />

wärts- oder Zurückblättern, um<br />

überhaupt verstehen und nachvoll-<br />

ziehen zu können, was einem denn<br />

jetzt eigentlich vermittelt werden<br />

soll.<br />

Das meinte ich auch, als ich am<br />

Ende meines Beitrags in der letz-<br />

ten Ausgabe der hämotherapie<br />

schrieb, dass der Abschnitt „Qua-<br />

litätsmanagement/Qualitätssiche-<br />

rung“ „streckenweise sehr wun-<br />

derlich daherkommt und in-<br />

haltlicher wie formaler Kritik<br />

bedarf.“<br />

Man hat den Eindruck, als wollten<br />

die Richtlinien mit jeder weiteren<br />

Novellierung noch mehr in ihrer<br />

Prosa den juristischen Kommentar<br />

gleich vorwegnehmen oder gar<br />

übertrumpfen. Eigentlich sollten<br />

sie aber eine Handreichung für<br />

den Arzt in seiner täglichen Tätig-<br />

keit sein, der mitunter auch unter<br />

Zeitdruck Rat, Anleitung oder Ori-<br />

entierung in ihnen sucht.<br />

Aber was steht denn nun in Ab-<br />

schnitt 1.4.3.6.?<br />

1.4.3.6. defi niert die Anforderun-<br />

gen an den transfundierenden<br />

Arzt: Dieser sollte die für hämo-<br />

therapeutische Maßnahmen „er-<br />

forderlichen Kenntnisse und aus-<br />

reichende Erfahrung besitzen. Die<br />

Indikationsstellung ist integraler<br />

Bestandteil des jeweiligen Behand-<br />

lungsplans (kein neuer Satz, aber<br />

seit jeher faszinierend kryptisch!)<br />

Die Leitlinien der Bundesärztekam-<br />

mer zur Therapie mit Blutkompo-<br />

nenten und Plasmaderivaten in der<br />

jeweils gültigen Fassung sind zu<br />

beachten.“<br />

Wir halten also fest: die aus-<br />

schließliche Anwendung von Im-<br />

munglobulinen zur passiven Im-<br />

munisierung als einzige hämothe-<br />

rapeutische Maßnahme in einer<br />

Einrichtung der Krankenversor-<br />

gung (= wahrscheinlich sehr kleine<br />

Arztpraxis) setzt voraus<br />

erforderliche Kenntnisse<br />

ausreichende Erfahrung<br />

Indikationsstellung (als<br />

„integraler Bestandteil des<br />

Behandlungsplans“)<br />

Beachtung der Leitlinien der<br />

BÄK<br />

Weitere Ausnahmen bei der Qua-<br />

lifi kation zum Transfusionsverant-<br />

wortlichen: es reicht aus, Facharzt<br />

zu sein und den 16-Stunden-Kurs<br />

(Teil A und B; von einer Ärztekam-<br />

mer anerkannt) absolviert zu ha-<br />

ben, wenn man „unter den in Ab-<br />

schnitt 1.6.2.1. beschriebenen be-<br />

sonderen Bedingungen“ tätig ist.<br />

Aber dieser Abschnitt 1.6.2.1. ist<br />

nun wirklich ein Kapitel für sich,<br />

das ich mir für nachher aufspare.<br />

Transfusionsbeauftragter<br />

Zu Funktion und Qualifi kation<br />

des (ja ebenfalls per TFG vorge-<br />

schriebenen)Transfusionsbeauf- tragten (TB) gibt es nichts bzw.<br />

wenig Neues zu berichten:<br />

Qualifi ziert für diesen Job ist ein<br />

Facharzt für Transfusionsmedizin<br />

bzw. ein Facharzt mit der be-<br />

reits genannten Zusatzbezeich-<br />

❯❯❯<br />

7<br />

Ausgabe 7<br />

2006


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8<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

nung „Bluttransfusionswesen“ bzw.<br />

ein Facharzt (jedweder Couleur),<br />

der den 16-Stunden-Kurs der Ärz-<br />

tekammer absolviert hat. Wenn<br />

nur Plasmaderivate oder nur Im-<br />

munglobuline (s. o.) in der Einrich-<br />

tung angewendet werden, gelten<br />

die gleichen Qualifi kationen wie<br />

die vorhin für den Transfusions-<br />

verantwortlichen genannten.<br />

Ein Transfusionsbeauftragter ist<br />

für jede Behandlungseinheit (in<br />

der Klinik = <strong>Abteilung</strong>) zu bestel-<br />

len, der<br />

in der Krankenversorgung<br />

tätig sein<br />

transfusionsmedizinisch<br />

qualifi ziert sein<br />

eine entsprechende Erfahrung<br />

haben und<br />

über hämostaseologische<br />

Grundkenntnisse verfügen<br />

muss.<br />

Er<br />

stellt die Durchführung der<br />

vom Transfusionsverantwort-<br />

lichen bzw. der Transfusions-<br />

kommission festgelegten<br />

Maßnahmen in der <strong>Abteilung</strong><br />

sicher<br />

berät bzgl. Indikation, QS,<br />

Organisation, Dokumentation<br />

sorgt für den ordnungsgemä-<br />

ßen Umgang mit Blutprodukten<br />

in seinem Bereich<br />

regelt die Unterrichtung nach<br />

§ 16 TFG (beim Verdacht der<br />

Nebenwirkung eines Blutproduk-<br />

tes ist ja unverzüglich der phar-<br />

mazeutische Unternehmer (z. B.<br />

der liefernde Blutspendedienst)<br />

und im Falle eines Verdachts<br />

einer schwerwiegenden Ne-<br />

benwirkung zusätzlich die zu-<br />

ständige Bundesoberbehörde<br />

[Paul-Ehrlich-Institut/„PEI“] zu<br />

unterrichten)<br />

und beteiligt sich an Rückver-<br />

folgungsverfahren nach § 19<br />

TFG („look back“)<br />

Transfusionskommission<br />

Die Transfusionskommission, die<br />

nach TFG für Krankenhäuser der<br />

Akutversorgung bzw. mit einer<br />

Blutspendeeinrichtung oder einem<br />

transfusionsmedizinischem Insti-<br />

tut (bzw. einer transfusionsmedi-<br />

zinischen <strong>Abteilung</strong>) gefordert<br />

ist, setzt sich zusammen aus dem<br />

TV (der die Kommission üblicher-<br />

weise leitet), den TB, dem Klinik-<br />

apotheker (falls vorhanden), ei-<br />

nem Vertreter der Pfl egeleitung,<br />

der/dem leitenden MTA sowie ei-<br />

nem Vertreter der Krankenhaus-<br />

leitung. Sie hat folgende Aufga-<br />

ben:<br />

Erarbeitung von Vorgaben, um<br />

die Einhaltung und Durchfüh-<br />

rung von Gesetzen, Verordnun-<br />

gen, Richtlinien, Leitlinien und<br />

Empfehlungen für die Quali-<br />

tätssicherung sicher zu stellen<br />

Beratung der Klinikleitung bei<br />

der Etablierung und Fortent-<br />

wicklung der QS<br />

Erarbeitung von Dienstanwei-<br />

sungen bezüglich der QS<br />

Regelung des organisatorischen<br />

Umgangs mit Blut und Blutpro-<br />

dukten<br />

Erstellung von einrichtungs-<br />

und fachspezifi schen Regelun-<br />

gen zur Anwendung von Blut<br />

und Blutprodukten „auf dem<br />

Boden“ der Leitlinien und Richt<br />

linien der BÄK<br />

Erstellung von Verbrauchs-<br />

statistiken (sehr nützlich!)<br />

Fortbildung von Ärzten, MTA,<br />

Krankenschwestern und<br />

-pfl egern in der Hämotherapie


Arbeitskreis für Hämotherapie:<br />

Die Richtlinien konstatieren auch<br />

diesmal wieder recht zurückhal-<br />

tend, dass „regionale Arbeitskreise<br />

für Hämotherapie eingerichtet wer-<br />

den können, die der regionalen<br />

Zusammenarbeit und dem regel-<br />

mäßigen Informationsaustausch auf<br />

dem Gebiet der Transfusionsmedi-<br />

zin dienen“. Wie bereits in meiner<br />

letzten Richtlinienrezension kann<br />

ich hierzu nur betonen, dass<br />

solche Arbeitskreise, bei denen<br />

sich die Tranfusionsverantwortli-<br />

chen aus den Krankenhäusern<br />

einer Region (möglichst regelmä-<br />

ßig [tempus fugit!]) unter Leitung<br />

und Federführung des zuständigen<br />

Blutspendedienstes treffen, eine<br />

überaus sinnvolle und nützliche<br />

Einrichtung darstellen.<br />

Leitung eines immunhämatologischen<br />

Laboratoriums und/<br />

oder Blutdepots:<br />

Hier muss der verantwortliche<br />

Arzt folgende Qualifi kationen oder<br />

Voraussetzungen haben:<br />

Entweder Facharzt für<br />

Transfusionsmedizin bzw. La-<br />

bormedizin<br />

oder Facharzt mit der Zusatz-<br />

bezeichnung„Bluttransfusions- wesen“<br />

oder (sicher der häufi gste Fall)<br />

Facharzt mit sechsmonatiger<br />

Tätigkeit (früher: Fortbildung)<br />

in einer Einrichtung mit Weiter-<br />

bildungsbefugnis für Transfu-<br />

sionsmedizin.<br />

Falls immunhämatologische Un-<br />

tersuchungen (wieder eine der so<br />

beliebten Fußnoten) „insgesamt<br />

oder teilweise in einem Labor<br />

durchgeführt werden, das durch ei-<br />

nen Naturwissenschaftler geleitet<br />

wird, ist nach § 13 Abs. 1 Satz<br />

3 TFG die Einbeziehung ärztlichen<br />

Sachverstands sicherzustellen. Die-<br />

se Funktion...muss durch eine ärztli-<br />

che Person durchgeführt werden,<br />

die entsprechend 1.4.3.3 a), b), c),<br />

oder d) qualifi ziert ist. Abschnitt<br />

4.2.1 ist zu beachten.“<br />

Der Kenner weiß sofort, was ge-<br />

meint ist: man braucht also zusätz-<br />

lich/unterstützend/wie auch im-<br />

mer (intern vorhanden oder extern<br />

angeheuert) einen Arzt mit den<br />

oben genannten Qualifi kationen.<br />

Für die Leitung eines Blutdepots<br />

ohne Anbindung an ein immunhä-<br />

matologisches Labor genügt eine<br />

16-stündige von einer Ärztekam-<br />

mer anerkannte Fortbildung und<br />

eine vierwöchige Hospitation in ei-<br />

ner zur Weiterbildung für Transfu-<br />

sionsmedizin zugelassenen Ein-<br />

richtung. Ein – Achtung Fußnote!–<br />

„Fachwissenschaftler in der Medizin“<br />

(Berufsbezeichnung in der ehemali-<br />

gen DDR) kann die Leitung eines Blut-<br />

depots übernehmen, falls er über ei-<br />

ne äquivalente Qualifi kation nach den<br />

Buchstaben a), b) oder c) (= Trans-<br />

fusionsmediziner, Labormediziner<br />

oder Zusatzbezeichnung „Blut-<br />

transfusionswesen“) verfügt.<br />

In Ausnahmefällen kann exter-<br />

ner Sachverstand, d. h. die Mithilfe<br />

eines Facharztes für Transfusions-<br />

medizin oder eines Facharztes mit<br />

der Zusatzbezeichnung „Bluttrans-<br />

fusionswesen“, herangezogen wer-<br />

den. Dann müssen aber die Zu-<br />

ständigkeiten und Aufgaben des<br />

externen Experten vertraglich<br />

festgelegt sein.<br />

Übergangsvorschriften:<br />

Transfusionsverantwortlicher, Trans-<br />

fusionsbeauftragter sowie Leiter des<br />

immunhämatologischen Labors und/<br />

oder Blutdepots kann weiterhin<br />

bleiben, wer entweder<br />

zum 7. Juli 1998 (da trat das<br />

Transfusionsgesetz in Kraft)<br />

eine entsprechende Tätigkeit<br />

auf der Grundlage der Richt-<br />

linien von 1996 ausübte (die<br />

Anforderungen für den Trans-<br />

fusionsverantwortlichen und<br />

Transfusionsbeauftragten waren<br />

damals noch nicht spezifi ziert,<br />

die 16-stündige Fortbildung in<br />

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einem Ärztekammerkurs exis-<br />

tierte noch nicht und war des-<br />

wegen auch nicht gefordert –<br />

wer es genauer wissen will,<br />

kann in der Ausgabe 1/2001 der<br />

hämotherapie nachlesen) oder<br />

wer auf Grundlage der Über-<br />

gangsvorschriften der bisheri-<br />

gen Richtlinien (2000) eine<br />

entsprechende Funktion aus-<br />

übte („Stichdatum“ für die Lei-<br />

tung des blutgruppenserologi-<br />

schen Labors/Blutdepots<br />

damals der 31.12.1993 – eben-<br />

falls in hämotherapie 1/2001<br />

nachzulesen!).<br />

Wie weist man nach, dass man<br />

unter die Übergangsvorschriften<br />

fällt? Die Richtlinien sagen es uns:<br />

„Bei Einrichtungen der Kranken-<br />

versorgung mit mindestens einer<br />

Behandlungseinheit, aber mehreren<br />

tätigen Ärzten, wird diese Tätigkeit<br />

in der Regel durch eine schriftliche<br />

Bestellung durch die Einrichtung<br />

(z. B. Klinikdirektion) nachgewiesen<br />

werden können.<br />

Bei Einrichtungen mit nur einem<br />

Arzt (z. B. Arztpraxis) hat der Arzt<br />

auch ohne notwendige Bestellung<br />

die Funktion des Transfusionsver-<br />

antwortlichen. Der Nachweis zur<br />

Benennung als Voraussetzung zur In-<br />

anspruchnahme der Übergangsre-<br />

gelung entfällt.“ Wer also alleine<br />

eine Arztpraxis führt, muss sich<br />

(derzeit noch) nicht selbst einen<br />

Brief schreiben und darin die Trans-<br />

fusionsverantwortlichkeitübertra- gen.<br />

Qualitätsmanagementhandbuch<br />

Zur Beschreibung und Dokumen-<br />

tation des funktionierenden QM-<br />

Systems ist ein den Aufgaben<br />

entsprechendes QM-Handbuch zu<br />

erstellen, das sowohl für klinische<br />

als auch transfusionsmedizinische<br />

und Einrichtungen der ambulan-<br />

ten Versorgung Qualitätsmerk-<br />

male und Qualitätssicherungs-<br />

maßnahmen zusammenfasst.<br />

Das QM-Handbuch muss für<br />

alle Mitarbeiter in dem für ihre<br />

Arbeit relevanten Umfang zu-<br />

gänglich sein. Die dort festge-<br />

legten Arbeitsanweisungen bzw.<br />

Dienstanweisungen sind als Stan-<br />

dard verbindlich, müssen freilich<br />

neuen Erfordernissen, Entwicklun-<br />

gen und Änderungen angepasst<br />

werden.<br />

Die Funktionsfähigkeit des QM-<br />

Handbuchs ist durch regelmäßi-<br />

gen Soll-/Ist-Abgleich im Rahmen<br />

von Selbstinspektionen (internen<br />

Audits) sicher zu stellen, für die<br />

ein entsprechendes „Programm“<br />

schriftlich festzulegen ist.<br />

Wir kommen nun zum Abschnitt:<br />

Überwachung des QS-Systems<br />

der Anwendung von Blutprodukten,<br />

(und hier erwartet uns<br />

zum Teil wirklich ganz großes<br />

Tennis!)<br />

Der Abschnitt beginnt freilich<br />

sehr positiv: Die Richtlinien halten<br />

fest, dass die Überwachung des<br />

QS-Systems der Anwendung von<br />

Blutprodukten der Ärzteschaft ob-<br />

liegt. (Möge es so bleiben!)


Die dann folgenden Ausführun-<br />

gen der Richtlinien (Seite 9) sind<br />

ein Beispiel für Redundanz. Ich<br />

fasse daher zusammen:<br />

Bei ausschließlicher Anwendung<br />

von Fibrinkleber und/oder Plas-<br />

maderivaten, die nicht zur Be-<br />

handlung von Hämostasestörun-<br />

gen eingesetzt werden, ist eine<br />

Überwachung des QS-Systems<br />

der Einrichtung nicht erforder-<br />

lich.<br />

Bei Einrichtungen, die Blut-<br />

komponenten und/oder Plas-<br />

maderivate für die Behandlung<br />

von Hämostasestörungen an-<br />

wenden, allerdings schon. Deren<br />

Träger haben im Benehmen mit<br />

der zuständigen Ärztekammer ei-<br />

nen Qualitätsbeauftragten (QB)<br />

zu benennen, der qualifi ziert (sie-<br />

he später) und weisungsunabhän-<br />

gig ist.<br />

Der Qualitätsbeauftragte (das wer-<br />

de ich jetzt nicht mehr kommen-<br />

tieren) darf nicht gleichzeitig<br />

Transfusionsverantwortlicher oder<br />

Transfusionsbeauftragter der Ein-<br />

richtung sein. Er hat das QS-Sys-<br />

tem der Einrichtung im Bereich<br />

der Hämotherapie zu überprüfen,<br />

wofür jetzt in den Anhang der neu-<br />

en Richtlinien ein fast zweiseiti-<br />

ger Aufgabenkatalog aufgenom-<br />

men wurde. Übrigens mit der<br />

Vorbemerkung, dass das Ziel die-<br />

se Kataloges „die Implementierung<br />

eines gelebten PDCA-Zyklus auch<br />

hinsichtlich der Umsetzung der<br />

Richtlinien zur Hämotherapie“ sei.<br />

Die ganz wenigen, die nicht wis-<br />

sen, was ein PDCA-Zyklus ist, fi n-<br />

den die Erklärung im Glossar der<br />

Richtlinien auf Seite 80: Gemeint<br />

ist damit ein „grundlegendes Kon-<br />

zept der ständigen Qualitätsver-<br />

besserung, wonach jeder Vorgang<br />

als ein schrittweise immer weiter<br />

zu verbessernder Prozess be-<br />

trachtet werden kann. Das Vorge-<br />

hen ist dabei in die Teilschritte<br />

Planen (engl.: plan), Ausführen<br />

(do), Überprüfen (check) und Ver-<br />

bessern (act) unterteilt.“ Ergibt:<br />

PDCA. Es ist doch immer wieder<br />

schön, wenn man Selbstverständ-<br />

lichkeiten, um nicht zu sagen: Tri-<br />

vialitäten, mit mehr oder weniger<br />

griffi gen Namensgebungen auf-<br />

blasen kann.<br />

Aufgaben des Qualitätsbeauftragten<br />

Er soll/muss überprüfen<br />

ob ein Transfusionsveranwort-<br />

licher, Transfusionsbeauftragte<br />

und erforderlichenfalls ein<br />

Leiter des Blutdepots bzw. im-<br />

munhämatologischen Labors<br />

bestellt wurden und diese die<br />

erforderliche Qualifi kation<br />

besitzen<br />

ob eine Transfusionskommis-<br />

sion gebildet wurde<br />

ob eine schriftliche Arbeits-<br />

bzw. Dienstanweisung („SOP“)<br />

zur Vermeidung von Verwechs-<br />

lungen und Fehltransfusionen<br />

existiert (und hat „einen Bericht<br />

anzufertigen über die Ausgestal-<br />

tung eines Systems zur Aufarbei-<br />

tung entsprechender Ereignisse“<br />

[solchen Formulierungen bzw.<br />

ihren Verfassern kann man<br />

eigentlich nur applaudieren])<br />

ob für den Bereich des blut-<br />

gruppenserologischen Labors<br />

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und/oder Blutdepots schriftliche<br />

Arbeitsanweisungen vorliegen<br />

und ob diese umgesetzt werden<br />

(die Inhalte der Arbeitsanwei-<br />

sungen – so der Originaltext –<br />

und deren Umsetzung müssen<br />

nicht im Detail überprüft wer-<br />

den, hierfür ist der Leiter des<br />

blutgruppenserologischen<br />

Labors verantwortlich<br />

(der Qualitätsbeauftragte kennt<br />

sich in der Regel da eh nicht<br />

aus))<br />

ob SOP den entsprechenden<br />

Mitarbeitern in dem für ihre<br />

Arbeit relevanten Umfang vor-<br />

liegen und jeweils auf dem ein-<br />

richtungsinternen aktuellen<br />

Stand sind<br />

ob die „Richtlinien zur Hämo-<br />

therapie“ und die „Leitlinien zur<br />

Therapie mit Blutkomponenten<br />

und Plasmaderivaten“ den Mit-<br />

arbeitern zugänglich sind<br />

ob eine Statistik zum Verbrauch<br />

von Blutprodukten vorliegt<br />

ob Bedarfslisten bezogen auf<br />

„Standardoperationen/Stan-<br />

dardprozeduren“ geführt<br />

werden<br />

ob die jährliche Meldung an<br />

das PEI über den Verbrauch von<br />

Blutprodukten erfolgt ist<br />

ob vom Träger der Einrichtung<br />

für die Hämotherapie ein Sys-<br />

tem zur Einweisung neuer Mit-<br />

arbeiter etabliert wurde<br />

ob eine Liste existiert, „in der<br />

Verbesserungspotentiale zur<br />

Strukturqualität zusammenge-<br />

fasst sind“ [nochmals Applaus!]<br />

ob die Anwendung von Blutpro-<br />

dukten neben der chargenbe-<br />

zogenen Dokumentation auch<br />

patientenbezogen dokumentiert<br />

wird<br />

Außerdem führt er gemeinsam<br />

mit dem TV Begehungen durch<br />

und bespricht anschließend mit<br />

ihm das Ergebnis<br />

Zudem ist er Ansprechpartner<br />

bei externen Audits (falls diese<br />

durchgeführt werden)<br />

Wie wir es schon vom Transfusi-<br />

onsverantwortlichen und dem Lei-<br />

ter des blutgruppenserologischen<br />

Labors bzw. Blutdepot kennen,<br />

kann man auch einen externen<br />

Qualitätsbeauftragten engagieren,<br />

der freilich auch Arzt und entspre-<br />

chend qualifi ziert sein muss. Auch<br />

hier müssen die Zuständigkeit<br />

und Aufgaben vertraglich festge-<br />

legt und Interessenskonfl ikte aus-<br />

geschlossen sein.<br />

Noch eine wesentliche Aufgabe<br />

des Qualitätsbeauftragten: Jährlich<br />

(bis zum 1. März) hat er einen Be-<br />

richt über die Ergebnisse seiner<br />

Überprüfungen (s. o.) für das je-<br />

weils vorausgegangene Jahr zeit-<br />

gleich (!) an die zuständige Ärz-<br />

tekammer und den Träger der<br />

Einrichtung zu senden.<br />

Nun ist es allerdings nicht so,<br />

dass alle Einrichtungen der Kran-<br />

kenversorgung einen Qualitäts-<br />

beauftragten benennen müssen.<br />

Man darf darauf verzichten, wenn<br />

die folgenden Bedingungen erfüllt<br />

sind:<br />

Es werden jährlich weniger als<br />

50 Erythrozytenkonzentrate<br />

transfundiert<br />

Die Anwendung von Erythro-<br />

zytenkonzentraten erfolgt aus-<br />

schließlich durch den ärztlichen<br />

Leiter der Einrichtung<br />

Andere Blutkomponenten (oder<br />

Plasmaderivate zur Behandlung<br />

von Hämostasestörungen)<br />

werden nicht angewendet<br />

Es werden regelmäßig nur<br />

einem Patienten zum selben<br />

Zeitpunkt (!) Erythrozytenkon<br />

zentrate transfundiert<br />

Sämtliche Prozess-Schritte (??)<br />

der Erythrozytentransfusion<br />

fi nden in der Verantwortung des<br />

ärztlichen Leiters der Einrich-<br />

tung statt


Hier steckt der sprichwörtliche<br />

Teufel im ebenso sprichwörtlichen<br />

Detail. Und ich gebe zu, dass auch<br />

ich beim ersten Studium der neuen<br />

Richtlinien den „Knackpunkt“ fast<br />

übersehen hätte: Um auf die Instal-<br />

lation eines QB verzichten zu<br />

können, müssen nämlich alle<br />

diese Voraussetzungen erfüllt<br />

sein. Oder andersrum (falls ich es<br />

nicht falsch verstanden habe):<br />

wenn nur eine Voraussetzung nicht<br />

zutrifft, braucht man einen QB.<br />

Also: 49 EK pro Jahr ➔ kein QB<br />

erforderlich; 50 EK ➔ QB nötig!<br />

Oder: 1 Patient liegt alleine in der<br />

Praxis oder Ambulanz und erhält<br />

eine EK-Transfusion ➔ kein QB er-<br />

forderlich; ein 2. Patient gesellt<br />

sich dazu ➔ QB nötig!<br />

Es ist nun allerdings nicht so,<br />

dass der ärztliche Leiter einer Ein-<br />

richtung, der aufgrund der gerade<br />

angeführten Kriterien keinen QB<br />

benötigt (also z. B. nicht mehr als<br />

49 EK-Transfusionen pro Jahr oder<br />

immer nur 1 Transfusionspatient<br />

in der Praxis) aller Pfl ichten ledig<br />

ist. Auch er hat zur Überwachung<br />

des Qualitätssicherung jährlich<br />

bis zum 1. März folgende Doku-<br />

mente an die zuständige Ärzte-<br />

kammer zu senden:<br />

Einen Nachweis, dass er als<br />

Facharzt an der von der Ärzte-<br />

kammer anerkannten theoreti-<br />

schen Fortbildung (16 Stunden,<br />

Kursteil A und B) teilgenommen<br />

hat<br />

Eine von ihm selbst unter-<br />

zeichnete Arbeitsanweisung zur<br />

Transfusion eines Erythrozyten-<br />

konzentrats, mit der Selbstver-<br />

pfl ichtung, diese als Standard<br />

zu beachten (im Falle einer Ein-<br />

zelpraxis heißt das, dass man<br />

für sich selbst eine Arbeitsan-<br />

weisung schreibt, diese unter-<br />

schreibt und dann noch eine<br />

Erklärung formuliert und unter-<br />

schreibt, dass man sich auch an<br />

seine eigene Arbeitsanweisung<br />

hält.)<br />

Einen Nachweis der Meldung<br />

des Verbrauchs von Blutproduk-<br />

ten (und Plasmaproteinen zur<br />

Behandlung von Hämostasestö-<br />

rungen) an das PEI für das vor-<br />

angegangene Kalenderjahr<br />

Qualifi kation des QB<br />

Erste Voraussetzung für die Tä-<br />

tigkeit als Qualitätsbeauftragter ist<br />

die Approbation als Arzt und eine<br />

mindestens dreijährige ärztliche<br />

Tätigkeit.<br />

Außerdem muss der QB<br />

entweder die Voraussetzung für<br />

die Zusatzbezeichnung „Ärzt-<br />

liches Qualitätsmanagement“<br />

erfüllen (Kurs der Bundesärzte-<br />

kammer – sehr aufwändig!)<br />

oder eine 40 Stunden um-<br />

fassende theoretische, von einer<br />

Ärztekammer anerkannte Fort-<br />

bildung „Qualitätsbeauftragter<br />

Hämotherapie“ absolvieren.<br />

Letzteres ist sicher die sinnvol-<br />

lere – weil eben auf das eigentli-<br />

che Gebiet „Hämotherapie“ aus-<br />

gerichtete – Variante. Allerdings<br />

ist zu konstatieren, dass noch nicht<br />

alle Landesärztekammern diesen<br />

Kurs anbieten (können). Aber man<br />

arbeitet daran – und wir haben ja<br />

auch noch etwas Zeit:<br />

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Wer nämlich zum Zeitpunkt des<br />

In-Kraft-Tretens der neuen Richtli-<br />

nien bereits als QB tätig ist, darf<br />

dies weiter ausüben unter der Be-<br />

dingung, dass er einen der o. g.<br />

Kurse innerhalb von 2 Jahren<br />

nach In-Kraft-Treten der Richt-<br />

linien erfolgreich belegt. Die neu-<br />

en Richtlinien sind im November<br />

2005 in Kraft getreten, d. h. man<br />

hat also bis November 2007 Zeit,<br />

sich für diesen Posten nachträglich<br />

zu qualifi zieren. Die Kollegen, de-<br />

nen dieser Job jetzt neu angetra-<br />

gen wird, müssen den Kurs natür-<br />

lich von vornherein machen.<br />

Aufgaben der Ärztekammern<br />

Die zuständige Landesärztekam-<br />

mer unterstützt den QB bei seinen<br />

Aufgaben und kann die Durchfüh-<br />

rung externer Audits anbieten –<br />

also eine (kollegiale) Offerte, die<br />

man in Anspruch nehmen kann<br />

oder auch nicht.<br />

Wenn der Ärztekammer Mängel<br />

bei der Hämotherapie in einer Ein-<br />

richtung bekannt werden, wirkt<br />

sie gegenüber dem Träger der<br />

Einrichtung auf die Beseitigung<br />

dieser Mängel hin. In einer Proto-<br />

kollnotiz (Fußnote!) wird uns in<br />

deutscher Gründlichkeit erklärt,<br />

was „hinwirken“ in diesem Falle<br />

heißt:<br />

Die Richtliniengeber verstehen<br />

darunter folgende Informations-<br />

pfl ichten zwischen Trägereinrich-<br />

tungen und Ärztekammern:<br />

1. Werden der Ärztekammer<br />

Mängel bei der Anwendung von<br />

Blutkomponenten und/oder<br />

Plasmaderivaten zur Behand-<br />

lung von Hämostasestörungen<br />

bekannt, unterrichtet sie den<br />

Träger der Einrichtung und<br />

den QB über diese Mängel.<br />

2. Die Ärztekammer lässt sich<br />

durch den Träger darüber<br />

unterrichten, wie diese Mängel<br />

behoben werden und<br />

3. die Ärztekammer lässt sich die<br />

Mängelbeseitigung bestätigen.<br />

Meldewesen<br />

Abschließend wird noch auf die<br />

Mitteilungs- und Meldepfl ichten<br />

nach §§ 16, 21 und 22 TFG (sowie<br />

§ 63b AMG) hingewiesen. Da der<br />

Text des Transfusionsgesetzes als<br />

Kapitel 6 in die Richtlinien aufge-<br />

nommen wurde, lässt sich leicht<br />

und schnell nachschlagen, was<br />

hier im Detail dahinter steckt: § 16<br />

TFG s. u.; § 21 TFG behandelt das<br />

koordinierte Meldewesen; § 22<br />

TFG: Epidemiologische Daten;<br />

§ 63b AMG: Dokumentations- und<br />

Meldepfl ichten.<br />

Einzelheiten für die Umsetzung<br />

dieser Pfl ichten in der Einrichtung<br />

sind in einer Dienstanweisung zu<br />

regeln.<br />

Das Kapitel 1 der neuen Richt-<br />

linien „QM/QS“ endet mit einer<br />

Tabelle, in der die Unterrichtungs-<br />

pfl ichten nach § 16 TFG übersicht-<br />

lich aufgeführt sind:<br />

Unterrichtungspfl ichten nach § 16 TFG<br />

Ereignis Zu melden an:<br />

Unerwünschte Ereignisse einrichtungsintern<br />

(auch Fehltransfusionen)<br />

Nebenwirkungen Pharmazeutischer Unternehmer<br />

Arzneimittelkommission der<br />

Deutschen Ärzteschaft<br />

Schwerwiegende Nebenwirkung Pharmazeutischer Unternehmer<br />

Arzneimittelkommission der<br />

Deutschen Ärzteschaft<br />

PEI


<strong>Rhesus</strong> D-Diagnostik in der Schwangerschaft<br />

Prof. Dr. med. Axel <strong>Seltsam</strong><br />

Institut für Transfusionsmedizin,<br />

Medizinische Hochschule Hannover<br />

Prof. Dr. med. Tobias J. <strong>Legler</strong><br />

<strong>Abteilung</strong> Transfusionsmedizin,<br />

Georg-August-Universität – Bereich<br />

Humanmedizin, Göttingen<br />

Dr. rer. nat. Eduard K. <strong>Petershofen</strong><br />

Molekulare Diagnostik,<br />

Institut Bremen-Oldenburg,<br />

DRK-Blutspendedienst NSTOB<br />

Auch nach Einführung der generellen<br />

Anti-D-Prophylaxe stellt der durch Anti-D-<br />

Antikörper bedingte Morbus haemolyticus<br />

neonatorum den Prototyp einer durch<br />

mütterliche blutgruppenspezifi sche Alloantikörper<br />

verursachten fetomaternalen<br />

Inkompatibilität dar. Moderne molekulargenetische<br />

Methoden zur Bestimmung der<br />

<strong>Rhesus</strong> D (RhD)-Blutgruppe bieten neue<br />

Möglichkeiten in der pränatalen Diagnostik<br />

und der Schwangerschaftsvorsorge. So ist<br />

es mit der Bestimmung des fötalen RhD-<br />

Status aus der mütterlichen Blutprobe<br />

möglich geworden, bei RhD-heterozygoten<br />

Vätern die nicht gefährdeten Kinder zu<br />

identifi zieren und eine invasive Diagnostik<br />

zu vermeiden. Der frühzeitige Nachweis<br />

des kindlichen RhD-Merkmals in der<br />

Schwangerschaft eröffnet zudem die Perspektive<br />

eines zielgerichteten Einsatzes<br />

der präpartalen Anti-D-Prophylaxe. Mit<br />

Hilfe der paternalen RHD-Zygotiebestimmungen<br />

lässt sich bei Anti-D-immunisierten<br />

Frauen mit Kinderwunsch das Risiko<br />

des Auftretens einer RhD-Inkompatibilität<br />

abschätzen.<br />

In spite of anti-D immunoprophylaxis,<br />

hemolytic disease of the fetus and<br />

newborn attributed to D alloimmunization<br />

occurs. The use of molecular genetic<br />

technology for blood group typing has<br />

opened new possibilities for RhD typing in<br />

prenatal diagnostics and pregnancy<br />

precaution. Fetal DNA in maternal plasma<br />

can be used for non-invasive determination<br />

of the RhD status of fetuses carried by<br />

RhD-negative pregnant women. Moreover,<br />

the availability of non-invasive diagnostic<br />

assays for prenatal RHD typing makes it<br />

possible to restrict antenatal prophylaxis<br />

to only those women at risk for immunization.<br />

Finally, paternal RHD zygosity testing<br />

offers the opportunity to assess the risk of<br />

RhD incompatibility in D alloimmunized<br />

women.<br />

Morbus haemolyticus<br />

neonatorum durch<br />

<strong>Rhesus</strong>inkompatibilität<br />

Pathophysiologie und<br />

Klinik<br />

Der Morbus haemolyticus<br />

neonatorum (MHN) durch Anti-<br />

D-Antikörper ist eine schwere<br />

hämolytische Anämie des Föten<br />

bzw. des Neugeborenen mit Ery-<br />

throblastose infolge gesteigerter<br />

Erythrozytendegeneration durch<br />

diaplazentaren Übertritt materna-<br />

ler Blutgruppenantikörper gegen<br />

kindliche Blutgruppeneigenschaf-<br />

ten bei einer <strong>Rhesus</strong> D (RhD)-in-<br />

kompatiblen Schwangerschaft (1).<br />

Obgleich seit Einführung der An-<br />

ti-D-Prophylaxe Ende der 60er<br />

Jahre der Anti-D-bedingte MHN<br />

sehr stark an epidemiologischer<br />

Bedeutung verloren hat und heute<br />

ein MHN bei AB0-Inkompatibilität<br />

am häufi gsten vorkommt, besitzt<br />

der durch Anti-D induzierte MHN<br />

klinisch nach wie vor die größte<br />

Bedeutung. <strong>Rhesus</strong>antikörper<br />

anderer Spezifi täten (z. B. Anti-c)<br />

oder Antikörper gegen andere<br />

Blutgruppenmerkmale (z. B. Anti-<br />

K) sind hingegen weniger häufi g<br />

in einen MHN involviert (1).<br />

Voraussetzungen für eine feto-<br />

maternale RhD-Inkompatibilität<br />

sind die Immunisierung einer RhD-<br />

negativen Mutter, die Bildung und<br />

der diaplazentare Übertritt von<br />

Antikörpern der Klasse IgG und<br />

das Vorhandensein des RhD-An-<br />

tigens auf den kindlichen Erythro-<br />

zyten (vom RhD-positiven Vater<br />

geerbt) (Abbildung 1). Als im-<br />

munisierende Ereignisse kommen<br />

ein transplanzentarer Übertritt<br />

fötalen, RhD-positiven Blutes, der<br />

bis zum 3. Trimenon in knapp der<br />

Hälfte aller Schwangerschaften<br />

beobachtet wird, sowie Traumata<br />

während der Schwangerschaft,<br />

Chorionzottenbiopsien, Amnio-<br />

Kindsmutter<br />

(D-negativ)<br />

❯❯❯<br />

15<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Immunisierung beim Morbus<br />

haemolyticus neonatorum<br />

›<br />

Abbildung 1<br />

Während der Schwangerschaft, insbesondere im<br />

3. Trimenon, kann es zum Übergang von fötalen Erythrozyten<br />

in den mütterlichen Kreislauf kommen.<br />

In Abhängigkeit von der Dosis können immunologische<br />

Zellen der Kindsmutter erythrozytäre Antigene<br />

präsentieren und die Bildung von Antikörper-produzierenden<br />

Zellen induzieren. Im Falle einer Vorimmunisierung<br />

der Mutter werden vorgebildete Immunzellen<br />

geboostert. Die maternalen Antikörper des Isotyps IgG<br />

vermögen die Plazenta-Blut-Schranke zu passieren und<br />

können dann an die Oberfläche von fötalen Erythrozyten<br />

im kindlichen Kreislauf binden<br />

(Opsonisierung).<br />

Fötus<br />

(D-positiv)


❯❯<br />

16<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

zentesen oder Bluttransfusionen<br />

in Frage. Der Schweregrad eines<br />

MHN wird aus immunhämatolo-<br />

gischer Sicht im Wesentlichen<br />

durch die Konzentration der müt-<br />

terlichen Antikörper, den Anteil<br />

der die Plazenta passierenden<br />

IgG-Antikörper und ihre Sub-<br />

klassenverteilung sowie die An-<br />

tigendichte und -verteilung auf<br />

dem fötalen Gewebe bestimmt.<br />

Das RhD-Antigen gehört zu den-<br />

jenigen Blutgruppenmerkmalen,<br />

die bereits in der Frühschwan-<br />

gerschaft auf den kindlichen Ery-<br />

throzyten exprimiert sind (Ab-<br />

bildung 2).<br />

Als Folge der Einschwemmung<br />

mütterlicher Antikörper in den<br />

kindlichen Kreislauf kommt es<br />

zu einer Beladung der kindlichen<br />

Erythrozyten mit diesen Antikör-<br />

pern und zu einem beschleunig-<br />

ten Abbau der Antikörper-bela-<br />

denen roten Blutzellen im retiku-<br />

loendothelialen System (RES),<br />

was sich in einem hämolytischen<br />

Syndrom mit verkürzter Lebens-<br />

zeit der kindlichen Erythrozyten<br />

manifestiert. Das klinische Bild<br />

des durch Anti-D-bedingten MHN<br />

ist variabel (Tabelle 1) (3).<br />

›<br />

Tabelle 1<br />

Expression von Blutgruppenmerkmalen und<br />

diaplazentarer Übertritt mütterlicher IgG-Antikörper<br />

im Verlauf der fötalen Entwicklung<br />

BG & 1. AKST 2. AKST & 1. Prophylaxe<br />

Rh<br />

k<br />

Fy a<br />

Fy b<br />

plazentarer Übertritt<br />

von IgG aus dem<br />

maternalen Kreislauf<br />

Jk b K Jk a Kp a<br />

4 6 8 9 10 12 14 16 20 24 28 32 36 38<br />

Schwangerschaftswochen (SSW)<br />

BG = Blutgruppenbestimmung AKST = Antikörpersuchtest (modifiziert nach D. Schönitzer)<br />

In leichten Fällen entwickelt sich<br />

lediglich eine frühzeitige Hyper-<br />

bilirubinämie (Icterus praecox)<br />

und eine leichte Anämie, während<br />

in schweren Fällen die Bilirubin-<br />

konzentration so weit ansteigen<br />

kann (Icterus gravis), dass es zu<br />

einer irreversiblen Schädigung<br />

von Nervenzellen und neurologi-<br />

Abbildung 2<br />

schen Ausfällen mit gelblicher An-<br />

färbung der Basalganglien des Ge-<br />

hirns (Kernikterus) kommen kann.<br />

Als Reaktion auf die hämolytische<br />

Anämie lassen sich im Sinne einer<br />

übersteigerten Erythrozytenrege-<br />

neration und -sequestration erhöh-<br />

te Werte von Retikulozyten und<br />

Erythroblasten im peripheren Blut<br />

Klassifi kation eines <strong>Rhesus</strong> D-bedingten Morbus<br />

haemolyticus neonatorum (Nach 3)<br />

Schweregrad Bezeichnung Klinische Merkmale<br />

Leicht Anaemia neonatorum Mäßige Anämie<br />

Mittel Icterus gravis Hyperbilirubinämie<br />

Schwer Anaemia gravis Schwere Anämie,<br />

Hyperbilirubinämie,<br />

keine Ödeme<br />

Schwer Hydrops fetalis Ödeme, Ascites, Pleura-,<br />

Perikarderguss<br />


sowie eine Vergrößerung der<br />

extramedullären Blutbildungsor-<br />

gane Leber und Milz nachweisen.<br />

Die schwerste Form des MHN<br />

wird als Hydrops fetalis bezeich-<br />

net. Dabei handelt es sich um ei-<br />

ne allgemeine Ödemneigung mit<br />

Wassereinlagerung in das Ge-<br />

webe und in die Körperhöhlen<br />

infolge anämischer Hypoxie und<br />

Hypalbuminämie (Abbildung 3).<br />

Ein Hydrops fetalis kann unbe-<br />

handelt innerhalb von Tagen zum<br />

Tode führen und abhängig vom<br />

Sensibilisierungsgrad der Schwan-<br />

geren bereits vor der 18. Schwan-<br />

gerschaftswoche (SSW) auftreten.<br />

Vorkommen und Häufi gkeit<br />

Vor Einführung der Anti-D-<br />

Prophylaxe (<strong>Rhesus</strong>prophylaxe)<br />

lag das Immunisierungsrisiko<br />

RhD-negativer Schwangerer bei<br />

7-14 %. Zu dieser Zeit fand sich<br />

ein MHN durch Anti-D bei 0,6 %<br />

aller Schwangerschaften, von<br />

denen 60 % therapiebedürftig<br />

waren und 12 % tödlich endeten.<br />

Während die durch Anti-D ver-<br />

ursachten MHNs früher 98 % aller<br />

Fälle (AB0-MHN ausgenommen)<br />

ausmachten, hatte nach Einfüh-<br />

rung der postpartalen Anti-D-<br />

Prophylaxe Ende der 60er Jahre<br />

die Häufi gkeit des Auftretens ei-<br />

nes Anti-D-bedingten MHN um<br />

90 % abgenommen. Durch die<br />

präpartale Anti-D-Prophylaxe<br />

konnte die Inzidenz nochmals um<br />

90 % gesenkt werden (4). Die Im-<br />

munisierungsrate RhD-negativer<br />

Schwangerer liegt seitdem nur<br />

noch in einem Bereich von 0,2-<br />

0,5 % (5,6). Obgleich die Häufi g-<br />

keit eines Anti-D-verursachten<br />

MHN inzwischen etwa der aller<br />

übrigen MHNs zusammen ent-<br />

spricht, ist die Zahl der Kinder mit<br />

schweren Verläufen bei einem<br />

Anti-D-bedingtem MHN immer<br />

noch am größten. Seit Anfang der<br />

90er Jahre lässt sich durch die<br />

Zuwanderung aus Ländern mit<br />

weniger konsequenter Prophyla-<br />

xe ein durch Anti-D verursachter<br />

MHN im deutschsprachigen Raum<br />

wieder häufi ger beobachten.<br />

Vorsorge und Anti-D-<br />

Prophylaxe<br />

Die zur rechtzeitigen Erkennung,<br />

Behandlung und Prophylaxe des<br />

Anti-D-bedingten MHN erfor-<br />

derlichen Untersuchungen bei<br />

Schwangeren werden durch die<br />

‹<br />

Abbildung 3<br />

Hydrops fetalis bei<br />

Geburt<br />

Mit freundlicher Genehmigung<br />

von Herrn Dr. P. Baier,<br />

Pränataldiagnostik,<br />

Universität Heidelberg<br />

„Mutterschafts-Richtlinien” und<br />

in den „Hämotherapie-Richtlinien”<br />

geregelt (7,8). Demnach müssen<br />

bei jeder schwangeren Frau zu<br />

defi nierten Zeitpunkten eine Blut-<br />

gruppenbestimmung und Anti-<br />

körpersuchtests durchgeführt<br />

werden. Deuten die Ergebnisse<br />

der Blutgruppenbestimmung auf<br />

ein abgeschwächtes oder vari-<br />

antes RhD-Merkmal hin, wird ei-<br />

ne weitere Abklärung erforder-<br />

lich. Ein direkter Coombstest mit<br />

den Erythrozyten des Neugebore-<br />

nen ist durchzuführen, wenn sich<br />

der Verdacht eines MHN ergibt<br />

oder wenn die nach den „Mutter-<br />

schafts-Richtlinien”vorgeschrie- benen Antikörpersuchtests nicht<br />

durchgeführt wurden. Ein posi-<br />

tiver direkter Coombstest muss<br />

als möglicher Hinweis auf eine<br />

fetomaternale Inkompatibilität<br />

weiter abgeklärt werden.<br />

Mit der Anti-D-Prophylaxe lässt<br />

sich bei werdenden Müttern ver-<br />

meiden, dass sich in ihrem Blut<br />

Anti-D-Antikörper gegen die<br />

❯❯❯<br />

17<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

18<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

RhD-positiven Erythrozyten des<br />

Kindes bilden. Das geht nur, wenn<br />

im Körper der <strong>Rhesus</strong>-negativen<br />

Mutter noch keine Antikörper nach-<br />

weisbar sind. Dann bekommt die<br />

Frau in der 28. - 30. SSW und<br />

direkt nach der Geburt (bis max.<br />

72 Stunden post partum) eine<br />

Standarddosis Anti-D-Immunglo-<br />

bulin appliziert. Sollte aus tech-<br />

nischen Gründen die Zeit einmal<br />

nicht eingehalten werden können,<br />

empfi ehlt es sich trotzdem auch<br />

noch am Tag 4, 5 oder 6 die Pro-<br />

phylaxe durchzuführen, da hier<br />

immerhin noch mit einer Wahr-<br />

scheinlichkeit von 20-50 % eine<br />

Immunisierung verhindert wer-<br />

den kann. Der Anti-D-Prophylaxe<br />

liegt die Vorstellung zugrunde,<br />

dass die RhD-positiven Erythro-<br />

zyten des Kindes, sobald sie in<br />

den Blutkreislauf der Mutter ge-<br />

langen, durch die Anti-D-Antikör-<br />

per beladen und im RES abgebaut<br />

werden, und so der mütterliche<br />

Kindsmutter<br />

Anti-D Prophylaxe<br />

Körper selbst keine Antikörper<br />

produziert (Abbildung 4). Mit<br />

der empfohlenen Dosis von 300 µg<br />

können ca. 10 ml Erythrozytense-<br />

diment neutralisiert werden. Die<br />

Anti-D-Prophylaxe kommt auch zum<br />

Einsatz bei: Schwangerschaftsab-<br />

bruch und Abort, Extrauterin-<br />

Schwangerschaften, Fruchtwasser-<br />

untersuchung oder bei Blutungen<br />

in der Schwangerschaft.<br />

Pränatale Diagnostik bei<br />

<strong>Rhesus</strong>inkompatibilität<br />

Serologie<br />

Bei Beginn der Schwangerschaft<br />

sollen Frauen entsprechend der<br />

Mutterschaftsrichtlinie u. a. auf das<br />

Vorliegen irregulärer erythrozy-<br />

tärer Antikörper überprüft wer-<br />

den (7). Bereits existierende An-<br />

tikörper können durch früheren<br />

Fremdantigenkontakt der Schwan-<br />

Anti-D (IgG)<br />

Neugeborenes<br />

geren induziert oder durch Be-<br />

handlung zugeführt worden sein.<br />

Die wichtigsten Spezifitäten im<br />

Zusammenhang mit einem Mor-<br />

bus haemolyticus neonatorum<br />

sind Anti-D, Anti-c und Anti-K.<br />

Es können aber auch Antikörper<br />

gegen Merkmale auf Thrombo-<br />

zyten, z. B. Anti-HPA-1a oder HLA-<br />

Antikörper, induziert werden.<br />

Die Präsenz dieser Antikörper im<br />

Serum kann je nach Immunsystem<br />

unterschiedlich lang sein: einige<br />

Antikörper können nach wenigen<br />

Wochen bereits nicht mehr nach-<br />

weisbar sein, andere können über<br />

Jahre und Jahrzehnte persistieren<br />

(es gibt Beispiele für Allo-Anti-<br />

körper, die über einen Zeitraum<br />

von > 50 Jahren nachweisbar<br />

waren). Es gilt jedoch zu beach-<br />

ten, dass einmal induzierte Anti-<br />

köper innerhalb weniger Tage<br />

wieder geboostert werden kön-<br />

nen.<br />

Bei den therapeutisch zugeführ-<br />

ten Antikörpern handelt es sich im<br />

Wesentlichen um humanes IgG-<br />

Anti-D aus der Prophylaxe. Nach<br />

Applikation der vorgegebenen Do-<br />

‹<br />

Abbildung 4<br />

Nach Geburt des Kindes (oranger Kreis) wird das Blutgruppenmerkmal<br />

<strong>Rhesus</strong> D, der so genannte <strong>Rhesus</strong>faktor, bestimmt.<br />

Um eine Immunisierung der Mutter durch in den mütterlichen<br />

Kreislauf gelangte kindliche Erythrozyten zu vermeiden, wird<br />

nach Geburt <strong>Rhesus</strong> D-positiver Kinder eine Anti-D-Prophylaxe<br />

appliziert. Auf diese Weise werden residuale fötale Erythrozyten<br />

im Kreislauf der Mutter mit Antikörpern „maskiert”.


sis zwischen der 25.und 27. SSW<br />

werden noch zum Zeitpunkt der<br />

Geburt therapeutisch wirksame<br />

Antikörpertiter in der Mutter und<br />

im Kind gemessen, da die durch-<br />

schnittliche Halbwertszeit von IgG<br />

ca. 20-30 Tage beträgt.<br />

Im Rahmen der Mutterschafts-<br />

fürsorge wird in Deutschland<br />

heute routinemäßig zwischen der<br />

24. und 26. SSW der Antikörper-<br />

suchtest wiederholt. Ist der Anti-<br />

körpersuchtest negativ, wird die<br />

Anti-D-Prophylaxe appliziert; ist<br />

er positiv, ist eine exakte Abklä-<br />

rung der Spezifi tät des Antikör-<br />

pers erforderlich, inklusive einer<br />

quantitativen Bestimmung. Die<br />

quantitative Bestimmung kann<br />

einerseits durch den Vorgang der<br />

Titrierung mit defi nierten Testzel-<br />

len bestimmt werden (häufi gste<br />

Durchführung), andererseits<br />

durch Vergleichstestung mit ei-<br />

nem quantitativen Standard (sel-<br />

tenere Durchführung). Für die<br />

Vergleichstestung bietet sich das<br />

Präparat der Anti-D Prophylaxe<br />

an, da hier exakt defi nierte Men-<br />

gen gegeben sind. Ein Vorteil<br />

dieser Methode ist die gute Ver-<br />

gleichbarkeit der Untersuchungs-<br />

ergebnisse; allerdings wird die-<br />

ses Verfahren nur von wenigen<br />

Laboratorien eingesetzt. Vorteil<br />

der Technik der Titrierung mit<br />

defi nierten Testzellen ist die ein-<br />

fache und schnelle Handhabung<br />

sowie die Übertragbarkeit auf<br />

andere Antikörperspezifitäten.<br />

Die große technische Variabilität<br />

dieses Verfahrens macht jedoch<br />

einen Vergleich zwischen verschie-<br />

denen Laboratorien kaum sicher<br />

möglich. Dies liegt vor allem da-<br />

ran, dass die ermittelten Titerstu-<br />

fen stark in Abhängigkeit verschie-<br />

dener Testparameter variieren:<br />

› von der eingesetzten Methode<br />

(Röhrchen, Gelkarte oder<br />

Mikrotiterplatte),<br />

› von der Lösung, mit der<br />

verdünnt wurde (NaCl, Plasma<br />

oder LISS),<br />

› von den eingesetzten Zellen<br />

(homozygot, heterozygot,<br />

enzymbehandelt) und<br />

› anderen Testbedingungen<br />

Damit vor Ort eine relativ gute<br />

Beurteilung der Antikörpertiter-<br />

werte möglich wird, sollte zwi-<br />

schen den Klinikern und dem<br />

untersuchenden Labor eine de-<br />

finierte Vorgehensweise festge-<br />

legt werden. Aus diesem Grund<br />

wird empfohlen, Wiederholungs-<br />

untersuchungen möglichst durch<br />

das Labor ausführen zu lassen, in<br />

dem bereits die Erstuntersuchung<br />

stattgefunden hat.<br />

Zur Risikoeinschätzung des An-<br />

tikörpertiters sind zwei Punkte<br />

beachtenswert: erstens, die Höhe<br />

des Titerwertes (quantitative Men-<br />

ge des physiologisch vorliegen-<br />

den irregulären Antikörpers) und<br />

zweitens, die Veränderung des<br />

Titerwertes im Verlauf. Titerwerte<br />

als solche sagen relativ wenig<br />

über die klinische Relevanz ver-<br />

schiedener Antikörper aus. So<br />

sind einerseits schwere MHN-Ver-<br />

läufe mit niedrigtitrigem Antikör-<br />

per bekannt und andererseits<br />

Schwangerschaften mit hohen<br />

Antikörpertitern ohne klinisch<br />

relevante Hämolyse des Kindes.<br />

Titerveränderungen werden<br />

während der Schwangerschaft<br />

zur Verlaufsbeobachtung heran-<br />

gezogen, wobei Veränderungen<br />

um zwei oder mehr Verdünnungs-<br />

stufen im Allgemeinen als ein<br />

Indiz für eine gesteigerte immu-<br />

nologische Aktivität gewertet<br />

werden können. Häufi g gehen<br />

Veränderungen im Antikörper-<br />

titer den mit technischen Geräten<br />

erkennbaren morphologisch-<br />

physiologischen Veränderungen<br />

eines MHN voraus.<br />

Fötale Sonographie<br />

Für die Untersuchung des unge-<br />

borenen Kindes werden heutzu-<br />

tage bevorzugt Ultraschallgeräte<br />

eingesetzt (Doppler-Sonographie),<br />

da dieses Untersuchungsverfahren<br />

nicht-invasiv ist. Im Falle einer stär-<br />

kergradigen Anämie oder eines<br />

❯❯❯<br />

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2006


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20<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

MHN bei einem Föten, verändert<br />

sich die Flussgeschwindigkeit in<br />

den Kopfarterien, was mit dieser<br />

Technik darstellbar ist. Für den<br />

Nachweis einer schweren fötalen<br />

Anämie lag die Sensitivität der<br />

Doppler-Sonographie in einer<br />

kürzlich durchgeführten Multicen-<br />

ter-Studie bei 88 %, die Spezifität<br />

bei 82 %. Die noch häufi g durch-<br />

geführte spektrophotometrische<br />

Bestimmung der Bilirubinoide<br />

im Fruchtwasser (��D 450) zeigte<br />

dahingegen eine Sensitivität von<br />

nur 76 % und eine Spezifi tät von<br />

77 % (9).<br />

Invasive Diagnostik<br />

Um genauere Kriterien zur Ein-<br />

schätzung der Krankheit und des<br />

MHN-Risikos zu erhalten, ist eine<br />

Punktion mit Gewebe-/Zellent-<br />

nahme erforderlich. Technisch<br />

stehen dafür heute drei Verfahren<br />

zur Verfügung: in frühen Stadien<br />

der Schwangerschaft wird ver-<br />

sucht, Zellen von den Chorionzot-<br />

ten zu isolieren; in späteren Sta-<br />

dien kommen die Amnionzentese<br />

(Punktion der Fruchtblase) und<br />

die Kordazentese (Punktion der<br />

Plazenta bzw. der Nabelschnur) in<br />

Frage. Mit Zellen aus der entnom-<br />

menen Gewebeprobe des Kindes<br />

›<br />

Tabelle 2<br />

kann eine molekulargenetische<br />

Bestimmung der Blutgruppengene<br />

erfolgen. Das durch die Kordazen-<br />

tese gewonnene Blut ermöglicht<br />

zusätzlich die serologische Be-<br />

stimmung der Blutgruppenanti-<br />

gene auf den fötalen Erythrozyten,<br />

den Nachweis irregulärer Anti-<br />

körper der Mutter im kindlichen<br />

Plasma sowie die Bestimmung re-<br />

levanter Laborparameter, wie den<br />

Hämatokrit, die Hämoglobinkon-<br />

zentration, die Blutzellzahlen, En-<br />

zyme, etc..<br />

Da es sich hierbei jedoch um<br />

invasive Techniken mit einem<br />

nicht unerheblichen Verletzungs-<br />

risiko für den Föten handelt, sollte<br />

diese Diagnostik in Einrichtungen<br />

mit speziellem Therapiespektrum<br />

durchgeführt werden. In Tabelle 2<br />

sind Daten aus Studien wiederge-<br />

geben, die Angaben zum relati-<br />

ven Abortrisiko enthalten. Bei der<br />

Amnionzentese kam es dabei in<br />

13-62 % der Fälle zu Blutungen,<br />

die zwischen ein und drei Minuten<br />

dauerten. Das ausgetretene Blut-<br />

volumen betrug zwischen 50 und<br />

680 µl. Selbst diese kleinen<br />

Blutmengen können für die<br />

Induktion von irregulären Anti-<br />

körpern in der Mutter ausreichend<br />

sein. Besonders hoch waren die<br />

Werte bei der Punktion in oder<br />

durch die Plazenta hindurch oder<br />

direkt in die Nabelschnur.<br />

Gefürchtet sind vor allem Häma-<br />

tome, die nach der Punktion an<br />

der Einstichstelle entstehen und<br />

zu einem massiven Blutverlust des<br />

Föten führen können.<br />

Die Kordazentese ist jedoch<br />

nicht nur Mittel zur Diagnostik<br />

sondern stellt auch eine sehr gute<br />

Möglichkeit zur effektiven Thera-<br />

pie dar. Mit einer gezielten Punk-<br />

tion der Plazenta oder der Nabel-<br />

schnur ist es in spezialisierten<br />

Zentren heute möglich, Föten<br />

durch intrauterine Transfusion<br />

(IUT) mit kompatiblen Erythro-<br />

zyten (D-negativen Erythrozyten,<br />

Anti-CMV-negativ, bestrahlt) ab<br />

der 20. SSW zu behandeln (Ab-<br />

bildung 5).<br />

Abortrisiko nach Amnionzentese (23-25)<br />

Amnionzentese Risiko für Abort<br />

Fötus < 16 SSW bis 5 - 8 %<br />

Fötus > 20 SSW ca.1 %<br />

therapeutische Punktion bis 14 %<br />

Punktion bei Hydrops fetalis bis 25 %


Postpartal bleiben die Neuge-<br />

borenen noch für einige Zeit be-<br />

handlungsbedürftig. Die Fremd-<br />

erythrozyten können einen<br />

supprimierenden, aber rever-<br />

siblen Effekt auf das autologe<br />

Knochenmark entfalten. In Ab-<br />

hängigkeit von der Antikörper-<br />

konzentration können die heran-<br />

reifenden RhD-positiven kind-<br />

lichen Blutzellen noch für einen<br />

gewissen Zeitraum beladen und<br />

abgebaut werden. In Einzelfällen<br />

kann sich die Transfusionsbedürf-<br />

tigkeit der betroffenen Neugebo-<br />

renen über bis zu vier Monate<br />

hinziehen.<br />

<strong>Rhesus</strong>-Diagnostik bei<br />

aberrantem mütterlichem<br />

RhD-Merkmal<br />

Beim Auftreten ungewöhnlicher<br />

Befunde im Rahmen der mütter-<br />

Intrauterine Transfusion<br />

lichen RhD-Bestimmung ist heut-<br />

zutage eine weitergehende Spezi-<br />

fi zierung des RhD-Status anzustre-<br />

ben. Für eine korrekte Versorgung<br />

Transfusion von 50 ml Blut/kg KG,<br />

Blutgruppe 0 RhD-negativ, gewaschen,<br />

bestrahlt, CMV-negativ<br />

(Hämatokrit des Erythrozytenpräparates > 70%)<br />

Ultraschall-gestützte Punktion eines<br />

Venenpools der Plazenta oder direkt<br />

in die Nabelschnur<br />

(alle 7-14 Tage in OP-Bereitschaft)<br />

Blutvolumen des Kindes:<br />

80-100 ml/kg KG<br />

der Mütter mit einer Anti-D-Prophy-<br />

laxe ist es erforderlich, Anti-D-<br />

immunisierbareRhD-Untergrup- pen von solchen, die kein Anti-D-<br />

Immunisierungsrisiko aufweisen,<br />

zu differenzieren. Unter den aber-<br />

ranten RhD-Phänotypen werden<br />

grundsätzlich RhD-Blutgruppen<br />

mit verminderter Expression<br />

(weak D-Typen) von solchen mit<br />

qualitativ veränderter Antigen D-<br />

Ausprägung (Partial-D’s oder D-<br />

Kategorien) unterschieden. Die<br />

häufi gen weak D-Typen, die Ty-<br />

pen 1 bis 3, sind nach heutigem<br />

Kenntnisstand nicht Anti-D-immu-<br />

nisierbar und sollten daher im<br />

Rahmen der Schwangerschafts-<br />

vorsorge als RhD-positiv betrach-<br />

tet werden. Im Gegensatz dazu<br />

muss bei Schwangeren mit Partial-<br />

D’s aufgrund des Fehlens einzel-<br />

ner RhD-Epitope mit einer Allo-<br />

Anti-D-Immunisierung gerechnet<br />

werden. Das Anti-D-Immunisie-<br />

rungsrisiko der vielen anderen,<br />

sehr seltenen weak D-Typen ist<br />

zur Zeit nicht abschätzbar. Der<br />

›<br />

Abbildung 5<br />

spezifi sche Nachweis der weak D-<br />

Typen und der Partial-D’s ist nur<br />

mit Hilfe moderner molekularbio-<br />

logischer Methoden möglich.<br />

Nach den derzeit gültigen Hämo-<br />

therapierichtlinien werden zur Be-<br />

stimmung des Antigens D in der<br />

Mutterschaftsvorsorge zwei unter-<br />

schiedliche monoklonale Anti-D-<br />

Antikörper eingesetzt, die mit der<br />

in unseren Breiten häufi gsten D-<br />

Kategorie, der D-Kategorie VI,<br />

nicht reagieren. Dieses Verfahren<br />

führt dazu, dass Schwangere mit<br />

D-Kategorie VI absichtlich als<br />

“falsch-negativ” bestimmt werden.<br />

Ist der Reaktionsausfall mit beiden<br />

Antikörpern positiv, so ist die<br />

Schwangere RhD-positiv und be-<br />

nötigt keine Anti-D-Prophylaxe.<br />

Ist der Reaktionsausfall negativ,<br />

muss die Schwangere eine Prophy-<br />

laxe erhalten. Liegt ein fraglich<br />

positiver serologischer Befund vor,<br />

so wird eine weitere Abklärung<br />

erforderlich. Die allermeisten der<br />

unklaren Blutproben repräsen-<br />

tieren weak D-Typ 1, Typ 2 oder<br />

Typ 3, deren spezifi scher Nachweis<br />

nur mit molekularen Methoden ge-<br />

lingt. Angesichts der Fülle geneti-<br />

scher D-Varianten könnte eine<br />

pragmatisch ausgerichtete moleku-<br />

larbiologische RhD-Typisierung<br />

so aussehen, dass nur die häufi gen<br />

weak D-Typen 1 bis 3 identifi ziert<br />

und alle anderen selteneren weak<br />

❯❯❯<br />

21<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

22<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

D-Typen sowie D-Kategorien nicht<br />

erfasst werden. Auf diese Weise<br />

bekäme man bei den meisten<br />

Schwangeren mit weak D-Typen<br />

eine gesicherte Indikation, um auf<br />

eine Anti-D-Gabe verzichten zu<br />

können. Bei den restlichen Fällen<br />

mit aberranten RhD-Phänotypen<br />

lieferte dieses Vorgehen eine diffe-<br />

renziertere Grundlage für die An-<br />

wendung der Anti-D-Prophylaxe.<br />

Molekulargenetische<br />

Bestimmung des fötalen<br />

RhD-Status aus mütterlichem<br />

Blut<br />

Fötale DNA im<br />

mütterlichen Blut<br />

In den letzten Jahren konnte<br />

im Rahmen von Studien die Be-<br />

stimmung fötaler <strong>Rhesus</strong>-Fakto-<br />

ren im mütterlichen Blut etabliert<br />

werden. Fötale DNA wird in der<br />

Schwangerschaft wahrscheinlich<br />

überwiegend aus apoptotischen<br />

Synzytiothrophoblastzellkernen<br />

freigesetzt. Der Synzytiotropho-<br />

blast steht in direktem Kontakt<br />

mit dem mütterlichen Kreislauf<br />

und apoptotische Zellkerne kön-<br />

nen beim Umbau der Plazenta in<br />

das mütterliche Blut gelangen.<br />

Weiterhin werden während der<br />

Schwangerschaft Mikrovesikel<br />

aus der Plazenta freigesetzt, die<br />

fötale RNA und DNA enthalten<br />

und mit einer Halbwertszeit von<br />

ca. 15 Minuten aus dem mütter-<br />

lichen Kreislauf entfernt werden.<br />

Am häufi gsten wird eine Real-<br />

time-PCR mit sequenzspezi-<br />

fi schen Primern und Sonden<br />

eingesetzt, um fötale <strong>Rhesus</strong>-<br />

Faktoren anhand spezifi scher<br />

Nukleinsäurepolymorphismen im<br />

mütterlichen Blut zu bestimmen.<br />

Freie fötale DNA unterliegt im<br />

mütterlichen Blut einem raschen<br />

Abbauprozess und ist wenige<br />

Stunden nach der Geburt nicht<br />

mehr im mütterlichen Blut nach-<br />

weisbar (10). Im Vergleich zur mo-<br />

lekulargenetischen Bestimmung<br />

aus Chorionzotten, Amnionfüssig-<br />

keit oder Nabelschnurblut ist da-<br />

her nicht in allen Fällen ausrei-<br />

chend freie fötale DNA im mütter-<br />

lichen Kreislauf nachweisbar. Da<br />

die Fragmente freier fötaler DNA<br />

zum großen Teil deutlich kürzer<br />

sind (< 300 bp), müssen Methoden,<br />

die ursprünglich anhand von ge-<br />

nomischer DNA aus Amnionzellen<br />

oder Chorionzotten etabliert wur-<br />

den, mit mütterlichem Plasma neu<br />

validiert werden.<br />

Aufgrund der vorliegenden phy-<br />

siologischen Erkenntnisse und<br />

longitudinaler Untersuchungen ist<br />

es verständlich, dass die Konzen-<br />

tration freier fötaler DNA zu Beginn<br />

der Schwangerschaft geringer ist<br />

als zum Ende der Schwanger-<br />

schaft. Es kommt jedoch nicht zu<br />

einem linearen Anstieg der Kon-<br />

zentration fötaler DNA im Verlauf<br />

der Schwangerschaft, sondern<br />

dieser Anstieg verläuft wellenför-<br />

mig. Die erhebliche biologische<br />

Variabilität wurde durch eine Un-<br />

tersuchung in der 30. SSW deut-<br />

lich, in der zwischen 15 und 708<br />

Genomäquivalente RHD-positive<br />

DNA pro Milliliter Plasma bei 160<br />

RhD-negativen Schwangeren mit<br />

RhD-positiven Föten nachgewie-<br />

sen wurden (11).<br />

Fötale RhD-Bestimmung<br />

bei Anti-D immunisierten<br />

Schwangeren<br />

Im Rahmen der <strong>Rhesus</strong>-Diagnos-<br />

tik in der Schwangerschaft kann die<br />

Bestimmung fötaler <strong>Rhesus</strong>-Fakto-<br />

ren aus mütterlichem Blut wertvoll<br />

sein, da dadurch die mit einer in-<br />

vasiven Diagnostik verbundenen<br />

Risiken vermieden werden. Diese<br />

Diagnostik wird in Deutschland<br />

studienbegleitend zur Zeit vom Ins-<br />

titut Bremen-Oldenburg des DRK<br />

Blutspendedienst NSTOB angebo-<br />

ten; im Ausland haben sich Zentren<br />

in Amsterdam und Bristol etabliert<br />

(12). Die Grenzen der Methode<br />

müssen in die Befundinterpretation<br />

immer mit einfl ießen, um nicht<br />

durch Fehlschlüsse zu neuen Risi-<br />

ken für den Föten und die Schwan-


gere zu führen. So sollte z. B. bei<br />

einer Schwangeren mit Anti-D und<br />

einem, aus mütterlichem Blut be-<br />

stimmten negativen fötalen RhD-<br />

Status sichergestellt werden, dass<br />

in der untersuchten Probe ausrei-<br />

chend fötale DNA vorhanden war.<br />

Zur Befundsicherung kann der mo-<br />

lekulargenetische Nachweis des<br />

Y-Chromosoms verwendet werden,<br />

wobei jedoch die Methode zum<br />

Nachweis des Y-Chromosoms nicht<br />

empfindlicher sein sollte als die<br />

Methode zum Nachweis des RhD-<br />

Faktors. Bei RhD-negativen weib-<br />

lichen Föten müssen zunächst infor-<br />

mative Polymorphismen identifi -<br />

ziert werden, die vom Kindsvater<br />

vererbt werden könnten und in<br />

mütterlichen Blutlymphozyten nicht<br />

vorkommen. Auch bei diesem auf-<br />

wändigen Vorgehen kommt es vor,<br />

dass keine informativen Polymor-<br />

phismen im mütterlichen Blut iden-<br />

tifi ziert werden können. Wie bei<br />

jeder Blutgruppenbestimmung ist<br />

es ratsam, bei Schwangeren mit<br />

Anti-D den Genotypisierungsbe-<br />

fund aus mütterlichem Blut durch<br />

eine Wiederholungsuntersuchung<br />

abzusichern.<br />

Indikationsbezogene Anti-<br />

D-Prophylaxe<br />

Die Bestimmung des fötalen<br />

RhD-Status aus mütterlichen Blut<br />

ist eine nicht-invasive Methode,<br />

die nicht nur dazu beitragen kann,<br />

bei Schwangeren mit Anti-D früh-<br />

zeitig eine fetomaternale RhD-In-<br />

kompatibilität zu diagnostizieren,<br />

sondern bietet auch die Möglich-<br />

keit, den fötalen RhD-Status in der<br />

Schwangerschaft bereits vor Gabe<br />

der präpartalen Anti-D-Prophyla-<br />

xe zu bestimmen. Die derzeitigen<br />

Regelungen lassen streng genom-<br />

men keine indikationsbezogene<br />

(nur bei RhD-positiven Föten) Anti-<br />

D-Prophylaxe nach Untersuchung<br />

von fötalem Material zu. Bei 40 %<br />

der RhD-negativen Schwangeren<br />

besteht eigentlich keine Indikation<br />

für eine Anti-D-Prophylaxe, da der<br />

Fötus RhD-negativ ist. Damit erhal-<br />

ten jährlich mindestens 50.000<br />

Schwangere in Deutschland un-<br />

nötigerweiseAnti-D-Immunglo- bulin. Bei Einführung der Anti-D-<br />

Prophylaxe war ein indikations-<br />

bezogenes Vorgehen während der<br />

Schwangerschaft nicht möglich, da<br />

keine Testverfahren zur Bestim-<br />

mung der fötalen RhD-Eigenschaft<br />

zur Verfügung standen. In den<br />

letzten Jahren sind jedoch zahl-<br />

reiche Studien publiziert worden,<br />

die die Zuverlässigkeit einer mole-<br />

kulargenetischenRHD-Bestim- mung aus Fruchtwasser oder auch<br />

mütterlichem Blut belegen (10,12-<br />

18). Daher wird derzeit diskutiert,<br />

ob eine generelle präpartale Anti-<br />

D-Prophylaxe unter medizinischen<br />

Gesichtspunkten noch zu rechtfer-<br />

tigen ist, zumal das Restrisiko einer<br />

Infektion durch das aus mensch-<br />

lichem Plasma gewonnene Anti-D-<br />

Präparat besteht. In den Nieder-<br />

landen steht eine indikationsbe-<br />

zogene Anti-D-Prophylaxe bereits<br />

kurz vor der landesweiten Ein-<br />

führung.<br />

EU-Exzellenznetzwerk SAFE<br />

Die diagnostische Genauigkeit<br />

der präpartalen RhD-Bestimmung<br />

aus mütterlichem Plasma lag in der<br />

bisher größten Studie mit 1.257 Be-<br />

stimmungen in der 30. SSW bei<br />

99,4 % (19). In dieser Studie wurden<br />

drei falsch negative und fünf falsch<br />

positive Ergebnisse beobachtet.<br />

Falsch positive Ergebnisse wer-<br />

den z. B. beobachtet, wenn RHD-<br />

Gen-Varianten mit RhD-negativem<br />

Phänotyp mit den molekulargene-<br />

tischen Methoden als RhD-positiv<br />

bestimmt werden. Diese Konstella-<br />

tion ist jedoch in der deutschspra-<br />

chigen Bevölkerung sehr selten<br />

und hätte lediglich eine nicht-in-<br />

dizierte Anti-D-Prophylaxe zur<br />

Folge. Derzeit besteht im Rahmen<br />

eines mit insgesamt 12 Mio € für<br />

53 Arbeitsgruppen über fünf Jahre<br />

seit 2004 geförderten EU-Projekts<br />

(Exzellenznetzwerk SAFE) (20)<br />

die Möglichkeit, an einer Studie<br />

der <strong>Abteilung</strong> Transfusionsmedi-<br />

zin an der Universität Göttingen<br />

teilzunehmen, um die diagnos-<br />

❯❯❯<br />

23<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

24<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

<strong>Rhesus</strong> box, upstream <strong>Rhesus</strong> box, downstream<br />

<strong>Rhesus</strong> D positiv<br />

<strong>Rhesus</strong> D negativ<br />

tische Genauigkeit mit den mo-<br />

dernsten Verfahren zu ermitteln.<br />

Zur Optimierung der Testverfah-<br />

ren fi nden innerhalb des EU-Netz-<br />

werks Workshops und Standardi-<br />

sierungskonferenzen statt. Jährliche<br />

internationale Ringversuche wur-<br />

den bereits implementiert. Ein<br />

internationales Konsensusproto-<br />

koll für die fötale RhD-Bestim-<br />

mung aus mütterlichem Blut wird<br />

für 2007 erwartet.<br />

Organisation des <strong>Rhesus</strong>-Genkomplexes<br />

und der <strong>Rhesus</strong> boxen<br />

Paternale RhD-Diagnostik<br />

bei Kinderwunsch<br />

Wird bei einer schwangeren<br />

Frau ein irregulärer Anti-D Anti-<br />

körper identifi ziert, besteht häufi g<br />

die Frage nach dem MHN-Risiko<br />

bei weiteren Schwangerschaften.<br />

Aus epidemiologischen Untersu-<br />

chungen ist bekannt, dass ein MHN<br />

meistens erst bei einer Zweit- oder<br />

Drittschwangerschaft eintritt.<br />

RHD RHCE<br />

SMP1<br />

<strong>Rhesus</strong> box, Hybrid<br />

Ob ein Kindsvater für das Merk-<br />

mal RhD homozygot ist, kann mit<br />

serologischen Techniken nicht<br />

bestimmt werden, da über die<br />

Antigenreaktion keine Aussage<br />

gemacht werden kann, ob hier ein<br />

RHD-Gen oder zwei RHD-Gene<br />

vorliegen. Aus diesem Grund<br />

wird in serologischen Befunden<br />

bei RhD-positiven Personen ein<br />

Punkt gesetzt (D.).<br />

RHCE<br />

(modifiziert nach Wagner & Flegel)<br />

Die Kenntnis über die genomi-<br />

sche Organisation des <strong>Rhesus</strong>-<br />

komplexes ermöglicht seit weni-<br />

gen Jahren die Zygotieabklärung<br />

mit molekulargenetischen Tech-<br />

niken (Abbildung 6) (21). Der<br />

<strong>Rhesus</strong>komplex besteht aus den<br />

beiden Genen für <strong>Rhesus</strong> D (RHD)<br />

und <strong>Rhesus</strong> CcEe (RHCE). Diese<br />

bestehen jeweils aus zehn Exonen<br />

und sind in umgekehrter Orien-<br />

tierung auf dem Chromosom an-<br />

›<br />

Abbildung 6<br />

geordnet. Zwischen beiden Genen<br />

liegt das SMP1-Gen, dessen Funk-<br />

tion bis heute nicht geklärt ist. Vor<br />

und hinter dem RHD-Gen liegen<br />

zwei sehr ähnliche Bereiche, die<br />

so genannten <strong>Rhesus</strong> boxen, die<br />

sich aber auf der Ebene der DNA-<br />

Sequenz unterscheiden lassen.<br />

Aufgrund der Ähnlichkeit der bei-<br />

den Sequenzen kann es in diesem<br />

Bereich zu einer Rekombination<br />

kommen, die eine Eliminierung<br />

des RHD-Gens zur Folge hat (an-<br />

gedeutet mit gestrichelten Linien<br />

in Abbildung 6). Die <strong>Rhesus</strong> box,<br />

die dabei entsteht, ist dann zusam-<br />

mengesetzt aus der upstream- und<br />

der downstream-<strong>Rhesus</strong> box. Bei<br />

Verwendung geeigneter Amplifi -<br />

kationsprimer können diese Be-<br />

reiche durch PCR vermehrt und<br />

differenziert werden. Das Fehlen<br />

einer hybrid <strong>Rhesus</strong> box bedeu-<br />

tet, dass der Proband homozygot<br />

für das RHD-Gen ist und damit<br />

RhD-positiv ist. Der Nachweis<br />

einer hybrid <strong>Rhesus</strong> box hinge-<br />

gen bedeutet, dass der Proband<br />

entweder heterozygot für das RHD-<br />

Gen ist oder kein RHD-Gen besitzt.<br />

In Zusammenschau mit dem sero-<br />

logischen RhD-Status des Proban-<br />

den kann dann auf eine RHD-Hete-<br />

rozygotie oder ein Fehlen des RHD-<br />

Gens zurückgeschlossen werden.<br />

Alternativ kann die Homozygo-<br />

tie des RHD-Gens auch über die<br />

quantitative Messung und den<br />

Vergleich einzelner Exone be-<br />

stimmt werden (Abbildungen 7a


›<br />

Abbildung 7a<br />

Bei der quantitativen Bestimmung werden<br />

die Verhältnisse bestimmter Exone zueinander<br />

gemessen. In der Abbildung ist die Lage der<br />

Sonden im Bereich der Exons 3, 4, 5, 6, 7 und<br />

10 dargestellt.<br />

und 7b) (21). Dafür benutzt man<br />

z. B. als Kontrolle das RHCE-Gen,<br />

das in der Regel immer zweimal<br />

vorkommt. Wenn nun die Genko-<br />

pien der Exone drei der RHD- und<br />

RHCE-Gene quantifi ziert werden<br />

und das Mengenverhältnis 1:1 be-<br />

trägt, liegt eine RHD-homozygoter<br />

Proband vor; ist das Verhältnis der<br />

Genkopienzahl 1:2, ist der Proband<br />

folglich heterozygot für das RHD-<br />

Gen. In Abbildung 7a ist die Lage<br />

verschiedener fluoreszenzmar-<br />

kierter DNA-Sonden wiedergege-<br />

ben, mit denen eine solche Mes-<br />

sung durchgeführt werden kann.<br />

Bedingt durch die hohe Anzahl von<br />

varianten RHD-Allelen gibt es leider<br />

RHD-Varianten, bei denen einzelne<br />

Exons fehlen können. Aus diesem<br />

Grund ist es empfehlenswert, die<br />

Untersuchung an zwei unterschied-<br />

lichen Exons durchzuführen. In Ab-<br />

bildung 7b ist die Auswertung in-<br />

nerhalb einer Probandenstudie in<br />

Form einer Skizze wiedergegeben.<br />

Die blauen Kreuze symbolisieren<br />

dabei DNA-Proben von heterozy-<br />

goten RhD-positiven Kindern von<br />

RhD-negativen Müttern. Aufgrund<br />

der hohen Allelvariabilität im Rhe-<br />

suskomplex – zur Zeit sind über 150<br />

�Ct (TET-FAM)<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 RHD<br />

DNA-Sonden<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

<strong>Rhesus</strong> D, heterozygot RHCE, homozygot<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

Quantitative Bestimmung der RHD-Zygotie<br />

Auswertetabelle für die RHD-Zygotie<br />

D-homozygot<br />

Varianten bekannt – kann eine ex-<br />

akte Bestimmung der Zygotie des<br />

RHD-Gens, insbesondere bei Pro-<br />

ben mit afrikanischem Ursprung,<br />

sehr komplex werden. Die Ergeb-<br />

nisse laufender internationalen<br />

Studien werden zeigen, welche der<br />

D-heterozygot<br />

0 70 140 210 280 350 420 490<br />

RHCE<br />

Beispiel: �C T -3,0<br />

x = <strong>Rhesus</strong> D<br />

positive DNAs<br />

(homo- und<br />

heterozygot)<br />

x = <strong>Rhesus</strong> D<br />

positive Kinder<br />

von <strong>Rhesus</strong>-D<br />

negativen Müttern<br />

Abbildung 7b<br />

Bei Verwendung der Real-Time-PCR wird gemessen, bei welchem PCR-Zyklus das Amplifi kat sicher<br />

nachgewiesen werden kann. Je mehr Ausgangsmaterial vorhanden ist, desto früher ist ein Signal (CT)<br />

messbar. Aus den Unterschieden zwischen den Signalen (�CT) lässt sich bestimmen, ob die DNA für ein<br />

defi niertes Exon einfach oder doppelt vorkommt.<br />

Homozygote Probanden zeigen (�CT) Messwerte zwischen +2 und -1.<br />

Heterozygote Probanden zeigen (�CT) Messwerte zwischen -2 und -4.<br />

Die <strong>Rhesus</strong> D-positiven Kinder von <strong>Rhesus</strong> D-negativen Müttern sind RHD-heterozygot.<br />

Die blauen Kreuze liegen alle in der unteren Hälfte der Auswertetabelle.<br />

beiden genannten Methoden in<br />

praxi die sichersten Ergebnisse<br />

liefert.<br />

›<br />

Die Literaturhinweise fi nden Sie im<br />

Internet zum Download<br />

www.drk.de/blutspende<br />

❯❯❯<br />

25<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯ Kongressbericht<br />

Neuntes wissenschaftliches Symposium der Forschungsgemeinschaft<br />

der DRK-Blutspendedienste zum Thema Hämovigilanz in Dresden<br />

26<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Dr. Andreas Karl<br />

DRK-Blutspendedienst Ost gGmbH<br />

Institut für Transfusionsmedizin Plauen<br />

Im November 2005 führte die Forschungsgemeinschaft<br />

der DRK-Blutspendedienste<br />

ihr neuntes wissenschaftliches Symposium<br />

in Dresden durch. Im Mittelpunkt des<br />

Symposiums stand in diesem Jahr die Hämovigilanz.<br />

Es konnten namhafte Referenten<br />

zu verschiedenen Aspekten dieses<br />

sehr wichtigen und aktuellen Themas der<br />

klinischen Hämotherapie gewonnen werden.<br />

Ziel des Symposiums war die Vorstellung<br />

verschiedener Hämovigilanzsysteme,<br />

die Fokussierung auf aktuelle Probleme und<br />

Tendenzen bei der Überwachung des Einsatzes<br />

von Blutkomponenten sowie die<br />

Erarbeitung neuer Konzepte für eine weitere<br />

Verbesserung der Qualität in der Transfusionsmedizin.<br />

Der sichere und effektive<br />

Einsatz von Blutprodukten ist heute ohne<br />

ein etabliertes und effi zientes Hämovigilanzsystem<br />

undenkbar.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Hämovigilanz; DRK-Forschungsgemeinschaft;<br />

Hämotherapie; Transfusions-<br />

Nebenwirkungen<br />

In November 2005, the ninth scientifi c<br />

symposium of the research foundation of<br />

the blood transfusion services of the German<br />

Red Cross took place at the Dresden<br />

congress center. Well-known national and<br />

international speakers discussed relevant<br />

aspects of haemovigilance, a current and<br />

important topic in clinical hemotherapy.<br />

During the symposium, European<br />

haemovigilance systems and data were<br />

presented as well as basic principles in<br />

infection epidemiology, clinical transfusion<br />

medicine, immunohaematology, virology and<br />

other closely related fi elds. Novel developments<br />

and perspectives for the ongoing<br />

improvement of quality and safety of<br />

haemotherapy were discussed. Safe and<br />

effective modern haemotherapy today<br />

requires an established and effi cient<br />

haemovigilance system.<br />

Keywords:<br />

haemovigilance; research foundation of<br />

the German red cross; haemotherapy;<br />

adverse events of transfusion<br />

Am 04. November 2005 führ-<br />

te die Forschungsgemeinschaft<br />

der DRK-Blutspendedienste ihr<br />

neuntes wissenschaftliches<br />

Symposium in Dresden unter der<br />

Leitung von Prof. Dr. E. Seifried,<br />

Frankfurt am Main, durch. Im Mit-<br />

telpunkt des Symposiums stand<br />

in diesem Jahr die Hämovigilanz.<br />

Es konnten namhafte Referenten<br />

zu verschiedenen Aspekten die-<br />

ses sehr wichtigen und aktuellen<br />

Themas der klinischen Hämothe-<br />

rapie gewonnen werden. Ziele des<br />

Symposiums waren die Vorstellung<br />

verschiedener Hämovigilanzsys-<br />

teme, die Fokussierung auf aktuelle<br />

Probleme und Tendenzen bei der<br />

Überwachung des Einsatzes von<br />

Blutkomponenten sowie die Erar-<br />

beitung neuer Konzepte für eine<br />

weitere Verbesserung der Quali-<br />

tät in der Transfusionsmedizin.<br />

Der sichere und effektive Ein-<br />

satz von Blutprodukten ist heute<br />

ohne ein etabliertes und effi zien-<br />

tes Hämovigilanzsystem undenk-<br />

bar. Die Europäische Kommission<br />

defi niert die Hämovigilanz als<br />

eine Reihe von systematischen<br />

Überwachungsverfahren bei der<br />

Gewinnung, Testung, Verarbei-<br />

tung, Lagerung, Verteilung und<br />

Verabreichung von Blut und Blut-<br />

bestandteilen. Diese Defi nition ist<br />

die Grundlage für den Aufbau na-<br />

tionaler Hämovigilanzsysteme.<br />

Unter Hämovigilanz versteht<br />

man neben der Erfassung und<br />

Bewertung von Nebenwirkungen<br />

bei der Verabreichung von Blut-<br />

und Plasmaprodukten die Über-<br />

wachung des Prozesses einer<br />

sorgfältigen, umfassenden Spen-<br />

derauswahl, der Herstellung,<br />

Prüfung und Freigabe der Blut-<br />

produkte und der Auswahl für<br />

den Empfänger geeigneter und<br />

sicherer Blutkomponenten.<br />

Im Vortrag von Dr. J. C. Faber,<br />

Luxemburg, wurde der aktuelle<br />

Stand des noch im Aufbau befi nd-<br />

lichen europäischen Hämovigi-<br />

lanz-Netzwerkes (EHN) vorge-<br />

stellt. In den letzten Jahren ent-<br />

standen in Europa und Amerika<br />

nationale Hämovigilanzsysteme.<br />

Die große Mehrheit der Europä-<br />

ischen Mitgliedsstaaten hat be-<br />

reits entsprechende Strukturen<br />

zur Überwachung der Hämo-<br />

therapie geschaffen, die sich auf<br />

Grund unterschiedlicher natio-<br />

naler gesetzlicher Rahmenbedin-<br />

gungen inhaltlich unterscheiden.<br />

So sind z. B. in Deutschland und<br />

Schweden Blutprodukte Arznei-<br />

mittel und fallen damit unter das<br />

Arzneimittelgesetz.<br />

Die Erhebung der Hämovigi-<br />

lanzdaten ist zum Teil gesetzlich<br />

geregelt (Deutschland, Frank-<br />

reich) oder erfolgt in anderen Län-


dern (z. B. England, Dänemark,<br />

Benelux-Staaten) auf freiwilliger<br />

Basis. Besonders wichtig ist das<br />

Erfassen und Auswerten der un-<br />

erwünschten Nebenwirkungen.<br />

In zwei Staaten werden alle Ne-<br />

benwirkungen, in den restlichen<br />

Ländern nur schwerwiegende<br />

Reaktionen gemeldet. Nur in drei<br />

Staaten erfolgt eine Meldung von<br />

Verwechslungen („wrong blood<br />

to wrong patient”).<br />

Ebenso werden in einigen<br />

Ländern so genannte „near miss<br />

events” (noch vor erfolgter Trans-<br />

fusion bemerkte Fehler) proto-<br />

kolliert, die zur Verbesserung der<br />

Transfusionssicherheit beitragen.<br />

Eine wichtige Strategie des EHN<br />

zur Umsetzung der EU-Blut-<br />

Richtlinie ist die Information und<br />

Schulung der Mitgliedsstaaten in<br />

jährlichen Fortbildungssemi-<br />

naren.<br />

Inhaltliche Schwerpunkte dieser<br />

Seminare sind die Standardisie-<br />

rung von Prozessen und Melde-<br />

formularen sowie eine Harmoni-<br />

sierung bei der Erfassung und<br />

Auswertung der europäischen<br />

Daten. Ziel ist neben der Verein-<br />

heitlichung der Meldeverfahren<br />

der Aufbau eines europäischen<br />

Frühwarnsystems (rapid alert<br />

system-RAS) zur Erhöhung der<br />

Qualität der Blutprodukte und<br />

Minimierung von Risiken durch<br />

deren Anwendung. Die Ergeb-<br />

nisse und Erfahrungen nationaler<br />

Hämovigilanzsysteme wurden<br />

von Dr. Dorothy Stainsby (Groß-<br />

britannien), Dr. Georges Andreu<br />

(Frankreich) und Dr. Brigitte Kel-<br />

ler-Stanislawski (Deutschland)<br />

vorgestellt.<br />

In Frankreich existiert ein Hämo-<br />

vigilanz-Netzwerk, an dem sich<br />

lokale Kliniken, regionale Koordi-<br />

natoren und nationale Institutionen<br />

wie die Zentrale des französischen<br />

Blutspendedienstes beteiligen. Es<br />

werden die Rückverfolgung von<br />

Blutprodukten, Transfusionsreak-<br />

tionen beim Spender und epide-<br />

miologische Daten der Spender er-<br />

fasst. Vorgestellt wurden die Daten<br />

des Beobachtungszeitraumes 2000<br />

bis 2004. Die Mehrzahl der gemel-<br />

deten Ereignisse sind allergische<br />

Reaktionen beim Empfänger. Über-<br />

tragungen von Infektionserregern<br />

kommen dagegen sehr selten vor.<br />

Zwischen 2000 und 2004 kam es<br />

aufgrund von Fehlern überwie-<br />

gend der transfundierenden Kli-<br />

nik zu AB0-Inkompatibilitäten, die<br />

in sieben Fällen zum Tod des Pa-<br />

tienten führten. Die Gefahr von<br />

transfusionsbedingten Zwischen-<br />

fällen aufgrund bakterieller Kon-<br />

taminationen beträgt 1:296.000.<br />

Im gleichen Zeitraum wurden in<br />

Frankreich sieben Todesfälle<br />

durch Transfusion von bakteriell<br />

kontaminierten Blutprodukten<br />

gemeldet.<br />

Die transfusionsassoziierte akute<br />

Lungeninsuffi zienz wird erst seit<br />

2001 gezielt erfasst. Bis 2004 wur-<br />

den 41 schwere oder tödlich ver-<br />

laufende Nebenwirkungen gemel-<br />

det. Das Risiko einer transfusions-<br />

assoziierten Virusübertragung ist<br />

von 5,82 pro 1 Million Spenden im<br />

Jahr 1994 seit Einführung der NAT<br />

auf 0,85 pro 1 Millionen Spenden<br />

gesunken. Trotz NAT wurden im<br />

Beobachtungszeitraum vier Virus-<br />

übertragungen bestätigt. Epidemi-<br />

ologische Daten zeigen, dass die<br />

HCV-, HBV-, und HIV-Prävalenzen<br />

in der französischen Spenderpo-<br />

pulation seit 1992 kontinuierlich<br />

sinken.<br />

In Großbritannien wurde 1996<br />

durch den britischen Blutspende-<br />

dienst die SHOT-Initiative ins Le-<br />

ben gerufen. In Mittelpunkt dieser<br />

Initiative steht die Verbesserung<br />

❯❯❯<br />

27<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

28<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

der klinischen Anwendung von<br />

Blutprodukten. Mit der SHOT-Stu-<br />

die gelang erstmals eine systema-<br />

tische Analyse wichtiger klinisch<br />

relevanter Hämovigilanzdaten an<br />

einer großen Patientenpopulation.<br />

Mittlerweile nehmen 94 % aller<br />

englischen Krankenhäuser an<br />

dieser Studie teil, von denen 67 %<br />

im Jahr 2004 Berichte abgegeben<br />

haben.<br />

Von insgesamt 2.628 gemeldeten<br />

Vorfällen seit 1996 waren 69,7 % in<br />

der fehlerhaften Anwendung von<br />

Blutprodukten begründet. Daraus<br />

resultierten 20 tödliche Verläufe.<br />

Hauptursache waren Verwechs-<br />

lungen und falsche Zuordnungen<br />

der Blutprodukte zu den jeweili-<br />

gen Patienten. In England wurde<br />

eine Initiative ins Leben gerufen,<br />

die diese Fehler innerhalb der<br />

nächsten 3-5 Jahre um 50 % sen-<br />

ken soll. Hier wird neben einer<br />

sicheren Rückverfolgbarkeit der<br />

Konserven eine Identifi zierung der<br />

Patienten mittels Lichtbild sowie<br />

eine Intensivierung und Verbes-<br />

serung der Ausbildung des Per-<br />

sonals gefordert.<br />

Transfusionsbedingte Übertra-<br />

gungen von Infektionskrankheiten<br />

traten in insgesamt 52 Fällen auf,<br />

wobei mehr als die Hälfte dieser<br />

Reaktionen durch bakterielle Kon-<br />

taminationen bedingt waren, die<br />

in sieben Fällen zum Tode der Pa-<br />

tienten führte. Insgesamt 19 trans-<br />

fusionsbedingte Übertragungen<br />

von Viren wurden seit 1996 doku-<br />

mentiert, davon allein zehn Fälle<br />

einer HBV-Infektion.<br />

Zur Reduktion des Risikos einer<br />

TRALI werden in UK seit 2003/04<br />

nur noch FFP von männlichen<br />

Spendern verwendet. Spender<br />

mit HLA- oder HNA-Antikörpern<br />

werden ausgeschlossen.<br />

Arzneimittelgesetz und Trans-<br />

fusionsgesetz bilden in Deutsch-<br />

land die Grundlage des etablier-<br />

ten Hämovigilanzsystems. Im §15<br />

des Transfusionsgesetzes wird<br />

die Einrichtung eines Qualitätssi-<br />

cherungssystems als Vorausset-<br />

zung defi niert.<br />

Bei der Auswertung der gemel-<br />

deten Nebenwirkungen zeigten<br />

sich gegenüber anderen Hämo-<br />

vigilanzsystemen deutliche Un-<br />

terschiede im Meldeverhalten von<br />

Fehltransfusionen (Incorrect blood<br />

component transfused – ICBT),<br />

von denen 2004 in Deutschland<br />

drei Fälle gemeldet wurden (UK<br />

2004 – 439 gemeldete Fälle).<br />

Im Vortrag von Dr. R. Knels<br />

wurde die Inzidenz von hämoly-<br />

tischen Transfusionsreaktionen<br />

durch Verwechslungen in Deutsch-<br />

land (1:26.500 bis 1:38.000) mit An-<br />

gaben aus England (1:50.000) und<br />

Frankreich (1:94.000) verglichen.<br />

Zur Interpretation der Zahlen<br />

gibt es in Deutschland keine klare<br />

Datenlage, da Fehltransfusionen<br />

nicht meldepfl ichtig sind. In ihren<br />

weiteren Ausführungen für das PEI<br />

ging Frau Dr. Keller-Stanislawski<br />

auf die bakterielle Kontamination<br />

von Blutprodukten ein.<br />

Im Vergleich zum französischen<br />

Hämovigilanzsystem fanden sich<br />

deutliche Unterschiede bei der<br />

Anzahl gemeldeter Reaktionen.<br />

So wurden 1997 in Frankreich 191<br />

Fälle gemeldet, während in Deut-<br />

schland nur insgesamt fünf Neben-<br />

wirkungen beschrieben wurden,<br />

die auf bakterielle Kontamination<br />

zurückzuführen sind.<br />

Von Frau Dr. G. Walther-Wenke<br />

wurden erste Ergebnisse der<br />

GERMS-Studie (German Evalua-<br />

tion of Regular Monitoring Study)<br />

der Forschungsgemeinschaft der<br />

DRK-Blutspendedienste, einer<br />

prospektiven Multicenter-Studie<br />

zur bakteriellen Kontamination<br />

von Thrombozytenkonzentraten,<br />

vorgestellt.Das Kontaminations-<br />

monitoring mit BacT/ALERT (Bio<br />

Merieux) an mehr als 50.000 Throm-<br />

bozytenkonzentraten in neun


Studienzentren (Breitscheid,<br />

Dresden, Frankfurt/Main, Ulm,<br />

München, Münster, Nürnberg,<br />

Oldenburg, Springe) zeigt bei<br />

0,07 % der TK bestätigt positive<br />

Kulturergebnisse. Entgegen<br />

der bisher in der Literatur be-<br />

schriebenen Unterschiede hin-<br />

sichtlich der Kontaminationsrate<br />

von Apherese-Thrombozytenkon-<br />

zentraten und Pool-Thrombozyten-<br />

konzentraten konnten in der pro-<br />

spektiven GERMS-Studie keine<br />

signifi kanten Unterschiede ge-<br />

funden werden.<br />

Aufgrund der Tatsache, dass<br />

die mittlere Inkubationszeit bis<br />

zum positiven Kultursignal 3,8<br />

Tage dauert und bis zu diesem<br />

Zeitpunkt der überwiegende Teil<br />

der TK bereits transfundiert war,<br />

muss die Strategie des Sterili-<br />

tätsmonitorings mittels Kulturme-<br />

thode bezüglich ihrer Effi zienz<br />

kritisch bewertet werden.<br />

Ein möglicher Weg für die zeit-<br />

nahe Testung wäre der direkte<br />

molekularbiologische Bakterien-<br />

nachweis. Die Grenzen der Metho-<br />

de wurden durch einen bedeut-<br />

samen Zwischenfall deutlich.<br />

Zwei als negativ getestete Aphe-<br />

rese-TK aus einer Apherese lösten<br />

bei zwei Patienten schwerwiegen-<br />

de Septitiden aus. Beide TK waren<br />

mit langsam sich vermehrenden<br />

Bakterien der Spezies Klebsiella<br />

pneumoniae kontaminiert, die der<br />

Detektion entgingen. Die klinische<br />

Nachbetrachtung zu allen ande-<br />

ren als bakteriell kontaminiert<br />

einzuordnenden TK zeigte hinge-<br />

gen keinen weiteren Sepsisfall.<br />

Die TRALI scheint auch in Deut-<br />

schland eine wichtige Rolle bei<br />

den schweren Transfusionsreakt-<br />

ionen zu spielen. Um eine bessere<br />

Datenlage zu erhalten, ist vom PEI<br />

eine Studie zur Induktion und Dif-<br />

ferenzierung von TRALI-Reakti-<br />

onen vorgesehen.<br />

In seinem Vortrag gab Prof. J. Bux<br />

zu diesem Aspekt einen zusam-<br />

menfassenden Überblick. So gibt<br />

es zwar immer noch geringfügige<br />

Unterschiede bei der Defi nition<br />

einer TRALI zwischen Nordameri-<br />

ka und Europa, sicher ist jedoch,<br />

dass es für die Diagnose einer<br />

TRALI einer Röntgenthoraxauf-<br />

nahme mit neu aufgetretenen In-<br />

fi ltrationen bedarf. Nach neuen<br />

Erkenntnissen wird eine antikör-<br />

pervermittelte immunogene von<br />

einer nicht-immunogenen Form<br />

unterschieden. Während die oft<br />

lebensbedrohlich verlaufende<br />

immunogene TRALI durch leuko-<br />

zytäre Antikörper (HLA- bzw.<br />

HNA-AK) hervorgerufen wird,<br />

kann die nicht-immunogene TRALI<br />

bei der Transfusion von länger<br />

gelagerten, zellulären Blutpro-<br />

dukten auftreten bzw. bei schwer<br />

kranken Patienten, ohne dass prä-<br />

formierte Antikörper die Granulo-<br />

zyten aktivieren.<br />

Das TRALI-Risiko infolge der<br />

Transfusion von Blutprodukten<br />

kann durch die Selektion der<br />

Spender, aber auch durch die<br />

Auswahl geeigneter Konserven<br />

bei Risikopatienten bereits heute<br />

minimiert werden.<br />

❯❯❯<br />

29<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

30<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Die Auswertung des Paul-Ehrlich-<br />

Institutes (PEI) zur Infektionssicher-<br />

heit von Blutprodukten zeigte, dass<br />

durch die Einführung der PCR so-<br />

wie die Quarantänelagerung von<br />

FFP eine deutliche Verminderung<br />

des Risikos einer Virusübertra-<br />

gung besonders bei HIV und HCV<br />

erreicht wurde. Seit Einführung<br />

der obligatorischen NAT-Testung<br />

wurden bei diesen beiden Virus-<br />

erkrankungen nur ein HVC-Über-<br />

tragungsfall gemeldet.<br />

Etwas anders stellt sich dies bei<br />

der Hepatitis B dar, insbesondere<br />

wurde auf die Gefahr der Über-<br />

tragung einer Hepatitis B durch<br />

„Chronische Low Level Carrier”<br />

hingewiesen. Mit der zwischen-<br />

zeitlich erfolgten Einführung der<br />

Anti-HBc-Testung ist die diagnos-<br />

tische Lücke geschlossen und ein<br />

zusätzlicher Sicherheitsgewinn<br />

erreicht worden.<br />

Frau Dr. Keller-Stanislawski be-<br />

richtete von insgesamt 57 mög-<br />

lichen bzw. gesicherten HBV-In-<br />

fektionen bei Empfängern von<br />

Blutprodukten, von denen neun<br />

durch ein Anti-HBc-Screening<br />

verhindert worden wären. Erste<br />

Erfahrungen beim Einsatz die-<br />

ser Testmethode im Rahmen einer<br />

Multicenterstudie der DRK-Blut-<br />

spendediensteBaden-Württem- berg–Hessen,Berlin-Branden- burg, Nord und Sachsen wurden<br />

von Dr. M. Schmidt präsentiert.<br />

Die Auswahl einer Testmetho-<br />

de, die neben einer hohen Sensi-<br />

tivität auch eine gute Spezifi tät<br />

garantiert, ist für jeden Blutspen-<br />

dedienst von großer Bedeutung,<br />

hilft sie doch, den zu erwartenden<br />

Verlust an Spendern zu minimie-<br />

ren.<br />

Die Studie zeigte, dass die Sen-<br />

sitivität der verschiedenen Tests<br />

vergleichbar war, jedoch bei der<br />

Spezifi tät beträchtliche Unter-<br />

schiede auftraten. Außerdem<br />

wurden regionale Unterschiede<br />

in der Prävalenz von Anti-HBc-<br />

positiven Blutspendern festge-<br />

stellt, die durch die unterschied-<br />

liche Verfahrensweise bei der<br />

HBV-Testung in der Vergangen-<br />

heit erklärbar ist. Seit Beginn der<br />

Routinetestung auf Anti-HBc wird<br />

eine Fall-Kontroll-Studie weiter-<br />

geführt, bei der durch Look-back<br />

untersucht werden soll, ob Anti-<br />

HBc-positive Blutprodukte von<br />

Mehrfachspendern HBV-Infekti-<br />

onen bei den Empfängern verur-<br />

sacht haben. Es wird ein Vergleich<br />

der Prävalenz von Anti-HBc, Anti-<br />

HBs und HBV-DNA zwischen Fall-<br />

und Kontrollgruppe gemacht. An<br />

dieser Studie nehmen die Blut-<br />

spendediensteBaden-Württem- berg–Hessen, NSTOB, Nord und<br />

Sachsen teil.<br />

Die Vorstellung der neuesten<br />

epidemiologischen Daten des<br />

Robert Koch-Institutes von Frau<br />

Dr. Offergeld bestätigten ein sehr<br />

niedriges Infektionsrisiko. Im Jahr<br />

2004 lag der Anteil der bestätigt<br />

positiven Spender pro 100.000<br />

Neuspender für HIV bei 4,8, für<br />

HCV bei 85,3, für HBV bei 156,3<br />

und für Syphilis bei 36,2.<br />

Bei Mehrfachspendern lag er<br />

für HIV bei 0,9, für HCV bei 1,3,<br />

für HBV bei 0,6 und für Syphilis<br />

bei 2,0. Vergleicht man die Daten<br />

für Neuspender über den 6-Jahres-<br />

zeitraum 1999-2004, so erkennt<br />

man einen relativ konstanten Ver-<br />

lauf der HCV-, HBV- und Syphilis-<br />

infektionszahlen. Im Hinblick auf


die HIV-Infektionen war von 1999<br />

bis 2003 ein signifi kanter Anstieg<br />

zu beobachten. Die HIV-Infektions-<br />

zahlen im Jahr 2004 waren wieder<br />

leicht rückläufi g. Dennoch bedarf<br />

dieser Trend der sorgfältigen Be-<br />

obachtung und weiterer Analysen.<br />

Bei den Infektionen unter Mehr-<br />

fachspendern, d. h. Personen, die<br />

im Blutspendedienst mindestens<br />

eine serologische Voruntersuchung<br />

hatten, erkennt man in demselben<br />

Betrachtungszeitraum einen signi-<br />

fi kanten Abfall der HCV-Infektio-<br />

nen zwischen 1999 und 2003.<br />

Die inzidenten HBV-Infektionen<br />

zeigen seit 2001 ebenfalls einen<br />

abfallenden Trend. Hingegen<br />

erkennt man bei den Syphilis-<br />

Infektionen seit 2000 und den<br />

HIV-Infektionen seit 2001 einen<br />

ansteigenden Trend.<br />

Nach wie vor problematisch ist<br />

die Häufung der Neuinfektionen<br />

besonders in den Ballungsgebie-<br />

ten. Als häufi gste nachträglich<br />

angegebene oder vermutete Über-<br />

tragungswege wurden sexuelle<br />

Kontakte unter Männern und he-<br />

terosexuelle Kontakte mit neuen/<br />

unbekannten Partnern identifi -<br />

ziert.<br />

In der Auswertung der Hämo-<br />

vigilanzdaten des DRK-Blutspen-<br />

dedienstes Baden-Württemberg –<br />

Hessen von Dr. W. Sireis wurde<br />

hinsichtlich der epidemiolo-<br />

gischen Situation ein ähnliches<br />

Bild festgestellt. Die Auswer-<br />

tungen zeigten kein höheres Ri-<br />

siko der Infektionsübertragung<br />

bei Apheresespenden im Ver-<br />

gleich zu Vollblutspenden und<br />

keinen Anstieg der HIV-Infekti-<br />

onen in der Spenderpopulation.<br />

Die vorliegenden Look-back-<br />

Daten unterstreichen auch hier,<br />

das die Einführung der Anti-HBc-<br />

Testung besonders durch das Er-<br />

kennen von Spendern mit niedrig<br />

virämischen HBV-Infektionen einen<br />

zusätzlichen Sicherheitsgewinn<br />

erbringt.<br />

Die Implementierung eines Ab-<br />

weichungs- und Risikomanage-<br />

ments in das Qualitätssicherungs-<br />

sytem ist ein wichtiger Schritt zur<br />

Verbesserung von Qualität und<br />

Sicherheit der Blutprodukte.<br />

Professor L. Gürtler wies in<br />

seinem Vortrag auf die zuneh-<br />

menden Herausforderungen hin,<br />

denen sich die Blutspendedienste<br />

durch das Auftreten neuer Krank-<br />

heitserreger stellen müssen. Be-<br />

sonders die immer raschere Ver-<br />

breitung von Infektionen durch<br />

den gestiegenen Reiseverkehr<br />

stellt ein wichtiges Problem für<br />

die Spenderauswahl dar. Von be-<br />

sonderer aktueller Bedeutung<br />

sind Zoonosen, Erkrankungen, die<br />

primär in Tieren verbreitet sind.<br />

Aktuelle Beispiele dafür sind SARS,<br />

vCJD, WNV oder die Infl uenzavi-<br />

ren (H5N1). Wie schwierig sich die<br />

Bekämpfung von Infektionskrank-<br />

heiten darstellt, wird am Beispiel<br />

von Polio deutlich. Trotz effektiver<br />

Impfstoffe treten insbesondere in<br />

Entwicklungsländern immer wieder<br />

Polio-Epidemien auf. Zusammen-<br />

fassend wurde festgestellt, dass<br />

auch in Zukunft neue Infektionser-<br />

reger auftauchen werden, z. B.<br />

durch Mutationen bekannter Viren.<br />

Parallel dazu wird aber auch die<br />

Zahl antiviraler Medikamente und<br />

Vakzine zunehmen, solange diese<br />

kommerziellen Nutzen verspre-<br />

chen.<br />

Das neunte wissenschaftliche<br />

Symposium der Forschungsge-<br />

meinschaft der DRK-Blutspende-<br />

dienste in Dresden zeigte zum<br />

wiederholten Mal eindrucksvoll<br />

die vielfältigen Anstrengungen<br />

und wissenschaftlichen Aktivitäten<br />

der DRK-Blutspendedienste auf<br />

dem Gebiet der klinischen Trans-<br />

fusionsmedizin.<br />

❯❯❯<br />

31<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

32<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Therapie mit Erythrozytenkonzentraten<br />

bei chronischer Anämie<br />

Prof. emerit. Dr. med. Hermann Heimpel<br />

Ehem. Ärztlicher Direktor der <strong>Abteilung</strong><br />

Innere Medizin III, Universitätsklinikum Ulm<br />

Dr. med. Britta Höchsmann<br />

Dr. med. Markus Wiesneth<br />

Institut für Klinische Transfusionsmedizin<br />

und Immungenetik Ulm und<br />

Institut für Transfusionsmedizin,<br />

Universitätsklinikum Ulm<br />

DRK-Blutspendedienst<br />

Baden-Württemberg – Hessen gGmbH<br />

Die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten<br />

ist ein wesentlicher Bestandteil<br />

aller Therapiekonzepte der chronischen<br />

Anämie. Die Langzeitsubstitution trägt<br />

als Palliativmaßnahme entscheidend zur<br />

Erhaltung einer adäquaten Lebensqualität<br />

dieser Patienten bei und ist insbesondere<br />

in klinisch orientierten transfusionsmedizinischen<br />

Einrichtungen ambulant gut<br />

durchführbar.<br />

Transfusion of red blood cells is a<br />

substantial part of all therapeutic<br />

strategies for patients with chronic<br />

anaemia. Long term substitution makes<br />

a signifi cant contribution to guarantee<br />

adequate quality of life also in palliative<br />

care situations. Institutes for transfusion<br />

medicine with a clinical focus are specially<br />

qualifi ed for outpatient transfusions.<br />

Einleitung<br />

Die Behandlung der Anämie durch Substitution allogener Erythrozyten hat sich seit<br />

der Beschreibung der wichtigsten Blutgruppen-Antigene durch Karl Landsteiner im<br />

Jahr 1901 als ein Standardverfahren etabliert, ohne das die weitere Entwicklung so-<br />

wohl der chirurgischen als auch der internistischen Therapie nicht möglich gewesen<br />

wäre. Die zunächst im Vordergrund stehenden wissenschaftlichen und logistischen<br />

Probleme der Verträglichkeit und der Lagerfähigkeit der Blutpräparate sind seit vielen<br />

Jahren für die tägliche Praxis zufriedenstellend gelöst. Wesentliche Schritte waren<br />

dabei die Entdeckung weiterer Blutgruppen-Systeme, wie beispielsweise 1940 des<br />

<strong>Rhesus</strong>-Systems und die Einführung der „Hämotherapie nach Maß“, das heißt eine<br />

Blutkomponententherapie mit Transfusion nur der benötigten Bestandteile in ent-<br />

sprechender Menge und Wirksamkeit. Dieses Konzept wurde Mitte der 70er Jahre in<br />

Deutschland, insbesondere von Andreas Ganzoni, dem damaligen Ärztlichen Direktor<br />

der DRK-Blutspendezentrale Ulm, vorangetrieben (11). Das damit verbundene Ende<br />

der Vollblutära und die gleichzeitige technische Weiterentwicklung mit Blutbeutelsys-<br />

temen anstelle von Flaschen sowie die Verwendung von Additivlösungen zur Lagerung<br />

der Erythrozytenkonzentrate haben den hohen Qualitätsstandard der heutigen Trans-<br />

fusionsmedizin begründet. Die weiteren Anstrengungen konzentrierten sich insbeson-<br />

dere auf die Einführung von Testverfahren zur Vermeidung von mit Blut übertragbaren<br />

Infektionskrankheiten, vor allem der Übertragung von HIV und Hepatitisviren.<br />

Aktuelle Fragen der Therapie mit Blutkomponenten und damit der Erythrozyten-<br />

substitution betreffen vorwiegend die Indikation und die individuelle Anpassung der<br />

Transfusionsdosis, insbesondere seit bei vielen Anämieformen als Alternative zur<br />

Transfusion die Stimulation der autologen Erythrozytenbildung durch erythropoe-<br />

tische Wachstumsfaktoren (Erythropoetin) zur Verfügung steht (7).<br />

Diagnose<br />

„Chronische Anämie“<br />

Der Begriff einer „Chronischen<br />

Anämie” ist in Hinsicht der dabei<br />

auftretenden transfusionsmedizi-<br />

nischen Probleme nur teilweise<br />

eindeutig zu defi nieren. Anämien,<br />

bei denen über Monate oder Jahre<br />

regelmäßig Erythrozyten substi-<br />

tuiert werden müssen, beruhen<br />

überwiegend auf einer vermin-<br />

derten Erythrozytenproduktion<br />

im Rahmen eines therapierefrak-<br />

tären Knochenmarkversagens.<br />

Dazu gehören die seltene Aplas-<br />

tische Anämie (AA), die noch<br />

seltenere isolierte Aplastische


Anämie (PRCA, Pure Red Cell<br />

Aplasia) und Formen des Myelo-<br />

dysplastischen Syndroms (MDS)<br />

mit zunächst isolierter Insuffi zi-<br />

enz der Erythropoese (RA, Refra-<br />

ktäre Anämie) sowie Patienten mit<br />

akuter Leukämie, bei denen nach<br />

einem Rezidiv nur noch eine in-<br />

komplette Remission erreicht wur-<br />

de und die teilweise sekundär ei-<br />

nen MDS-ähnlichen Verlauf zei-<br />

gen. Eine weitere Gruppe bilden<br />

die heute das Erwachsenenalter<br />

erreichenden hereditären Anä-<br />

mien, wie die Thalassämiesyn-<br />

drome. Am häufi gsten sind Patien-<br />

ten mit soliden Tumoren oder Neo-<br />

plasien der Lymphohämatopoese<br />

unter und nach intensiver zyto-<br />

statischer Chemotherapie sowie<br />

nach autologer oder allogener<br />

Blutstammzelltransplantation. Bei<br />

diesen Patienten sind in einem be-<br />

grenzten, allerdings prospektiv<br />

oft nicht genau festzulegenden,<br />

Zeitraum Erythrozyten, meist<br />

gleichzeitig auch Thrombozyten,<br />

zu substituieren (Tabelle 1). Eine<br />

weitere große Gruppe beinhaltet<br />

Patienten im höheren Lebensalter<br />

Patientengruppen mit Erythrozytensubstitution<br />

Gruppe 1<br />

Patienten mit langzeitiger Erythrozytensubstitution (Jahre)<br />

› Aplastische Anämie (AA)<br />

› Isolierte Aplastische Anämie (PRCA, Pure Red Cell Aplasia)<br />

› Myelodysplastisches Syndrom (MDS) mit geringer Progressionstendenz<br />

› Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) mit schwerer Anämie<br />

› Thalassämia major und intermedia<br />

› Pyruvatkinasemangel und andere enzymopenische hämolytische Anämien<br />

Gruppe 2<br />

Patienten mit passagerer Erythrozytensubstitution (Monate)<br />

› Solider oder hämatopoetischer Tumor unter zytostatischer Chemotherapie<br />

› Solider oder hämatopoetischer Tumor mit Palliativtherapie<br />

› Chronisch-myeloproliferatives Syndrom / Idiopathische Myelofi brose<br />

› Nach autologer oder allogener Blutstammzelltransplantation<br />

› Autoimmunhämolytische Anämie<br />

Gruppe 3<br />

Patienten mit interkurrenter Erythrozytensubstitution<br />

› Infektion oder Schwangerschaft bei angeborener hämolytischer oder<br />

dyserythropoetischer Anämie<br />

› Erworbene autoimmunhämolytische Anämie in Teilremission<br />

› Schwere nutritive Anämie (Eisen-, Vitamin B12-, Folsäure-Mangel)<br />

› Renale Anämie bis zum Wirkungseintritt von Erythropoetin<br />

› Alle Erkrankungen der Gruppe 1 ohne ständigen Transfusionsbedarf<br />

›<br />

Tabelle 1<br />

mit Anämie unklarer Genese oder<br />

infolge chronischen Blutverlusts.<br />

Die verbesserte Überlebenszeit<br />

und der damit längere Substituti-<br />

onsbedarf der Patienten mit MDS,<br />

therapierefraktären Leukämien<br />

oder soliden Tumoren haben ins-<br />

gesamt zu einer Zunahme der Pa-<br />

tienten mit chronischem Transfusi-<br />

onsbedarf geführt und den Weg-<br />

fall der Patienten mit z. B. renaler<br />

Anämie, die auf eine Erythropoe-<br />

tinbehandlung ansprechen, mehr<br />

als kompensiert. In der Transfusi-<br />

onsmedizinischen Ambulanz des<br />

Ulmer Instituts hat sich somit die<br />

Zahl der jährlich transfundierten<br />

Erythrozytenpräparate im Zeitraum<br />

1995 bis 2005 mehr als verdoppelt.<br />

Eine Gliederung der transfundierten<br />

Patienten nach der jeweils zugrun-<br />

de liegenden Erkrankung fi ndet<br />

sich in Abbildung 1.<br />

Ziel der Erythrozytensubstitution<br />

Der vorliegende Beitrag be-<br />

schränkt sich auf die Indikationen<br />

zur Erythrozytentransfusion bei<br />

Erwachsenen und Jugendlichen<br />

nach Abschluss der Wachstums-<br />

periode, bei denen Erythrozyten<br />

zur Erhaltung einer ausreichenden<br />

Sauerstoffversorgung der Gewe-<br />

❯❯❯<br />

33<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

34<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Diagnosehäufigkeit der Patienten in der Transfusionsmedizinischen<br />

Ambulanz des Ulmer Instituts im Jahr 2005<br />

50%<br />

25%<br />

0%<br />

ALL/AML MDS/cMPS CLL/CML LYMPHOM AA/PNH SONSTIGE BLU/UNK SOLITUM<br />

ALL/AML: Akute lymphatische/myeloische Leukämie<br />

MDS/cMPS: Myelodysplastisches/chronisch-myeloproliferatives<br />

Syndrom<br />

CLL/CML: Chronisch-lymphatische/myeloische<br />

Leukämie<br />

LYMPHOM: Morbus Hodgkin/Non-Hodgkin-Lymphom/<br />

Multiples Myelom<br />

be substituiert werden müssen.<br />

Dagegen umfasst bei Kindern die<br />

Indikation die Gewährleistung<br />

eines normalen Wachstums und<br />

einer normalen Organentwicklung<br />

sowie die Vermeidung von Ent-<br />

wicklungsanomalien des Gesicht-<br />

schädels und klinisch relevanter<br />

extramedullärer Blutbildungsher-<br />

de. Die pädiatrischen Aspekte der<br />

Erythrozytentransfusion werden in<br />

einem separaten Beitrag in einer<br />

der nächsten Ausgaben der „hämo-<br />

therapie” dargestellt.<br />

Ziel der Erythrozytensubstitution<br />

bei den hier betrachteten Patien-<br />

tengruppen ist neben der Reduk-<br />

tion einer anämiebedingten Mor-<br />

talität die Erhaltung einer ausrei-<br />

chenden Leistungsfähigkeit und<br />

Lebensqualität. Beide Parameter<br />

sind verständlicherweise von den<br />

AA/PNH: Aplastische Anämie/Paroxysmale nächtliche<br />

Hämoglobinurie<br />

SONSTIGE: Sonstige (z.B. Leberzirrhose, Niereninsuffizienz)<br />

BLU/UNK: Blutung (z.B. Gl-Blutung, M. Osler) und<br />

Anämie unklarer Genese<br />

SOLITUM: Solide Tumore (Gl, Mamma, Prostata)<br />

Erwartungen und subjektiven Per-<br />

spektiven der Patienten abhängig.<br />

Von ärztlicher Seite sind nicht nur<br />

die akuten Risiken, sondern bei<br />

langzeitig zu erwartender Trans-<br />

fusionsbehandlung insbesondere<br />

die zwangsläufi ge Entwicklung<br />

einer sekundären Hämochroma-<br />

tose und deren Folgen gegenüber<br />

dem Nutzen der Transfusionsthe-<br />

rapie abzuwägen (Abbildung 2).<br />

Pathophysiologie<br />

chronischer Anämien<br />

Im Gegensatz zu akuten Anä-<br />

mien durch Blutverlust oder infol-<br />

ge akuter Hämolyse ist das Ge-<br />

samtblutvolumen bei chronischen<br />

Anämien normal, da die Vermin-<br />

derung des zirkulierenden Ery-<br />

throzytenvolumens durch eine<br />

‹<br />

Abbildung 1<br />

Vermehrung des Plasmavolumens<br />

ausgeglichen wird. Aus Hämato-<br />

krit und Hämoglobinkonzentration<br />

kann also bei chronischen Anä-<br />

mien auf den Grad der Verminde-<br />

rung der Erythrozytenmasse ge-<br />

schlossen werden. Eine Ausnah-<br />

me ist die nicht selten langfristig<br />

transfusionsbedürftige Anämie bei<br />

stark vergrößerter Milz z.B. bei<br />

Patienten mit Myelofi brose. Hier<br />

tritt durch reversible Sequestrati-<br />

on von Erythrozyten in der roten<br />

Pulpa eine Verteilungsanämie be-<br />

reits bei normalen oder sogar er-<br />

höhten Werten der zirkulierenden<br />

Erythrozytenmasse auf. Damit ist<br />

die Beobachtung erklärt, dass bei<br />

diesen Patienten der Anstieg des<br />

Hämatokrits und der Hämoglobin-<br />

konzentration nach Erythrozyten-<br />

transfusion geringer ist, als nach<br />

Körpergewicht und Menge der<br />

transfundierten Erythrozyten zu<br />

erwarten wäre.<br />

Die Tatsache, dass bei der über-<br />

wiegenden Zahl der Patienten mit<br />

chronischer Anämie das Gesamt-<br />

blutvolumen normal ist, unterstreicht<br />

den klinischen Vorteil der heute<br />

ausnahmslosen Verwendung von<br />

„gepackten” Erythrozytenkonzen-


traten anstelle der früher üblichen<br />

Vollbluttransfusionen, unabhängig<br />

von den logistischen Vorteilen. Die<br />

gefürchtete akute Herzinsuffi zienz<br />

durch Volumenüberladung nach<br />

Transfusion spielt, abgesehen von<br />

Ausnahmefällen mit vorbestehen-<br />

der schwerer Herzinsuffi zienz, auch<br />

bei der üblichen Gabe von zwei<br />

Erythrozytenkonzentraten keine<br />

Rolle mehr.<br />

Regulation und Kompensation<br />

der chronischen Anämie<br />

›<br />

Abbildung 2<br />

Ziel aller regulativen Kompensa-<br />

tionsvorgänge bei Anämien ist die<br />

Aufrechterhaltung der Sauerstoff-<br />

versorgung der Gewebe. Diese be-<br />

kannten Adaptationsvorgänge be-<br />

treffen vor allem die Erhöhung des<br />

Herzzeitvolumens. Bei chronischen<br />

Anämien steht in Ruhe – im Gegen-<br />

satz zu akuten Anämien – die Er-<br />

höhung des Schlagvolumens mit<br />

Verminderung des arteriellen Wie-<br />

derstands und Erhöhung der Blut-<br />

druckamplitude im Vordergrund.<br />

Eine zusätzliche Tachykardie tritt<br />

meist nur bei Belastung ein. Die Er-<br />

höhung des Herzzeitvolumens ist<br />

bei herzgesunden Patienten der Hä-<br />

moglobinkonzentration etwa um-<br />

Nutzen-Risiko-Analyse der Erythrozytentransfusion in<br />

Abhängigkeit von der Hämoglobinkonzentration<br />

6 7 Hb<br />

g/dl<br />

9 10<br />

Nutzen Risiko<br />

gekehrt proportional. Eine weite-<br />

re Steigerung ist nur noch einge-<br />

schränkt möglich. Zudem ist die<br />

Sauerstoffbindung des Hämoglo-<br />

bins durch einen Anstieg des ery-<br />

throzytären2,3-Diphosphoglyce- rat verschoben, so dass O2 in den<br />

Kapillaren leichter ans Gewebe ab-<br />

gegeben wird. Trotz der dadurch<br />

bedingten besseren Ausschöpfung<br />

der arteriellen Sauerstoffsättigung<br />

ist aufgrund des erhöhten Fluss-<br />

volumens die arteriovenöse Sauer-<br />

stoffkonzentration vermindert. Die<br />

Lungenfunktion ist auch bei aus-<br />

geprägten chronischen Anämien<br />

ohne vorbestehende Lungener-<br />

krankung nicht verändert.<br />

Aus den geschilderten physio-<br />

logischen Regulations- und Kom-<br />

pensationsvorgängen resultieren<br />

drei wesentliche Folgerungen für<br />

die Indikation und Dosisanpas-<br />

sung der Erythrozytentransfusion<br />

bei chronischen Anämien:<br />

› Die Adaptationsbreite, die<br />

bei vorbestehenden kardio-<br />

pulmonalen Erkrankungen<br />

eingeschränkt ist und im Alter<br />

abnimmt, bestimmt die Anä-<br />

miesymptome.<br />

› Die Anämiesymptome auf-<br />

grund der Erhöhung des Herz-<br />

zeitvolumens sind weniger<br />

bedrohlich als diejenigen infol-<br />

ge einer verminderten Sauer-<br />

stoffversorgung der Gewebe,<br />

insbesondere des Gehirns.<br />

› Die anamnestische Bewer-<br />

tung der Anämiesymptome<br />

(s. Tabelle 2) hat nicht nur den<br />

Ruhezustand, sondern ebenso<br />

die Symptomatik unter Belas-<br />

tung zu berücksichtigen.<br />

❯❯❯<br />

35<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

36<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Indikation zur Erythrozytentransfusion<br />

Die Anämie ist bei vielen chro-<br />

nischen Erkrankungen ein unab-<br />

hängiger Risikofaktor für Morta-<br />

lität und Morbidität. Dies gilt nicht<br />

nur für Anämien durch eine iso-<br />

lierte Insuffi zienz der Erythropo-<br />

ese, sondern auch für die ungleich<br />

häufi geren Erkrankungen der Hä-<br />

matopoese insgesamt, sowie für an-<br />

dere Krankheiten, bei denen die An-<br />

ämie eine von mehreren Folgezu-<br />

ständen ist. Hier ist zunächst nicht<br />

zu entscheiden, ob die Anämie le-<br />

diglich ein die Schwere der Krank-<br />

heit widerspiegelnder Risikoindi-<br />

kator ist oder ob sie über die oben<br />

genannten pathophysiologischen<br />

Abläufe das Risiko direkt erhöht.<br />

Daten aus einigen prospektiv ran-<br />

domisierten Interventionsstudien<br />

bei Patienten mit mäßiger Anämie<br />

und Herzinsuffi zienz, HIV, entzünd-<br />

lichen Darmerkrankungen und an-<br />

deren chronischen Krankheiten<br />

sprechen dafür, dass eine effektive<br />

Behandlung der Anämie zu einer<br />

Verminderung der Mortalität und<br />

der Morbidität – gemessen z. B.<br />

an der Frequenz der Klinikaufent-<br />

halte – und zu einer Verbesserung<br />

der Lebensqualität führt (9). Dage-<br />

gen existieren über den Hämoglo-<br />

bingrenzwert, bei dem eine regel-<br />

mäßige Substitution begonnen wer-<br />

den soll, und über den Zielwert,<br />

der durch die Substitution bei<br />

chronischen Anämien erreicht wer-<br />

den soll, keine experimentellen<br />

Daten.<br />

Die Indikation zur Erythrozyten-<br />

transfusion ist deshalb individuell<br />

zu stellen und abhängig von Fak-<br />

toren wie<br />

› Ursache der Anämie<br />

(Bildungsstörung, Verlust,<br />

Hämolyse)<br />

› Kausale Therapiemöglichkeit<br />

(Eisen, Vitamin B12)<br />

› Ansprechen auf Erythropoetin<br />

› Prognose und Verlauf der<br />

Grunderkrankung<br />

› Dauer der Anämie<br />

(akut, passager, chronisch)<br />

› Schweregrad und klinische<br />

Symptomatik<br />

› Begleiterkrankung<br />

(kardial, pulmonal)<br />

› Kompensationsmöglichkeit<br />

(Alter)<br />

› Leistungserwartungen des<br />

Patienten.<br />

Die folgenden Empfehlungen<br />

beruhen auf eigenen Erfahrungen,<br />

Beobachtungsstudien, teilweise<br />

evidenzbasierten Leitlinien (1,5)<br />

und Analogien zu Empfehlungen<br />

aus der Intensivmedizin, die sich<br />

auf prospektive Studien stützen.<br />

Ein Teil dieser Angaben betrifft<br />

die Indikation zu einer wirksamen<br />

Anämiebehandlung als solche,<br />

schließt also neben der Erythrozy-<br />

tentransfusion die Behandlung mit<br />

Erythropoetinpräparaten ein (7).<br />

Welcher Hämoglobinwert soll<br />

nicht unterschritten werden?<br />

Hämoglobinwert oder Hämato-<br />

krit sind Surrogatmarker für das<br />

eigentliche Behandlungsziel, näm-<br />

lich der Gewährleistung einer<br />

ausreichenden Sauerstoffversor-<br />

gung der Gewebe. Primär richtet<br />

sich die Transfusionsindikation<br />

deshalb nicht nach der Hämoglo-<br />

binkonzentration, sondern nach<br />

den auf der Anämie beruhenden<br />

Symptomen. Unterhalb einer Hb-<br />

Konzentration von 8 g/dl treten re-<br />

gelmäßig Symptome der Hyper-<br />

zirkulation auf, häufi g zusätzlich<br />

Symptome der Hypoxie (Tabelle<br />

2). Darüber hinaus ist bereits bei<br />

Belastungen des täglichen Lebens<br />

die Leistungsfähigkeit erheblich<br />

eingeschränkt. Schwere körper-<br />

liche Arbeit oder stärkere sport-<br />

liche Belastung können zur Hypo-<br />

xie mit möglicherweise lebens-<br />

bedrohlichen Folgen führen. Der<br />

Hämoglobinwert von 8 g/dl wird<br />

deswegen allgemein als die<br />

Schwelle betrachtet, unterhalb<br />

der eine rasch wirksame Behand-<br />

lung der Anämie erfolgen soll (9).<br />

Die Transfusion von Erythrozyten<br />

ist allerdings nur indiziert, wenn<br />

andere, insbesondere kausale Be-


Klassifi kation der Anämiesymptome<br />

Hyperzirkulation › Herzzeitvolumen<br />

› Schlagvolumen<br />

› Herzfrequenz ( )<br />

› Arterieller Widerstand<br />

Gewebehypoxie › Schwindel<br />

› Sehstörung<br />

› Schlafstörung<br />

› Muskelschwäche<br />

› Atemfrequenz<br />

Subjektives Empfi nden › Müdigkeit<br />

› Körperliche Belastbarkeit<br />

handlungsmöglichkeiten ausge-<br />

schöpft sind oder die Zeit bis zu<br />

ihrem Wirkungseintritt zu über-<br />

brücken ist.<br />

Hämoglobingrenzwert und Patien-<br />

tengruppen: Bei einzelnen gut ad-<br />

aptierten jüngeren Patienten der<br />

Gruppe 1 in Tabelle 1 sind auch<br />

Hb-Werte um 7 g/dl zu tolerie-<br />

ren. Bei Patienten der Gruppen 2<br />

und 3 sollen dagegen Hb-Werte<br />

von 8 g/dl in der Regel nicht un-<br />

terschritten werden. Dies gilt ins-<br />

besondere für Patienten mit ver-<br />

minderter Lebenserwartung, bei<br />

denen mögliche Organschäden<br />

durch eine sekundäre Hämochro-<br />

matose voraussichtlich keine Rolle<br />

spielen werden und die Erhaltung<br />

› Zerebrale Leistungsfähigkeit<br />

der Lebensqualität ganz im Vor-<br />

dergrund steht.<br />

Bei Hämoglobinwerten von 8-10<br />

g/dl werden Erythrozyten nur bei<br />

Anämiesymptomen und zusätz-<br />

lichen Risikofaktoren substituiert,<br />

wobei Symptome der Hypoxie im<br />

Hinblick auf die Risiken wie sekun-<br />

däre Herzinsuffi zienz oder Synko-<br />

pen stärker zu bewerten sind als<br />

Symptome der Hyperzirkulation<br />

allein (Abbildung 3).<br />

Welche Einfl ussfaktoren sind<br />

zu beachten?<br />

Ältere Patienten: Unabhängig von<br />

ihrer Genese werden Anämien im<br />

hohen Alter oft erst spät erkannt,<br />

›<br />

Tabelle 2<br />

da die wenig spezifi schen Anä-<br />

miesymptome oft auf im Alter häu-<br />

fi gere kardiopulmonale Erkran-<br />

kungen zurückgeführt werden.<br />

Tatsächlich werden aber im Alter<br />

Anämiesymptome bereits bei hö-<br />

heren Hämoglobinwerten als im<br />

mittleren Lebensalter manifest.<br />

Objektivierbare Folgen der Ge-<br />

webehypoxie, vor allem des Her-<br />

zens, des Gehirns und der Mus-<br />

kulatur können bereits unterhalb<br />

eines Hb-Wertes von 11 g/dl auf-<br />

treten, wie z. B. die Zunahme von<br />

Sturzverletzungen und die Mani-<br />

festation einer vorher nicht beste-<br />

henden Herzinsuffi zienz bei über<br />

70-jährigen Menschen zeigen (8).<br />

Komorbidität: Aus der Pathophy-<br />

siologie der Kompensationsvor-<br />

gänge ist es verständlich, dass<br />

Patienten mit chronischen Erkran-<br />

kungen des Herzens und der Lun-<br />

ge niedrige Hämoglobinwerte<br />

schlechter tolerieren. Hier können<br />

sich die Symptome und Befunde<br />

der Grundkrankheit, welche den<br />

Anämiesymptomen bei Herzge-<br />

sunden ähneln, bereits unterhalb<br />

eines Hb-Wertes von 11 g/dl ver-<br />

stärken und Komplikationen wie<br />

lebensbedrohlichen Herzrhyth-<br />

musstörungen oder einem Myo-<br />

kardinfarkt vorausgehen (17).<br />

Häufi g ist erst unter einer wirk-<br />

samen Anämietherapie zu ent-<br />

scheiden, welchen Anteil die<br />

❯❯❯<br />

37<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

38<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Anämie auf die Symptomatik und<br />

damit auf die Gefährdung des Be-<br />

troffenen hat. Die sorgfältige Be-<br />

obachtung und die Dokumentation<br />

der symptomorientierten Anam-<br />

nese sind unter einer Transfusi-<br />

onstherapie deshalb für deren<br />

Fortführung und für die Anpas-<br />

sung der Transfusionsintervalle<br />

zur Therapieüberwachung ent-<br />

scheidend.<br />

Indikation zur Erythrozytentransfusion bei<br />

chronischer Anämie<br />

Klinische<br />

Symptomatik<br />

Berufl iche und sportliche Aktivität:<br />

Viele Patienten mit chronischen<br />

Anämien, vor allem der Gruppe 1<br />

(Tabelle 1), wollen so lange wie<br />

möglich, auch unter regelmäßigen<br />

Transfusionen, in ihrem Beruf ver-<br />

bleiben. Eine angepasste sport-<br />

liche Tätigkeit wird ebenfalls häu-<br />

fi g gewünscht und ist von ärzt-<br />

licher Seite zu unterstützen. Der<br />

untere Schwellenwert der Hb-<br />

Konzentration und die Transfusi-<br />

Hämoglobin<br />

g/dl<br />

onsabstände sollten den Erwar-<br />

tungen des Patienten angepasst<br />

werden, wobei vor allem die hö-<br />

heren Langzeitrisiken einer ge-<br />

steigerten Transfusionsfrequenz<br />

mit dem Betroffenen in geeigneter<br />

Form zu besprechen sind. Eine<br />

Möglichkeit hierzu bietet die zwin-<br />

gend vorgeschriebene Aufklärung<br />

und schriftliche Einwilligung des<br />

Patienten zur Transfusionstherapie,<br />

bei der das geplante Vorgehen<br />

und die Therapieziele festgelegt<br />

werden können.<br />

Transfusionsindikation<br />

keine >10<br />

selten<br />

Symptombegleitend<br />

8-10<br />

Erkrankungsorientiert<br />

6-8<br />

ausgeprägt


erwünschten Wirkungen defi niert,<br />

die in drei Haupt-Kategorien ein-<br />

geteilt werden: infektiologisch,<br />

immunologisch und kardiovasku-<br />

lär-metabolisch.<br />

Im Vordergrund der unerwünsch-<br />

ten Wirkungen standen bisher<br />

febrile nichthämolytische Transfu-<br />

sionsreaktionen, die seit Einfüh-<br />

rung der generellen Leukozyten-<br />

depletion aller Blutpräparate im<br />

Jahre 2001 deutlich abgenommen<br />

haben. Durch Bescheid des Paul-<br />

Ehrlich-Instituts vom 14.09. 2000<br />

wurde festgelegt, dass alle zellu-<br />

lären Blutprodukte einer Leuko-<br />

zytendepletion zu unterziehen<br />

sind und nur noch < 10 6 Leukozy-<br />

ten pro Einheit aufweisen dürfen.<br />

Durch diese Maßnahme wurden<br />

nicht nur die febrilen nichthämo-<br />

lytischen Transfusionsreaktionen,<br />

sondern auch andere Risiken wie<br />

die Sensibilisierung gegen HLA-<br />

Antigene und die Übertragung<br />

von zellständigen Viren wie dem<br />

Cytomegalievirus deutlich redu-<br />

ziert. Die Übertragung von Virus-<br />

infektionen, insbesondere von He-<br />

patitis B, C und HIV, konnte durch<br />

entsprechende Spenderauswahl-<br />

kriterien und die Einführung der<br />

PCR-Testung minimiert werden.<br />

So wurden dem Paul-Ehrlich-Insti-<br />

tut in den Jahren 2000 bis 2004 für<br />

Deutschland nur noch zwölf Fälle<br />

einer HBV-, ein Fall einer HCV-<br />

und kein Fall einer HIV-Übertra-<br />

gung mit Blutprodukten gemeldet.<br />

Dem stehen für den Zeitraum 1995<br />

bis 2004 insgesamt 15 Todesfälle<br />

durch bakterielle Kontaminationen<br />

gegenüber, die allerdings vorwie-<br />

gend bei Thrombozytenkonzentra-<br />

ten auftraten (16). Die französischen<br />

Hämovigilanzdaten geben für Ery-<br />

throzytentransfusionen ein bakte-<br />

rielles Kontaminationsrisiko von<br />

1:0,1 Mio. mit einer Letalität von<br />

1:1,4 Mio. an (2), das allerdings<br />

durch Einführung des sog. „Predo-<br />

nation Sampling” im Juli 2003 wei-<br />

ter reduziert wurde. Hierbei wird<br />

nach der Venenpunktion zur Blut-<br />

spende die erste Blutprobe, die<br />

möglicherweise mit der Hautstan-<br />

ze kontaminiert ist, für diagnosti-<br />

sche Zwecke verwendet und erst<br />

danach das Blut in den Sammel-<br />

beutel geleitet.<br />

Im Vordergrund der heutigen<br />

Transfusionsrisiken stehen bei<br />

der Erythrozytensubstitution die<br />

Verwechslung, wobei 70 % der<br />

Fehler im Klinikbereich und 30 %<br />

im Laborbereich liegen (18). Die<br />

Häufi gkeit hämolytischer Reakti-<br />

onen beträgt etwa 1:10.000, die<br />

in 60 % der Fälle akut und in 40 %<br />

verzögert auftreten. Das Risiko ei-<br />

ner AB0-Verwechslung wird der-<br />

zeit mit 1:90.000 beziffert, was für<br />

Deutschland bei ca. 4,5 Mio. Ery-<br />

throzytentransfusionen jährlich 50<br />

schwere Zwischenfälle bzw. drei<br />

Todesfälle bedeuten würde (12).<br />

Die Britische Meldestelle für Ne-<br />

benwirkungen von Bluttransfusio-<br />

nen SHOT (Serious Hazards of<br />

Transfusion www.shot-uk.org) hat<br />

seit Einführung der Leukozyten-<br />

depletion nur noch einen Fall ei-<br />

ner transfusionsassoziierten GvHD<br />

(Graft versus Host Disease) und<br />

zwei Fälle (1997 und 1999) einer<br />

Übertragung von TSE (Transmis-<br />

sible Spongiforme Encephalopa-<br />

thie) dokumentiert. Das Risiko<br />

einer transfusionsassoziierten aku-<br />

ten Lungeninsuffi zienz (TRALI) be-<br />

steht auch bei plasmaarmen Prä-<br />

paraten wie Erythrozytenkonzen-<br />

traten, ist jedoch bei diesen sehr<br />

gering (6). In der Transfusionsam-<br />

bulanz des Ulmer Instituts wurde<br />

bei über 25.000 Erythrozyten-<br />

transfusionen weder ein Fall von<br />

TRALI noch eine akute hämoly-<br />

tische Transfusionsreaktion bzw.<br />

eine Verwechslung beobachtet.<br />

Akute Volumenbelastung: Auch<br />

bei der Transfusion von Erythro-<br />

zytenkonzentraten steigt das Ge-<br />

samtblutvolumen zunächst analog<br />

der transfundierten Menge an und<br />

kehrt nach etwa 48 Stunden wie-<br />

der auf die Ausgangswerte zurück.<br />

Gleichzeitig erhöht sich vorüber-<br />

gehend der zentrale Venendruck<br />

(14). Diese Veränderungen bleiben<br />

❯❯❯<br />

39<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

40<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

im Allgemeinen ohne Symptome.<br />

Eine durch Volumenüberladung<br />

bedingte Verminderung der<br />

Vitalkapazität kommt bei der üb-<br />

lichen Begrenzung auf zwei Ery-<br />

throzytenpräparate pro Transfusi-<br />

onstermin nicht vor. Trotzdem ist<br />

bei alten Menschen und solchen<br />

mit vorbestehender Herz- und/<br />

oder Niereninsuffi zienz insbeson-<br />

dere in Bezug auf die Transfusi-<br />

onsgeschwindigkeit Vorsicht ge-<br />

boten und die üblicherweise für<br />

ein Erythrozytenpräparat veran-<br />

schlagte Transfusionsdauer von<br />

ca. 45-60 Min. entsprechend zu<br />

verlängern (4).<br />

Eisenüberladung<br />

und sekundäre<br />

Hämochromatose<br />

Die tägliche Eisenaufnahme<br />

und Eisenausscheidung des er-<br />

wachsenen Mannes liegt bei etwa<br />

1 mg, die der Frau im Menstrua-<br />

tionsalter bei 2 mg. Die Ausschei-<br />

dung des Eisens ist nicht reguliert.<br />

Die Homöostase des Körpereisens<br />

beruht ausschließlich auf der in<br />

den vergangenen Jahren gut er-<br />

forschten Aufnahme von Eisen in<br />

den Enterozyten des Dünndarms.<br />

Ein Erythrozytenkonzentrat ent-<br />

hält ca. 200-250 mg Eisen. Bei<br />

einer Transfusion mit zwei Kon-<br />

zentraten wird also etwa der Jah-<br />

resbedarf eines Gesunden ver-<br />

abreicht. Selbst eine regulative<br />

Verminderung der Eisenaufnah-<br />

me, die aber gerade bei vielen Pa-<br />

tienten der Gruppe 1 (Tabelle 1)<br />

aufgrund der Regulationsstörung<br />

nicht eintritt, kann die Zunahme<br />

des Eisenbestands nicht verhin-<br />

dern. Anders ist die Situation bei<br />

einem Teil der Patienten in Grup-<br />

pe 2, bei denen chronische Blut-<br />

verluste aufgrund einer Throm-<br />

bozytopenie zu einem Eisenver-<br />

lust führen, aber gleichzeitig zur<br />

Transfusionsbedürftigkeit beitra-<br />

gen.<br />

Der gesamte Eisenbestand des<br />

Körpers liegt beim Gesunden bei<br />

40-50 mg/kg, entsprechend einem<br />

Gesamtkörpereisen von 3-4 g.<br />

Bei regelmäßiger Erythrozyten-<br />

gabe steigt das Gesamtkörperei-<br />

sen unvermeidbar entsprechend<br />

der transfundierten Erythrozyten-<br />

menge an. Da der an Hämoglobin<br />

gebundene Anteil beim Gesunden<br />

auf etwa 2 3 des Eisenbestandes<br />

begrenzt ist, führt die wiederholte<br />

Transfusion zu einer ständigen Zu-<br />

nahme des Speichereisens in der<br />

Leber, zur Sättigung des Transfer-<br />

rins und zum Auftreten von nicht-<br />

transferringebundenem Eisen im<br />

Serum. Nicht-transferringebun-<br />

denes Eisen wird auch in Organen<br />

abgelagert, die nicht zu den phy-<br />

siologischen Speichergeweben<br />

gehören, und führt dort durch die<br />

Bildung von aktiven Radikalen zu<br />

schwerwiegenden Funktionsstö-<br />

rungen. Die klinisch relevanten<br />

Folgen, vor allem die vor der An-<br />

wendung von Eisenchelatoren<br />

häufi g tödliche Kardiomyopathie,<br />

die Leberzirrhose, der Insulin-<br />

mangeldiabetes und die Hypothy-<br />

reose, drohen ebenso wie bei nicht<br />

durch Transfusionen bedingter<br />

Hämochromatose bei einem Spei-<br />

chereisengehalt von 10-30 g (10).<br />

Dies entspricht der Eisenmenge,<br />

die nach etwa 50 Erythrozytenkon-<br />

zentraten oder durch Transfusion<br />

von zwei Einheiten pro Monat in<br />

zwei Jahren erreicht wird. Da bei<br />

einem Teil der Patienten aller drei<br />

Gruppen der Speichereisengehalt<br />

bereits vor dem Beginn regelmä-<br />

ßiger Transfusionen erhöht ist<br />

und vorbestehende Gewebeschä-<br />

den die Toxizität des Eisens erhö-<br />

hen können, sind Organschäden<br />

auch schon nach einer geringeren<br />

Transfusionsmenge möglich.<br />

Eisendepletionsbehandlung<br />

Durch eine rechtzeitig begon-<br />

nene und konsequent durchge-<br />

führte Behandlung mit Eisenche-<br />

latoren lassen sich Organschäden<br />

vermeiden und die Lebenserwar-<br />

tung der Patienten aus Gruppe 1<br />

normalisieren (15). Trotz der nur<br />

begrenzt verlässlichen Korrelation


zur Menge des Speichereisens hat<br />

sich die Bestimmung des Serum-<br />

ferritins als Routinemethode zur<br />

Überwachung des Eisenstatus bei<br />

chronischer Transfusion bewährt,<br />

insbesondere wenn der Verlauf be-<br />

rücksichtig und aus der Verlaufs-<br />

kurve herausfallende Einzelwerte<br />

kritisch gewertet werden. Bei ste-<br />

tigem Anstieg des Serumferritins<br />

in einer Situation, in der mit einer<br />

Fortführung des Transfusionspro-<br />

gramms zu rechnen ist, sollte bei<br />

Erreichen eines durch Kontrollen<br />

bestätigten Wertes von 1.000 ng/ml<br />

mit einer Eisendepletionsbehand-<br />

lung begonnen werden.<br />

Die meisten Erfahrungen liegen<br />

für Deferoxamin (Desferal ® ) vor.<br />

Wegen der kurzen Halbwertszeit<br />

und der Notwendigkeit des Myo-<br />

kardschutzes ist ein Wirkspiegel<br />

langzeitig aufrechtzuerhalten, so<br />

dass Deferoxamin als Dauerinfusi-<br />

on gegeben werden muss. Üblich<br />

ist eine Anfangsdosis von 40 mg/kg<br />

täglich in Form einer mindestens<br />

8-stündigen subkutanen Infusion<br />

an 5 -7 Tagen in der Woche. Wegen<br />

der damit verbundenen Umstände<br />

und gelegentlich auftretender Lo-<br />

kalreaktionen ist die Compliance<br />

allerdings nicht befriedigend. Auf-<br />

grund der Gefahr irreversibler<br />

Schädigung des Hör- und Sehver-<br />

mögens bei absinkenden Serum-<br />

ferritinkonzentrationen sind diese<br />

unter Therapie regelmäßig zu<br />

kontrollieren. Ebenso ist die vor<br />

Beginn erforderliche Audiometrie<br />

in jährlichen Abständen zu wieder-<br />

holen.<br />

Eine Alternative ist Deferiprone<br />

(Deferiprox ® ) in einer Standard-<br />

dosis von täglich 3 x 25 mg/kg (13)<br />

oder einmal pro Tag die Gabe von<br />

20 mg/kg Deferasirox (Exjade ® ).<br />

Letzteres scheint in Hinsicht auf<br />

Wirksamkeit und Nebenwirkungs-<br />

spektrum Vorteile zu bieten. Die<br />

Zulassung für die Behandlung der<br />

transfusionsbedingten Eisenüber-<br />

ladung soll in der EU in Kürze er-<br />

folgen.<br />

Transfusionsmenge und<br />

Transfusionsintervalle<br />

Transfundierte allogene Erythro-<br />

zyten werden ebenso wie autologe<br />

Erythrozyten mit einer Rate von<br />

etwa 1 % abgebaut, da eine alters-<br />

gemischte Zellpopulation transfun-<br />

diert wird. Allerdings liegt die<br />

Wiederfi ndungsrate nach Transfu-<br />

sionsende („recovery”) bei etwa<br />

90 % des theoretisch anzunehmen-<br />

den Wertes und sinkt nach 4-wö-<br />

chiger Lagerungszeit auf etwa 80 %<br />

ab. In einem theoretischen Modell<br />

steigt das zirkulierende Erythro-<br />

zytenvolumen bei einem normal-<br />

gewichtigen Erwachsenen mit ei-<br />

ner Anämie von 8g/dl von einem<br />

Ausgangswert von 1.000 ml nach<br />

Transfusion einer Einheit mit<br />

200 ml um 8 % an. Der Hämoglobin-<br />

wert steigt nach Normalisierung<br />

des zunächst erhöhten Gesamt-<br />

blutvolumens um etwa 1 g/dl bzw.<br />

der Hämatokrit um 3 % (14). Eine<br />

Halbierung dieses Transfusions-<br />

effektes ist nach etwa 50 Tagen<br />

zu erwarten. Auch wenn man die<br />

Verminderung einer noch vorhan-<br />

denen autologen Restproduktion<br />

berücksichtigt, sollte die übliche<br />

Gabe von zwei Einheiten in 4-wö-<br />

chigen Abständen ausreichen, um<br />

die Hämoglobinkonzentration zwi-<br />

schen dem Grenzwert von 8 g/dl<br />

und einem Posttransfusionswert<br />

von 10-11 g/dl zu halten. Die Pra-<br />

xis zeigt allerdings, dass der tat-<br />

sächliche Transfusionsbedarf bei<br />

manchen Patienten fast doppelt so<br />

hoch ist, wie das Beispiel der in<br />

Abbildung 4 dargestellten 82-jäh-<br />

rigen Patientin mit MDS belegt, die<br />

in ca. 2-wöchigen Abständen Ery-<br />

throzytentransfusionen erhält. Ein<br />

geringerer Anstieg fi ndet sich ins-<br />

besondere bei Patienten mit deut-<br />

lich vergrößerter Milz oder immu-<br />

nologisch bedingter Hämolyse. In<br />

Fällen mit rascherem Abfall in den<br />

Tagen und Wochen nach Transfusi-<br />

on ist an unbemerkte Blutverluste<br />

oder beschleunigten Abbau durch<br />

anti-erythrozytäre Antikörper zu<br />

denken, die durch die Transfusion<br />

❯❯❯<br />

41<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

42<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

primär oder sekundär gebildet<br />

wurden. Hierbei kommt es zu an-<br />

ti-erythrozytären Antikörpern ins-<br />

besondere gegen Rh-Untergrup-<br />

pen, Kell, Duffy oder Kidd, d. h.<br />

Blutgruppensysteme, die bei Vor-<br />

transfusionen nicht berücksichtigt<br />

wurden (14,18). Bei chronischen<br />

Transfusionsempfängern sollten<br />

deshalb Rh-Untergruppen und<br />

Kell grundsätzlich bereits im Vor-<br />

feld beachtet werden.<br />

Sonderpräparate<br />

Zur Risiko-Minimierung sind für<br />

spezielle Patientengruppen Son-<br />

derpräparate erforderlich, die z. B.<br />

die Auswahl Anti-CMV negativer<br />

Spender oder die Bestrahlung der<br />

Blutpräparate zur Prophylaxe einer<br />

Spender gegen Wirt-Reaktion (GvH)<br />

erfordern. Die Indikationen hierfür<br />

‹<br />

Abbildung 4<br />

82-jährige Patientin mit<br />

Diagnose MDS vor 2 Jahren und<br />

seither 101 Erythrozyten- und<br />

114 Thrombozytentransfusionen<br />

(Veröffentlichung mit Einverständnis der Patientin)<br />

werden jeweils aktuell in den Leit-<br />

und Richtlinien (4,5) zur Therapie<br />

mit Blutprodukten festgelegt. Eine<br />

Indikation für gewaschene Ery-<br />

throzytenkonzentrate besteht auf-<br />

grund des minimalen Restgehaltes<br />

an Plasma in den heutigen Erythro-<br />

zytenkonzentraten nicht mehr. Im<br />

Gegensatz zur früheren Forderung<br />

gilt dies auch für Patienten mit PNH<br />

(3). Lediglich bei relevanten An-<br />

tikörpern gegen Plasmaproteine<br />

wie z. B. IgA ist eine Entfernung<br />

des Rest-Plasmagehalts durch Wa-<br />

schung der Erythrozytenkonzent-<br />

rate indiziert. Das Gleiche gilt für<br />

die Anwärmung der bei +4 °C ge-<br />

lagerten Erythrozytenkonzentrate,<br />

die nur bei klinisch relevanten Käl-<br />

teantikörpern erforderlich ist.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Erythrozytentransfusion bei<br />

chronischer Anämie ist eine effek-<br />

tive und sichere Behandlungsform,<br />

die einen wesentlichen Bestand-<br />

teil der immer wichtiger werden-<br />

den Palliativmedizin darstellt.<br />

Während die Thrombozytentrans-<br />

fusion Blutungsrisiken vermindert,<br />

trägt die Langzeitsubstitution mit<br />

Erythrozyten vorwiegend zur Ver-<br />

besserung und Erhaltung einer er-<br />

strebenswerten Lebensqualität bei.<br />

Dabei richtet sich die Indikation<br />

nicht allein nach dem Hämoglobin-<br />

wert, sondern nach den durch Al-<br />

ter und Komorbidität modifi zierten<br />

Folgeerscheinungen der Anämie<br />

und den Leistungserwartungen<br />

des Patienten. Klinisch orientier-<br />

te transfusionsmedizinische Ein-<br />

richtungen sind aufgrund ihrer<br />

labortechnischen Voraussetzun-<br />

gen besonders geeignet, solche<br />

Transfusionsstrategien ambulant<br />

anzubieten. Nicht zuletzt ein ge-<br />

ringes Verwechslungsrisiko durch<br />

Testung und Anwendung der Prä-<br />

parate in einer Hand und konse-<br />

quentes immunhämatologisches<br />

Screening tragen dazu bei, dass<br />

die Erythrozytensubstitution auch<br />

bei chronisch transfundierten Pa-<br />

tienten eine hohe Sicherheit ge-<br />

währleistet. Unverändert gilt je-<br />

doch für jede einzelne Transfu-<br />

sion:<br />

Das richtige Blut –<br />

Die richtige Zeit –<br />

Der richtige Patient.


Kasuistik einer Langzeitsubstitution bei Aplastischer Anämie<br />

Die hohen Standards und die Möglichkeit einer Langzeitsubstitution mit Blutprodukten belegt das Beispiel eines 50-<br />

jährigen Patienten, bei dem im August 1991 eine erworbene Aplastischen Anämie mit schwerer Leukopenie und substi-<br />

tutionsbedürftiger Thrombozytopenie sowie Anämie diagnostiziert wurde, der auf verschiedene Therapieansätze mit<br />

Steroiden, Cyclosporin, ATG und Interleukin-6 nicht ansprach und keine Option für eine Knochenmarktransplantation<br />

hatte.<br />

Der Patient erhielt allein in der ambulanten Betreuung bis zum Mai 1999 insgesamt 444 Erythrozytenkonzentrate,<br />

1003 Pool-Thrombozytenkonzentrate und 197 HLA-kompatible Apherese-Thrombozytenkonzentrate. Dazwischen lagen<br />

mehrere stationäre Aufenthalte wegen chirurgischen Eingriffen wie einer infektbedingten Kniegelenksarthrodese mit wei-<br />

teren Transfusionen.<br />

Durch eine konsequente palliative Substitutionsstrategie einschließlich Desferaltherapie konnte eine unter diesen Um-<br />

ständen für den Patienten befriedigende Lebensqualität erreicht werden, die im Wesentlichen durch die schwere Granu-<br />

lozytopenie und die dadurch bedingten, zum Teil lebensbedrohlichen Infektkomplikationen beeinträchtigt war. Der Pati-<br />

ent verstarb nach 8-jährigem Krankheitsverlauf mit kontinuierlichem Transfusionsbedarf im Mai 1999 an einer fulmi-<br />

nanten Oberlappenpneumonie.<br />

Die anfangs nicht konsequent verfolgte Leukozytendepletion der Erythrozyten- und Thrombozytenpräparate führte<br />

bei dem Patienten zur Bildung von Anti-HLA-Antikörpern und dadurch bedingten einzelnen, leichten allergischen Reakti-<br />

onen, die HLA-kompatible Thrombozytenkonzentrate erforderlich machten. Anti-erythrozytäre Antikörper manifestierten<br />

sich in einem positiven Coombs-Test und passager nachweisbaren Antikörpern, die bei Nachfolgetransfusionen berück-<br />

sichtigt wurden, so dass es zu keiner hämolytischen Transfusionsreaktion kam.<br />

Die regelmäßige Kontrolle der klassischen Infektmarker ergab bis zum Schluss keinen Hinweis auf eine transfusions-<br />

assoziierte Infektion. Die Eisendepletionstherapie mit Desferal ® wurde anfangs mit der Messung der Eisenausscheidung<br />

im Urin, später allein durch den Verlauf des Serumferritin-Wertes überwacht und gesteuert.<br />

Dieses Beispiel eines Patienten mit Langzeitsubstitution von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten ohne<br />

schwerwiegende transfusionsassoziierte Nebenwirkungen zeigt, dass insbesondere klinisch orientierte Transfusionsmedi-<br />

zinische Einrichtungen mit den entsprechenden labortechnischen Voraussetzungen für diese Art der Palliativmedizin<br />

qualifiziert sind.<br />

Die Literaturhinweise fi nden Sie im<br />

Internet zum Download<br />

www.drk.de/blutspende<br />

❯❯❯<br />

43<br />

Ausgabe 7<br />

2006


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44<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Dr. med. André Fritzsch<br />

Oberarzt<br />

Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt<br />

Klinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie<br />

Christoph Kleinherne, Rechtsanwalt<br />

Kanzlei Dr. Kirchhoff & Kollegen<br />

Im Juni 2005 hat das höchste deutsche<br />

Zivilgericht mit seiner Entscheidung zur<br />

Aufklärungspfl icht nach einer Notfalltransfusion<br />

in der Ärzteschaft eine starke Verunsicherung<br />

erzeugt. Welche Konsequenzen<br />

ergeben sich aus diesem Urteil für die im<br />

Bereich der Hämotherapie tätigen Ärzte.<br />

Oberarzt Dr. André Fritzsch, Dresden beschreibt<br />

aus der Sicht der täglichen Erfahrungen<br />

seine Probleme mit dem Urteil. Im<br />

zweiten Teil erläutert der Medizinjurist<br />

Christoph Kleinherne, Wuppertal die juristischen<br />

Konsequenzen des BGH-Urteils und<br />

stellt dessen aktuellen Bezug zur derzeitigen<br />

Diskussion über eine mögliche vCJK-<br />

Übertragung heraus.<br />

There may be uncertainty as to ermergency<br />

transfusions within the medical fraternity<br />

by the germans high court decision from<br />

june 2005 concerning the dutys to inform<br />

patients. What are the consequences arising<br />

out of these decision? The senior physician<br />

Dr. André Fritzsch, Dresden characterises<br />

his daily experiences with this decision in his<br />

contact to patients. The medical lawyer<br />

Christoph Kleinherne, Wuppertal explained<br />

the high court decision regarding to the<br />

current discussions of a propably vCJK<br />

transmission.<br />

Anscheinend schuldig – Überlegungen<br />

zu einem BGH-Urteil*<br />

Der Einfl uss von Rechtsprech-<br />

ung und Juristen auf den ärztlichen<br />

Beruf hat sich in den letzten Jahr-<br />

zehnten „unbestrittenermaßen in<br />

erschreckendem Ausmaße gestei-<br />

gert” (10). Eher zufällig wurde mir<br />

eine aus Juristenkreisen stammen-<br />

de Kurzinformation über das BGH-<br />

Urteil vom 14.6.2005 (Az: VI ZR 179/<br />

04) (2) zugängig (siehe auch den<br />

Beitrag von RA Ch. Kleinherne in<br />

diesem Heft). Das meines Erach-<br />

tens brisante Thema war Anlass,<br />

mir das Urteil vom Internetauftritt<br />

des BGH per Download zu besor-<br />

gen. Hier fängt schon das Problem<br />

an: Welcher Arzt liest regelmäßig<br />

die BGH-Urteile? Ich nicht – bisher<br />

ist mir aber noch keine andere In-<br />

formation über die Existenz dieses<br />

Urteils zugängig geworden oder<br />

zumindest merkhaft aufgefallen.<br />

Für die tägliche Praxis in einer<br />

transfusionsintensiven Fachrichtung<br />

unserer aufgeklärten/aufklärenden<br />

Medizin ist dieser Richterspruch<br />

zumindest unter forensischen Ge-<br />

sichtspunkten nicht ganz unerheb-<br />

lich. Eigentlich sollten alle transfun-<br />

dierenden Ärzte die Entscheidung<br />

kennen. Unter menschlichen As-<br />

pekten ist die HIV-Infektion eines<br />

Ehepaares, ganz gleich wie es dazu<br />

kam, allemal ein schlimmer Fakt.<br />

Wie aber ist die juristische Bewer-<br />

tung?<br />

Im Urteil wird ausgeführt, dass<br />

der Patient nach erfolgter Notfall-<br />

transfusion auf dem Wege der<br />

nachträglichen Sicherungsaufklä-<br />

rung über die ihm verabreichten<br />

Blutprodukte und die mit der Ver-<br />

abreichung verbundenen Risiken<br />

zu informieren ist. Das dürfte im<br />

Alltag keine Probleme bereiten, da<br />

spätestens beim erforderlichen Ab-<br />

schlussgespräch diese Sachverhal-<br />

te automatisch zur Sprache kom-<br />

men. Allerdings hat ein nicht uner-<br />

heblicher Anteil der Patienten nur<br />

grobe Vorstellungen von roten<br />

Blutzellen, Blutplättchen, Blutplas-<br />

ma und Gerinnungseiweißen. Das<br />

macht die Vermittlung der diffe-<br />

renten Risiken auf einem für den<br />

Patienten fassbaren Niveau zwar<br />

schwieriger, aber so richtig hin-<br />

derlich ist das selten. Die Anzahl<br />

der Patienten, die hier nachfragen,<br />

ist minimal. Vielen genügt bzw.<br />

genügte bisher die Information,<br />

dass „Fremdblut” bzw. „Eiweiße<br />

aus Fremdblut” verwendet wurden.<br />

Deutlich mehr macht es dem ge-<br />

sprächsführenden Arzt Mühe, in<br />

der Fülle der wichtigen mitzutei-<br />

lenden Fakten auch diesen noch


„praxistauglich” so unterzubringen,<br />

dass die anderen behandlungs-<br />

und heilungsrelevanten Fakten nicht<br />

überlagert oder gar verdrängt wer-<br />

den. Das wird vor allem dadurch<br />

schwierig, weil von nun an der Pa-<br />

tient ebenfalls nachträglich über<br />

die mit der Blutprodukteanwen-<br />

dung verbundene Infektionsgefahr<br />

zu informieren ist. Aufklärung ohne<br />

Verunsicherung und ohne Vernied-<br />

lichung wird da schon anspruchs-<br />

voll. Der Patient hat ja keinen Ent-<br />

scheidungsspielraum mehr, ob er<br />

sich dieser Gefahr aussetzen will.<br />

So schicksalhaft, wie ihn der Notfall<br />

ereilte, ereilt ihn nun die Informati-<br />

on, zumindest minimal einer AIDS-<br />

Gefahr ausgesetzt zu sein.<br />

Im Urteil wird aber auch ange-<br />

führt, dem Patienten sei zu einem<br />

HIV-Test zu raten. Sofern der Patient<br />

bisher nicht von sich aus danach<br />

gefragt hat, wird es in der täglichen<br />

Praxis spätestens jetzt schwierig.<br />

Denn wenn der Patient an dieser<br />

Stelle nicht zum Wann, Wo und<br />

Wie interveniert, sollte man wohl<br />

als Arzt für sich klären, ob das<br />

Gespräch in Inhalt und Zusam-<br />

menhang sein Ziel erreicht. Nie-<br />

mand wird bei einem ihm angera-<br />

tenen “AIDS-Test” völlig ruhig<br />

bleiben und ohne Nachfragen ab-<br />

warten. Oft genug ist es schon<br />

schwierig, mit einem Kollegen der<br />

transfusionsintensiven Disziplinen<br />

diese Thematik fachlich und sach-<br />

lich fundiert zu diskutieren, zumal<br />

die Transfusionsmedizin wie alle<br />

medizinischen Teilbereiche einen<br />

rasanten Zuwachs an Faktenwissen<br />

zu verzeichnen hat. Da kommt auch<br />

ein geübter und intensiv invol-<br />

vierterNicht-Transfusionsmedizi- ner schnell an seine Wissensgren-<br />

zen. Befi ndet sich ein (ja medizi-<br />

nisch ausgebildeter) Kollege in der<br />

Rolle des Patienten, erstaunt einen<br />

schon, wie schnell dieser in die<br />

Position eines Laien gerät. Wo aber<br />

liegt beim Patienten die Grenze<br />

zwischen fehlendem (und nicht er-<br />

forderlichem) Faktenwissen einer-<br />

seits und fehlendem Verständnis<br />

bzw. Risikobewusstsein anderer-<br />

seits? Letzteres ist das Aufklä-<br />

rungsziel, um dem Patienten eine<br />

selbstbestimmte Entscheidung zu<br />

ermöglichen. Kann ich von mir<br />

selbst behaupten, eine fachlich<br />

fundierte Risikobeschreibung ab-<br />

geben zu können? Oder ist mein<br />

Foto: eye of science, Reutlingen<br />

mühsam aktualisiertes Wissen ge-<br />

rade wieder überholt durch neue<br />

Zahlen und Erkenntnisse, deren<br />

Veröffentlichung ich (noch) nicht<br />

kenne? Hilft es überhaupt noch<br />

bei der Entscheidung, wenn man<br />

als Arzt oder als Patient die rela-<br />

tiven Infektionsrisiken zahlenmä-<br />

ßig kennt? Entscheidet sich der<br />

aufgeklärte verständnisvolle Pa-<br />

tient anders, wenn er registriert,<br />

dass das (jährlich neu bewertete)<br />

relative Infektionsrisiko für die<br />

HIV-Infektion bei der Erythrozy-<br />

tentransfusion vom DRK-Blutspen-<br />

dedienst durch PCR-Testung und<br />

weitere Veränderungen im Spen-<br />

dewesen von etwa 1:8,5 hochge-<br />

rechnet wahrscheinlich auf nun-<br />

mehr ca. 1:18 Millionen Transfu-<br />

sionseinheiten reduziert wurde?<br />

Oder soll ich dem Patienten lieber<br />

vermitteln, dass das Risiko der He-<br />

patitis B-Übertragung bei 1:0,5 Mil-<br />

lionen Transfusionseinheiten ge-<br />

blieben ist. Für die Hepatitis B wur-<br />

de durch das Votum 31 die Testung<br />

auf Anti-HBc-AK initiiert (6). Hier-<br />

durch wird eine Verbesserung der<br />

Risikokonstellation für die Hepatitis<br />

B erwartet. Risikobewusstsein hat<br />

qualitative und quantitative Struk-<br />

❯❯❯<br />

45<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

* Zum 65. Geburtstag<br />

von Herrn Prof. Dr. med.<br />

habil. Klaus Ludwig am<br />

09.08.2006


❯❯<br />

46<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

turen. Wenn ich einem<br />

jungen Unfallopfer vermit-<br />

teln soll, dass ihm im Rah-<br />

men seiner Behandlung,<br />

bestehend aus Notfallver-<br />

sorgung und defi nitiver<br />

Versorgung mit wochen-<br />

langem und komplikati-<br />

onsreichem Verlauf, zahl-<br />

reiche Erythrozyten- und<br />

Thrombozytenkonzentrate<br />

(Unser „Spitzenreiter” be-<br />

kam insgesamt 200 Ein-<br />

heiten!) sowie gerinnungs-<br />

aktive Plasmen appliziert<br />

werden mussten, fl ankiert<br />

von PPSB- und Einzelfak-<br />

torpräparaten, wird auch<br />

die ärztliche Vorstellungskraft<br />

schnell strapaziert. Aus mensch-<br />

licher Sicht neigen dann wohl alle<br />

zum Credo „Hauptsache überlebt –<br />

lass’ es kommen, wie es kommt”.<br />

Dem Patienten möchte man dann<br />

raten, das Infektionsrisiko schlicht<br />

und einfach zu ignorieren, denn er<br />

hat andere massive alltägliche Pro-<br />

bleme. Juristisch wäre das aber ein<br />

Fauxpas.<br />

Mit dem Rat zum HIV-Test entste-<br />

hen also angesichts des Urteils-<br />

textes zumindest beim Nichtju-<br />

risten, und hier besonders bei uns<br />

Ärzten, unweigerlich zahlreiche<br />

weitere Fragen. Denn schließlich<br />

wissen wir, dass der BGH festlegt,<br />

was zu gehen hat, und nicht, wie<br />

das umsetzbar ist. Dass dieses<br />

„sprechende Recht” auf analoge<br />

Situationen bzw. Sachverhalte zu<br />

übertragen ist, leuchtet ein. In der<br />

täglichen Praxis braucht man aber<br />

klare Antworten, keine theore-<br />

tischen Erwägungen. Wie ist das<br />

also:<br />

? Müssen wir auch den Patienten<br />

mit geplanten Eingriffen, bei denen<br />

sich das von der vorherigen OP-<br />

Aufklärung erfasste Transfusions-<br />

risiko realisiert hat, nachträglich<br />

oder gar gleich bei der Aufklärung<br />

für den Fall einer Blutproduktean-<br />

wendung zu einem HIV-Test raten?<br />

Anderenfalls wären diese Plan-Pa-<br />

tienten schlechter aufgeklärt als<br />

der Notfallpatient.<br />

? Wie soll die Testdurchführung<br />

erfolgen – als ein-<br />

maliger Suchtest, oder<br />

3 mal in Abständen, um<br />

ganz sicher die Entwick-<br />

lung von Antikörpern aus-<br />

zuschließen? Welche Zeit-<br />

räume sollen wir nennen?<br />

Wie soll der Patient in die-<br />

ser Zeit sein Verhältnis zu<br />

seinem Partner/seiner Part-<br />

nerin gestalten? Denn: „In<br />

den Schutzbereich dieser<br />

Aufklärungspfl icht ist nicht<br />

nur der behandelte Patient,<br />

sondern auch dessen zu-<br />

künftiger, zum Behand-<br />

lungszeitpunkt noch nicht<br />

bekannter, Ehepartner einbezo-<br />

gen.” (2)<br />

? Wenn der Patient diesem Hinweis<br />

nachkommen möchte, wer ist<br />

dann zur Ausführung der Testung<br />

auf Verlangen des Patienten ver-<br />

pfl ichtet: der Nachbehandler, der<br />

Hausarzt, die transfundierende Ein-<br />

richtung oder jeder den Patienten<br />

behandelnde Arzt? Oder bleibt aus<br />

logistischen Erwägungen nur der<br />

generelle Hinweis auf die Gesund-<br />

heitsämter? Gemäß der Novelle<br />

2005 der Richtlinien zur Hämothe-<br />

rapie muss bei <strong>Rhesus</strong>-ungleicher<br />

Transfusion der weiterbehandeln-<br />

de Arzt nach 2 – 4 Monaten einen<br />

Antikörpersuchtest veranlassen (8).


? Wer hat für die Kosten der Testung<br />

aufzukommen? Die transfun-<br />

dierende Einrichtung, weil sie die<br />

Prozedur vergütet bekommt, mit<br />

der das Risiko verbunden ist? Oder<br />

die Krankenversicherung des Pa-<br />

tienten unabhängig davon, wann<br />

und wo die Testung erfolgt? Gibt es<br />

gar Unterschiede zwischen GKV<br />

und PKV? Wird mit der Untersu-<br />

chung das Budget des die Unter-<br />

suchung auslösenden niederge-<br />

lassenen Arztes belastet? Wie ist<br />

das mit den Kosten bei einer Tes-<br />

tung im Gesundheitsamt?<br />

? Wie genau sollen bzw. müssen<br />

wir zu den genannten Fragen über<br />

andere transfusionsrelevante Krank-<br />

heiten aufklären? In den letzten Jah-<br />

ren kam es zu einer eminenten Ri-<br />

sikoreduktion bei der Wahrschein-<br />

lichkeit, mittels homologer Blut-<br />

produkte Viruserkrankungen zu<br />

übertragen, was den Fokus auf<br />

bakterielle Erkrankungen verscho-<br />

ben hat (9). Den damals, also im<br />

Jahre 1985, tätigen Ärzten wurde<br />

eine Kenntnis über die Gefahr ei-<br />

ner HIV-Infektion unterstellt, ob-<br />

wohl dieses Risiko wissenschaft-<br />

lich noch gar nicht abschließend<br />

gesichert war. Dem BGH reichte<br />

es aber aus, dass die Gefahr ei-<br />

ner HIV-Infektion in medizinischen<br />

Fachkreisen ernsthaft diskutiert<br />

wurde. Welcher Arzt klärt gemäß<br />

BGH-Urteil für eine Transfusion<br />

bereits mit über die Creutzfeldt-<br />

Jakob-Krankheit (vCJD) auf, wo<br />

doch „zumindest die Möglichkeit<br />

eines solchen Infektionswegs in<br />

medizinischen Fachkreisen ernst-<br />

haft in Betracht gezogen” wird? So<br />

wurde die Thematik mit dem da-<br />

maligen Wissensstand bereits 1998<br />

im Deutschen Ärzteblatt (1) und<br />

ebenfalls 1998 in einer Stellung-<br />

nahme des Arbeitskreises Blut (11)<br />

allen Ärzten zugängig gemacht. In-<br />

zwischen scheint die Übertrag-<br />

barkeit der nvCJD durch Blutpro-<br />

dukte bewiesen zu sein (7). In die<br />

tägliche Aufklärungspraxis hat die<br />

vCJD aber noch keinen Einzug ge-<br />

halten.<br />

? Gilt die rückwirkende Aufklärungspfl<br />

icht ggf. inklusive der<br />

Pfl icht zum Anraten einer Testung<br />

auch (in Analogie) für die statistisch<br />

viel höhere Wahrscheinlichkeit<br />

des Erwerbs von antierythrozy-<br />

tären und antithrombozytären<br />

sowie HLA-Antikörpern? Denn<br />

fraglos ist ein Patient bei einem<br />

erneuten Notfall mit einem aktu-<br />

ellen Nothilfepass und darin ver-<br />

merktem Antikörperstatus im Vor-<br />

teil bei der Bereitstellung von Blut-<br />

produkten. Spätere Transplanta-<br />

tionen (und wer kann schon<br />

vorhersagen, ob ein Patient zukünf-<br />

tig nicht davon betroffen sein wird)<br />

dürften auch relevant sein. Prinzi-<br />

piell kann die erfolgte Antikörper-<br />

aquirierung nämlich ebenfalls<br />

vitale Konsequenzen haben –<br />

dadurch bedingte längere Suche<br />

nach einem passenden Spen-<br />

der(organ) und schlimmstenfalls<br />

Versterben auf der Warteliste. Denn<br />

es ist inzwischen unstrittig gewor-<br />

den, dass wir über sehr seltene,<br />

aber gravierende und besonders<br />

über vitale Risiken aufzuklären ha-<br />

ben!<br />

? Sollten wir aus forensischen<br />

Gründen dem Patienten bzw. dem<br />

gesetzlichen Vertreter (Eltern, Be-<br />

treuer) eine Art Protokoll des Ab-<br />

schlussgespräches und insbeson-<br />

dere der nachträglichen Siche-<br />

rungsaufklärung über die erfolgte<br />

Blutprodukteanwendung, die da-<br />

mit verbundenen Risiken und den<br />

Rat zur HIV-Testung zur Unter-<br />

schrift vorlegen? Müssen wir gar<br />

dokumentieren, zu welchem Zeit-<br />

punkt der Patient den Test durch-<br />

führen lassen soll?<br />

? Ist dem Nachbehandler und/<br />

oder dem Einweiser und/oder dem<br />

Hausarzt mitzuteilen, ob Blutpro-<br />

dukte zur Anwendung kamen und<br />

wie detailliert? Nicht immer liegt<br />

der Idealfall einer Personalunion<br />

dieser drei Funktionalitäten vor. In<br />

welcher „Vorschrift” ist diese Pfl icht<br />

(wie) formuliert?<br />

❯❯❯<br />

47<br />

Ausgabe 7<br />

2006


❯❯<br />

48<br />

Ausgabe 7<br />

2006<br />

Schafft eine Aufklärung in dieser<br />

Form heutzutage nicht eine un-<br />

angebrachte Verunsicherung der<br />

Patienten angesichts des inzwi-<br />

schen deutlich minimierten Risi-<br />

kos einer Infektionsübertragung?<br />

Der Patient ist ohnehin überfl utet<br />

mit Informationen und über weite<br />

Strecken emotional nicht zum Er-<br />

fassen in der Lage. Schon seit über<br />

25 Jahren ist bekannt, dass zum<br />

Beispiel weniger als 20 % elektiv<br />

operierter chirurgischer Patienten<br />

den Inhalt des präoperativen Auf-<br />

klärungsgespräches reproduzieren<br />

können und gar 50 % keinerlei Er-<br />

innerung an den Inhalt haben (4).<br />

Die tägliche Erfahrung mit am<br />

postoperativen Morgen nachfra-<br />

genden Patienten macht diese Zah-<br />

len auch heute noch sehr glaubhaft.<br />

In einer aktuellen Untersuchung (5)<br />

werden gleiche Feststellungen ge-<br />

macht und interessanterweise im<br />

Vergleich zur Situation vor 10 Jah-<br />

ren keine gravierenden Verände-<br />

rungen registriert. Mit 12,6 % (ak-<br />

tive) bzw. 43,5 % (passive = Wie-<br />

dererkennung) Erinnerung an die<br />

Inhalte des Aufklärungsgespräches<br />

war die Nachhaltigkeit der präope-<br />

rativen Aufklärung ist bei allen<br />

Patienten sehr lückenhaft. Teilwei-<br />

se wird deshalb die Meinung ver-<br />

treten, dass durch einen Mangel an<br />

bestehenden bzw. vermittelbarem<br />

Wissen auf Seiten des Patienten als<br />

Grundlage für die Entscheidung<br />

eine vernünftige, wissensbasierte<br />

Entscheidung eine Illusion sei, was<br />

ja auch in einer Großzahl von Studi-<br />

en belegt wurde (3).<br />

Wie soll nun ein Patient damit um-<br />

gehen, wenn ihm zum Beispiel im<br />

Abschlussgespräch einerseits die<br />

Unfallfolgen, die ergriffenen opera-<br />

tiven Maßnahmen mitsamt der re-<br />

sultierenden weiteren Eingriffe<br />

(z. B. Metallentfernungen), der funk-<br />

tionellen und optischen Residuen,<br />

Notwendigkeit von Rehabilitation,<br />

Übungsprogrammen und anderer-<br />

seits die Blutprodukteanwendung<br />

in o. g. Form vor Augen gehalten<br />

werden? Ist-Zustand, Prognose und<br />

Risiken da vernünftig zu gewichten,<br />

ist schwer. Die Fülle auch praktisch<br />

notwendigerweise zu übermitteln-<br />

der Fakten macht selbst erfahrenen<br />

Ärzten zu schaffen. Verteilt man<br />

andererseits die mitzuteilenden<br />

Sachverhalte über den gesamten<br />

Krankenhausaufenthalt, dürfte bei<br />

Entlassung schon manche wichtige<br />

Information verloren sein. Die<br />

„Drohung AIDS-Test” würde aber<br />

sicher überhöht in Erinnerung<br />

bleiben, selbst wenn man sie<br />

„kleinredet”. Real existierende<br />

Zeit- und Organisationsregimes in<br />

Kliniken reduzieren ohnehin die<br />

praktische Machbarkeit umfassen-<br />

der Gespräche im Alltag erheblich.<br />

Die Realität des ärztlichen Alltags<br />

der Patientenversorgung in einer<br />

chirurgischen <strong>Abteilung</strong> ist sehr oft<br />

treffend mit dem Motto eines groß-<br />

en Autoherstellers zu beschreiben:<br />

„Rein – Rauf – Runter – Raus”! Und<br />

mit Umsetzung des Arbeitszeitge-<br />

setzes wird die ärztliche Präsenz<br />

auf Station noch weiter sinken.


Auch für eine Klinikleitung wird<br />

die Aufgabe, den Arbeitsablauf so<br />

zu organisieren, dass einerseits<br />

keine ökonomischen Nöte entste-<br />

hen, andererseits aber Versor-<br />

gungsrealität für die Patienten und<br />

Arbeitsrecht für die Angestellten<br />

noch in Kongruenz zu bringen sind,<br />

durch solche Urteile zunehmend<br />

zur Quadratur des Kreises. Den<br />

Kostenträgern dürfte das Urteil<br />

ebenfalls zu schaffen machen –<br />

wenn als Folge der Aufklärung zu-<br />

nehmend Patienten einen Test auf<br />

Antikörper gegen HIV, Hepatitis-<br />

Viren und ggf. auf irreguläre Anti-<br />

körper einfordern.<br />

Nachwort<br />

Die obigen Gedanken mögen über-<br />

trieben erscheinen. Ohnehin nicht zu<br />

diskutieren ist die Sinnhaftigkeit einer<br />

solchen Rechtsprechung – oder doch?<br />

Jeder Patient soll über seine Erkran-<br />

kung, Verletzung und Behandlung infor-<br />

miert werden. Kein Arzt würde das<br />

anders wollen. Und wahrscheinlich ist<br />

das in einem guten präoperativen Ge-<br />

spräch aufgebaute Vertrauensverhält-<br />

nis der beste Schutz vor einem Schuld-<br />

vorwurf. Was aber in welcher Tiefe<br />

aufzuklären ist, wird selbst für den juris-<br />

tisch interessierten Mediziner immer<br />

schwerer erkennbar und schaffbar. Ei-<br />

nerseits ist das juristische Risiko Trieb-<br />

kraft zur Überfrachtung des Patienten<br />

mit Fakten, andererseits ist ein Zuviel<br />

an Information für die Patienten eher<br />

lähmend oder desorientierend. Eine<br />

(ohnehin nicht mögliche) juristisch<br />

„wasserdichte” Aufklärung inklusive<br />

Dokumentation ist für keinen Patienten<br />

hilfreich – und enthebt sich damit auch<br />

selbst ihrer Gültigkeit, da die Aufklä-<br />

rung (zu Recht) „angemessen” sein soll.<br />

Was nach dem Urteil bleibt, ist ein<br />

noch höheres forensisches Risiko für<br />

Ärzte. Was auch bleibt, ist ein weiterer<br />

Baustein zur Mehrung des Unverständ-<br />

nisses von Ärzten (und Patienten) für<br />

die gültigen „Spielregeln“. Rechtsnor-<br />

men, Rechtsverständnis und Rechts-<br />

empfi nden gehen – je nach Position –<br />

hier deutlich auseinander. Zumindest<br />

ist das Urteil für den in der täglichen<br />

Praxis stehenden Arzt ein Grund mehr,<br />

der Chargen-Dokumentation verstärk-<br />

te Aufmerksamkeit zu widmen.<br />

Die ärztlichen Aufklärungspfl ichten – Neue<br />

weitere Anforderungen bei der Verabreichung<br />

von Blutprodukten?<br />

Mit seinem Urteil vom 14. Juni<br />

2005, Az. VI ZR 179/04, hat der Bun-<br />

desgerichtshof für Verunsicherung<br />

in der Ärzteschaft gesorgt. Das Ge-<br />

richt setzte sich unter anderem mit<br />

der Frage auseinander, wann und<br />

in welcher Form bei der Verabrei-<br />

chung von Blutprodukten eine Auf-<br />

klärung zu erfolgen hat.<br />

Dieser Beitrag soll einige Grund-<br />

lagen der ärztlichen Aufklärungs-<br />

pfl ichten in Erinnerung rufen und<br />

anhand dieser die Bedeutung des<br />

vorgenannten Urteils aufzeigen.<br />

Der Entscheidung lag folgender,<br />

hier nur gekürzt dargestellter Sach-<br />

verhalt zugrunde:<br />

Eine junge Frau, deren heutiger<br />

Ehemann im Juni 1985 nach einem<br />

Motorradunfall notfallmäßig ver-<br />

sorgt werden musste, führte eine<br />

Klage gegen den verantwortlichen<br />

Krankenhausträger. Ihr Ehemann,<br />

den die Klägerin erst drei Jahre<br />

nach dem Eingriff kennen gelernt<br />

hatte, erhielt seinerzeit Frischblut<br />

von drei Spendern sowie mehrere<br />

aus Blutspenden hergestellte Pro-<br />

dukte (Erythrozyten-Konzentrat, GFP,<br />

PPSB und Biseko). Eine präopera-<br />

❯❯❯<br />

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Ausgabe 7<br />

2006


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Ausgabe 7<br />

2006<br />

tive Aufklärung des schwer verun-<br />

fallten Ehemannes über die Ge-<br />

fahren der Verabreichung von Blut-<br />

produkten war nicht möglich. Eine<br />

postoperative Aufklärung mit dem<br />

Hinweis auf die Möglichkeit einer<br />

HIV-Infektion und dem ärztlichen<br />

Rat, einen HIV-Test durchführen zu<br />

lassen, unterblieb. Ende 1997 wur-<br />

den in einer Blutprobe des Ehe-<br />

mannes HIV-Antikörper nachge-<br />

wiesen. Wenig später stellte sich<br />

heraus, dass auch die Klägerin sich<br />

mit HIV infi ziert hatte.<br />

Der Bundesgerichtshof bestätigt<br />

mit seinem Urteil die Haftung des<br />

Krankenhausträgers für Aufklä-<br />

rungsfehler seines ärztlichen Per-<br />

sonals. Bei seiner Entscheidung<br />

ging er davon aus, dass der Ehe-<br />

mann der Klägerin bei der Verab-<br />

reichung der Blutprodukte mit HIV<br />

infi ziert worden sei und den Virus<br />

auf die Klägerin übertragen habe.<br />

Die behandelnden Ärzte hätten die<br />

ihnen auch gegenüber der Kläge-<br />

rin obliegenden Sorgfaltspfl ichten<br />

verletzt, weil sie trotz der vielen<br />

1985 verabreichten Blutprodukte<br />

bei keinem der zahlreichen spä-<br />

teren Krankenhausaufenthalte des<br />

Ehemannes auf die Möglichkeit<br />

einer HIV-Infektion hingewiesen<br />

und zu einem HIV-Test angeraten<br />

hätten. Die Gefahr einer transfusi-<br />

onsassoziierten HIV-Infektion sei<br />

den behandelnden Ärzten Mitte<br />

1985 hinreichend<br />

bekannt gewesen,<br />

zumindest sei sie<br />

in medizinischen<br />

Fachkreisen ernst-<br />

haft diskutiert wor-<br />

den. Die Patienten<br />

hingegen hätten<br />

damals bei der<br />

Verabreichung von<br />

Blutprodukten nicht<br />

an die Gefahr einer<br />

HIV-Infektion den-<br />

ken können. Soweit<br />

also eine präope-<br />

rative Aufklärung<br />

wegen der Notfall-<br />

behandlung nicht<br />

möglich sei, wan-<br />

dele sich die Auf-<br />

klärungsverpflich- tung des Arztes gegenüber dem<br />

Patienten, jedenfalls bei für den<br />

Patienten und dessen Kontaktper-<br />

sonen lebensgefährlichen Risiken,<br />

zu einer Pfl icht zur alsbaldigen<br />

nachträglichen Selbstbestimmungs-<br />

und Sicherungsaufklärung.<br />

Die behandelnden Ärzte hätten<br />

also nach Ansicht des Bundesge-<br />

richtshofes wegen des bei ihnen<br />

bereits im Jahre 1985 vorhan-<br />

denen Kenntnisstandes über die<br />

Gefahr einer transfusionsassozi-<br />

ierten HIV-Infektion aufklären<br />

und zu einem HIV-Test raten<br />

müssen, um so insbesondere<br />

die potentiellen Kontaktperso-<br />

nen des Patienten zu schützen.<br />

Für die heutige Praxis stellt sich<br />

die Frage, ob Patienten im Rahmen<br />

der Aufklärungspfl icht, sei es vor<br />

oder auch nach einer Verabrei-<br />

chung von Blutprodukten, anzura-<br />

ten ist, einen HIV-Test durchführen<br />

zu lassen. Wegen des heute sehr<br />

viel höheren Risikos beispielswei-<br />

se eines Erwerbs von Antikörpern<br />

oder aber auch einer – zum Teil<br />

diskutierten – Übertragung der<br />

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch<br />

die Verabreichung von Spender-<br />

blut, kann das Urteil darüber hi-


naus auch für Aufklärungspfl ichten<br />

in diesen Bereichen äußerst be-<br />

deutsam sein.<br />

Über welche Risiken muss also<br />

aufgeklärt werden und aus wel-<br />

chem Grund? Muss der Arzt tat-<br />

sächlich auch über minimale oder<br />

auch dem Patienten eigentlich be-<br />

kannte Risiken aufklären? Geht die<br />

Pfl icht des Arztes wirklich so weit,<br />

dass er dem Patienten nach der<br />

Verabreichung von Blutprodukten<br />

tatsächlich zu einem HIV-Test raten<br />

muss? Ist die Aufklärung auch über<br />

noch nicht sichere, aber zum Teil<br />

diskutierte Risiken bei der Verab-<br />

reichung von Blutprodukten zwin-<br />

gend notwendig?<br />

Auf diese, in der Ärzteschaft<br />

tagtäglich aufkommenden Fragen,<br />

kann keine allgemeingültige Ant-<br />

wort gegeben werden. Es sollen<br />

daher nachfolgend zunächst einige<br />

relevante Grundzüge der ärzt-<br />

lichen Aufklärungspfl ichten aufge-<br />

zeigt werden, um so das Bewusst-<br />

sein für diese den Ärzten oblie-<br />

gende Aufgabe zu schärfen und<br />

die Bedeutung des hier bespro-<br />

chenen Urteils, bezogen auf das<br />

Jahr 2006, möglicherweise etwas<br />

zu relativieren. Denn eines sollte<br />

nicht in Vergessenheit geraten:<br />

Der Bundesgerichtshof hat einen<br />

Sachverhalt beurteilt, der sich vor<br />

mehr als zwanzig Jahren abspielte.<br />

Ob die insoweit jüngst aufgestell-<br />

ten Anforderungen an die ärztliche<br />

Aufklärungspfl icht, also insbeson-<br />

dere die nachträgliche Sicherungs-<br />

aufklärung in Form des Anratens<br />

zu einem HIV-Test, auch heute noch<br />

in dieser Form gelten würden, muss<br />

zumindest kritisch hinterfragt wer-<br />

den. Schließlich haben sich nicht<br />

nur die Verfahren zur Gewinnung<br />

der Blutprodukte entscheidend ge-<br />

ändert. Auch dem Patienten dürfte –<br />

vorsichtig formuliert – heutzutage<br />

bewusst sein, dass bei der Verab-<br />

reichung von Blutprodukten ge-<br />

wisse Risiken bestehen.<br />

Das Selbstbestimmungsrecht<br />

des Patienten – Die Einwilligung<br />

als Rechtfertigung<br />

Wieso wird von Juristen eigentlich<br />

soviel Wert auf eine ordnungsge-<br />

mäße Aufklärung gelegt? Schließ-<br />

lich sind es doch die Ärzte, die<br />

über das notwendige Fachwissen<br />

verfügen. Aus diesem Grunde steht<br />

ihnen ja auch grundsätzlich die<br />

Freiheit der Therapiewahl zu. Die<br />

Aufklärung wird daher von den<br />

Ärzten oft als lästige und zeitrau-<br />

bende Pfl ichterfüllung beschrie-<br />

ben, nicht zuletzt deshalb, weil die<br />

Patienten bei dem Aufklärungsge-<br />

spräch oftmals überfordert, irritiert<br />

oder gar desinteressiert wirken.<br />

Dennoch: Nach gefestigter Rechts-<br />

sprechung erfüllt auch der gebote-<br />

ne und fachgerecht ausgeführte<br />

Heileingriff diagnostischer wie the-<br />

rapeutischer Art den strafrechtlich<br />

relevanten Tatbestand der Körper-<br />

verletzung. Dieser wird nur durch<br />

eine wirksame Einwilligung des<br />

Patienten zu einem gerechtfertig-<br />

ten Eingriff. Eine solche Einwilli-<br />

gung setzt aber zwingend voraus,<br />

dass eine Aufklärung über die mit<br />

einem medizinischen Eingriff ver-<br />

bundenen Risiken erfolgt, um dem<br />

Patienten so eine Entscheidungs-<br />

freiheit einzuräumen und letztlich<br />

sein Selbstbestimmungsrecht zu<br />

wahren. Wird der Patient bei der<br />

Entscheidungsfi ndung also quasi<br />

übergangen oder nicht vollständig<br />

informiert, droht dem Behandeln-<br />

den unter Umständen ein Strafver-<br />

fahren und ein auf Schadensersatz<br />

gerichtetes, zivilrechtliches Ver-<br />

fahren.<br />

Selbstbestimmungs- und<br />

Sicherungsaufklärung<br />

Von dieser Selbstbestimmungs-<br />

aufklärung ist die im Urteil<br />

des Bundesgerichtshofes erwähnte<br />

Sicherungsaufklärung abzugren-<br />

zen. Diese dient vor allem der<br />

Sicherung des Heilungserfolges<br />

durch die Aufklärung über ein the-<br />

rapiegerechtes Verhalten. Darüber<br />

hinaus wird den behandelnden<br />

Ärzten abverlangt, durch eine ent-<br />

sprechende Aufklärung dafür Sor-<br />

ge zu tragen, dass der Patient und<br />

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Ausgabe 7<br />

2006


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52<br />

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2006<br />

die mit ihm in Kontakt kommenden<br />

Personen nicht geschädigt werden.<br />

Wenn also der Patient eine „Infekti-<br />

onsquelle“ zum Nachteil seiner An-<br />

gehörigen oder weiterer Dritter<br />

darstellt, kann es im Rahmen der<br />

Sicherungsaufklärung geboten sein,<br />

ihm zum Schutze Dritter eine ent-<br />

sprechende „Warnung“ zukommen<br />

zu lassen.<br />

Der Aufklärungszeitpunkt<br />

Der Wahl des richtigen Aufklä-<br />

rungszeitpunktes wird häufi g eine<br />

nur untergeordnete Bedeutung bei-<br />

gemessen. Aus haftungsrechtlicher<br />

Sicht spielt dieser Punkt aber nicht<br />

zuletzt wegen des vielfach verspä-<br />

tet durchgeführten Aufklärungs-<br />

gesprächs eine relativ große Rolle.<br />

Entscheidend ist erneut das Selbst-<br />

bestimmungsrecht des Patienten.<br />

Dieser muss so rechtzeitig aufge-<br />

klärt werden, dass er durch eine<br />

hinreichende Abwägung der für<br />

und wider den Eingriff sprechenden<br />

Gründe seine Entscheidungsfrei-<br />

heit und damit sein Selbstbestim-<br />

mungsrecht in angemessener Wei-<br />

se wahren kann. Das bedeutet im<br />

Ergebnis, dass dem Patienten aus-<br />

reichend Zeit gelassen werden<br />

muss, sich nach der erfolgten Auf-<br />

klärung für oder gegen die vom<br />

Arzt gewählte Therapie zu ent-<br />

scheiden. Wie viel Zeit ausreichend<br />

ist, richtet sich dabei grundsätzlich<br />

nach der Schwere des geplanten<br />

Eingriffes. Als Faustformel kann<br />

hier gelten: Liegen die für die<br />

Operationsindikation entscheiden-<br />

den Voruntersuchungen vor und<br />

hängt der Eingriff nicht mehr von<br />

der Einholung weiterer Befunde ab,<br />

sollte bereits zu diesem – gege-<br />

benenfalls sehr frühen – Zeitpunkt<br />

aufgeklärt werden. Eine Aufklä-<br />

rung erst am Vortag der Operation<br />

kann bei extrem risikobehafteten<br />

Eingriffen verspätet sein. Der Pa-<br />

tient wird durch die ihm erst dann<br />

mitgeteilten Tatsachen regelmäßig<br />

„überfordert“ sein und somit sein<br />

Selbstbestimmungsrecht nicht mehr<br />

wirksam ausüben können. Die prä-<br />

operative Aufklärung sollte also<br />

besser schon dann erfolgen, wenn<br />

sich der Behandelnde der Thera-<br />

piewahl – oder bei echten Alter-<br />

nativen der einzelnen Möglich-<br />

keiten – sicher ist, beispielsweise<br />

im Rahmen der Vereinbarung des<br />

Operationstermins. Ein Fall, bei<br />

dem ein Arzt wegen einer ord-<br />

nungsgemäßen, aber „verfrühten“,<br />

das heißt einer unter Umständen<br />

schon mehrere Wochen vor dem<br />

geplanten Eingriff, aber inner-<br />

halb des Behandlungszeitraumes<br />

durchgeführten Aufklärung ver-<br />

urteilt wurde, ist mir nicht bekannt.<br />

Auch zu intraoperativen Erweite-<br />

rungen kann eine präoperative<br />

Aufklärung erforderlich sein. War<br />

die Erweiterung bereits vor dem<br />

Eingriff vorhersehbar, muss der<br />

Patient auch zuvor über die Risiken<br />

und die Möglichkeit einer gegebe-<br />

nenfalls erforderlichen Erweite-<br />

rung aufgeklärt worden sein. Fehlt<br />

die vorherige Aufklärung, so muss<br />

die Operation – grundsätzlich – ab-<br />

gebrochen und der Patient vor dem<br />

erneuten Eingriff entsprechend<br />

aufgeklärt werden. Dies gilt<br />

selbstverständlich nicht, wenn<br />

die Nichtbehandlung oder der Ab-<br />

bruch des Eingriffes medizinisch<br />

unvertretbar ist oder eine absolute<br />

Indikation vorliegt. In derartigen<br />

Fällen kann der Behandelnde von<br />

einer mutmaßlichen Einwilligung<br />

des Patienten zur Fortsetzung des<br />

Eingriffes ausgehen.<br />

Bei Notfalloperationen fi nden die<br />

vorstehenden Erwägungen selbst-<br />

verständlich nur eingeschränkt Gel-<br />

tung. Eine Aufklärung kann hier<br />

zeitlich erst kurz vor dem Eingriff –<br />

aber dennoch so früh wie mög-<br />

lich – erfolgen. Ist derartiges gar<br />

nicht möglich, kann der Behandeln-<br />

de – bei vital indizierten Operati-<br />

onen – regelmäßig von einer mut-<br />

maßlichen Einwilligung des Pa-<br />

tienten ausgehen.<br />

Aufklärungspfl ichten des<br />

Arztes - Grundsätze<br />

Der Patient muss also durch ein<br />

rechtzeitiges Aufklärungsgespräch<br />

in die Therapiewahl miteinbezogen


werden. Wie der Inhalt dieses,<br />

zu Beweiszwecken schriftlich zu<br />

dokumentierenden Aufklärungsge-<br />

spräches zu gestalten ist, hängt<br />

selbstverständlich von dem jeweils<br />

geplanten Eingriff ab. Der Bundes-<br />

gerichtshof hat mehrfach die<br />

Formulierung ver-<br />

wendet, dass der<br />

Patient „nur im Gro-<br />

ßen und Ganzen“<br />

über die Risiken<br />

eines Eingriffes<br />

aufgeklärt werden<br />

muss. Allein hier-<br />

mit könnte ein Arzt<br />

in einem Rechts-<br />

streit zumeist aber<br />

nicht bestehen. Es<br />

bedarf also wei-<br />

tererKonkretisie- rungen. Auch die-<br />

se orientieren sich wieder an dem<br />

Selbstbestimmungsrecht des Pati-<br />

enten: Um eben dieses Recht zu<br />

wahren, müssen dem Patienten<br />

nicht alle theoretisch denkbaren<br />

medizinischen Risiken in allen<br />

theoretisch denkbaren Erschei-<br />

nungsformen dargestellt werden.<br />

Wichtig ist aber, dem Patienten zu<br />

verdeutlichen, wie ihm nach me-<br />

dizinischer Erfahrung durch den<br />

geplanten Eingriff geholfen werden<br />

kann, welche Erfolgsaussichten und<br />

Heilungschancen bestehen und<br />

welche ernsthaft möglichen Ge-<br />

fahren damit verbunden sein kön-<br />

nen. Dabei sind – unter anderen -<br />

folgende Grundsätze zu beachten:<br />

Über bestimmte Behandlungsal-<br />

ternativen muss der Arzt immer<br />

aufklären. Im Rahmen des Aufklä-<br />

rungsgespräches muss er dabei<br />

selbstverständlich nicht von sich<br />

aus auf den Patienten zugehen und<br />

diesem alle theoretisch denkbaren<br />

Therapiemöglichkeiten aufzeigen.<br />

Die Frage der Therapie ist grund-<br />

sätzlich Sache des Arztes. Ent-<br />

spricht die von ihm gewählte The-<br />

rapie aber nicht der Methode der<br />

Wahl oder aber bestehen in dem<br />

konkreten Fall echte Behandlungs-<br />

alternativen, also mit jeweils unter-<br />

schiedlichen Belastungen und/oder<br />

Risiken und Erfolgschancen ver-<br />

bundeneBehandlungsmöglichkei- ten, so muss der Patient hierüber<br />

aufgeklärt werden. Die Therapie-<br />

wahlfreiheit des Arztes wird inso-<br />

weit durch das Selbstbestimmungs-<br />

recht des Patienten eingeschränkt.<br />

Bei allgemeinen Operationsri-<br />

siken kann gegebenenfalls eine<br />

Aufklärung entbehrlich sein. Hier-<br />

bei handelt es sich<br />

um mit jeder grö-<br />

ßeren Operation<br />

verbundene, allge-<br />

meine und weitge-<br />

hendbeherrsch- bare Risiken bei<br />

Standardeingriffen.<br />

Ob über solche Ri-<br />

siken, wie beispiels-<br />

weise eine Wund-<br />

infektion, eine Em-<br />

bolie oder das<br />

Narkoserisiko, im<br />

Einzelfall aufge-<br />

klärt werden muss, hängt maß-<br />

geblich davon ab, ob der behan-<br />

delnde Arzt davon ausgehen darf,<br />

dass sein Patient – ebenso wie die<br />

Allgemeinheit – Kenntnis von die-<br />

sen allgemeinen Risiken hat und<br />

damit über ein gewisses „medizi-<br />

nisches Basiswissen“ verfügt. Hier-<br />

von kann insbesondere ausgegan-<br />

gen werden, wenn der Patient bei-<br />

spielsweise von dem einweisenden<br />

oder vorbehandelnden Arzt bereits<br />

über die entsprechenden Gefahren<br />

aufgeklärt wurde oder aber es sich<br />

um eine wiederholte Operation<br />

desselben Leidens ohne geänderte<br />

❯❯❯<br />

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Ausgabe 7<br />

2006


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2006<br />

Risiken handelt und der Patient<br />

bei der zeitlich nicht weit zurück-<br />

liegenden ersten Operation bereits<br />

entsprechend aufgeklärt wurde.<br />

Gleiches gilt grundsätzlich in den<br />

Bereichen, in denen der Patient<br />

wissen muss, welche Gefahren mit<br />

dem jeweiligen Eingriff verbunden<br />

sind. Der Umfang der ärztlichen<br />

Aufklärungspfl icht wird insoweit<br />

eingeschränkt. Einzelhinweise sind<br />

gegenüber einem verständigen Pa-<br />

tienten, dem diese allgemeinen<br />

Risiken nicht verborgen sind,<br />

grundsätzlich nur dann erfor-<br />

derlich, wenn sich für<br />

ihn als medizinischen<br />

Laien, nicht erkennbare<br />

Risiken und Komplikati-<br />

onen entwickeln könnten,<br />

die ihn in seinen beson-<br />

derenLebensverhältnis- sen erkennbar schwer-<br />

wiegend träfen.<br />

Von dieser „Begren-<br />

zung“ der ärztlichen Auf-<br />

klärungspfl icht sollte aber –<br />

so wie auch derzeit<br />

in den Aufklärungsge-<br />

sprächen üblich – nur zu-<br />

rückhaltend Gebrauch ge-<br />

macht werden, denn das<br />

Haftungsrisiko in einem<br />

entsprechenden Prozess<br />

verbleibt bei dem be-<br />

handelnden Arzt.<br />

Auch über Risiken, die statistisch<br />

sehr unwahrscheinlich sind, sollte<br />

aufgeklärt werden. Die Frage, ob<br />

eine Aufklärung im Einzelfall ent-<br />

behrlich sein kann, hängt nicht von<br />

der geringen Wahrscheinlichkeit<br />

eines Schadenseintrittes ab. Ent-<br />

scheidend ist vielmehr, ob das sel-<br />

tene Risiko, so es sich verwirklicht,<br />

für den Eingriff spezifi sch ist, die<br />

Lebensführung des Patienten schwer<br />

belastet und ihn als medizinischen<br />

Laien überraschen würde. Ist dies<br />

der Fall, muss zwingend aufgeklärt<br />

werden.<br />

Aufklärungspfl ichten bei<br />

der Verabreichung von Blutprodukten<br />

Auch bei den zahlreichen Ent-<br />

scheidungen der Gerichte, die sich<br />

im Speziellen mit den Aufklärungs-<br />

pfl ichten bei der Verabreichung<br />

von Blutprodukten auseinanderset-<br />

zen mussten, fanden die vorstehen-<br />

den, allgemeinen Grundsätze im-<br />

mer wieder Berücksichtigung:<br />

So wurde beispielsweise im<br />

Bereich der echten Behandlungs-<br />

alternativen entschieden, dass der<br />

Patient, sofern gegenüber<br />

der Verabreichung von<br />

Spenderblut die echte Al-<br />

ternative besteht, Eigen-<br />

blut zu bilden und im<br />

Anschluss zu verwenden,<br />

hierüber selbstverständ-<br />

lich aufzuklären ist. Diese<br />

Aufklärungspfl icht kann<br />

nur dann entfallen, wenn<br />

es tatsächlich keine echte<br />

Alternative zu den Pro-<br />

dukten aus Spenderblut<br />

gibt, beispielsweise bei<br />

unzureichender Hämo-<br />

globinkonzentration des<br />

Eigenblutes.<br />

Zu den allgemeinen Ope-<br />

rationsrisiken hat sich der<br />

Bundesgerichtshof mit ei-<br />

ner Entscheidung vom<br />

17.12.1991, VI ZR 40/91,


schon einmal mit der Frage ausei-<br />

nander gesetzt, ob den Patienten<br />

eine Kenntnis über die transfusi-<br />

onsbedingten Risiken unterstellt<br />

werden kann. Diese Entscheidung<br />

ist besonders bedeutsam, weil der<br />

Bundesgerichtshof in dem hier be-<br />

sprochenen Urteil vom 14. Juni 2005<br />

ausdrücklich Bezug auf seine da-<br />

malige Begründung nimmt. Sei-<br />

nerzeit wurde folgendes Urteil<br />

des Oberlandesgerichts Düssel-<br />

dorf aufgehoben:<br />

Das Oberlandesgericht Düssel-<br />

dorf hatte die Klage einer Frau,<br />

welche im Jahre 1987 vor der Ver-<br />

abreichung von Blutprodukten nicht<br />

über das Risiko einer HIV und He-<br />

patitis-Infektion aufgeklärt wurde,<br />

sich aber infi ziert hatte, abgewie-<br />

sen. Es war der Auffassung, dass der<br />

behandelnde Arzt angesichts der im<br />

Jahre 1987 öffentlich geführten Dis-<br />

kussion über das Vordringen der<br />

AIDS-Erkrankung davon habe aus-<br />

gehen dürfen, der Klägerin seien<br />

auch die möglichen Folgen einer<br />

Bluttransfusion mit Fremdblut, ins-<br />

besondere die Gefahr einer HIV-In-<br />

fektion, bekannt. Über derartig be-<br />

kannte, in das Wissen des Patienten<br />

zu stellende Risiken, müsse aber<br />

nicht aufgeklärt werden.<br />

Der Bundesgerichtshof hielt dem<br />

entgegen, dass eine solche „Kennt-<br />

nis” weder im Jahre 1987 noch bei<br />

seiner Entscheidung im Jahre 1991<br />

unterstellt werden könne. Im Vor-<br />

dergrund der öffentlichen Diskus-<br />

sion habe die Gefahr einer Infek-<br />

tion innerhalb bestimmter Risiko-<br />

gruppen oder durch sexuellen<br />

Kontakt mit Angehörigen dieser<br />

Gruppen gestanden. Die Frage der<br />

Infektion durch Blutübertragungen<br />

sei in der Öffentlichkeit nicht ernst-<br />

haft diskutiert worden. Der Patien-<br />

tin hätte das nötige Wissen über<br />

die transfusionsbedingten Gefahren<br />

also nicht einfach unterstellt wer-<br />

den dürfen. Vielmehr hätten die<br />

behandelnden Ärzte hierüber auf-<br />

klären müssen.<br />

Die Entscheidungsgründe<br />

des Bundesgerichtshofes vom<br />

14. Juni 2005<br />

In dem hier besprochenen Urteil<br />

vom 14. Juni 2005, beschränkte sich<br />

der Bundesgerichtshof bei der Fra-<br />

ge, ob über die Risiken einer trans-<br />

fusionsbedingten Infektion über-<br />

haupt eine Aufklärung zu erfolgen<br />

habe, lediglich auf den angespro-<br />

chenen Verweis auf seine Entschei-<br />

dung vom 17.12.1991: „Eine Aufklä-<br />

rungspfl icht über die Gefahren der<br />

Verabreichung von Blutprodukten<br />

entspricht den vom erkennenden<br />

Senat bereits früher aufgestellten<br />

Anforderungen an die Risikoauf-<br />

klärung bei Bluttransfusionen.”<br />

Dieser Verweis ist auch durchaus<br />

nachvollziehbar. Der Bundesge-<br />

richtshof hatte ja schließlich für<br />

das Jahr 1987 entschieden, dass<br />

dem Patienten die Kenntnis über<br />

die Risiken bei der Verabreichung<br />

von Blutprodukten nicht unterstellt<br />

werden konnte und durfte, da sich<br />

die öffentliche Diskussion über das<br />

HI-Virus seinerzeit auf den Bereich<br />

innerhalb der Risikogruppen be-<br />

schränkte. Für das hier relevante<br />

Jahr 1985 konnte dann nichts an-<br />

deres gelten, zumal die öffentliche<br />

Diskussion zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht oder nicht in dem Maße<br />

geführt wurde. Wegen des insoweit<br />

fehlenden medizinischen Basiswis-<br />

sens durften die behandelnden<br />

Ärzte nicht von einem dem Pa-<br />

tienten bekannten allgemeinen<br />

Operationsrisiko bei der Verabrei-<br />

chung der Blutprodukte ausgehen.<br />

Aufgrund der im konkreten Fall tat-<br />

sächlich nicht möglichen präopera-<br />

tiven Aufklärung wandelte sich die<br />

Verpfl ichtung der Ärzte dement-<br />

sprechend zu einer nachträglichen<br />

Sicherungsaufklärung in Form des<br />

ärztlichen Rates zu einem HIV-Test.<br />

Auf diese Form der Aufklärung<br />

wurde großer Wert gelegt, da die<br />

Übertragung gerade einer gefähr-<br />

lichen Infektion auf die Klägerin<br />

und Dritte hierdurch möglicherwei-<br />

se hätte verhindert werden kön-<br />

nen.<br />

Der Bundesgerichtshof hatte wei-<br />

ter zu entscheiden, ob den behan-<br />

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Ausgabe 7<br />

2006


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2006<br />

delnden Ärzten ein die Aufklä-<br />

rungspfl icht begründendes Wis-<br />

sen unterstellt werden durfte.<br />

Schließlich haben diese ja nicht<br />

über alle theoretisch denkbaren<br />

Risiken in allen theoretisch denk-<br />

baren Erscheinungsformen aufzu-<br />

klären. Wenn nun aber im Jahre<br />

1985 wissenschaftlich noch gar<br />

nicht gesichert war, dass durch die<br />

Verabreichung von Blutprodukten<br />

der HI-Virus übertragen werden<br />

kann, wieso hätte dann hierüber<br />

überhaupt aufgeklärt werden müs-<br />

sen? Es lagen nicht einmal ärzt-<br />

liche Richtlinien zur Frage der ent-<br />

sprechenden Sicherungsaufklärung<br />

vor. Diese, von den Rechtsanwälten<br />

der Revision, also dem Kranken-<br />

hausträger, auch vorgetragenen<br />

Einwände, ließ der Bundesgerichts-<br />

hof nicht gelten:<br />

„Die Aufklärungspfl icht setzt<br />

keine sichere Kenntnis in Fach-<br />

kreisen davon voraus, dass HIV-<br />

Infektionen transfusionsassozi-<br />

iert auftraten; angesichts der<br />

erheblichen Beeinträchtigungen,<br />

die mit einer HIV-Infektion/AIDS-<br />

Erkrankung einhergehen, ge-<br />

nügte für das Entstehen einer<br />

Aufklärungspfl icht schon die<br />

ernsthafte Möglichkeit der Ge-<br />

fahr. Dass 1985 die Möglichkeit<br />

transfusionsassoziierter HIV-In-<br />

fektionen in Fachkreisen (wenn<br />

auch „zurückhaltend“) disku-<br />

tiert wurde, zieht auch die Revi-<br />

sion nicht in Zweifel.“<br />

Für den Bundesgerichtshof reichte<br />

es also aus, dass in medizinischen<br />

Fachkreisen eine ernsthafte Dis-<br />

kussion über die möglichen Ge-<br />

fahren geführt wurde!<br />

Die Bedeutung des Urteils<br />

für die ärztliche Aufklärungspfl<br />

icht<br />

Welche Konsequenzen ergeben<br />

sich nunmehr für die im Bereich<br />

der Hämotherapie tätigen Ärzte?<br />

Durch eine „schonende” Aufklä-<br />

rung über alle theoretisch in Be-<br />

tracht kommenden Risiken im<br />

Rahmen der Selbstbestimmungs-<br />

aufklärung und durch eine Siche-<br />

rungsaufklärung in Form des ärzt-<br />

lichen Anratens zu einem HIV-Test,<br />

wird das Haftungsrisiko tatsäch-<br />

lich verringert. Ob eine solche Vor-<br />

gehensweise von den Ärzten aber<br />

überhaupt zu bewältigen wäre,<br />

scheint ungewiss.<br />

Würden Versäumnisse in diesem<br />

Bereich, bezogen auf einen Fall im<br />

Jahre 2006, aber nach wie vor eine<br />

Haftung der Ärzte nach sich zie-<br />

hen? Unbestritten ist das Risiko,<br />

sich mit dem HI-Virus zu infi zieren,<br />

wegen der verbesserten Herstel-<br />

lungsverfahren sehr gering gewor-<br />

den. Die Wahrscheinlichkeit für<br />

den Schadenseintritt spielt aber,<br />

wie oben gesagt, nur eine sehr un-<br />

tergeordnete Rolle. Von Bedeutung<br />

ist hier vielmehr die Frage, ob das<br />

Infektionsrisiko für den Eingriff<br />

spezifi sch ist und den Patienten als<br />

medizinischen Laien überraschen<br />

würde. Dies ist gerade auch im<br />

Hinblick auf die mehrfach ange-<br />

sprochenen „allgemeinen Operati-<br />

onsrisiken” von Bedeutung, bei de-<br />

nen eine Aufklärung ja entbehrlich<br />

sein kann. Der Bundesgerichtshof<br />

war in den letzten Entscheidungen<br />

der Ansicht, dass die Möglichkeit<br />

einer transfusionsassoziierten HIV-<br />

Infektion in den achtziger Jahren –<br />

noch – kein allgemein bekanntes<br />

Risiko darstellte. Es wurde ent-<br />

scheidend auf das Bewusstsein der<br />

Bevölkerung abgestellt. Wie hat<br />

sich dieses entwickelt?<br />

Ein verständiger und durch-<br />

schnittlich intelligenter Patient<br />

sollte wissen, dass sich die Aus-<br />

breitung des HI-Virus nicht mehr<br />

nur auf die so genannten Risiko-<br />

gruppen beschränkt und dass es<br />

durch die Verabreichung von Blut-<br />

produkten bereits zu zahlreichen<br />

Fällen einer HIV-Infektion gekom-<br />

men ist. Gleiches dürfte auch für<br />

die Gefahr einer Infektion mit He-<br />

patitis B/C gelten. Auf der anderen<br />

Seite ist aber auch nicht von der<br />

Hand zu weisen, dass mittlerweile<br />

ein gewisses Maß an Vertrauen in<br />

die Sicherheit der Blutprodukte be-


steht. Schließlich wird eine öffent-<br />

liche Diskussion über die zurück-<br />

liegenden Fälle solcher Infektionen<br />

derzeit wohl nicht mehr geführt.<br />

Möglicherweise wiegen sich die<br />

Patienten daher in Sicherheit und<br />

denken bei dem Empfang von<br />

Spenderblut gerade nicht mehr an<br />

die nach wie vor bestehenden, gra-<br />

vierenden Risiken.<br />

Müsste der Bundesgerichtshof<br />

einen aktuellen Fall beurteilen,<br />

würde er seine Entscheidung wohl<br />

von den vorstehenden Erwägungen<br />

und dem derzeitigen Kenntnisstand<br />

der Patienten abhängig machen.<br />

Ob er sodann erneut derart strenge<br />

Anforderungen an die Selbstbe-<br />

stimmungs- und Sicherungsaufklä-<br />

rung stellen würde, ist zweifelhaft<br />

und nicht klar zu beantworten. Zwar<br />

dient insbesondere die Sicherungs-<br />

aufklärung auch der Verhinderung<br />

einer weiteren Verbreitung der In-<br />

fektion. Der Zweck, nämlich dem<br />

Patienten eine „Warnung” zukom-<br />

men zu lassen, könnte aber obsolet<br />

sein, wenn dem Pa-<br />

tienten eine Kennt-<br />

nis über die Ge-<br />

fahren unterstellt<br />

werden könnte. Der<br />

entsprechenden Ri-<br />

siken wäre er sich<br />

dann auch ohne<br />

eine Warnung be-<br />

wusst.<br />

Höchst bedeutsam ist schließlich<br />

die Frage, ob in die Aufklärungs-<br />

gespräche bislang noch nicht an-<br />

gesprochene Risiken aufgenom-<br />

men werden müssen:<br />

Die Ärzte hatten sich in der hier<br />

besprochenen Entscheidung damit<br />

„verteidigt”, dass im Jahre 1985<br />

wissenschaftlich noch gar nicht<br />

gesichert gewesen sei, ob das HI-<br />

Virus durch die Verabreichung von<br />

Blutprodukten übertragen werden<br />

konnte. Aus diesem Grunde sahen<br />

sie sich nicht dazu verpfl ichtet,<br />

über die theoretisch bestehende<br />

Gefahr aufzuklären. Der Bundes-<br />

gerichtshof hingegen hielt es für<br />

ausreichend, dass diese Thematik<br />

zumindest „ernsthaft” in Fachkrei-<br />

sen diskutiert wurde.<br />

Diese Kernaussage sollte sich<br />

die Ärzteschaft im Rahmen der<br />

Aufklärungsgespräche zu Herzen<br />

nehmen. Erfolgt tatsächlich eine<br />

Aufklärung über alle ernsthaft dis-<br />

kutierten Risiken? Beispielhaft er-<br />

wähnt sei hier die Creutzfeldt-Ja-<br />

kob-Krankheit (siehe auch den Bei-<br />

trag von Herrn Dr. Fritzsch in<br />

diesem Heft). In vielen Häusern<br />

wird derzeit weder vor noch nach<br />

der Verabreichung von Blutpro-<br />

dukten über das Risiko einer ent-<br />

sprechenden Infektion aufgeklärt.<br />

Eine Diskussion über die mögliche<br />

Übertragung durch Spenderblut<br />

wird dennoch geführt. So wird bei-<br />

spielsweise in der – auch Patien-<br />

tenanwälten zugänglichen – Leitli-<br />

nie der Deutschen Gesellschaft für<br />

Neurologie zur Creutzfeldt-Jakob-<br />

Krankheit aufgeführt, dass die<br />

Übertragung einer dort näher be-<br />

schriebenen, neuen Variante der<br />

CJK über Blut und Blutprodukte<br />

wahrscheinlich ist! Die Infektions-<br />

möglichkeit ist also in medizi-<br />

nischen Fachkreisen bekannt; im<br />

Patientenkreis darf man dieses<br />

Wissen zum jetzigen Zeitpunkt<br />

sicherlich nicht als bekannt voraus-<br />

setzen. Es zeigt sich an diesem Bei-<br />

spiel also eine deutliche Parallele<br />

zu dem besprochenen Urteil, die<br />

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57<br />

Ausgabe 7<br />

2006


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Ausgabe 7<br />

2006<br />

eine Aufklärung solcher, ernsthaft<br />

in Betracht kommender Risiken<br />

dringend erforderlich erscheinen<br />

lässt.<br />

Die Entscheidung des Bundesge-<br />

richtshofes sollte der Ärzteschaft<br />

nach alldem aufzeigen, dass an die<br />

Aufklärungspfl icht gerade in dem<br />

Bereich gefährlicher und sich ver-<br />

breitender Infektionen strenge An-<br />

forderungen gestellt werden. Mit<br />

der Verabreichung von Blutpro-<br />

dukten in Zusammenhang stehen-<br />

de und ernsthaft diskutierte Risiken<br />

sollten unbedingt in das Aufklä-<br />

rungsgespräch einfl ießen. Gleich-<br />

zeitig darf nicht in Vergessenheit<br />

geraten, dass sich der Fall in den<br />

achtziger Jahren abspielte und für<br />

die Entscheidung des Bundesge-<br />

richtshofes unter anderem der da-<br />

mals vorhandene Wissensstand<br />

der Bevölkerung ausschlaggebend<br />

war. Sowohl dieser als auch die<br />

Herstellungsverfahren haben sich<br />

seitdem aber erheblich geändert.<br />

Die Gerichte werden sich hiermit<br />

in künftigen Haftungsfällen ausein-<br />

andersetzen müssen. Eine klare<br />

und eindeutige Prognose über den<br />

Ausgang der zu erwartenden Ent-<br />

scheidungen ist wegen der Vielfalt<br />

der denkbaren Sachverhalte und<br />

dem sich ständig verändernden<br />

Bewusstsein in der Bevölkerung<br />

über die Gefahren eines medizi-<br />

nischen Eingriffs nicht möglich.<br />

Ebenso wenig können der Ärzte-<br />

schaft wegen der Fülle der vorstell-<br />

baren Situationen konkrete Rat-<br />

schläge zu dem Verhalten in den<br />

Aufklärungsgesprächen gegeben<br />

werden. Im Zweifel sollten sich die-<br />

se immer wieder die grundsätz-<br />

liche Frage stellen, ob der Patient<br />

genügend Informationen erhalt hat,<br />

um das Recht, über seinen Körper<br />

selbst zu bestimmen, entscheiden<br />

zu können.<br />

Die Literaturhinweise fi nden Sie im<br />

Internet zum Download<br />

www.drk.de/blutspende


Die Autoren<br />

Die neuen Richtlinien<br />

❯ Dr. med. Detlev Nagl, Institut für Transfusionsmedizin Augsburg, Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes<br />

Westheimerstraße 80, D-86156 Augsburg, d.nagl@blutspendedienst.com<br />

<strong>Rhesus</strong> D-Diagnostik in der Schwangerschaft<br />

❯ Prof. Dr. med. Axel <strong>Seltsam</strong>, Institut für Transfusionsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />

Carl-Neuberg-Straße 1, D-30625 Hannover, seltsam.axel@mh-hannover.de<br />

❯ Prof. Dr. med. Tobias J. <strong>Legler</strong>, <strong>Abteilung</strong> Transfusionsmedizin, Georg-August-Universität – Bereich Humanmedizin<br />

Robert-Koch-Straße 40, D-37099 Göttingen,<br />

❯ Dr. rer. nat. Eduard K. <strong>Petershofen</strong>, Molekulare Diagnostik, Institut Bremen-Oldenburg, DRK-Blutspendedienst NSTOB<br />

Brandenburger Straße 21, D-26133 Oldenburg,<br />

Kongressbericht<br />

❯ Dr. Andreas Karl, DRK-Blutspendedienst Ost gGmbH, Institut für Transfusionsmedizin Plauen<br />

Röntgenstraße 2a, D-08529 Plauen, akarl@drk-bsd-sachsen.de<br />

Therapie mit Erythrozytenkonzentraten bei chronischer Anämie<br />

❯ Prof. emerit. Dr. med. Hermann Heimpel, Ehem. Ärztlicher Direktor der <strong>Abteilung</strong> Innere Medizin III, Universitätsklinikum Ulm<br />

Robert-Koch-Straße 8, D-89081 Ulm, hermann.heimpel@uniklinik-ulm.de<br />

❯ Dr. med. Britta Höchsmann, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm und <strong>Abteilung</strong> für Transfusionsmedizin<br />

Universitätsklinikum Ulm, DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gGmbH,<br />

Helmholtzstraße 10, 89081 Ulm, b.hoechsmann@blutspende.de<br />

❯ Dr. med. Markus Wiesneth, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm und <strong>Abteilung</strong> für Transfusionsmedizin<br />

Universitätsklinikum Ulm, DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gGmbH,<br />

Helmholtzstraße 10, 89081 Ulm, m.wiesneth@blutspende.de<br />

Anscheinend schuldig – Überlegungen zu einem BGH-Urteil<br />

❯ Dr. med. André Fritzsch, Oberarzt, Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Klinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie<br />

Friedrichstraße 41, D-01067 Dresden, fritzsch-an@khdf.de<br />

Die ärztlichen Aufklärungspfl ichten – Neue weitere Anforderungen bei der Verabreichung von Blutprodukten?<br />

❯ Christoph Kleinherne, Rechtsanwalt, Kanzlei Dr. Kirchhoff & Kollegen<br />

Wall 28, D-42103 Wuppertal, kleinherne@rechtsdoktor.de<br />

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ISSN 1612-5584 (Ausg. Bayern)<br />

SSN 1612-5614 (Ausg. Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen)<br />

ISSN 1612-5622 (Ausg. Hamburg, Schleswig-Holstein)<br />

ISSN 1612-5630 (Ausg. Mecklenburg-Vorpommern)<br />

ISSN 1612-5606 (Ausg. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland)<br />

ISSN 1612-5657 (Ausg. Berlin, Brandenburg, Sachsen)<br />

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CDU<br />

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SPD<br />

Claudia Roth,<br />

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

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