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Ennstal Classic Clerici Roubinek

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klassik // ENNSTAL<br />

ZWEIERLEI VOM<br />

ALPENGLÜHEN<br />

Christian <strong>Clerici</strong> und Rudi <strong>Roubinek</strong> besuchten gemeinsam die <strong>Ennstal</strong> <strong>Classic</strong> und gingen<br />

doch getrennte Wege. Zwei Tagebücher vom opulentesten Oldtimerfest des Jahres.<br />

FOTOS: ANDREAS RIEDMANN<br />

114 autorevue 9/2016


FOTOS: © ENNSTAL CLASSIC<br />

Legenden ohne Ende: Der letzte<br />

versteigerte Ferrari 250 GTO<br />

(oben) ging für 65 Millionen Dollar<br />

weg, dieses Exemplar wurde<br />

erstaunlich beherzt durch<br />

den <strong>Ennstal</strong>er Transitwahnsinn<br />

bewegt – Briten halt.<br />

Links: Der Wechselstrom/Gleichstrom-Sänger<br />

Brian Johnson mit<br />

Stirling Moss beim Probesitzen im<br />

Cockpit eines Jaguar C-Type.<br />

Unten rechts: Ein rarer Maserati A6<br />

GCS mit noch seltenerer Fantuzzi-<br />

Karosserie.<br />

Unten links: Der überhaupt einzigartige<br />

Rudi <strong>Roubinek</strong> im familientauglichen<br />

BMW 3,0 CS.<br />

RUDI ROUBINEK, ENNSTAL CLASSIC<br />

DIENSTAG:<br />

Ich weiß, ich bin kein großer Mann. Das<br />

mag im Alltag manchmal seine Nachteile<br />

haben – „im Fernsehen schauen S’ größer<br />

aus!“ –, ist beim Autofahren in der Regel<br />

aber von Vorteil. Man passt auch in enge<br />

Cockpits, ohne klaustrophobische Zustände<br />

zu bekommen oder mit Knie, Kopf und<br />

Ellenbogen überall anzustoßen. Doch als<br />

ich mein heuriges Fahrzeug, einen BMW<br />

3.0 CS, Baujahr 1972, übernehme, fühle ich<br />

mich geradezu winzig. Ich ziehe die Sitzraste<br />

ganz nach vorn und reiche trotzdem<br />

kaum zu den Pedalen. Auch kann ich<br />

schwerlich über das durchaus kompakte<br />

Sportlenkrad drüberschauen. Insgesamt<br />

stecke ich in dem Sitz wie Bully Herbig in<br />

der Gummibärchenwerbung im Wäschekorb.<br />

Bereits auf der Überstellungsfahrt<br />

wächst die Sorge, wie ich die Marathondistanz<br />

der kommenden Tage bewältigen<br />

werde.<br />

MITTWOCH:<br />

Gleich nach dem Frühstück zerlege ich den<br />

Fahrersitz. Unter der maroden Sitzfläche<br />

befindet sich – nichts. Ich leihe mir vom<br />

Hotel zwei Couchpolster, stopfe sie in den<br />

Sitzrahmen und begebe mich zur technischen<br />

Abnahme. Dort treffe ich viele<br />

Bekannte, denen ich meinen Defekt gleich<br />

wortreich schildere. Es ist immer gut,<br />

schon vorweg eine Ausrede zu haben. Mein<br />

steirischer Freund Gerhard weist mir den<br />

Weg in ein Mechanikerzelt, ein Meister<br />

tritt herbei. Schnell wird klar, was zu tun<br />

ist: Kunstvoll wird ein Drahtgeflecht in den<br />

Sitzrahmen eingespannt, dann mit mehreren<br />

Schichten Pappendeckel belegt, darauf<br />

kommt die Sitzfläche. Ich bin gerade um<br />

gute 10 cm gewachsen!<br />

DONNERSTAG:<br />

Es geht los! Zum allerersten Mal mit meiner<br />

Liebsten am heißen Sitz. Sie ist eigentlich<br />

ziemlich schmerzfrei. Lediglich als ich<br />

versuche, im Dauerregen am jungen Ferdinand<br />

Porsche in einem Carrera RS aus dem<br />

Porsche-Museum dranzubleiben, der seinerseits<br />

hinter Abarth-Guru Werner Fessl<br />

im 124er Spider Gruppe 4 her ist, der seinerseits<br />

zwei Schweden in einem erstaunlich<br />

gut motorisierten Schneewittchensarg<br />

des Volvo-Werkteams verfolgt, die ihrerseits<br />

im Geschwader mit Rauno Aaltonens<br />

Cooper S fliegen, räuspert sie sich und verweist<br />

auf die fehlenden Sicherheitsgurte.<br />

Bergauf fehlt es uns nicht an Kraft, sondern<br />

an einem Sperrdifferenzial, aber aufgeben<br />

tut man einen Brief. Mein Hinweis, wir<br />

müssten in den Kehren halt auch fürs<br />

Publikum fahren, beruhigt sie mittelmäßig.<br />

Rudi <strong>Roubinek</strong> und Andi Aigner.<br />

FREITAG:<br />

O.k., ich geb’s zu, ich wusste nicht gleich,<br />

wer Brian Johnson ist. Ist auch kein besonders<br />

auffälliger Name wie etwa Freddie<br />

Mercury, Yusuf Islam oder Axl Rose, der<br />

Mann, der den gehörgestürzten Johnson<br />

gerade bei AC/DC als Leadsänger vertritt.<br />

Interessant ist die Therapie, die den<br />

geplagten Ohren des Rockstars Linderung<br />

verschaffen soll: Das Röhren und Bollern<br />

eines 1600er-Doppelnockers aus dem<br />

Hause Alfa Romeo. Johnson startet auf einem<br />

Bertone GTA (wahrscheinlich sogar<br />

echt, ich mein’ vom Anschaffungspreis her<br />

sollte das für so jemanden ja bewältigbar<br />

sein). Er gibt zu Protokoll, gern schnell zu<br />

fahren, findet sich am Ende eher weiter<br />

hinten im Klassement, bei dem es allerdings<br />

um Gleichmäßigkeit geht. Es gibt<br />

aber unterschiedliche Darstellungen, ob er<br />

sich wirklich die ganze Ochsentour von<br />

rund 850 Kilometern angetan hat. Ob er<br />

zum Beispiel in dem kleinen Bergdorf, an<br />

dessen Ortsanfang ein riesiges Transparent<br />

mit den Worten: „Brian, please stop to<br />

sign my T-Shirt!“ prangte, überhaupt vorbeigekommen<br />

ist, ist unklar.<br />

SAMSTAG:<br />

Belohnt wird er (Brian Johnson, Anm.) jedenfalls<br />

reichlich, und zwar mit der Fahrt<br />

in einem (wahrscheinlich echten, denn<br />

beim Status dieser Veranstaltung sollte das<br />

ja bewältigbar sein) Jaguar C-Type beim<br />

traditionellen Corso Samstag Mittag. Als<br />

ich seinen Beifahrer erblicke, fällt mir ein<br />

alter Witz ein, der in Abwandlung etwa so<br />

geht: Ich weiß nicht, wer der nette ältere<br />

Herr am Beifahrersitz ist, aber es muss<br />

jemand ganz Besonderer sein, denn sein<br />

Chauffeur ist Brian Johnson. Der „Beifahrer“<br />

ist niemand Geringerer als Sir Stirling<br />

Moss, der sehr entspannt aus dem Cockpit<br />

winkt, sich also durchaus gut aufgehoben<br />

fühlt. Meine Liebste und ich belegen am<br />

Ende Platz 62 von 189 gewerteten, sind<br />

also grade noch im ersten Drittel.<br />

SONNTAG:<br />

Ich übergebe den BMW dem edlem Kurzzeitspender.<br />

Der Sitz hält immer noch. Ein<br />

Provisorium halt.<br />

9/2016 autorevue 115


KLASSIK // ENNSTAL<br />

Am Grazer Prüfstand war der Cuda noch bei<br />

bester Gesundheit, am Spielberg hat es ihm<br />

dann sozusagen einen Haxn ausgerissen.<br />

Aber Doktor (eigentlich Diplom-Ingenieur)<br />

Lipp machte alles wieder gut.<br />

CHRISTIAN CLERICI, RACECAR-TROPHY<br />

MITTWOCH, 7:45 UHR<br />

Anreise mit Umwegen. Vor dem <strong>Ennstal</strong><br />

machen wir noch einen Abstecher nach<br />

Graz. Dort steht einer der modernsten<br />

Kegelrollenprüfstände in Europa. (Nicht<br />

vergessen: das Wort Kegelrollenprüfstand<br />

für Activity-Pantomime merken.) Warum<br />

Prüfstand? Damit man auf die Frage: „Und,<br />

Wüvü?“ was sagen kann und nichts erfinden<br />

muss. Wäre zwar billiger, ist aber<br />

irgendwie unwürdig.<br />

Während Heinz Schenk, mein Motorenmastermind,<br />

den Cuda auf die Rolle<br />

spannt, muss ich draußen warten. Als alles<br />

läuft und tobt, verstehe ich plötzlich, wie<br />

sich ein werdender Vater vor dem Kreißsaal<br />

fühlt. Es brüllt, es schreit, es kreischt.<br />

Entweder etwas stirbt oder es hat zwei<br />

Köpfe. Dann plötzlich Stille. Und die erlösende<br />

Nachricht: es ist ein Junge. 612 PS<br />

und 736 Nm. Jetzt kann die Racecar<br />

Trophy kommen.<br />

DONNERSTAG 11:00 UHR<br />

Red Bull Ring, erste Sonderprüfung. Jede<br />

Menge Zuschauer, die Racecar ist beliebt.<br />

„Wüvü?“ Dr. Peter Rossmanith, mein Beifahrer,<br />

schwitzt. Nicht wegen der Sonne,<br />

sondern weil er weiß „wüvü“ und meine<br />

Einstellung zum Gaspedal kennt. Wir verzichten<br />

diesmal auf jede Form der Zeitnehmung.<br />

Wollen uns stattdessen Zeit nehmen.<br />

Für uns. Und unsere Nerven.<br />

Besuch bei Hannes Arch in der Boxengasse.<br />

Er dreht gerade einen Werbespot<br />

mit seinem Überflieger. Zum Glück zeige<br />

ich ihm den Motorraum, sonst hätte ich<br />

den sterbenden Keilriemen nicht entdeckt.<br />

„Langsam fahren“, sagt Marcus<br />

Lipp, der im Cuda seit Jahren die Gülle<br />

aufräumt, die seine Vorgänger angemischt<br />

haben. Langsam fahren. Meine Enttäuschung<br />

kennt nur ein Wort: „Wüvü?“ „Ned<br />

mehr als 4000.“ Besser so, denn am Ende<br />

des ersten Stints gibt es ein Geräusch. Eins,<br />

das schlimmer klingt als alles, was in so einem<br />

Auto eh normal ist. Auskuppeln. Ausrollen.<br />

Es langt bis in die Boxengasse. Marcus<br />

kriecht unters Auto und kommt mit<br />

der Differenzialabstützung wieder hervor.<br />

Ausgerissen. Aus dem Querträger.<br />

Wir können unser Glück nicht fassen.<br />

Ersten: wir sind am Leben. Zweitens: wir<br />

haben die Achse nicht verloren. Drittens:<br />

wir dürfen direkt am Ring in die Werkstatt<br />

von Gerhard Schmidberger. Das ist dort,<br />

wo der gesamte Red Bull-Fuhrpark des<br />

Projekts Spielberg gewartet wird. Dipl.-<br />

Ing. Lipp packt all sein Können aus. Er<br />

rechnet, konstruiert und schweißt in<br />

einem 8-Stunden-Marathon eine neue<br />

Aufnahme für die Abstützung. Wir sind so<br />

willkommen bei Schmiedi, dass wir uns die<br />

Zeit mit dem Streicheln des Nascars vertreiben<br />

dürfen. Zwischendurch schauen<br />

wir den <strong>Ennstal</strong>-Kollegen beim gleichmäßigen<br />

Umrunden des Rings zu und essen<br />

Fleischlaiberln. Dabei treffe ich Rudi,<br />

der heuer die lange Tour macht und ziemlich<br />

erschöpft wirkt. Aber auch irgendwie<br />

erleichtert, schließlich hat er mich nicht<br />

im Nacken.<br />

Um 10 Uhr abends ist Marcus fertig. Die<br />

130 km zurück nach Gröbming fahren wir<br />

schon wieder auf Achse.<br />

FOTOS: © ENNSTAL CLASSIC, CLERICI (3)<br />

116 autorevue 9/2016


In der Racecar-Trophy ist für Rennwagen von zierlicher Gestalt genauso Platz wie für<br />

richtig feiste Geräte. Apropos: Ein Audi quattro bremst besser als der Cuda, sieht aber<br />

beim Beschleunigen kein Land. Leistung ist halt doch durch nichts zu ersetzen.<br />

Rechts unten: Derek Bell & Me, kurz nach seiner Sitzprobe im Cuda.<br />

FOTOS: © ENNSTAL CLASSIC<br />

FREITAG 9:30 UHR, TAUPLITZ<br />

Helmut Zwickl hält seine Morgenansprache<br />

für das Feld der Racecar-Trophy. Ich unterbreche<br />

ihn mit irgendeinem Blödsinn. Er<br />

grinst und sagt „Jössas, I hob scho glaubt, i<br />

bin di endlich los.“ „Ich auch“, sagt Dieter<br />

Quester, „Wüst ane?“ sage ich. Alles wie immer.<br />

Die Sollzeit auf die Tauplitz ist 10:48.<br />

Wir lassen den Cuda fürs Publikum ein bissl<br />

aufrauchen und unterschreiben auf dem<br />

griffigen Asphalt. Nicht länger als 07:30<br />

dürfen wir brauchen. So lange kann mein<br />

Beifahrer die Luft anhalten. Er trainiert seit<br />

Jahren Apnoetauchen, damit er die Abgase<br />

im Auto überlebt. Mir ist es wurscht, ich<br />

wohne in der Wiener Innenstadt.<br />

Nach knapp 7 Minuten sind wir oben.<br />

Dr. Rossmanith atmet ein. Dafür ist mir<br />

schlecht. Manchmal sind Hobbyfotografen<br />

wirklich unterbelichtet und liegen dort am<br />

Straßenrand, wo jeder normale Fahrer die<br />

Linie sucht.<br />

14:00 UHR, FLUGFELD NIEDERÖBLARN<br />

Meine Lieblingsetappe. Jede Menge Zuschauer,<br />

jede Menge Platz und zum Glück<br />

immer ein paar andere Teilnehmer, die so<br />

wie ich das Wort „Racecar“ mit „Rennauto“<br />

übersetzen. Vollgas ist ja auch eine Art von<br />

Gleichmäßigkeit. Ich bin mir meiner Sache<br />

nach dem Vorjahressieg in der Höchstgeschwindigkeitswertung<br />

sicher, kann aber<br />

trotzdem nicht anders und fahre mit dem<br />

Porsche 906 von Jürgen Bode und dem<br />

Werksquattro, der bei der Monte 1981 mit<br />

Mikkula am Steuer siegte, um die Wette.<br />

Das ist auf der Geraden kein Problem.<br />

211 km/h stehen bei der Lichtschranke an.<br />

Blöd, dass das diesmal nicht gewertet wird,<br />

allein für meine herausquellenden Augen<br />

in der Anbremszone hätte ich einen Pokal<br />

verdient. Verdammte Eitelkeit.<br />

Im Audi das deutsche Rallye-Ass Harald<br />

Demuth unfassbar gut auf der Bremse, vor<br />

allem aber um fast 400 Kilo leichter. Bode<br />

mit dem 906er bringt überhaupt nur rund<br />

600 auf die Waage. Wir haben unseren<br />

Spaß!<br />

SAMSTAG, STADT-GRAND-PRIX VON<br />

GRÖBMING<br />

Strahlender Sonnenschein. Beste Laune.<br />

So viele Zuschauer habe ich in all den Jahren<br />

überhaupt noch nicht gesehen. Der<br />

Cuda ist blankgewienert, wir sind in elegante<br />

Hemden geschlüpft. Schon nach ein<br />

paar Metern durchgeschwitzt. Gefühlte<br />

80 Grad im Auto. In der Startaufstellung<br />

dampft es. Fünf Runden treiben wir das<br />

blaue Monster durchs Dorf. Die Menge<br />

jubelt. Im Anschluss noch eine Wertsteigerung<br />

für meinen Cuda. Le-Mans-Legende<br />

Derek Bell kuschelt sich hinters Steuer<br />

und nickt anerkennend.<br />

Fazit: Meine Autos kommen von jeder<br />

<strong>Ennstal</strong> ein bissl besser zurück, als sie vorher<br />

waren. Nächstes Jahr fahren wir durch. <<br />

9/2016 autorevue 117

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