leseprobe_kreisförmig_WEB
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Zeit ist ein Phänomen unseres Bewusstseins, das wir<br />
nach außen projizieren. Wir glauben, Zeit gebe es unabhängig<br />
von uns und, wie zumindest in der christlich<br />
geprägten Tradition, dass der Zeitfluss linear immer in<br />
eine Richtung – von der Vergangenheit in die Zukunft<br />
– verläuft. Wir versäumen dabei einen wichtigen Punkt,<br />
den wir Gegenwart nennen, an dem sich Vergangenheit<br />
und Zukunft treffen. Aus der Geometrie wissen wir<br />
jedoch, dass es in Wirklichkeit keine parallelen Linien<br />
gibt. Jede Gerade, wenn sie in die Unendlichkeit verlängert<br />
würde, schlösse sich zu einem Kreis. 5 Das jedenfalls<br />
ist ein Denkansatz. Gegenwart (Wirklichkeit) ist also ein<br />
Ausschnitt aus einem Kreisbogen, da sich Vergangenheit<br />
und Zukunft auf einer Zeitachse treffen. Die Vergangenheit<br />
wird durch unsere Zukunft bestimmt und unsere<br />
Zukunft durch unsere Vergangenheit.<br />
Managementtätigkeit 6 ist Tätigkeit in der Zeitdimension<br />
Gegenwart! Die Wirkung dieser Tätigkeit ist nur über<br />
das Erkennen von vorher zu nachher möglich, als Aussage<br />
über die Veränderungen. Da Gegenwart in unserem<br />
Verständnis eine Zeitdimension ist, die sich aus den<br />
Zeitdimensionen Vergangenheit und Zukunft speist, ist<br />
die Managementtätigkeit immer mit der Vergangenheit<br />
verbunden, so dass das Sprichwort „Keine Zukunft ohne<br />
Vergangenheit“ ein wertvoller Hinweis zu sein scheint,<br />
das „Woher“ mit einzubeziehen in die Gegenwart.<br />
Kreisförmigkeit (Zirkularität), die wieder auf den Ausgangspunkt<br />
hinführt, bedeutet nicht Stillstand. Vielmehr<br />
führt die „Rückkopplung“ dazu, das zukünftige Verhalten<br />
direkt und unmittelbar zu beeinflussen. Die häufige<br />
Angst von Managern besteht darin, dass der Wandel in<br />
die Zukunft von Mitarbeitern nicht getragen wird, und<br />
so beschreiben sie die Vergangenheit als „Ausgangspunkt<br />
von Nichtflexibilität, Speckgürteln, zu langsam, nicht die<br />
richtigen Menschen“ etc. Sie versäumen den Aspekt der<br />
Zeitdimension in Bezug auf vergangene Entscheidungen<br />
und schaffen in der Gegenwart ein Missverständnis.<br />
Der Wert der Zeitdimension Vergangenheit kommt als<br />
Wertschätzung nicht zum Ausdruck, doch „alles hat<br />
seine Zeit“.<br />
Kreisförmigkeit wird als gleichförmig betrachtet und hat<br />
für Manager die Bedeutung eines „Teufelskreises“, der<br />
sich durch den Zwang zur Veränderung darstellt (und<br />
das auch unter dem Motto „auf Teufel komm raus“ oder<br />
umgangssprachlich: mit aller Macht, mit vollem Einsatz,<br />
um jeden Preis). Natürlich sind bezogen auf das Unternehmen<br />
auch hier die Zeitdimensionen entscheidend:<br />
Woher sind wir gekommen und wie sieht unsere Zukunft<br />
aus? Die Zukunft ist in meinem Verständnis „kreisförmig“,<br />
damit wir nicht in der Ecke stehen, sondern aktiv<br />
für diese handeln.<br />
Gleichförmigkeit im negativen Sinn verstanden braucht<br />
zur Veränderung die Irritation als Hilfsmittel, um einen<br />
Unterschied zu machen. Sich zu unterscheiden ist wichtig<br />
in einer von Heraus- und Anforderungen gekennzeichneten<br />
Gegenwart. Denn die Irritation ermöglicht<br />
Reflexivität der Gleich-/(Kreis-)förmigkeit. Wir wissen,<br />
Menschen reagieren im Hinblick auf Veränderung u. a.<br />
5 Rau, H.: Biographische Sozialarbeit, Zeitschrift „Die berufliche Sozialarbeit” Heft 6, 1988, S. 77 ff.<br />
6 Management und Führung werden hier synonym verwendet.