leseprobe_kreisförmig_WEB
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mit Status-quo-Präferenz, dem Besitzeffekt und auch<br />
einer Verlustaversion. 7<br />
Kommunikation von beängstigenden Zukunftsvisionen<br />
schafft keine Motivation, sich in spiralförmiger Weise<br />
weiter- und Neugier zu entwickeln – ein weiteres, neues<br />
Niveau zu erreichen, Zukunft abzuleiten. Führungskräfte<br />
und Manager, die sich zu häufig einer dramatisierenden<br />
Sprache bedienen und in ihren Verhaltensweisen<br />
inkonsistent sind, tragen durch Zukunftsängste wesentlich<br />
dazu bei, dass Dinge als schlimmer empfunden<br />
werden und Erfolgserwartungen sich negativ verändern<br />
8 . Dabei würde einer meiner Kernsätze „Vertrauen<br />
reduziert Aufwand“ 9 dem sogenannten „Effizienzkult“<br />
im Unternehmen zum Erfolg verhelfen und die „Fließgeschwindigkeit“<br />
der Prozesse in ungeahnten Dimensionen<br />
ermöglichen.<br />
Betrachten wir die Kommunikation von Managern und<br />
Führungskräften heute: Die Managementworte sind<br />
heute, und vielleicht waren sie es auch früher schon,<br />
schwerwiegend, Verantwortung tragend, auf die komplexe<br />
Zukunft und die Schwere der Herausforderungen<br />
hinweisend. Eine meiner Themenkarten 10 , die „Zukunft<br />
ist kreisförmig“, weist darauf hin, dass das Meiste an<br />
Themen wiederkommt, oft neu interpretiert wird, „nicht<br />
das Gleiche und doch dasselbe“ 11 ist – quasi. Das gilt<br />
für Mode, Design, Politik, Themen des Alltags ... und<br />
insbesondere für die Managementworte oder besser die<br />
Worte des Managers, der Führungskraft.<br />
In Summe sind die Worte austauschbar – manche sprechen<br />
von „Wortbingo“ („Bullshit-Bingo“) – einem Roulette<br />
der Worte, die gewürfelt und/oder unterschiedlich<br />
aneinandergereiht immer wieder neue Sätze hervorbringen<br />
von unterschiedlicher Brillanz und Aussagekraft.<br />
Jürgen Werner formuliert das so: „Die Herrschaft der<br />
Zahlen über die Buchstaben hat auf Dauer zu einer<br />
Veränderung der Buchstaben geführt, die sich nun nicht<br />
mehr wie Buchstaben verhalten, sondern wie Zahlen.“ 12<br />
In dieser Diktion verliert die Sprache ihren Raum, in<br />
dem sie ihre Fähigkeit entfalten kann, eine vielgestaltige<br />
und wandelbare Welt zu erschließen. Letztlich verkümmert<br />
die Sprache, und im Gefolge degeneriert auch das<br />
Denken. Mit J. Werner gesprochen wird an Wahrheit gar<br />
nicht mehr gedacht, es wird wiedergekäut, man wird mit<br />
gestanzten Formeln bedient und Erwartungen werden<br />
normgerecht erfüllt.<br />
Das gilt auch für die sogenannten „Unworte“ oder<br />
„Machtworte des Zeitgeistes“ 13 wie Beschleunigung,<br />
Flexibilität, Erfolg, Marktwert etc., die in der Wertehierarchie<br />
der Gesellschaft ganz oben stehen. Vielfach<br />
sind die Worte einstudierte ritualisierte Worthülsen, die<br />
sich erst durch die individuelle Interpretation und hier<br />
insbesondere die daraus folgende Handlungsweise er-<br />
8<br />
7 Schwabe, G.: Management von Änderungsprozessen im E-Government – ein Blick in die Ökonomie und Psychologie, Kommune 21, 2002; Heinemann, F.::<br />
Die Psychologie irrationaler Wirtschaftspolitik am Beispiel des Reformstaus, ZEW-Diskussionspapier 00-12, 2000, http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp0012.<br />
pdf; Kuester, S.: „Ich will so bleiben, wie ich bin”. Ökonomische Werte und unsere Tendenz zum Status quo; Kehnle, A. (Hg.): Wirtschaft und Kultur im Gespräch,<br />
Band 3: Erfolg und Werte 2011, https://ub-madoc.bib.uni-mannheim.de/31045/1/Kuester_2011_Ich_will_so_bleiben_wie_ich_bin.pdf<br />
8 vgl. Hufnagel, B.: Besser fix als fertig, Wien, Graz, Klagenfurt 2014<br />
9 zum Thema Vertrauen siehe auch: Sievers, B.: Nie war Vertrauen in Organisationen so fragwürdig wie heute. Eine sozioanalytische Interpretation,<br />
Freie Assoziation 1, 2004, S. 29-53<br />
10 siehe Website www.hartmutrau.de<br />
11 siehe Website. www.hartmutrau.de<br />
12 Werner, J.: Tagesrationen – Ein Alphabet des Lebens, Frankfurt a. M. 2014<br />
13 Hofmeister, K., Bauerochse, L. (Hgg.): Machtworte des Zeitgeistes, Würzburg 2001