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18 Donaustädter Bezirkszeitung Nr. 2/2<strong>01</strong>1 9/<strong>2<strong>01</strong>6</strong><br />

Kuriose Ideen, G´schicht´ln und Geschichte<br />

„Wo Wien beginnt“ Teil 1<br />

Serie von Robert Eichert<br />

Der Donaustädter Autor und „Presse“-Redakteur Wolfgang Freitag ist die Wiener Stadtgrenze abgegangen: insgesamt 136 Kilometer.<br />

Was es dabei zu erleben gab, hat er mit herausragender Beobachtungsgabe und hohem Einfühlungsvermögen zu Papier<br />

gebracht. In den nächsten dbz-Serienteilen können Sie nun einige Buchkapitel seiner „Grenzgänge“ (leicht gekürzt) nachlesen,<br />

die den 22. Bezirk betreffen!<br />

„Wo Wien beginnt“ – Eine Erkundung<br />

der Stadt vom Rand<br />

her. Von Wolfgang Freitag:<br />

„Mit Grenzen ist es so eine Sache.<br />

An Grenzen wagt man sich.<br />

An Grenzen geht man. An Grenzen<br />

tastet man sich heran. Und<br />

wenn man endlich dort ist, an<br />

den Grenzen, so richtig direkt<br />

dran? Dann überschreitet man<br />

sie, man bricht sie, man überwindet<br />

sie. Kurz: Grenzen nähert<br />

man sich, um sie im Idealfall<br />

rasch hinter sich zu lassen. Und<br />

auf der Grenze bleiben? Das will<br />

niemand. Ich bin auf der Grenze<br />

geblieben. So gut es eben ging.<br />

Denn die Wiener Stadtgrenze<br />

hält sich nicht immer an Fußläufigkeiten.<br />

136 Kilometer auf der<br />

Grenze heißt oftmals wirklich<br />

„auf“, mitunter jedoch bloß so<br />

nah wie eben möglich. Wobei es<br />

sich viel öfter in die Tat umsetzen<br />

lässt, als ich am Anfang aller<br />

Grenzgang-Dinge gefühlsmäßig<br />

gedacht hätte. Weite Grenzstrecken<br />

im Wienerwald oder auch<br />

im transdanubischen Nordosten<br />

folgen nämlich brav Fuß- oder<br />

Fahrwegen, was die Passion, der<br />

Wiener Grenzgängerei zu frönen,<br />

durchaus breitentauglich<br />

macht. Entsprechend genaues<br />

Kartenmaterial oder, einfacher<br />

noch, GPS-Gerät in die Hand genommen,<br />

und es kann schon losgehen.<br />

Und was ist dann dort zu finden?<br />

Wie kein anderer Raum der Metropole<br />

ist das Grenzland einem<br />

steten und derzeit noch beschleunigten<br />

Wandel unterworfen<br />

sind. Die Folge: Hier kommt<br />

zusammen, was so nicht zusammengehört.<br />

Die Mülldeponie,<br />

einst in einem Weitdraußen an-<br />

gesiedelt, sieht sich plötzlich<br />

von Wohnbauten umringt, die<br />

Schießstätte von neuen Anrainern<br />

angefeindet. Ungeliebte,<br />

laute, stinkende oder sonst wie<br />

unangenehm auffällige Funktionen,<br />

aus gutem Grund ins städtische<br />

Off ausgelagert, rücken mit<br />

einem Mal in eine Art periphere<br />

Mitte, neue Bedürfnisse geraten<br />

mit alten Rechten in Konflikt.<br />

Und es ist nur scheinbar Willkür,<br />

wie da an den Wiener Stadtgrenzen<br />

Modernität und Ruin,<br />

Aufstieg und Untergang, Hochtechnologie<br />

und Natur durcheinandergewirbelt<br />

werden. Das ist<br />

kein Zufall, das ist die ewige Geschichte<br />

vom Werden und Vergehen<br />

an den Rändern der<br />

Stadt. Wer etwas über die Zentren<br />

erfahren will, muss an die<br />

Ränder gehen. Dieses Buch ist<br />

eine Einladung an seine Leser,<br />

ein Stück Weges mitzugehen,<br />

einmal länger zu verweilen,<br />

dann wieder nur kurz haltzumachen,<br />

um dann wieder umso<br />

schneller auszuschreiten.<br />

Ein Schuss kommt selten allein -<br />

Schießstätte Süßenbrunn: von<br />

Nazi-Erbe und beschussamtlicher<br />

Gegenwart<br />

Der Wielandweg, 1220 Wien?<br />

„Keine Beschreibung vorhanden“,<br />

meldet das Online-Lexikon<br />

der Wiener Straßennamen.<br />

So unauffällig allerdings, dass<br />

man ihn übersehen könnte, ist<br />

er gar nicht, der Wielandweg,<br />

wie er da hinter dem Eisenbahnkreuz<br />

von Nordbahn und Laaer<br />

Ostbahn durch die Felder biegt;<br />

und dass die Laaer Ostbahn an<br />

dieser Stelle ziemlich genau<br />

nach Norden führt, die Nordbahn<br />

dagegen stracks nach Osten,<br />

trägt auch nichts zur Entwirrung<br />

bei. Plötzlich: ein erster<br />

Schuss. Dann ein zweiter, dritter,<br />

vierter. Denn: Ein Schuss<br />

kommt hier selten allein. Die<br />

Schießstätte Süßenbrunn nämlich,<br />

am Ende des Wielandwegs<br />

gelegen, bedeutet Schießen mal<br />

drei: einmal auf einem Sportschießplatz,<br />

einmal auf den<br />

Schießständen des Beschussamtes,<br />

nicht zu vergessen der<br />

Schießplatz des Landespolizeikommandos<br />

Niederösterreich.<br />

Was sie an diesem Ort vereint?<br />

Ein brutal das flache Land durchschneidender<br />

Betonwall, der die<br />

gesamte Schießstätte der Stadtgrenze<br />

zu abschließt, fast 200<br />

Meter lang: der sogenannte Kugelfang,<br />

und eben deshalb so<br />

genannt, weil er die Kugeln fangen<br />

soll, eh sie womöglich unerlaubt<br />

das Schießstättengelände<br />

verlassen können. Was ohne Kugelfang<br />

passiert, weiß Alfred<br />

Mayer ganz genau: „Damit Sie<br />

sich vorstellen können: Wenn<br />

man mit einem Jagdgewehr in<br />

die Luft schießt, wir haben da in<br />

der Ballistik nachgeschaut, dann<br />

fliegt das Geschoss fünf Kilome-<br />

Wolfgang Freitag (mit weißem Hut) erklärt die Schießstätte

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