wird noch länger dauern, bis er tatsächlich wie der Erbe des Reiches denkt und sich auch so fühlt. Wahrscheinlich erlebt er auch ab und zu einen Rückfall in das alte Bettlerleben und muss sich neu besinnen. Dieser Wachstumsprozess in die Wahrheit hinein wird von verschiedenen Faktoren begünstigt oder erschwert sein. Zum einen spielt die Zeit eine Rolle, die der Königssohn als Bettler und Dieb gelebt hat. Je mehr Zeit vergangen ist, desto tiefer sitzt diese falsche Identität. Etwas anderes spielt in diesem Prozess allerdings eine noch größere Rolle: die Frage, welche Bedeutung der Sohn seinen eigenen Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen beimisst und welche Bedeutung dementsprechend die Aussagen des Königs und der Dienerschaft für ihn haben. Der Prozess wird sehr begünstigt, wenn er sich entschließt, den Worten des Königs absolute Priorität und Glaubwürdigkeit einzuräumen und davon auszugehen, dass die eigenen Informationen über sich zunächst keinen großen Wahrheitsgehalt aufweisen. In jedem Fall erwartet den bettelnden Königssohn nach seiner Rückkehr an den Hof ein Kampf - ein Kampf zwischen verschiedenen und widersprüchlichen Informationen. Und vom Verlauf dieses Kampfes wird abhängen, inwieweit er in der Lage sein wird, das Reich später zu regieren; denn als Bettler wird er es nicht können. Was der Königssohn hier erlebt entspricht der Natur des Kampfes um das Reich Gottes, das schon längst da, aber gleichzeitig vielfach noch nicht zu sehen ist. Gott ist König über den Himmel, die Erde und die Hölle, aber die wenigsten Menschen benehmen sich dieser Tatsache entsprechend. Die Geschichte entspricht ferner der Natur des Kampfes, den jeder antritt, der sich bekehrt. So wie das Feuermahl den Bettler, so zeichnet das Blut Jesu den Christen aus. Und dennoch braucht es Zeit, zu verstehen, wer wir in Christus sind. Die Herausforderungen, denen sich der junge Thronfolger gegenüber sieht, entsprechen denen, die auf einen Menschen zukommen, der von Gott erlöst wurde. Und so wie der Bettlerjunge, wird jeder Sohn, den der Vater aufnimmt, die Werke Gottes nur in dem Maße antreten können, wenn er weiß, wer er wirklich ist. Der König des Himmels sagt seinen Kindern, dass sie geliebt, geheiligt und befreit sind, aber die wenigsten Kinder fühlen und erleben sich so. Sie schauen dann häufig in den Spiegel, um die neue Kreatur zu entdecken, aber sie finden sie dort häufig nicht. Sie ziehen ihr Verhalten und ihre Gefühle und alles mögliche andere herzu, um davon abzuleiten, wie königlich sie sind. Dabei vergessen sie, dass man im Himmel und auf der Erde und auf der ganzen Welt nur durch eine einzige fundamentale und unabänderliche Tatsache königlich wird, und zwar durch die Geburt! Und so müssen viele Christen wieder lernen, sich selbst von ihrer Geburt in Jesus und den fundamentalen biblischen Aussagen über sie abzuleiten. Die meisten Christen haben damit ein Problem. Sie machen es falsch herum; sie schauen in verschiedene Arten von Spiegeln, betrachten sich selbst, die Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben und ihre Eigenschaften und leiten davon ihre Identität ab, statt umgekehrt von ihrer wahren Identität auf die Aufgaben und Eigenschaften zu schließen, die damit einher gehen. Sie haben vergessen, dass es nur einen einzigen Spiegel gibt, in dem man wirklich sehen kann, wer man ist: die Augen Gottes! In Jesaja heißt es: Denkt nicht an das Frühere, und auf das Vergangene achtet nicht! Siehe, ich wirke Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?" Jesaja 43, 18.19 Gott gibt hier einen Schlüssel: es geht darum, das Frühere und das Vergangene zu vergessen (in dem Sinne, dass ich mich nicht mehr daran orientiere), um frei zu sein, das Neue zu erkennen und dort hinein zu wachsen. Quelle | Ignis/Maria Prean in einer Predigt 4 | w w w . c h r i s t o p h s t r . d e
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