Leseprobe Personalrat 10_2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Der <strong>Personalrat</strong><br />
derpersonalrat.de<br />
33. JAHRGANG<br />
ISSN 0175-9299<br />
D 8319<br />
PERSONALRECHT IM ÖFFENTLICHEN DIENST<br />
11 | <strong>2016</strong><br />
GEWALT GEGEN BESCHÄFTIGTE<br />
Das hilft gegen<br />
Übergrife<br />
Inklusive<br />
evaluation<br />
Deutscher<br />
Personalräte-<br />
Preis<br />
rechte Verletzte Beschäftigte haben Ansprüche gegen den Angreifer<br />
wissen Wer an Seminaren teilnimmt, sollte das Gelernte weitergeben<br />
beamte Aus dienstlichen Gründen sind Versetzungen und Abordnungen zulässig
titelthema<br />
gewalt gegen beschäftigte<br />
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
Gegen Übergrife<br />
am Arbeitsplatz<br />
behÖrden Sie werden beleidigt, angepöbelt, bespuckt, tätlich angegrif<br />
en. Beschäftigte im öf entlichen Dienst sind immer öfter<br />
Gewalt ausgesetzt. Was tun? Personalräte suchen nach Antworten.<br />
VON MICHAELA BÖHM<br />
8
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
gewalt gegen beschäftigte<br />
titelthema<br />
Ein Jobcenter in einer Großstadt mitten<br />
in Deutschland. Am Empfang<br />
versperrt ein Sicherheitsmann den<br />
Durchgang. Brummig zeigt er dem<br />
Besucher den Weg zur Warteschlange. Einen<br />
anderen, der sich vordrängeln will, weist er<br />
rüde zurecht. Freundlich wirkt das nicht. Hat<br />
es ein Kunde ins richtige Stockwerk geschaft,<br />
muss er auf dem Flur wieder warten, bis ihn<br />
die Sachbearbeiterin holt. Allein soll kein Kunde<br />
mehr über den Flur laufen. Zu gefährlich.<br />
Der Schreibtisch einer Leistungssachbearbeiterin<br />
ist frei von Wurfgeschossen. Die Schere<br />
in der Schublade versteckt, Locher, Tacker<br />
und Hefter sind außer Sichtweite platziert. Damit<br />
kein wütender Kunde nach einem Gegenstand<br />
greifen und gegen sie schmettern kann.<br />
Brenzlige Situationen gab es schon genug.<br />
Eine ehemalige Leistungssachbearbeiterin erzählt,<br />
wie ein Kunde durch die Tür in ihr Büro<br />
stürmte, sie in die Ecke drängte und ihr seine<br />
Faust vors Gesicht hielt. Wie ein anderer ihr<br />
den Ausgang versperrte. Oder einer drohte, ihr<br />
seinen Schwager auf den Hals zu hetzen, sobald<br />
der aus dem Knast frei käme, um sie dann<br />
mal richtig durchzuf…<br />
Sie habe Verständnis, sagt sie rückblickend,<br />
wenn Kunden mitunter laut würden. Doch Gewalt<br />
sei nicht zu dulden.<br />
darum geht es<br />
1. Aggression und Gewalt<br />
gegen Beschäftigte<br />
im öfentlichen Dienst<br />
haben in den vergangenen<br />
Jahren deutlich<br />
zugenommen.<br />
2. Maßnahmen zum<br />
Schutz der Beschäftigten<br />
können helfen, lösen<br />
das Problem aber letztlich<br />
nicht.<br />
3. Oft hängt Aggression<br />
mit den Hartz-IV-Gesetzen<br />
und dem allgegenwärtigen<br />
Personalmangel<br />
im öfentlichen Dienst<br />
zusammen, der Beschäftigten<br />
keine Zeit zu<br />
angemessener Bearbeitung<br />
lässt.<br />
Gewalt hat viele Formen<br />
Gewalt ist nicht nur der tätliche Angrif. Gewalt<br />
sind auch Brüllattacken, Beschimpfungen,<br />
Beleidigungen, Drohungen, Erniedrigungen.<br />
Die Menschen, die arbeitslos und auf<br />
Hartz IV angewiesen sind, nennt das Jobcenter<br />
Kunden. Meist sind es Männer, die ausfallend<br />
gegenüber weiblichen Beschäftigten werden<br />
und ihrem Frust über die Leistungskürzung<br />
Luft machen, indem sie ihr Gegenüber auf ihr<br />
Geschlecht reduzieren und niedermachen.<br />
Eine Befragung, die die Gesetzliche Unfallversicherung<br />
vor ein paar Jahren durchführte,<br />
brachte zutage, dass ein Viertel der Beschäftigten<br />
in den Jobcentern bereits einmal Opfer<br />
eines Übergrifs geworden ist.<br />
Verbale Attacken gehören für viele zum<br />
Alltag. Im Kopf nisten sich besonders die dramatischen<br />
Vorfälle ein. Und die machen Angst:<br />
2012 erstach ein Familienvater in Neuss eine<br />
32-jährige Sachbearbeiterin. 2014 tötete ein<br />
junger Mann einen Sachverständigen im Jobcenter<br />
in Rothenburg ob der Tauber mit dem<br />
9
personalratsarbeit<br />
Nicht auf den Lorbeeren ausruhen<br />
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
Nicht auf den<br />
Lorbeeren ausruhen<br />
deutscher personalräte-preis 25 Gremien mit ihren beeindruckenden<br />
Projekten wurden bisher prämiert. Hat die Verleihung für die<br />
Gremien, die von ihnen vertretenen Beschäftigten und die Dienststellen<br />
nach haltige Wirkung gehabt? Eine Evaluation gibt Aufschluss.<br />
VON KARSTEN ARENDT<br />
darum geht es<br />
1. Bereits fünf Mal sind<br />
Personalräte und Jugendund<br />
Auszubildendenvertretungen<br />
mit dem<br />
»Deutschen Personalräte-<br />
Preis« ausgezeichnet<br />
worden.<br />
2. Die Themenpalette der<br />
eingereichten Projekte ist<br />
sehr vielfältig. Aufallend<br />
viele befassen sich mit<br />
Fragen des Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutzes.<br />
3. Die Preisverleihung<br />
stärkt die prämierten<br />
Gremien. Ihre Projekte<br />
sind häuig Vorbild für<br />
andere Personalräte.<br />
Auf Initiative der Zeitschrift »Der<br />
<strong>Personalrat</strong>« in Kooperation mit<br />
dem DGB-Bundesvorstand und der<br />
HUK-COBURG als Projektpartner<br />
wurde im Jahr 20<strong>10</strong> erstmals der »Deutsche Personalräte-Preis«<br />
ausgeschrieben und verliehen.<br />
Die Ausschreibung stand unter dem Motto: »Innovative<br />
<strong>Personalrat</strong>sarbeit auch in schwierigen<br />
Zeiten«. Neben dem Personalrätepreis in Gold,<br />
Silber und Bronze wurden ein Sonderpreis der<br />
DGB-Jugend für vorbildliche JAV-Arbeit für jugendliche<br />
Beschäftigte und Auszubildende sowie<br />
ein Sonderpreis der HUK-COBURG ausgelobt.<br />
Vom ursprünglichen Zweijahresrhythmus<br />
für die Preisverleihung wurde ab dem Jahr 2012<br />
abgewichen und der Preis seither jährlich ausgeschrieben.<br />
Die Auswertung und Beurteilung<br />
der eingereichten Projekte durch die Jury erfolgte<br />
insbesondere nach folgenden Kriterien:<br />
· Umsetzbarkeit, Ergebnis, Erfolg, konkrete<br />
Auswirkungen auf den Alltag in der Dienststelle<br />
· Vorgehen, Kommunikation des Projekts,<br />
Kooperation mit Beschäftigten, Gremien,<br />
Gewerkschaft, Politik, Sachverständigen,<br />
Dienststellenleitung<br />
· Innovationsgrad von Lösung oder Vorgehen<br />
– Besonderheiten<br />
· Übertragbarkeit auf andere Dienststellen<br />
und Personalräte<br />
· Nachhaltigkeit, Mittel- und Langfristigkeit<br />
erreichter Projektergebnisse<br />
· Bedeutung des Projektes im politischen Gesamtkontext<br />
Diese Kriterien beruhen auf Grundannahmen,<br />
die sich aus den Themenstellungen, den Beschreibungen<br />
und der Präsentation ergaben,<br />
wie sie von den Einreichern der Projekte, in<br />
der Regel den ausführenden Personalräten<br />
selbst, vorgegeben wurden. Ob die Projekte im<br />
betrieblichen Alltag oder im politischen Kontext<br />
dann tatsächlich die Wirkung erzielten<br />
oder die Bedeutung bekamen, die ihnen seitens<br />
der Jury zugeschrieben wurde, bleibt ofen.<br />
Auf Initiative der Jury des Deutschen<br />
Personalräte-Preises wurde die vorliegende<br />
Evaluation erstellt. Sie orientiert sich in einigen<br />
Teilen an der Auswertung des Deutschen<br />
Betriebsräte-Preises aus dem Jahr 2015. 1<br />
Die Evaluation hat zum Ziel, genauer herauszuarbeiten,<br />
welche Projekte, mit welchen<br />
Themen und Fragestellungen eingereicht und<br />
welche Projekte schließlich prämiert wurden.<br />
Darüber hinaus soll auch hinterfragt werden,<br />
was aus den prämierten Projekten geworden<br />
ist, und ob die Verleihung der Preise Auswirkungen<br />
auf die prämierten Gremien hatte,<br />
und, falls ja, welche.<br />
Neben der statistischen Auswertung sind<br />
die prämierten Preisträger hinsichtlich der<br />
Entwicklung der Projekte befragt worden. Es<br />
wurde dabei hinterfragt, welche Auswirkungen<br />
die Verleihung des Preises auf die Preisträger<br />
hatte und zwar auf die Gremien selbst,<br />
auf das Ansehen bei den Beschäftigten, auf<br />
das Verhältnis der Personalräte zur jeweiligen<br />
Dienststelle oder Dienststellenleitung und auf<br />
die öfentliche Darstellung (zum Beispiel in<br />
örtlichen Medien).<br />
1 Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Gute Betriebsratspraxis –<br />
Ein Trendbericht zur Offensive Mitbestimmung, 2014.<br />
24
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
Nicht auf den Lorbeeren ausruhen<br />
personalratsarbeit<br />
Statistischer Überblick<br />
Hier geht es vor allem um die Frage, aus welche<br />
Dienststellen – aufgeschlüsselt nach Bundesland,<br />
Art der Dienststelle, Dienststellengröße<br />
und zuständiger Gewerkschaft – bisher Personalräte<br />
beim Deutschen Personalräte-Preis mit<br />
ihren Projekten teilgenommen haben.<br />
} Projekte nach Bundesländern<br />
Abbildung 1 und 1.1 zeigen alle in den Jahren<br />
20<strong>10</strong> bis 2015 eingereichten Projekte, aufgeschlüsselt<br />
nach Bundesländern. Die meisten<br />
Projekte wurden aus Nordrhein-Westfalen<br />
eingereicht, gefolgt von Baden Württemberg,<br />
Bayern und Niedersachsen. Stark unterrepräsentiert<br />
sind die neuen Bundesländer mit Mecklenburg-Vorpommern<br />
als Schlusslicht mit nur<br />
einem eingereichten Projekt, davor Thüringen<br />
mit zwei, Saarland und Hamburg mit drei und<br />
Brandenburg mit vier Projekten. Dieses Ergebnis<br />
korrespondiert mit Ergebnissen der Auswertung<br />
des »Deutschen Betriebsräte-Preises«. Im<br />
abbildung 1<br />
Projekte nach Bundesländern<br />
Anzahl der Projekte<br />
Baden-Württemberg 32<br />
Bayern 30<br />
Berlin 23<br />
Brandenburg 4<br />
Bremen <strong>10</strong><br />
Hamburg 3<br />
Hessen 19<br />
Mecklenburg-Vorpommern 1<br />
Niedersachsen 25<br />
Nordrhein-Westfalen 59<br />
Rheinland-Pfalz 11<br />
Saarland 3<br />
Sachsen 8<br />
Sachsen-Anhalt 8<br />
Schleswig-Holstein 9<br />
Thüringen 2<br />
Gesamt 247<br />
© Der <strong>Personalrat</strong><br />
Die meisten Projekte wurden von kommunalen<br />
Dienststellen (also Städten, Gemeinden,<br />
Kreisen) eingereicht , gefolgt von Landes- und<br />
Bundesbehörden (siehe hierzu Abbildung 2<br />
auf Seite 26). Auf der anderen Seite inden wir<br />
Stiftungen des öfentlichen Rechts und Zweckverbände.<br />
Diese Verteilung kann aufgrund der<br />
relativen Seltenheit solcher Sonderformen<br />
öfentlich-rechtlicher Betriebe kaum verwundern.<br />
Ca. 60 Prozent aller eingereichten Projekte<br />
kamen aus Bundes- und Landesbehörden<br />
oder aus kommunalen Dienststellen. Die Anabbildung<br />
1.1<br />
Projekte nach Bundesländern<br />
Baden-Württemberg 13%<br />
Bayern 12%<br />
Berlin 9%<br />
Brandenburg 2%<br />
Bremen 4%<br />
Hamburg 1%<br />
Hessen 8%<br />
Mecklenburg-Vorpommern 0%<br />
Niedersachsen <strong>10</strong>%<br />
Nordrhein-Westfalen 24%<br />
Rheinland-Pfalz 4%<br />
Saarland 1%<br />
Sachsen 3%<br />
Sachsen-Anhalt 3%<br />
Schleswig-Holstein 4%<br />
Thüringen 1%<br />
© Der <strong>Personalrat</strong><br />
Unterschied zur »freien Wirtschaft« kann aber<br />
nicht davon ausgegangen werden, dass zum Beispiel<br />
das Nichtvorhandensein entsprechender<br />
<strong>Personalrat</strong>sstrukturen (mangels Dienststellen)<br />
in den »neuen« Bundesländern ursächlich ist.<br />
} Projekte nach Art der Dienststellen<br />
fünf preisverleihungen<br />
Im Zeitraum von 20<strong>10</strong> bis<br />
2015 wurde der »Deutsche<br />
Personalräte-Preis«<br />
fünf Mal ausgelobt.<br />
Eingereicht wurden<br />
insgesamt 247 Projekte.<br />
Davon wurden über 50<br />
für einen Preis nominiert.<br />
15 Projekte erhielten einen<br />
Personalräte-Preis in<br />
Gold, Silber oder Bronze,<br />
fünf erhielten den Sonderpreis<br />
der DGB-Jugend<br />
und fünf den Sonderpreis<br />
der HUK-COBURG.<br />
25
eamtenrecht<br />
Abordnungen und Versetzungen<br />
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
Abordnungen<br />
und Versetzungen<br />
personalplanung Abordnungen und Versetzungen sind wesentliche<br />
Elemente der Personalplanung in der öfentlichen Verwaltung.<br />
Dabei gibt es allerdings einige ofene Fragen und Probleme – auch<br />
im Hinblick auf die Beteiligung der Personalvertretungen.<br />
VON MAXIMILIAN BASSLSPERGER<br />
darum geht es<br />
1. Beamte dürfen abgeordnet<br />
und versetzt<br />
werden. Dabei müssen<br />
jedoch die gesetzlichen<br />
Vorgaben beachtet<br />
werden.<br />
2. Es muss insbesondere<br />
ein dienstliches Bedürfnis<br />
vorliegen.<br />
3. Der <strong>Personalrat</strong> hat bei<br />
Abordnungen und Versetzungen<br />
mitzubestimmen.<br />
Dabei kann er die Interessen<br />
der Beschäftigten<br />
vertreten.<br />
Sowohl das Bundesbeamtengesetz als<br />
auch die einzelnen Landesbeamtengesetze<br />
und das Beamtenstatusgesetz<br />
enthalten Regelungen zur Abordnung<br />
und Versetzung. Dabei ist die Abordnung generell<br />
als vorübergehende, die Versetzung<br />
als dauerhafte Maßnahme angelegt. Die Bestimmungen<br />
stehen jeweils im Ermessen der<br />
Behörde, die die Entscheidung trägt. §§ 14<br />
und 15 BeamtStG betrefen dabei Abordnungen<br />
und Versetzungen in den Bereich eines<br />
Dienstherrn in einem anderen Bundesland<br />
oder des Bundes. Entsprechende landesinterne<br />
Maßnahmen werden durch das jeweilige<br />
Landesbeamtenrecht, bundesinterne Maßnahmen<br />
durch § 27 und § 28 BBG geregelt. 1 Die<br />
Entscheidungen des Dienstherrn sind Verwaltungsakte<br />
nach § 35 VwVfG. Ob es sich dabei<br />
um einen begünstigenden oder belastenden<br />
Verwaltungsakt handelt, bestimmt sich ausschließlich<br />
nach der Sichtweise des Beamten.<br />
Die Abordnungen<br />
Mit Hilfe des Rechtsinstituts der Abordnung<br />
wird die Möglichkeit eröfnet, für eine bestimmte<br />
Zeit das richtige Personal an der<br />
richtigen Stelle einzusetzen. 2 Die Abordnung<br />
ist stets anlassbezogen und soll schon deshalb<br />
ihrer Natur nach nur ein Provisorium sein.<br />
} Stamm- und Abordnungsbehörde<br />
Die Behörde, bei welcher der Beamte bisher<br />
tätig war – und zu welcher er nach der Abordnung<br />
wieder zurückkehrt – wird richtigerweise<br />
als Stammbehörde bezeichnet, für die aufnehmende<br />
Behörde ist die Bezeichnung Abordnungsbehörde<br />
üblich. 3 § 27 Abs. 1 Satz 1 BBG<br />
enthält für das Recht der Bundesbeamten eine<br />
Legaldeinition des Begrifs der Abordnung<br />
(siehe Marginalspalte auf Seite 43). Diese Deinition<br />
ist auf Abordnungen außerhalb des<br />
Bereiches des Bundesbeamtenrechts entsprechend<br />
anwendbar.<br />
Wesentlich ist dabei die Dienstleistung bei<br />
der Abordnungsbehörde für eine bestimmte<br />
oder noch zu bestimmende Zeit mit gleichzeitiger<br />
Eingliederung in den Behördenbetrieb. Dafür<br />
ist es ausreichend, dass abstrakte Dienstgeschäfte<br />
an einer bestimmten Dienststelle ohne<br />
weitere Konkretisierung der Aufgabenstellung<br />
zugewiesen werden. Die Übertragung bestimmter<br />
Aufgaben wird nur dann Teil des Verwaltungsaktes,<br />
wenn die Stammbehörde ihren<br />
Willen, diese in den Abordnungsakt mit aufzunehmen,<br />
in Form und Inhalt der Verfügung<br />
unmissverständlich mit aufgenommen hat.<br />
} Stamm- und Abordnungsbeziehung<br />
Für die Abordnung ist ferner maßgeblich, dass<br />
sie durch die hergestellte Behördenzuordnung<br />
nur eine begrenzte rechtliche Beziehung zwischen<br />
Abordnungsdienststelle und dem Beamten<br />
herstellt. Die Stammbeziehung besteht<br />
weiter zur Stammbehörde. Neben der Stammbeziehung<br />
wird aber auch eine Abordnungsbeziehung<br />
zur Abordnungsbehörde hergestellt.<br />
Die Stammbehörde ist etwa für alle Entschei-<br />
42<br />
1 Entscheidungen, welche den Wechsel eines Bundesbeamten<br />
zu einem Land betreffen, unterliegen den Vorgaben der<br />
§§ 27 und 28 BBG.<br />
2 Vgl. v. Roetteken in: v. Roetteken / Rothländer, HBR IV,<br />
§ 25 HBG Rn. 4.<br />
3 Baßlsperger, ZBR <strong>2016</strong>, 14ff.: Ist mit der Abordnung der Wechsel<br />
in den Bereich eines anderen Dienstherrn verbunden, können in<br />
gleicher Weise die Termini Stammdienstherr und Abordnungsdienstherr<br />
verwendet werden.
Der <strong>Personalrat</strong> 11 | <strong>2016</strong><br />
Abordnungen und Versetzungen<br />
beamtenrecht<br />
dungen zuständig, die die Rechtsstellung des<br />
Beamten betrefen (Beispiele: Ernennung, Entlassung,<br />
Ruhestandsversetzung, Teilzeit), die<br />
Abordnungsbehörde für alle Entscheidungen,<br />
die mit der Tätigkeit während der Abordnung<br />
zusammenhängen (etwa Urlaub, Dienstbefreiung,<br />
Nebentätigkeitsgenehmigungen). Die Verplichtung<br />
zur Zahlung der Besoldung, deren<br />
Höhe sich nach dem bei der Stammbehörde<br />
bestehenden Besoldungsrecht bestimmt, trift<br />
als Gesamtschuldner auch den Abordnungsdienstherrn<br />
(vgl. § 27 Abs. 6 BBG).<br />
} Übertragenes Amt<br />
Abgeordnet können nur solche Beamte werden,<br />
denen bereits ein Amt übertragen wurde.<br />
Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst<br />
können nicht abgeordnet werden, da sie noch<br />
kein Amt besitzen. Sie werden im Rahmen der<br />
»Ausbildungszuweisung« bestimmten Ausbildungsstellen<br />
zugewiesen, nicht aber an diese<br />
abgeordnet. Beim Regelaufstieg 4 nehmen auch<br />
Beamte auf Lebenszeit oder auf Probe an der<br />
fachtheoretischen Ausbildung an den verschiedenen<br />
Bildungseinrichtungen teil. Auch hier<br />
liegt keine Abordnung vor, da sie zum einen<br />
bei der fachtheoretischen Ausbildung keine<br />
dem »Amt entsprechende Tätigkeit« wahrnehmen,<br />
zum anderen werden sie nicht in den Behördenbetrieb<br />
der Ausbildungsbehörde »eingegliedert«.<br />
Deshalb bietet es sich an, hier den<br />
Begrif »Aufstiegsabordnung« zu verwenden.<br />
Auch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen<br />
und anderen Qualiizierungsmaßnahmen<br />
(Beispiel: modulare Qualiizierung bei<br />
anderen Dienststellen und Bildungseinrichtungen<br />
sind keine Abordnungen, denn es mangelt<br />
an der dafür erforderlichen Eingliederung<br />
der teilnehmenden Beamten bei der die Veranstaltung<br />
durchführenden Behörde.<br />
und damit die Eigenschaft einer selbstständigen<br />
Behörde haben. Damit sind Zweigstellen,<br />
Außenstellen oder Nebenstellen von Behörden<br />
keine Dienststellen im Sinne der Abordnung. 5<br />
} Dauer der Abordnung<br />
Die Dauer der Abordnung muss entweder<br />
gleich für eine bestimmte Zeit verfügt oder zu<br />
gegebener Zeit wieder aufgehoben werden.<br />
Der Beamte hat einen Rechtsanspruch darauf,<br />
dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Ungewissheit<br />
und Unsicherheit seiner Beschäftigung<br />
beseitigt wird. Die Zustimmung des<br />
Beamten ist notwendig, wenn die Abordnung<br />
zu einem anderen Dienstherrn eine Frist von<br />
fünf Jahren überschreiten soll (vgl. § 27 Abs. 2<br />
Satz 2 BBG und das entsprechende Landesrecht).<br />
Eine nicht amtsentsprechende Tätigkeit<br />
beim selben Dienstherrn darf ohne Zustimmung<br />
des Beamten die Dauer von zwei Jahren<br />
nicht übersteigen (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1<br />
BBG und das jeweilige Landesrecht). Das Tatbestandsmerkmal<br />
»vorübergehend« besitzt<br />
dabei nicht nur eine Abgrenzungsfunktion zur<br />
Versetzung, sondern es dient auch der Verwirklichung<br />
der Fürsorgeplicht. 6<br />
} Dienstliches Bedürfnis<br />
Für die Abordnung des Beamten muss ein<br />
dienstliches Bedürfnis 7 vorliegen, ohne dessen<br />
Vorliegen die Maßnahme nicht verfügt werden<br />
kann. Ob ein solches dienstliches Bedürfnis<br />
für eine Abordnung gegeben ist, ist eine gerichtlich<br />
überprüfbare Rechtsfrage. 8 Beispiele<br />
für organisatorische Gründe sind etwa hoher<br />
definition<br />
Abordnung nach § 27<br />
Abs. 1 Satz 1 BBG<br />
Eine Abordnung ist die<br />
vorübergehende Übertragung<br />
einer dem Amt<br />
der Beamtin oder des<br />
Beamten entsprechenden<br />
Tätigkeit bei einer<br />
anderen Dienststelle<br />
desselben oder eines anderen<br />
Dienstherrn unter<br />
Beibehaltung der Zugehörigkeit<br />
zur bisherigen<br />
Dienststelle.<br />
Aus dienstlichen Gründen<br />
sind Abordnungen und<br />
Versetzungen zulässig.<br />
} Begrif der Dienststelle<br />
Der Begrif der Dienststelle ist im Gesetz nicht<br />
deiniert. Ein Rückgrif auf den Dienststellenbegrif<br />
des Personalvertretungsrechts nach<br />
§ 6 Abs. 1 BPersVG und des entsprechenden<br />
Landesrechts ist dabei nicht möglich. Da die<br />
Abordnung eine – wenn auch begrenzte –<br />
rechtliche Beziehung zwischen der Abordnungsbehörde<br />
und dem Beamten herstellt,<br />
muss die Dienststelle im Sinne der Abordnung<br />
den Charakter eines Organs des Dienstherrn<br />
4 In Bayern: Ausbildungsqualifizierung nach Art. 37 LlbG. 5 Hierbei handelt es sich um so genannte »Umsetzungen«.<br />
6 Baßlsperger, Fn. 3.<br />
7 »Dienstlicher Grund« ist dafür ein Synonym.<br />
8 BVerwG 31.1.1974 – VI B 3.74 –, Buchholz 237.6 § 31 LBG Nds. Nr. 1;<br />
Battis, § 27 BBG Rn. 7; Leisner, ZBR 1984, 193 (199).<br />
43
Die Nr. 1 für Personalräte.<br />
Der <strong>Personalrat</strong><br />
PERSONALRECHT IM ÖFFENTLICHEN DIENST<br />
derpersonalrat.de<br />
33. JAHRGANG<br />
ISSN 0175-9299<br />
D 8319<br />
11 | <strong>2016</strong><br />
Der <strong>Personalrat</strong><br />
PERSONALRECHT IM<br />
ÖFFENTLICHEN DIENST<br />
Mit Online-Archiv<br />
Neuaulage!<br />
Mit Redaktions-Service Online<br />
GEWALT GEGEN BESCHÄFTIGTE<br />
Mit Newsletter<br />
Das hilft gegen<br />
Übergrife<br />
Inklusive<br />
evaluation<br />
Deutscher<br />
Personalräte-<br />
Preis<br />
rechte Verletzte Beschäftigte haben Ansprüche gegen den Angreifer<br />
wissen Wer an Seminaren teilnimmt, sollte das Gelernte weitergeben<br />
beamte Aus dienstlichen Gründen sind Versetzungen und Abordnungen zulässig<br />
Machen Sie jetzt<br />
den Gratis-Test!<br />
§<br />
Ihr gutes Recht:<br />
§<br />
Der Bezug der Zeitschrift »Der <strong>Personalrat</strong>« gehört zum Bedarf<br />
der laufenden Geschäftsführung nach § 44 Abs. 2 BPersVG<br />
sowie den entsprechenden Vorschriften der LPersVG.<br />
Ganz nah dran.<br />
Ihr Partner im Arbeits- und Sozialrecht.