Wie seelische Entspannung Immunreaktionen - Kinderwunsch ...
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22<br />
Stress und Schwangerschaft<br />
November 2009<br />
Die assistierte Reproduktion verfolgt<br />
für <strong>Kinderwunsch</strong>paare ein<br />
häufi g lang ersehntes Ziel, der Weg<br />
dorthin ist jedoch nicht selten von<br />
psychischer Belastung und mitunter<br />
gar einer gewissen emotionalen Kälte<br />
charakterisiert, „weil Fertilität losgelöst<br />
von der Libido betrachtet wird“,<br />
sagt Professor Dr. med. Christian Th aler<br />
vom <strong>Kinderwunsch</strong>zentrum der LMU<br />
in München. „Wenn wir davon ausgehen,<br />
dass für eine Zielerreichung<br />
die psychische Erfüllung eine ganz<br />
wichtige ist, dann beeinfl usst auch der<br />
Stress einer <strong>Kinderwunsch</strong>behandlung<br />
den Erfolg einer Implantation.“<br />
Selbst bei spontan Schwangeren steht<br />
das Stresserleben in Zusammenhang<br />
mit dem Risiko einer möglichen Fehlgeburt<br />
sowie der späteren Kindsentwicklung,<br />
ergänzt Professor Dr. med.<br />
Der gelassene Weg zum Wunschkind<br />
<strong>Wie</strong> <strong>seelische</strong> <strong>Entspannung</strong> <strong>Immunreaktionen</strong>,<br />
reproduktionsendokrinologische Funktionen<br />
und die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Schwangerschaft beeinfl ussen kann<br />
Ein Beitrag von Petra Peschel<br />
Petra Arck vom Biomedizinischen Forschungszentrum<br />
der Charité Berlin. In<br />
gyne stehen beide Rede und Antwort<br />
zur Frage nach dem Einfl uss von Stress<br />
auf reproduktive Funktionen sowie der<br />
Möglichkeit, <strong>Entspannung</strong>sverfahren<br />
bei <strong>Kinderwunsch</strong> als Regulationsmechanismus<br />
zu nutzen.<br />
Die Studienlage über den Einfl uss<br />
von Stress auf die Implantation einer<br />
Schwangerschaft, auch und insbesondere<br />
im Rahmen der assistierten Reproduktion,<br />
ist uneinheitlich. Ein Aspekt,<br />
der weniger überrascht, wenn man<br />
sich vor Augen führt, dass der Zusammenhang<br />
von Stress und menschlicher<br />
Fortpfl anzung erst seit circa zehn Jahren<br />
in fundierten klinischen Studien<br />
untersucht wird. „Ich würde sagen, bis<br />
zu 80 Prozent der Studien haben einen<br />
Zusammenhang aufgezeigt“, sagt Petra<br />
Arck. Letztlich basiert die Aussagekraft<br />
der Studien maßgeblich auf den herangezogenen<br />
Kriterien der Stressmessung.<br />
Klar ist jedoch, dass sowohl innere als<br />
auch äußere Stressoren eine Bedrohung<br />
der Homöostase darstellen, der Organismus<br />
kommt nicht umhin, auf die jeweiligen<br />
Herausforderungen mit einer<br />
adaptiven Reaktion zu reagieren. „Eine<br />
somatisch orientierte <strong>Kinderwunsch</strong>behandlung<br />
erhöht zudem den Stress<br />
deutlich: So zählen wir bei der Frau die<br />
Follikel, bestimmen das AMH, FSH<br />
und Estradiol, schauen uns beim Mann<br />
die Ejakulatparameter an, und alles in<br />
allem fi ndet eine gewisse Desintegration<br />
statt Integration des Paares für die<br />
gemeinsame Familienplanung statt“,<br />
beschreibt Christian Th aler die Situation<br />
eines <strong>Kinderwunsch</strong>paares.<br />
Bildnachweis: GOODSHOOT/Jupiterimages
Stress und adaptive Reaktionen<br />
Schauen wir zunächst auf die Effekte,<br />
die Stress, unabhängig von Art<br />
und Ausprägung, auf die verschiedenen<br />
Organismusfunktionen hat. Zur peripheren<br />
Adaptation der Körperfunktionen<br />
unter Stress gehört (nach Dorn<br />
und Chrousos; 1997):<br />
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die Sauerstoff - und Energieumleitung<br />
in das Zentralnervensystem<br />
sowie gestresste Körperregionen<br />
die Veränderung des Blutgefäßtonus,<br />
Blutdruckanstieg und die Zunahme<br />
der Herzfrequenz<br />
die Zunahme der Atemfrequenz<br />
vermehrte Energiebereitstellung<br />
in Form von Glukose und freien<br />
Fettsäuren durch Induktion der<br />
Glukoneogenese sowie der Lipolyse<br />
im Fettgewebe<br />
die akute Bereitstellung von Energieträgern<br />
in Form von Glukose<br />
sowie<br />
die Hemmung des Wachstums und<br />
der Fortpfl anzungsfunktionen<br />
Auch hormonell drückt sich die Adaption<br />
des Organismus auf inneren<br />
oder äußeren Stress aus, einerseits über<br />
die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse<br />
(HHN-Achse),<br />
andererseits über das systemische und<br />
adrenomedulläre sympathische Nervensystem:<br />
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Erhöhung der Blutkortisolspiegel<br />
Erhöhung von Adrenalin, Noradrenalin<br />
und Dopamin aus dem Nebennierenmark<br />
vermindertes somatotropes Hormon<br />
(STH) aus dem Hypophysenvorderlappen<br />
Mobilisation der Glukagonausschüttung<br />
aus den pankreatischen<br />
Alphazellen<br />
Auslösung einer relativen Insulinresistenz<br />
durch vermehrte Sekretion<br />
von kontrainsulinären Hormonen<br />
und Zytokinen (Interleukine 1 und<br />
6, Tumornekrosefaktor-Alpha)<br />
Die Interaktion zwischen den zentralnervösen<br />
und peripheren Stresssystemen<br />
unter individuellem Stresseinfl<br />
uss sind teils stimulierender, teils aber<br />
auch hemmender Natur. „Es kommt<br />
zum Beispiel zu einem Mangel an Endorphinen“,<br />
erläutert Christian Th aler.<br />
„Das führt letztlich zu der negativen<br />
Wahrnehmung, enttäuscht oder inner-<br />
lich hohl zu sein.“ Ist das Stresssystem<br />
aktiv, hat das zusammenfassend nachhaltige<br />
Auswirkungen auf metabolische<br />
und endokrine Funktionen (Schäffl er<br />
et al., 2006). „Das führt auch zu Interferenzen<br />
im Bereich der Gonadenfunktion,<br />
die über die Blockade der<br />
hypothalamischen GnRH-sezernierenden<br />
Neurone durch CRH (Corticotropin-releasing-Hormone)unterdrückt<br />
wird. Insbesondere die Ovarebene<br />
wird supprimiert, beeinfl usst so die<br />
FSH- und LH-Sekretion und stört<br />
letztlich bei der Frau die Eizellreifung.“<br />
Neben der Hemmwirkung auf die<br />
Gonaden und damit reproduktiven<br />
Funktionen hat eine chronische Aktivierung<br />
der genannten Stressachsen<br />
ebenso multiple Auswirkungen<br />
auf Immun- und antiinfl ammatorische<br />
Reaktionen. Den hormonellen<br />
Eff ekt sieht man am Beispiel der<br />
hypothalamischen Amenorrhö, wie<br />
sie beispielsweise in Notstandssituationen,<br />
aber auch bei extremer körperlicher<br />
Belastung häufi g vorkommt.<br />
Was hemmt die reproduktive<br />
Funktion unter Stress?<br />
Neben STH ist bei chronischem<br />
Stress die Sekretion von TSH (Th yroidea<br />
stimulierendes Hormon) vermindert,<br />
weil das hypothalamische Stresshormon<br />
CRH auf direktem Weg durch<br />
Stimulation der Somatostatinsekretion<br />
sowohl die STH- als auch TSH-Sekretion<br />
bremst. Schilddrüsenfunktionsstörungen<br />
führen wiederum zu Störungen<br />
des menstruellen Zyklus, wie Lutealinsuffi<br />
zienz, prämenstruellem Syndrom,<br />
Anovulation bis hin zur Amenorrhö.<br />
Was letztlich Stress bei <strong>Kinderwunsch</strong>paaren<br />
und den betroff enen Frauen<br />
auslöst, ist unterschiedlichen Faktoren<br />
unterworfen und kann nicht einheitlich<br />
defi niert werden. So kann beispielsweise<br />
die Berufstätigkeit der Frauen mehr<br />
oder weniger ausschlaggebend sein. Petra<br />
Arck: „Es gibt Arbeiten, die zeigen,<br />
dass es in sehr fordernden Berufen oder<br />
bei Frauen in Führungspositionen ein<br />
vermehrtes Auftreten von Fehlgeburten<br />
gibt.“ Ein wichtiges schwangerschaftsrelevantes<br />
Hormon, das bei vermehrter<br />
Produktion von Stresshormonen<br />
unterdrückt wird, ist das Progesteron.<br />
„Progesteron wirkt unter anderem<br />
entspannend auf die Uterusmuskulatur,<br />
damit es nicht zu Verkrampfungen<br />
oder möglicherweise dem Ausstoßen<br />
des Embryos kommt.“<br />
Stress und Schwangerschaft<br />
Stressmeidung motiviert<br />
wichtige Zellbotenstoff e<br />
Eine besondere Bedeutung bei der<br />
endometrialen Regulation der Implantationsvorgänge<br />
scheint zudem den<br />
Zytokinen zuzukommen. „Diese Zellbotenstoff<br />
e sind von zentraler Bedeutung<br />
für die Plazentation, und sie ermöglichen<br />
ein Toleranzmilieu im Uterus<br />
für die Einnistung des Embryos.“<br />
Auch hier spielt das Progesteron die<br />
entscheidende Rolle dafür, dass die Zytokine,<br />
die ein rezeptives Endometrium<br />
gewährleisten, auch ausgeschüttet<br />
werden. „Hier besteht außerdem der<br />
Zusammenhang zum Immunsystem.<br />
Es gibt Rezeptoren auf Immunzellen,<br />
an die Progesteron anbindet, und die<br />
daraufhin vermehrt Zytokine produzieren.“<br />
An dieser Stelle werden die<br />
gegenseitigen Einfl üsse von Stress, Immunsystem<br />
und reproduktiver Funktion<br />
deutlich. Stress kann demnach auch<br />
eine gestörte Frühschwangerschaft bedeuten,<br />
Hyperemesis gravidarum, rezidivierende<br />
Spontanaborte sowie rezidivierendes<br />
Implantationsversagen. Von<br />
weiterer Bedeutung sind die Zellbotenstoff<br />
e im Seminalplasma des Mannes,<br />
„weil diese teilweise das Endometrium<br />
November 2009<br />
Stress und reproduktive Fehlfunktionen?<br />
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sekundäre Amenorrhö<br />
gestörte Frühschwangerschaft<br />
Hyperemesis gravidarum<br />
rezidivierende Spontanaborte<br />
rezidivierendes Implantationsversagen<br />
23<br />
Eff ekte von <strong>Entspannung</strong>s- und Suggestionstherapie<br />
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Beeinfl ussung vegetativer Funktionen<br />
Herzfrequenz, RR, glatte Muskulatur<br />
Beeinfl ussung endokriner Funktionen<br />
– Kortisol, Prolaktin, CRF- und GnRH-Sekretion<br />
Beeinfl ussung zellulärer Immuninteraktion<br />
– TNF-alpha, IL2, IL6, CD4, CD8, CD56; Th 2>Th 1
24<br />
Prof. Dr. med. Christian<br />
J. Th aler ist Leiter des<br />
<strong>Kinderwunsch</strong>zentrums<br />
in der Klinik und Poliklinik<br />
für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe<br />
der LMU München,<br />
Großhadern. „Wenn<br />
der Embryo in der<br />
Gebärmutter nicht<br />
angenommen wird,<br />
dann führt eine noch<br />
so gute IVF eben zu<br />
keiner Schwangerschaft.<br />
Und Stress<br />
spielt hier mit rein.“<br />
Internet:<br />
www.kinderwunschuni-muenchen.de<br />
Prof. Dr. med. Petra<br />
Arck von der Charité<br />
Berlin: „<strong>Entspannung</strong>stechniken<br />
werden<br />
zwar häufi g in vielen<br />
IVF-Zentren angeregt,<br />
aber nicht unbedingt<br />
umgesetzt.“<br />
E-Mail:<br />
petra.arck@charite.de,<br />
Internet:<br />
www.charite.de/pni<br />
Stress und Schwangerschaft<br />
November 2009<br />
der Frau zusätzlich stimulieren. Es geht<br />
hier um den Transforming-Growth-<br />
Faktor-Beta, der die Einnistung der<br />
Eizelle fördert“, sagt Petra Arck mit<br />
Blick auf die Notwendigkeit der Stressmeidung<br />
bei beiden Partnern, um die<br />
jeweils erforderlichen Zellbotenstoff e<br />
zu motivieren.<br />
Stress und sein Einfl uss<br />
auf Progesteron<br />
Die in sich abhängige Funktionskette<br />
aus Stress, Immunsystem und<br />
reproduktiven Funktionen hat Petra<br />
Arck in einem wissenschaftlichen Team<br />
beleuchtet (Early risk factors for miscarriage:<br />
a prospective cohort study<br />
in pregnant women; Arck P.C. et al.,<br />
Reprod Biomed Online; Jul 2008,<br />
17(1):101–113). Dazu wurden 1 098<br />
Frauen im Alter von 20 bis 36 Jahren<br />
rekrutiert, die nicht dem Stress einer<br />
<strong>Kinderwunsch</strong>behandlung ausgesetzt<br />
waren. „Wir haben eine normale Geburtskohorte<br />
untersucht, um Risikofaktoren<br />
für drohende Fehlgeburten zu<br />
bestimmen.“ Die Patientinnen haben<br />
dazu verschiedene Fragebogen zu Stress,<br />
Lebensqualität, sozialer Unterstützung<br />
bis hin zu Depressionsneigungen und<br />
weiteren psychischen Faktoren ausgefüllt<br />
und zudem eine Blutprobe bei<br />
Rekrutierung (mit Bestätigung der<br />
Schwangerschaft durch den betreuenden<br />
Arzt) abgegeben. Im weiteren Verlauf<br />
haben die Frauen nach der Geburt<br />
ihrer Kinder weitere Fragen zum Zeitpunkt<br />
der Geburt, dem Geschlecht des<br />
Neugeborenen, Komplikationen während<br />
der Schwangerschaft, Schwangerschaftshypertonus,<br />
einer möglichen<br />
Praeklampsie oder auch erlittenen<br />
Fehlgeburt beantwortet. „Wir hatten<br />
mit 55 der Frauen eine Fehlgeburtenrate<br />
von sechs Prozent, was natürlich<br />
niedriger ist als bei vielen anderen Studien<br />
(zehn bis zwölf Prozent), weil wir<br />
bewusst auf Niedrigrisikopatientinnen<br />
selektiert hatten.“<br />
Es wurde beobachtet, dass Frauen<br />
mit einer hohen Stresswahrnehmung,<br />
insbesondere in der Frühschwangerschaft<br />
(vierte bis siebte Woche), sehr<br />
stark mit niedrigen Progesteronspiegeln<br />
korrelierten. „Diese Frauen hatten<br />
ein weit höheres Risiko für eine Fehlgeburt.“<br />
In der Rückbetrachtung stellte<br />
sich heraus, dass bei den Frauen, die<br />
tatsächlich einen Spontanabort erlitten,<br />
die Zeitspanne zwischen Nachweis<br />
eines niedrigen Progesterons und dem<br />
Eintreten der Fehlgeburt durchschnittlich<br />
fünf Wochen betragen hatte. „Das<br />
hat uns deswegen fasziniert, weil das<br />
eine sehr lange Zeit bedeutet, in der<br />
therapeutische Interventionen möglich<br />
sind.“ Klar wurde auch, dass das Risiko<br />
eines niedrigen Progesteronspiegels<br />
und damit einer Fehlgeburt umso<br />
höher war, je älter die Frauen waren.<br />
Demgegenüber lag bei den jüngeren<br />
Frauen das Risiko für eine Fehlgeburt<br />
höher, wenn sie einen deutlich niedrigeren<br />
BMI hatten.<br />
Prägungen des Fetus<br />
intrauterin<br />
Im weiteren Verlauf der Studie post<br />
partum wurde das Geburtsgewicht aller<br />
termingerecht geborenen Kinder ebenfalls<br />
in Bezug zu den defi nierten Risikofaktoren<br />
gesetzt. Petra Arck: „Je höher<br />
die Stresswahrnehmung war oder/und<br />
je schlechter die soziale Unterstützung<br />
war, desto niedriger war das Geburtsgewicht<br />
der Kinder.“ Ein weiterer Auswertungszeitpunkt,<br />
der Risikofaktoren<br />
und Stresswahrnehmung der Mütter in<br />
Bezug zur weiteren Entwicklung der<br />
Kinder setzte, war im Alter von drei<br />
Jahren. Und wieder zeigte sich der Effekt<br />
von niedrigem Progesteron in der<br />
Frühschwangerschaft: „Wir wissen ja,<br />
dass die Progesteronspiegel bei Mutter<br />
und Kind identisch sind. Und die Mädchen,<br />
bei deren Müttern ein niedriges<br />
Progesteron vorhanden war, hatten ein<br />
erhöhtes Risiko für Neurodermitis. Interessant<br />
ist, dass der Progesteronspiegel<br />
in Bezug auf Neurodermitis bei den<br />
Jungen keine Rolle spielte.“<br />
Stress abbauen und<br />
Stressfolgen vermeiden<br />
Auch wenn wir heute wissen (Weinstock;<br />
2001), dass genetisch bedingte<br />
sowie familiär gehäuft vorhandene Prädispositionen<br />
den Umgang mit Stressoren<br />
beeinfl ussen, so muss dennoch in<br />
der gynäkologischen Praxis die Patientin<br />
über die körperlichen Auswirkungen<br />
von Stress sowie die Möglichkeiten der<br />
Stressprävention informiert werden.<br />
Nicht zuletzt, weil viele Paare nach zwei<br />
bis drei Jahren <strong>Kinderwunsch</strong>behandlung<br />
an ihrer Belastungsgrenze sind,<br />
wenn das Wunschbaby weiter auf sich<br />
warten lässt. Reproduktionsmediziner<br />
Th aler: „Es gilt als gesichert, dass<br />
<strong>Entspannung</strong>stechniken im Bereich<br />
vegetativer Funktionen positiv mess-<br />
bare Eff ekte erzielen. So wissen wir beispielsweise,<br />
dass vegetative Funktionen<br />
wie Herzfrequenz, Blutdruck sowie<br />
auch der Tonus der glatten Muskulatur<br />
und die Perfusion von Organen im<br />
Rahmen einer <strong>Entspannung</strong>stherapie<br />
positiv beeinfl usst werden. Von besonderem<br />
Interesse für die Gynäkologie<br />
und Reproduktionsmedizin sind sehr<br />
gute Daten, nach denen <strong>Entspannung</strong><br />
und Hypnose auch die CRH- und die<br />
GnRH-Sekretion positiv beeinfl ussen.“<br />
(J.H. Gruzelier: A review of the impact<br />
of hypnosis, relaxation, guided imagery<br />
and individual diff erences on aspects of<br />
immunity and health, Stress Jun. 2002;<br />
5(2):147–163) Dazu kommt, dass die<br />
Balance verschiedener <strong>Immunreaktionen</strong><br />
(zum Beispiel Th 1/Th 2) durch<br />
<strong>seelische</strong> <strong>Entspannung</strong> zusätzlich verbessert<br />
wird.<br />
Hypnose und Embryotransfer<br />
Untersucht haben das mit der Methode<br />
der Hypnose Levitas et al. (Levitas,<br />
Hypnosis and IVF outcome; Fertil<br />
Steril 2006): Zwei gleichwertige<br />
Gruppen von Patientinnen bekamen<br />
zur einen Hälfte die übliche IVF-Behandlung,<br />
die zweite Gruppe bekam<br />
zusätzlich eine Hypnose beim Embryotransfer.<br />
„In dieser Studie wurden in<br />
der Hypnosegruppe 58 Prozent der<br />
Frauen schwanger (52 von 89 Frauen),<br />
in der Kontrollgruppe dagegen nur<br />
30 Prozent (29 von 96 Frauen). Die<br />
Schwangerschaftsrate war also hochsignifi<br />
kant besser in der Hypnosegruppe“,<br />
berichtet Professor Th aler,<br />
der in München Repromagination, ein<br />
spezielles Imaginations- und Suggestionsprogramm<br />
für <strong>Kinderwunsch</strong>patientinnen,<br />
entwickelt hat. Die durchschnittliche<br />
Implantationsrate bei Levitas<br />
et al. lag in der Gruppe mit Hypnose<br />
bei 28 Prozent gegenüber 14,4 Prozent<br />
Bildnachweis: GOODSHOOT/Jupiterimages; privat (2)
Bildnachweis: www.repromagination.de (4)<br />
in der Gruppe ohne Hypnose. „Ein Ergebnis,<br />
das uns auch bei unserer Arbeit<br />
ermutigt hat.“ Im Weiteren wurde bei<br />
Levitas et al. die Hypnose ins Verhältnis<br />
zu all jenen Faktoren gesetzt, die eine<br />
Schwangerschaftswahrscheinlichkeit<br />
ebenfalls beeinfl ussen.<br />
Dabei wurden berücksichtigt: der<br />
Zeitraum des <strong>Kinderwunsch</strong>es, der<br />
scheinbar keinen relevanten Einfl uss auf<br />
die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft<br />
hat (Odds-Ratio 0,98), der<br />
frühfollikuläre FSH-Level (Odds-Ratio<br />
0,84) und das Alter der Patientin (Odds-<br />
Ratio 0,92) mit jeweils ungünstigem<br />
Einfl uss auf die Schwangerschaftschancen<br />
sowie eine hohe Follikelanzahl<br />
mit günstigem Einfl uss (Odds-Ratio<br />
1,15). „Angesichts dieser Eff ekte hat<br />
die Hypnose mit einer Odds-Ratio von<br />
7,58 off enbar eine unglaubliche Auswirkung<br />
auf den Eintritt einer Schwangerschaft.<br />
Nach Levitas ist es demnach<br />
mindestens doppelt so wahrscheinlich,<br />
durchschnittlich sogar 7,6-fach wahrscheinlicher,<br />
schwanger zu werden,<br />
wenn die Patientin im Rahmen der<br />
IVF eine Hypnose bekommt. Auch<br />
wenn man kritisch sagen muss, dass<br />
es sich hier um eine randomisierte,<br />
aber nicht placebokontrollierte Studie<br />
handelt, ist der Einfl uss von <strong>Entspannung</strong><br />
und Suggestion auf die <strong>Kinderwunsch</strong>behandlung<br />
ein Aspekt, dem<br />
wir in der Praxis Beachtung schenken<br />
sollten.“<br />
Repromagination –<br />
entspannt zum Wunschkind<br />
Christian Th aler selbst hat zusammen<br />
mit Dr. Sabine Rienhoff , Spezialistin<br />
für Hypnose und selbst betroff ene Patientin,<br />
die Repromaginationsmethode<br />
speziell auf die einzelnen Phasen der<br />
<strong>Kinderwunsch</strong>behandlung zugeschnit-<br />
ten, von der Eizellreifung über Follikelpunktion<br />
und Embryotransfer bis zur<br />
Einnistung. Gerade bei der assistierten<br />
Reproduktion, wenn sich die Medizin<br />
ein Stück weit des Körpers der Patientin<br />
bemächtigt, ist es häufi g schwierig, dass<br />
die so wichtige Verbindung zwischen<br />
Körper und Seele aufrechterhalten wird.<br />
Diese Verbindung soll die Tiefenentspannung<br />
nach der Repromaginationsmethode<br />
wiederherstellen. Für die verschiedenen<br />
Phasen wird dabei, begleitet<br />
von Musiksequenzen, über einen MP3-<br />
Spieler zu einer Körperreise angeleitet.<br />
Die MP3-Dokumente sind problemlos<br />
aus dem Internet herunterzuladen<br />
(www.repromagination.de), und die<br />
Patientinnen bekommen so die Möglichkeit,<br />
sich mehrfach am Tag für 15 bis 30<br />
Minuten ganz ihren Stimmungen und<br />
Gefühlen hinzugeben und so nach und<br />
nach ihre <strong>Entspannung</strong> zu vertiefen.<br />
„Es gibt bei uns mittlerweile viele<br />
Frauen, die in den OP oder dann später<br />
zum Embryotransfer mit MP3-Player<br />
kommen und sich so gerade während<br />
der Behandlung sehr entspannt fühlen.<br />
Sicherlich ist für den Erfolg mit ausschlaggebend,<br />
ob sich die Patientinnen<br />
grundsätzlich auf eine <strong>Entspannung</strong>stherapie<br />
einlassen wollen.“ Ist das der<br />
Fall, berichten viele Frauen, dass sie<br />
insgesamt entspannter sind und beispielsweise<br />
besser schlafen, zuversichtlich<br />
sind und mehr Energie haben.<br />
Und möglicherweise profi tiert auch die<br />
Schwangerschaftsrate: In einer Onlinebefragung<br />
von 184 IVF/ICSI-Patientinnen,<br />
die Repromagination verwendet<br />
hatten, ergab sich eine Schwangerschaftsrate<br />
von 41 Prozent. „Hier liegt<br />
sicherlich ein Responder-Bias vor, da<br />
von der Repromagination besonders<br />
überzeugte Patientinnen häufi ger auf<br />
die Befragung geantwortet haben“, resümiert<br />
Th aler. „Ich denke aber, dass<br />
es vielen IVF/ICSI-Patientinnen mit<br />
der Repromaginationsmethode besser<br />
gehen kann – auch wenn sie nicht<br />
schwanger werden.“<br />
Fazit für die Praxis<br />
Stress verschiebt die Balance des<br />
Stresssystems aus CRH, GnRH, Arginin-Vasopressin-Neuronen<br />
und dem<br />
sympathischen Nervensystem in Gehirn<br />
und der Peripherie, dessen charakteristische<br />
Sekrete Noradrenalin,<br />
Adrenalin und Dopamin sind, in ein<br />
Ungleichgewicht.<br />
Stimulation<br />
Stress und Schwangerschaft<br />
November 2009<br />
Punktion<br />
Transfer Nach dem Transfer<br />
25<br />
Die verschiedenen Phasen der <strong>Kinderwunsch</strong>behandlung werden mit der<br />
Repromaginationsmethode zu einer entspannten Körperreise.<br />
Hypnose – ein Weg nach innen<br />
Hypnos kommt aus dem Griechischen und heißt Schlaf. Bei<br />
einer Hypnose schläft man jedoch nicht, sondern befi ndet<br />
sich in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachsein – im<br />
Zustand einer Trance. Dabei entspannt sich der Körper<br />
ganz von selbst und nimmt nur das wahr, was unmittelbar<br />
bedeutsam ist. In einem solchen tiefen <strong>Entspannung</strong>szustand<br />
werden positive eigene Erfahrungen und Energien<br />
aktiviert. In der medizinischen Hypnose wird die Aufmerksamkeit<br />
des Patienten mehr und mehr von der Außenwelt<br />
in das innere Empfi nden gelenkt. Dabei können aufgrund<br />
<strong>Wie</strong>derherstellens der individuellen Ganzheitlichkeit Vorgänge<br />
im Körper positiv beeinfl usst werden.<br />
Ist diese Waage und damit auch das<br />
optimale Funktionieren immunologischer<br />
Funktionen in Schiefl age, kann<br />
Stress eine Schwangerschaft und eine erfolgreiche<br />
Implantation im Rahmen der<br />
assistierten Reproduktion verhindern.<br />
Insbesondere Frauen, die rezidivierende<br />
Spontanaborte hatten, brauchen hier eine<br />
Anleitung, um sich und ihren Organismus<br />
zu „entstressen“. Hilfsmittel aus<br />
dem Internet, auf CDs oder in Büchern<br />
oder auch konkrete Übungsanleitungen,<br />
die der Patientin mitgegeben werden,<br />
können ein erster Schritt sein, damit<br />
auch Ihre Patientinnen die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Schwangerschaft günstig<br />
mit beeinfl ussen können.