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„Heimat ist kein schweres Wort für mich“<br />

Er hat nur einen Pass, den syrischen. Den russischen kann er nicht beantragen, denn<br />

Ahmad Slebi kommt nach Russland, um Medizin zu studieren.<br />

Ahmads Leben in Russland<br />

Er war voller Hoffnung auf sein neues Leben.<br />

Eines Tages wird er gut Russisch sprechen,<br />

das Diplom erhalten und …verheiraten.<br />

Sein Name und sein Äußeres verraten seine ausländische<br />

Herkunft. Und dennoch fühlt er sich heimisch in Russland.<br />

Ahmad ist 26 Jahre alt, mit einem sehr intensiven Blick aus<br />

schwarzen Augen. Er ist meist lebhaft und zu Späßen aufgelegt,<br />

wirkt oft ganz offen und aufgeschlossen. Früher war er ein<br />

bisschen anders, aber das Leben in Russland hat Ahmad<br />

geändert, er wurde unabhängiger, offener und geselliger.<br />

Aber so war es nicht immer. Alles war fremd für ihn: Leute und<br />

Essen waren anders, sogar die Luft war auch anders. Doch er hat<br />

gewusst, dass er sich in seinem neuen Leben zurechtfinden<br />

musste. Und der erste Schritt war Sprache. Er konnte kein<br />

einziges Wort Russisch und das war am Anfang ein richtiges<br />

Problem, denn es war für ihn kompliziert und schwer, Kontakte<br />

zu anderen aufzunehmen. Aber schon nach einiger Zeit konnte<br />

er einfache Sätze verstehen und sie in alltäglichen<br />

Unterhaltungen benutzen. Ehrlich gesagt, seine ersten<br />

Ansprechpartner waren nicht Russen, sondern ausländische<br />

Studenten, die damals auch Russisch gelernt haben.<br />

Als Ahmad nach Russland kam, ist viel Neues, Ungewohntes in seiner Umgebung aufgetaucht.<br />

Es hat Ahmad viel Mühe und Zeit gekostet, sich an alles zu gewöhnen. Jedoch es hat sich<br />

gelohnt. Weit weg von zuhause hat er nach einer Weile gespürt, hier heimisch zu sein, denn die<br />

Menschen haben ihm ein Gefühl gegeben, dass er einer von ihnen ist. „Das braucht jeder zum<br />

Leben fast so nötig wie die Luft zum Atmen“. Er glaubt, Heimat ist da, wo Menschen sind, bei<br />

denen er sich zu Hause fühlt.<br />

Ahmad findet, dass in Russland das Verhalten zu den Ausländern sehr gut ist und sich mit der<br />

Zeit nur verbessert. Die Menschen hier seien gut, gesellig, fröhlich, offen und freundlich. Ahmad<br />

hat schnell das Vertrauen der Menschen erworben. Und immer wenn Ahmad Hilfe gebraucht<br />

hatte, halfen ihm die Menschen gern.<br />

Zu seinem Heimatland hat der Kontakt nie abgerissen, denn die ganze Familie von Ahmad, -<br />

Mutter, Bruder und zwei Schwestern, - ist in Damaskus geblieben. Trotz der vielen<br />

Schwierigkeiten, die es gerade in seiner Heimat gibt, hat seine Familie sich nicht getraut, ihre<br />

Heimat zu verlassen. Ahmad vermisst sie: kurze Telefonate und ein wenig längere Skype-<br />

Gespräche …. So kann er ein bisschen seine Heimat erzeugen. Ehrlich gesagt, hat Ahmad ein<br />

Stück Heimat mit. Kleidung, die syrische Fahne, Fotos von seiner Familie, Koran, syrische<br />

Münzen, einen Kugelschreiber, den ihm seine Mutter am Abreisetag geschenkt hat und<br />

…Süßigkeiten.<br />

Nach dem Deutschkursabschluss nach Deutschland arbeiten gehen<br />

Ahmad ist optimistisch, was seine Zukunft anbelangt. Er sei davon überzeugt, dass er beruflich<br />

erfolgreich sein werde. Aber wo? In Syrien? Darauf zu antworten, fällt ihm schwer: Die<br />

Situation in Syrien lässt derzeit keine Rückkehr zu, denn sein Syrien gibt es jetzt nicht mehr.<br />

Vielleicht macht Ahmad in Deutschland eine Karriere, denn er glaubt, in Deutschland werde er<br />

mehr Chancen haben, sich beruflich verwirklichen zu können. Aber das ist noch nichts<br />

entschieden. Kommt Zeit, kommt Rat.


Später wird Ahmad viel über Russland erzählen und sich dankbar daran erinnern, was<br />

ihm Russland gegeben hat<br />

Er sei sehr froh nach Russland gekommen zu sein, denn hier habe er über das Leben und<br />

Menschen gelernt, was ihm in seinem Land in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Es gibt<br />

aber noch etwas Unvergessliches, was er in Wolgograd erlebt hat und für das Wichtigste und das<br />

Wertvollste hält: seine Hochzeit und der Tag, als er das<br />

Diplom als Chirurg erhalten hat. An diese erinnert sich<br />

Ahmad besonders gerne. Immer begeistert redet er über<br />

die rätselhafte russische Seele und ihre Schönheit. Das<br />

könne nicht unbeachtet bleiben, da es jedem klar sei.<br />

Hier in Wolgograd hat viel gesehen, verstanden und<br />

begriffen. Um sich nicht fremd in der Fremde zu<br />

fühlen, müssen die Menschen auf andere zugehen.<br />

Deshalb war er so froh, als sich nach und nach<br />

Freundschaften entwickelt haben. Ahmad weiß, dass er<br />

später diese Freundschaften vermissen wird...<br />

Doch das kommt später. Zurzeit lernt er intensiv<br />

Deutsch, bereitet sich auf das Examen vor und wartet<br />

auf etwas Neues in seinem Leben.<br />

Ein paar Lebensauffassungen von Ahmad<br />

Seine Alma Mater - die Wolgograder staatliche<br />

medizinische Universität, wo er 6 Jahre lang<br />

Medizin studiert hat; Die Diplomverleihung<br />

Alle Menschen sind anders, deshalb möchten sie nicht nur als Gleiche respektieren, sondern auch<br />

als andere. Aber gemeinsam können sie lernen, in gegenseitigem Respekt zu leben. Das heißt,<br />

jemanden wirklich so zu nehmen wie er ist.<br />

Ahmads Meinung über zwei Botschaften: „Kein Mensch ist illegal“ und “ Wir sind Menschen,<br />

keine Bäume.” geäußert.<br />

„Die Erde ist eine Schaffung des Gottes. Früher gab es keine Grenzen und die Erde wurde für<br />

alle geschaffen. Alle Grenzen sind eine menschliche Schaffung, sie verlaufen durch Köpfe.“<br />

“Ein Baum wächst immer an einem bestimmten Ort, seine Wurzeln halten ihn da. Wo er<br />

gewachsen ist, da wird er auch bleiben. Aber für Menschen kann ein fremdes Land zu einem<br />

Heimat werden. Aber dafür braucht er Zeit, menschliche Unterstützung und dann kann er sich<br />

entwickeln und dem Ort, wo er lebt, den Nutzen bringen. Und dennoch haben auch die<br />

Menschen Wurzeln – ihre Sprache, ihre Glauben, ihre Bräuche.“<br />

Ahmad hat noch eine syrische Parabel über die Heimat erzählt. „Es lebten einmal ein Opa und<br />

sein Enkel. Opa hatte eine riesige alte Truhe. Einmal fragte der Enkel seinen Opa: „Was liegt<br />

denn in deiner Truhe, Opa?“ „Da liegt ein wertvoller Schatz, lieber Enkel.“ Der Enkel wurde<br />

sehr neugierig und lief zu der Truhe. Als er die Truhe geöffnet hatte, blieb er stehen. Er lief zum<br />

Opa und sagte: „Oh, Opa, dein Schatz ist geklaut worden! Die Diebe haben da nur ein Buch und<br />

eine Handvoll Erde liegen gelassen!“ Aber sein Opa erwiderte: „Gibt es denn etwas<br />

Wertvolleres, als ein Buch und die Erde von der Heimat?”

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