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TÜRKISCH GOLD - Landestheater Tübingen

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MATERIALMAPPE<br />

ZUR INSZENIERUNG<br />

<strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong><br />

Kontakt:<br />

Susanne Schmitt, Dramaturgin<br />

Tel.: 07071.1592-50<br />

e-Mail: schmitt@landestheater-tuebingen.de<br />

Tobias Ballnus, Theaterpädagoge<br />

Tel.: 07071.1592-52<br />

e-Mail: ballnus@landestheater-tuebingen.de<br />

KJT. Kinder und Jugendtheater <strong>Tübingen</strong> am LTT<br />

Eberhardstraße 6<br />

72072 <strong>Tübingen</strong><br />

Fax: 07071.1592-78<br />

Internet: www.landestheater-tuebingen.de


INHALT:<br />

I. Grundsätzliche Informationen zur Inszenierung<br />

1. Besetzung ............................................................................................... 4<br />

2. Die Autorin............................................................................................... 5<br />

3. Das Inszenierungsteam .......................................................................... 5<br />

4. Worum geht’s im Stück? ......................................................................... 6<br />

5. Interview mit der Regisseurin .................................................................. 6<br />

II. Freundschaft und Liebe<br />

1. Platonische Freundschaft: Da läuft doch was - oder? ............................ 8<br />

2. Erster Kuss, erste Liebe, erster Sex ....................................................... 10<br />

3. Ratgeber: Sechs Zeichen, dass er/sie an Ihnen interessiert ist .............. 13<br />

III. Migration // Klischees und Vorurteile<br />

1. Deutsche und türkischstämmige Familien .............................................. 15<br />

2. Feridun Zaimoglu: "Kanak Sprak" ........................................................... 19<br />

3. Hatice Akyün: "Einmal Hans mit scharfer Soße" .................................... 20<br />

V. Unterrichts- und Spielideen<br />

1. Vorurteilen auf der Spur .......................................................................... 22<br />

2. Im Einteilungsdschungel ......................................................................... 23<br />

3. Arbeitsblatt 1 ........................................................................................... 24<br />

4. Arbeitsblatt 2 ........................................................................................... 25<br />

5. ABC-Rollenspiel ...................................................................................... 26<br />

VI. Textbeispiele<br />

1. Ausschnitte aus <strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong> von Tina Müller............................... 27<br />

2


<strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong><br />

von Tina Müller<br />

// Rechte: Rowohlt Theater Verlag<br />

// für Zuschauer ab 13 Jahren<br />

Premiere // 20.02.10<br />

Premiere der Umbesetzung // 04.07.10<br />

Aufführungsdauer: ca. 60 Minuten, ohne Pause<br />

Jonas Sebastian Schmid<br />

Luiza Stefanie Klimkait<br />

Regie Katrin Aissen<br />

Ausstattung Cornelia Brey<br />

Dramaturgie Susanne Schmitt<br />

Spielleitung Umbesetzung Felix Schmidt<br />

Regieassistenz Corinna Reinhard<br />

Inspizienz Conni Lelič<br />

Theaterpädagogik Tobias Ballnus / Uschi Berberich<br />

4


DIE AUTORIN<br />

Tina Müller, 1980 in Zürich geboren und dort aufgewachsen, studierte<br />

Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim und Szenisches Schreiben an<br />

der Universität der Künste, Berlin. 2003 wurde sie zum Nachwuchsdramatikerfestival<br />

„World Interplay“ nach Australien eingeladen, 2005 erhielt sie Stückaufträge für die<br />

Oberthurgauer Festspiele und die Theaterfabrik Gera. Ihr Jugendstück<br />

„Bikini“ gewann 2005 den 3. Preis des niederländisch-deutschen Kinder- und<br />

Jugendtheaterfestivals „Kaas & Kappes“, den 2. Baden-Württembergischen<br />

Jugendtheaterpreis 2006 und den Deutschen Jugendtheaterpreis 2008. <strong>TÜRKISCH</strong><br />

<strong>GOLD</strong> entstand als Auftragsarbeit für das Theater Zamt & Zunder in Baden<br />

(Schweiz), wo es 2006 unter dem Titel „Schweiz küsst Türkei“ uraufgeführt wurde. In<br />

der Spielzeit 2007/08 war Tina Müller Stipendiatin des Autorenlabors am<br />

Düsseldorfer Schauspielhaus, zurzeit lebt sie in Berlin.<br />

// DAS INSZENIERUNGSTEAM<br />

Katrin Aissen studierte an der LMU München Neuere deutsche Literatur,<br />

Theaterwissenschaft und Geschichte. Sie war danach fünf Jahre lang als<br />

Regieassistentin am Mainfranken Theater Würzburg und von 2005 bis 2009 als<br />

Dramaturgin am KJT engagiert. Als Regisseurin arbeitete sie bisher in Wien, am<br />

Mainfrankentheater Würzburg, an der Westfälischen Landesbühne Castrop-Rauxel<br />

und an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Am KJT hat sie zuletzt<br />

HARAM von Ad de Bont und eine eigene Bühnenfassung von George Orwells FARM<br />

DER TIERE inszeniert.<br />

Cornelia Brey, geboren in Hamburg, absolvierte ihr Bühnen- und Kostümbildstudium<br />

an der HdK Berlin. Als freie Ausstatterin ist sie seitdem unter anderem am<br />

Volkstheater Wien, Staatstheater Wiesbaden, Stadttheater Klagenfurt, Düsseldorfer<br />

Schauspielhaus, am Theater Vorpommern in Greifswald und am Theater der Stadt<br />

Koblenz tätig. Am KJT hat sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Produktionen<br />

betreut, zum Beispiel YVONNE, DIE BURGUNDERPRINZESSIN, WIE KATER<br />

ZORBAS DER KLEINEN MÖWE DAS FLIEGEN BEIBRACHTE oder zuletzt FRITZ –<br />

A GERMAN HERO.<br />

5


WORUM GEHT’S IM STÜCK?<br />

Luiza und Jonas sind befreundet – irgendwie schon seit immer. Sie kennen sich in-<br />

und auswendig, aber nach dem Urlaub ist plötzlich alles ganz anders. Jonas hat sich<br />

in der Türkei Hals über Kopf in Aynur verliebt. Vom Sehen kennt er sie schon aus<br />

Deutschland, sie wohnt in der gleichen Stadt und geht sogar in Luizas Parallelklasse.<br />

In der Türkei verbringen Jonas und Aynur einen wunderschönen Nachmittag<br />

zusammen am Strand, doch dann hat sie es ziemlich eilig und stürmt davon ohne<br />

sich richtig zu verabschieden. Zurück in Deutschland weiß Jonas nicht so recht, wie<br />

er sich verhalten soll.<br />

Spielerisch exerzieren Luiza und Jonas daher alle möglichen Situationen durch: Was<br />

sagen Aynurs muslimische Eltern zu einem Verhältnis ihrer Tochter mit einem<br />

„Ungläubigen“? Wie werden sich die Mitschüler das Maul zerreißen? Was wird<br />

Aynurs Bruder Jonas antun für die Schande, die er über die Familie bringt?<br />

Außerdem ist da noch der Rechtsradikale Marius, der auch nicht gerade zimperlich<br />

ist, wenn Deutsche sich mit Ausländern „einlassen“. Und vor allem: Was ist mit Aynur?<br />

– Steht sie überhaupt auf deutsche Jungs, oder findet sie sie langweilig?<br />

// INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN KATRIN AISSEN<br />

Am Samstag feiert das Kinder- und Jugendtheater <strong>Tübingen</strong> seine nächste Premiere:<br />

„Türkisch Gold“ von Tina Müller, ein Stück für Zuschauer ab 13 Jahren. Im Vorfeld<br />

der Premiere sprach KJT-Dramaturgin Susanne Schmitt mit der Regisseurin Katrin<br />

Aissen über ihre Inszenierung der türkisch-deutschen Liebesgeschichte.<br />

Susanne Schmitt: <strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong> ist ein Stück über die erste Liebe, über<br />

Freundschaft, Migration, Klischees und Vorurteile. Katrin, welcher dieser Aspekte<br />

steht für dich im Vordergrund?<br />

Katrin Aissen: Ich finde gerade die Mischung dieser Themenkomplexe sehr<br />

spannend. Die Autorin Tina Müller hat die Frage nach Kulturunterschieden bzw. in<br />

erster Linie die Klischeebilder davon, die viele in unserer Gesellschaft von<br />

„Ausländern“ haben, sehr geschickt in eine Freundschafts- und Liebesgeschichte<br />

eingebaut. Die Grundidee des Stücks ist dabei clever komponiert: Die beiden<br />

Hauptfiguren Luiza und Jonas stellen sich spielerisch vor, was passieren könnte,<br />

wenn Jonas mit Aynur zusammen sein würde. Dadurch bedienen sie einerseits<br />

lustvoll vorhandene Klischees, andererseits werden diese aber auch immer wieder<br />

gebrochen, da sie ganz klar der Projektion der jeweiligen Figur entstammen.<br />

6


Luiza und Jonas schlüpfen dabei ständig in andere Rollen, sie sind mal sie selbst<br />

und im nächsten Moment Aynur, ihr Bruder Kerim, Jonas’ Vater etc. Welche<br />

Auswirkungen haben diese schnellen Wechsel auf die Spielweise der Schauspieler?<br />

In <strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong> gibt es ja eigentlich zwei Ebenen: Da ist zum einen die<br />

Beziehung zwischen Jonas und Luiza. Diese Spielebene haben wir sehr<br />

psychologisch angelegt. Zum anderen gibt es diverse Personen, in die Luiza und<br />

Jonas schlüpfen. Bei den jeweiligen Figuren haben wir auf den Proben genau<br />

untersucht, inwieweit man mit Übertreibungen und Klischees arbeitet oder inwieweit<br />

man sie ernst nimmt. Das hängt auch immer davon ab, wer die Figur gerade<br />

„erfindet“ und was man mit ihr „bezweckt“. Das bedeutet für die Schauspieler<br />

natürlich eine große Herausforderung. Sie müssen von einem Moment auf den<br />

anderen ihre Spielweise ändern: von einer Personenpersiflage switchen sie in eine<br />

emotional sehr berührende Szene und zurück.<br />

Ihr verzichtet bei den rasanten Rollenwechseln nahezu vollständig auf äußere<br />

Verwandlungen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?<br />

Kostüm- und Maskenwechsel standen für mich eigentlich nie wirklich zur Debatte. Ich<br />

denke, das ist auch schon durch das Grund-Setting vorgegeben. Die Ausgangsbasis<br />

ist ja die, dass die Jugendlichen Jonas und Luiza die anderen Personen „spielen“:<br />

Sie stellen sich vor „was wäre, wenn“. Das heißt, es geht nicht um eine möglichst<br />

perfekte Verwandlung der Schauspieler in die jeweiligen Figuren, sondern vor allem<br />

auch darum, wie Luiza und Jonas sich diese Personen vorstellen und<br />

dementsprechend verkörpern.<br />

Du hast in deiner Inszenierung in die sehr schnellen, pingpongartigen Dialoge von<br />

Tina Müller stumme Szenen eingefügt. Was passiert in diesen „Zwischenspielen“?<br />

Zum einen kann man in den Zwischenspielen sozusagen einen Blick in die Köpfe der<br />

Hauptfiguren Jonas und Luiza werfen. Innere Gefühle wie Angst, Freude, Sehnsucht<br />

etc. werden ohne Text, nur über Musik und den körperlichen Ausdruck dargestellt.<br />

Zum anderen haben die Zwischenspiele für mich auch eine dramaturgische Funktion:<br />

Man kann sich als Zuschauer ein wenig von den aberwitzigen Dialogschlachten<br />

„erholen“.<br />

aus: Schwäbisches Tagblatt, 19. Februar 2010<br />

7


PLATONISCHE FREUNDSCHAFT: DA LÄUFT DOCH WAS - ODER?<br />

Ich verlor meinen besten Freund Jan mit Anfang 20. Aber nicht der Tod war Schuld.<br />

Es war die Liebe. "Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns erstmal nicht mehr sehen",<br />

hatte er gesagt und die Tür hinter sich zugezogen. Ich blieb allein zurück und konnte<br />

es nicht fassen. War das jetzt das Ende unserer Freundschaft? Was sollte ich denn<br />

ohne ihn machen?<br />

Gemeinsam hatten wir ganze Nächte verquatscht, über die Zukunft, unsere Träume,<br />

die Liebe sinniert. Und uns dabei gegenseitig unsere musikalischen<br />

Neuentdeckungen vorgespielt. Bei meinem Umzug in die neue Wohnung schleppte<br />

Jan freiwillig meinen wuchtigen Schrank. Und wenn es mir schlecht ging, rief ich ihn<br />

an, zehn Minuten später stand er mit einer Packung Schokoeis vor meiner Tür. Nie<br />

langweilten wir uns miteinander. Wir verstanden uns einfach gut. Vielleicht zu gut.<br />

Psychologen nennen so was "Harry-und-Sally-Syndrom". In der amerikanischen<br />

Liebeskomödie ist es der skeptische Harry (gespielt von Billy Crystal), der die These<br />

aufstellt: "Männer und Frauen können nie nur Freunde sein, der Sex steht immer<br />

zwischen ihnen." Am Ende behält er Recht. Besonders Männern fällt es schwer, bei<br />

der besten Freundin nicht auch ans Fummeln zu denken.<br />

Laut einer Untersuchung der Psychologinnen Cornelia Rohde-Höft und Regine<br />

Heißenbüttel-Röhr von der Universität Oldenburg fühlen sich 44 Prozent der<br />

befragten Männer von ihrer besten Freundin angezogen. Bei den Frauen sind es nur<br />

31 Prozent. Ein weiteres Hindernis liegt in unserer Erziehung: In der Schule werden<br />

wir erst darauf geeicht, uns aus dem Weg zu gehen ("Mädchen spielen doch eh nur<br />

mit Puppen"), und später in der Pubertät darauf, im anderen Geschlecht das Objekt<br />

der Begierde zu sehen.<br />

Nach der Sache mit Jan habe ich gesagt: Nein! Klappt nicht. Heute weiß ich: Eine<br />

platonische Freundschaft zwischen Junge und Mädchen kann doch funktionieren!<br />

Dank Markus. Ich habe ihn bei einem Praktikum kennengelernt. Wir verstanden uns<br />

sofort. Ich lachte Tränen, wenn er mir per Mail witzige YouTube-Videos schickte. Er<br />

liebte die Musik, die ich ihm auf CDs brannte. Gemeinsam lästerten wir bei einem<br />

Feierabend-Pils über die Macken unserer Partner.<br />

Aber immer waren die Fronten geklärt. Wir steckten jeweils in festen Partnerschaften.<br />

Überhaupt ist mit ihm alles so entspannt. Wenn er vorbeischaut, muss ich weder den<br />

Bauch einziehen, noch auf meine alte Jogginghose verzichten. Und kippt er auf einer<br />

Party betrunken vom Barhocker, rege ich mich nicht auf - er ist ja schließlich nicht<br />

mein Freund.<br />

Zum Glück sahen unsere Liebsten das ebenso entspannt. Denn so eine Mädchen-<br />

Jungs-Freundschaft bietet den perfekten Nährboden für Eifersucht. Die Vorstellung,<br />

dass die eigene Freundin sich einmal in der Woche mit einem anderen Jungen trifft<br />

und dabei Geheimnisse austauscht, behagt den meisten gar nicht. Besonders das<br />

Umfeld reagiert auf diese Konstellation meist höchst misstrauisch und mit klaren<br />

Unterstellungen: "Da läuft doch was!" Weil sich eben keiner vorstellen kann, dass<br />

mal nichts läuft, wenn Mädchen und Junge sich häufig sehen, sich in den Arm<br />

nehmen oder sich beim jeweils anderen ausheulen. Das passt nicht in unser<br />

traditionelles Bild.<br />

Dabei hat es nur Vorteile, eine beste Freundin und einen besten Freund zu haben!<br />

Mit ihr suche ich nach Makeln bei den "Germany's Next Topmodel"-Kandidatinnen,<br />

mit ihm die Anschlussfehler bei Star Wars. Sie weiß genau, welcher Schal zu<br />

welchem Top passt - er kann mir endlich die Abseits-Regel erklären. Sie versteht,<br />

warum Reden in einer Beziehung so wichtig ist - er, warum Mann manchmal lieber<br />

8


schweigt. Wer einen besten Freund hat, braucht keinen professionellen<br />

Beziehungsberater.<br />

Aber was, wenn doch etwas lief? Kann aus Liebe Freundschaft werden? Die Berliner<br />

Freundschaftsforscherin Ann-Elisabeth Auhagen fand heraus, dass immerhin 30<br />

Prozent aller Mann-Frau-Freundschaften aus Partnerschaften hervorgehen. Sicher<br />

wird man trotzdem leiden, auch wenn man sich freundschaftlich trennt. Weil ein<br />

Scheitern in der Liebe, diesem ultimativen Glücksziel, einfach schwer zu akzeptieren<br />

ist. Nach längeren Beziehungen kann es Monate dauern, vielleicht sogar Jahre, bis<br />

die Scherben zusammengekehrt sind.<br />

Richtiger Liebeskummer ist eine traumatische Erfahrung. In der psychologischen<br />

Stress-Skala steht eine Trennung auf Platz zwei, nach dem Tod eines Angehörigen.<br />

Aber man wird trotzdem in Kontakt bleiben. Und wenn man nur bei Facebook schaut,<br />

was der andere gerade so treibt. Weil einen mehr verbindet als trennt. Und je<br />

zufriedener sich beide in verschiedene Richtungen entwickeln, je glücklicher sie in<br />

einer neuen Beziehung sind, desto einfacher gelingt die Freundschaft.<br />

Vor einem Jahr habe ich Jan wiedergetroffen. Ich hatte in der Stadt zu tun, in der er<br />

heute lebt. Gemeinsam mit seiner Freundin. Wir haben uns auf ein Bier verabredet.<br />

Seit er gegangen war, haben wir das nicht mehr gemacht. Plötzlich war alles wie<br />

früher: Wir haben in alten Zeiten geschwelgt, über Feten, Freunde, unser früheres<br />

Leben geredet. Und viel gelacht. Es war schon sehr spät, als wir uns zum Abschied<br />

fest umarmten. Für einen kurzen Augenblick sahen wir uns an und ich glaube, wir<br />

waren beide traurig. Weil wir erkannten, dass es nie mehr so werden würde wie<br />

früher. Dass wir beide einen Freund verloren haben.<br />

Katrin Brinkmann, Harry und Sally. Mädchen-Jungs-Freundschaften, kann das gut gehen? Zumindest<br />

solange es nicht knistert., in: Yeaz. Die Jugendzeitung, Nr. 42, November 2009.<br />

9


ERSTER KUSS, ERSTE LIEBE, ERSTER SEX<br />

"Ich check die jetzt ab"<br />

West, 15, will eine Freundin, die richtig gut aussieht, "alles andere wäre doch voll<br />

blamabel". Also gibt er bei der Anmache alles. Herzklopfen im SchulSPIEGEL - das<br />

zweite von sechs Gesprächen über Flirten, Verliebtsein, Sex.<br />

Frage: Gibt's ein Mädchen, für das du schwärmst?<br />

West: Ja. Sie geht in eine Klasse über mir.<br />

Frage: Und warum gerade sie? Was ist an ihr so toll?<br />

West: Na ja, wie sie aussieht. Sie einen guten Körper, ein schönes Gesicht. Sie ist<br />

nett, freundlich. Sie hat Humor. Mal ehrlich: Gutes Aussehen ist wichtig. Alle sagen:<br />

innere Werte und so. Aber wenn sie nicht gut aussieht, dann kann ich mich mit ihr<br />

nirgendwo blicken lassen. Das wäre voll blamabel. Der erste Eindruck ist einfach der<br />

äußere. Das ist einfach so. Aussehen und Klamotten machen Menschen. Sie sollte<br />

also schon gut aussehen, nicht fett sein und 'ne schöne Oberweite haben. Muss jetzt<br />

nicht Doppel-D sein, aber schon so C.<br />

Frage: Und? Hast du schon mal mit ihr geredet?<br />

West: Ja, klar. Sie ist meine Nachbarin und eine Freundin. Aber ich hätte gerne,<br />

dass da mehr draus wird. Ich muss mir nur noch eine gescheite Taktik ausdenken.<br />

Frage: Was willst du dafür tun?<br />

West: Also zuerst mal reden und dann sagen: Hey, gib mal deine Telefonnummer,<br />

dann kann ich ja mal anrufen und wir können was zusammen machen, Kino,<br />

McDonalds oder so. Aber an der Taktik muss noch gefeilt werden. Tja, das ist schwer.<br />

Ist voll scheiße, dass das die Mädels nie machen. Bei manchen funktioniert es, wenn<br />

man voll die Aufziehsprüche macht: Ey, chica, und so. Aber das sind dann voll die<br />

Bitches. Nur für eine Nacht gut.<br />

Frage: Also gefällt es dir nicht, wenn Mädels leicht zu kriegen sind?<br />

West: Doch doch, das gefällt mir schon. Es gibt zwei Arten von Mädchen: die für<br />

eine Nacht und die für länger. Wenn ich sie liebe und mit ihr zusammen bin, dann will<br />

ich keinen One-Night-Stand.<br />

Frage: Wie sollte denn ein Mädchen einen Jungen anmachen?<br />

West: Also die meisten Mädchen sind so schüchtern, die machen das nicht. Ich habe<br />

noch nie ein Mädchen gesehen, das einen Jungen angemacht hat. Das Problem ist:<br />

Wenn ein Junge einen Korb bekommt, dann macht er sich darüber lustig. Aber wenn<br />

ein Mädchen einen Korb bekommt, dann ist sie voll traurig. Deshalb haben sie Angst<br />

davor. Wenn ein Mädchen einfach herkommen und mich küssen würde, ich sie aber<br />

nicht toll fände, dann würde ich sie wegschieben und sagen: Bäh, was machst du,<br />

Alte? Dann würde sie nie wieder einen Jungen ansprechen und hätte ein Trauma<br />

für's Leben.<br />

Frage: Und ihr Jungs habt keine Angst, einen Korb zu bekommen?<br />

West: Nö, eigentlich nicht. Aber wenn es um Liebe geht, also wenn ich vielleicht was<br />

für sie empfinde, dann ist es schon schwieriger. Aber wenn ich sie nur fürs Bett<br />

haben will, dann ist es leicht.<br />

10


Frage: Und wie macht man das dann?<br />

West: Man spricht die Mädchen an und sagt: Hey, willst du 'ne Runde spazieren<br />

gehen? Dann kann man ein bisschen herumlaufen. Wir machen die an, wenn keiner<br />

dabei ist, sonst kommt das peinlich. Wenn ein Mädel mit ihrer Clique dasteht und<br />

dann kommt einer und macht sie an, das wäre komisch. Also muss man sie erst mal<br />

wegkriegen, dann ein bisschen reden und dann läuft das.<br />

Frage: Wie sollte denn das Mädel, das du toll findest, reagieren, wenn du sie<br />

ansprichst?<br />

West: Mir ihre Telefonnummer geben. Wenn wir ins Kino gehen oder so, dann darf<br />

sie dafür den Film aussuchen.<br />

Frage: Sie darf dann alles bestimmen?<br />

West: Also man denkt immer, dass Frauen bei Muslimen keine Rechte haben. Aber<br />

das stimmt so nicht. Bei uns ist es so: Die Mutter ist heilig, dann kommt die Freundin.<br />

Die ist auch voll wichtig und kann auch was bestimmen. Wenn sie in eine andere<br />

Disco gehen will als ich, dann gehe ich halt dorthin mit.<br />

Frage: Bist du denn als Muslim streng religiös erzogen?<br />

West: Nein, meine Mutter, die ist Iranerin, sagt: Ich glaube an Gott, aber der Rest ist<br />

deine Sache. Mein Vater ist Italiener, also sowieso kein Muslim. Meine Eltern sind da<br />

nicht so streng. Und mein Opa und meine Oma essen auch Schweinefleisch.<br />

Frage: Ist das Mädel, um das es geht, auch Muslimin?<br />

West: Nein, die ist griechisch-orthodox. Meinen Eltern ist das egal. Ich könnte auch<br />

eine Jüdin als Freundin haben. Nur bei einer deutschen Freundin würden meine<br />

Kumpels vielleicht sagen: Hey, was geht bei euch? Und so. Das ist nicht so gut, was<br />

machst du da? Aber weiter ist das kein Problem.<br />

Frage: Wissen denn deine Freunde, dass du sie toll findest? Redet ihr darüber?<br />

West: Nein, nicht so. Wenn wir über Mädchen reden, geht das eher so: Ich check die<br />

jetzt ab. Aber wenn ich jetzt eine liebe, dann sage ich: Hey, ich habe eine neue<br />

Freundin, und ihren Namen, aber sonst nichts. Es geht eher um Sex, wenn wir reden,<br />

das ist interessanter. Außer jetzt mit meinem besten Kumpel. Da vielleicht. Aber nicht<br />

so, wie Mädels das machen, so in der Runde, so nicht. Aber ich denke oft an sie. Ich<br />

kann nachts nicht schlafen und denke an sie.<br />

Frage: Was würdest du denn gerne mal mit ihr machen?<br />

West: Weggehen. Kino, Disco, gerne Gammeln, also 'rumhängen, zu ihr gehen, da<br />

Musik hören, Film angucken… Ich würde sie dann auch zu meinen Kumpels<br />

mitbringen. Und ich würde dann auch zu ihren Homies gehen, quatschen, so was.<br />

Das soll drei bis vier Jahre halten. Ich will den Rekord von einem Kumpel brechen.<br />

Der ist mit seiner Freundin schon zwei Jahre zusammen.<br />

Frage: Und wie glaubst du, dass sie reagiert, wenn du's ihr sagst?<br />

West: Ich weiß nicht. Ein Klassenkamerad hat ihr mal einen Brief geschrieben, so<br />

einen Erste-Klasse-Brief: Willst du mit mir gehen? – ja, nein, vielleicht. Und da hat sie<br />

ein viertes Kreuz gemacht: Warum soll ich das beantworten?<br />

Frage: Was würde denn passieren, wenn sie bei dir nein sagen würde?<br />

West: Dann muss ich mir eine Neue suchen, dann habe ich halt einen Korb<br />

bekommen. Ich würde jetzt nicht groß herumflennen oder so.<br />

11


Frage: Was könntest du denn Romantisches für sie machen?<br />

West: Ein Candlelight-Dinner könnte ich nur machen, wenn ich älter wäre. Also man<br />

sieht das doch auch in der Entwicklung. In der Grundschule hat man Liebesbriefe<br />

geschrieben mit ja, nein und vielleicht. Jetzt in meinem Alter ist so was total abwegig.<br />

Und jetzt: Wir müssen die auf der Straße anmachen oder so. Und wenn man älter<br />

wird, dann macht man was Romantisches, geht erst in einen Liebesfilm und lädt sie<br />

zum Essen ein. Oder wenn man jemand anmacht und ihn zum Kaffee einlädt, das<br />

macht man auch erst in der Oberstufe, also so mit 20 und älter. In meinem Alter<br />

macht man das nicht.<br />

aus: www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,479447,00.html // 15. Mai 2007<br />

12


RATGEBER: RATGEBER: RATGEBER: SECHS SECHS SECHS ZEIC ZEICHEN, ZEIC ZEICHEN,<br />

HEN, DASS DASS ER/SIE ER/SIE AN AN IHNEN IHNEN INTERESSIERT INTERESSIERT IIST<br />

I<br />

ST ST<br />

Das Kennenlernen ist eine knifflige Phase: Wir kennen den anderen noch nicht gut<br />

genug, um seine Signale zu deuten. Ist er/sie nur schüchtern oder hat er/sie einfach<br />

kein Interesse? Kein Problem, mit folgendem Ratgeber finden Sie im Nu heraus, wie<br />

er zu Ihnen steht.<br />

Zeichen eins: Er zeigt Schwächen<br />

Am Anfang des Kennenlernens tun viele<br />

erst einmal so, als würde ihr Leben<br />

nahezu problemfrei verlaufen. Na klar,<br />

schütten wir beim ersten Date nicht<br />

gleich unser Herz aus, erst einmal sind<br />

die Schokoladenseiten Gesprächsthema.<br />

Das tun wir - natürlich -, um uns<br />

gegenseitig zu beeindrucken. Ist sein<br />

Interesse jedoch echt, fängt er an, seine<br />

Gedanken oder Probleme zu schildern.<br />

Es geht nicht mehr nur um den liebsten<br />

Bundesligaverein oder den besten<br />

Italiener der Stadt, sondern um wirkliche<br />

Themen. Zum Beispiel, dass sein Job<br />

ihn auf Dauer doch unterfordert oder<br />

dass er als Kind unter seinem strengen<br />

Vater gelitten hat. Ein sicheres Zeichen,<br />

dass er sich bei Ihnen wohl fühlt und Sie<br />

hinter seine starke Fassade schauen<br />

lassen will.<br />

Zeichen zwei: Er fragt nach<br />

Zukunftsplänen<br />

Das muss nicht gleich der konkrete<br />

Kinderwunsch sein. Er zeigt auch echtes<br />

Interesse, wenn er Sie nach Ihren<br />

Karriereplänen für die nächsten fünf<br />

Jahre fragt oder ob Sie immer in der<br />

Stadt leben möchten. Mit diesen<br />

scheinbar harmlosen Fragen möchte er<br />

herausfinden, ob sie zueinander passen.<br />

Zeichen drei: Er hört zu<br />

Sie erzählen von sich, ohne gleich beim<br />

ersten Date Ihr gesamtes Leben<br />

auszubreiten? Gut, dann haben Sie alles<br />

richtig gemacht. Aber wie reagiert er?<br />

Hört er Ihnen zu? Stellt er Fragen oder<br />

ermuntert er Sie, weiter zu sprechen,<br />

wenn Sie zögern? Erzählt er etwas von<br />

Zeichen eins: Sie zeigt Schwächen<br />

Am Anfang des Kennenlernens tun viele<br />

erst einmal so, als würde ihr Leben<br />

nahezu problemfrei verlaufen. Na klar,<br />

schütten wir beim ersten Date nicht gleich<br />

unser Herz aus, erst einmal sind die<br />

Schokoladenseiten Gesprächsthema. Das<br />

tun wir - natürlich -, um uns gegenseitig zu<br />

beeindrucken. Ist sein Interesse jedoch<br />

echt, fängt sie an, ihre Gedanken oder<br />

Probleme zu schildern. Es geht nicht mehr<br />

nur um ihre liebsten Freundinnen oder den<br />

besten Italiener der Stadt, sondern um<br />

wirkliche Themen. Zum Beispiel, dass ihr<br />

Job sie auf Dauer doch unterfordert oder<br />

dass sie als Kind unter ihrem strengen<br />

Vater gelitten hat. Ein sicheres Zeichen,<br />

dass sie sich bei Ihnen wohl fühlt.<br />

Zeichen zwei: Ihre Körpersprache ist<br />

offen<br />

Die Körpersprache verrät oft mehr, als<br />

Worte. Schließlich hat uns die Natur mit<br />

einem unbewussten Paket an nonverbalen<br />

Flirtsignalen ausgestattet, die in<br />

Action springen, wenn uns jemand gefällt.<br />

Dazu gehören: Sie lehnt sich in Ihre<br />

Richtung, während Sie mit Ihnen spricht.<br />

Sie spielt in ihren Haaren herum. Sie<br />

spiegelt Ihre Bewegungen mit ihren<br />

eigenen. Sie lächelt, wenn Sie sie<br />

ansehen.<br />

Zeichen drei: Sie ist neugierig<br />

Eine Frau, die sich für Sie interessiert,<br />

wird Sie mit allerlei Fragen bombardie-ren:<br />

Hobbies, Freundeskreis, Beruf oder<br />

Lieblingsmusik. Ihr Ziel ist es natürlich,<br />

möglichst viele Gemeinsam-keiten<br />

herauszufinden. Wenn Sie sich dann noch<br />

Kleinigkeiten merkt, die Sie irgendwann im<br />

13


sich, das zum Thema passt? Oder<br />

schweift sein Blick durch den Raum,<br />

blickt er auf die Uhr oder wechselt er<br />

abrupt das Thema - dann sollten Sie<br />

alarmiert sein. Mangelndes Interesse ä<br />

ußert sich zuallererst darin, dass er<br />

wenig über Sie wissen möchte.<br />

Zeichen vier: Er merkt sich Kleinigkeiten<br />

Sie haben mal beiläufig erwähnt, dass<br />

Sie verrückt nach dänischer Lakritze<br />

sind und bei einem späteren Gespräch<br />

erinnert er sich daran? Sehr schön. Er<br />

hat zugehört und ist an allem<br />

interessiert, was Sie angeht. Was Sie<br />

glücklich macht, was Sie mögen und<br />

was Sie auf den Tod nicht ausstehen<br />

können.<br />

Zeichen fünf: Er sieht Sie an<br />

Wenn zwei Menschen am Anfang des<br />

Kontakts echtes Interesse füreinander<br />

empfinden, so suchen sie häufigen<br />

Augenkontakt, beobachten einander<br />

und nehmen sich gegenseitig wahr.<br />

Okay, wenn er Ihnen nicht unentwegt<br />

schmachtend in die Augen starrt, ist<br />

das noch kein schlechtes Zeichen.<br />

Aber ein unauffälliger, kurzer Blick,<br />

selbst wenn Sie sich an verschiedenen<br />

Ecken eines Raumes befinden, spricht<br />

Bände.<br />

Zeichen sechs: Er ruft Sie zurück<br />

Er ruft Sie an. Wenn ein Mann wirklich<br />

interessiert ist, wird es schwer sein, ihn<br />

davon abzuhalten. Na klar, es gibt<br />

wichtige Meetings, stressige Jobtage<br />

und andere Verpflichtungen. Wenn er<br />

trotzdem zwischendurch eine kurze<br />

SMS schickt, haben Sie gewonnen.<br />

Und zum Thema "Anruf nach dem<br />

ersten Date" gilt: Wenn er sich nach<br />

einigen Tagen nicht gemeldet hat,<br />

sehen Sie der Tatsache ins Gesicht<br />

und akzeptieren Sie sein Desinteresse.<br />

aus: www.radioton.de // www.ElitePartner.de<br />

Laufe eines Gesprächs erwähnt haben,<br />

sind Sie auf der sicheren Seite: Diese<br />

Frau hat mehr im Kopf als bloße<br />

Bekanntschaft. Hinzu kommt, dass die<br />

Dame Ihres Herzens versucht, künftige<br />

Dates abzumachen: Zum Beispiel erzä<br />

hlen Sie von Ihrer Leidenschaft für Max<br />

Goldt, sagt sie: "Wir müssen unbedingt<br />

zusammen zu einer Lesung gehen."<br />

Zeichen vier: Sie merkt sich Kleinigkeiten<br />

Sie haben mal beiläufig erwähnt, dass<br />

Sie schwedische Kriminalromane lieben<br />

und gerne Mountainbike fahren? Bei<br />

einem späteren Gespräch erinnert sie<br />

sich daran und fragt danach? Sehr<br />

schön. Sie hat zugehört und ist an allem<br />

interessiert, was Sie angeht. Was Sie<br />

glücklich macht, was Sie mögen und was<br />

Sie auf den Tod nicht ausstehen können.<br />

Zeichen fünf: Sie sieht Sie an<br />

Wenn zwei Menschen am Anfang des<br />

Kontakts echtes Interesse füreinander<br />

empfinden, so suchen sie häufigen<br />

Augenkontakt, beobachten einander und<br />

nehmen sich gegenseitig wahr. Okay,<br />

wenn sie Ihnen nicht unentwegt<br />

schmachtend in die Augen starrt, ist das<br />

noch kein schlechtes Zeichen. Aber ein<br />

unauffälliger, kurzer Blick, selbst wenn<br />

Sie sich an verschiedenen Ecken eines<br />

Raumes befinden, spricht Bände.<br />

Zeichen sechs: Sie hat Zeit für Sie<br />

Eine wichtige Regel im Kennenlernspiel:<br />

Wenn eine Frau an Ihnen interessiert ist,<br />

ist sie auch erreichbar und hat immer<br />

Zeit für Sie. Konkret: Sie lässt Sie nicht<br />

stundenlang nach einem Anruf zappeln,<br />

bevor sie ihn erwidert. Und wenn sie<br />

doch einmal keine Zeit haben sollte,<br />

lehnt sie ab, liefert aber gleich einen<br />

Alternativtermin mit.<br />

14


aus: Rubin. Wissenschaftsmagazin der Ruhruniversität Bochum, Winter 09/10.<br />

18


DEN FREMDLÄNDER KANNST DU NIMMER AUS DER FRESSE WISCHEN<br />

Akay, 29, vom Flohmarkt<br />

[...] Hinter jeder straßenecke einer, der haßt, weil'n olivenkern im dickdarm hakt oder<br />

seinem herrmann die richtige länge fehlt. Weiß der teufel, was all den weichhirnis<br />

fehlt und nicht richtig tickt, sicher ist, daß die schon 'n eigenes volk von spinnern<br />

bilden, ich meine, die haben tüchtig an zahl zugelegt, und man kann die spinnerten<br />

typen überall lungern sehen, 'n wichtiger lebensdraht ist wohl oberschlimm<br />

durchgebrannt, und deren mundwinkel hängen wie tote hundepfoten in so nem<br />

blöden winkel, aber ich sag dir kumpel: was erwartest du von ollen krämern? Die<br />

alemannen hassen sich und jeden, der ihnen über'n weg läuft, und irgendwann<br />

kriegen welche so ne störung reingewürgt, weil sie ihre gottverdammte seele in so<br />

nem batzen schiß baden, und da kommt die rache, du kannst die uhr danach stellen.<br />

Honey, ich liefer dir den rechten zusammenhang, du willst es wissen, ich geb dir das<br />

verschissene wissen: wir sind hier allesamt nigger, wir haben unser ghetto, wir<br />

schleppen's überall hin, wir dampfen fremdländisch, unser schweiß ist nigger, unser<br />

leben ist nigger, die goldketten sind nigger, unsere zinken und unsere fressen und<br />

unser eigner stil ist so verdammt nigger, daß wir wie blöde an unsrer haut kratzen,<br />

und dabei kapieren wir, daß zum nigger nicht die olle pechhaut gehört, aber zum<br />

nigger gehört ne ganze menge anderssein und andres leben. Die haben schon unsre<br />

heimat prächtig erfunden: kanake da, kanake dort, wo du auch hingerätst, kanake<br />

blinkt dir in oberfetten lettern sogar im traum, wenn du pennst und denkst: joker, jetzt<br />

bist du in deiner eigenen sendung. Als hättest du'n krebsklumpen mitten in der<br />

visage und würdest dich verstricken in so schleifen aus luft, von jedem und allem<br />

fortgewirbelt, um in einem fort zu grübeln, was dir verdammt noch mal den boden<br />

unter'n füßen wegzieht, und ich sage, mann, das ist obergroße etikette mit deinem<br />

eigentlichen elenden hundescheißnamen drauf. Der pegel steigt bis zum großen<br />

knall, danach bist du abgebrannt und unsauber, ne kleine kriminelle type, die sich die<br />

hufe ablatscht, um denn in seinem verschissenen kuhdorf den ganz großen<br />

provinzmacker zu mimen, und das nimmt dir ja jeder ab da unten, wenn du ganz<br />

schnieke sattes fleisch zeigst. Das ist die niggernummer, kumpel, es gibt die saubere<br />

kanakentour und die schmutzige, was auch immer du anstellen magst, den<br />

fremdländer kannst du nimmer aus der fresse wischen. Und noch eins: wir sind alle<br />

anbieter, nur das land ist mager, das land drückt deinen eignen stil. Deshalb ist das<br />

land so richtig im arsch, da geb ich dir'n siegel.<br />

aus: Feridun Zaimoglu, Kanak Sprak. 24 Mißtöne von Rande der Gesellschaft, Hamburg: Rotbuch<br />

Verlag, 1995.<br />

19


EINMAL HANS MIT SCHARFER SOSSE<br />

Als ich Anfang 20 war, sagte mein Vater zu mir 'Du brauchst endlich einen Mann. Mir<br />

ist egal wer, Hauptsache er ist Türke und Moslem.' Wir fuhren gerade in seinem<br />

neuen Mercedes. Seltsamerweise fuhren wir immer im Auto, wenn wir wichtige<br />

Themen besprachen. Meine Mutter sagt dann immer, kurz bevor wir aufbrachen,<br />

'Fahrt ihr beiden doch schon mal vor, wir kommen dann mit deinem Bruder nach.'<br />

Somit wusste ich, dass es mal wieder Zeit war für ein Heiratsgespräch zwischen<br />

meinem Vater und mir.<br />

Neulich erinnerte ich mich wieder an diese Gespräche, denn da fragte mich meine<br />

Freundin, ob ich eigentlich auch zwangsverheiratet werden sollte. Ich war ein wenig<br />

überrascht. Nicht, dass sie mir die Frage gestellt hat, sondern eher darüber, dass sie<br />

mich das nach so vielen Jahren Freundschaft fragt. 'Ja, für vier Kamele und einen<br />

Traktor, aber es gab damals in Südostanatolien keine Kamele und den Traktor wollte<br />

die Familie auch nicht rausrücken, weil der in die Braut des älteren Sohnes investiert<br />

werden sollte, so dass ich nochmal drumrum kam, aber ein starkes Trauma<br />

davontrug und ein Kerl aus der Landwirtschaft für mich nicht mehr in Frage kommt.'<br />

Meine Freundin schaute mich schockiert an, ich genoss das Mitleid noch ein wenig<br />

und sagte dann: 'Das war ein Scherz, getürkt sozusagen.'<br />

Ich muss zugeben, dass ich mir heute manchmal wünsche, dass mein Vater mich<br />

zwangsverheiratet hätte. Das ersparte mir das lästige Suchen und ich käme endlich<br />

leicht und ohne viel Zeit zu verschwenden zu einem Ehemann.<br />

Ich trage kein Kopftuch, habe immer noch keinen Ehemann und arbeite in Berlin als<br />

Journalistin, d.h. ich habe viel Stress und wenig Geld. Ab und zu besuche ich meine<br />

Eltern im Ruhrgebiet. Und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: 'Hast Du<br />

jetzt endlich einen Hans gefunden?'<br />

Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir<br />

beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch<br />

nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither<br />

bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann<br />

kommen Sie her und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen<br />

mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Und stellen Sie sich auf einen langen<br />

und vergnüglichen Nachmittag ein! Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter<br />

Garantie noch nicht kennen.<br />

Man könnte beinahe sagen, wir sind eine normale türkische Gastarbeiterfamilie in<br />

Deutschland. Da ist mein Vater, der immer, wenn es draußen mindestens zwei Grad<br />

Plus hat, seinen Grill im Garten aufstellt und schwungvoll große Mengen<br />

Hammelfleich darauf wirft. Noch heute lacht er sich halbtot, wenn er an den Moment<br />

denkt, an dem ich einmal verkündete, ich sei jetzt Vegetarierin.<br />

Dann gibt es meine drei Schwestern und meine beiden Brüder. Mein Bruder Mustafa<br />

ist außer mir vielleicht, das einzige schwarze Schaf in der Familie. Er ist Anfang 20<br />

und sehr intelligent, und natürlich spräche er perfektes Deutsch, wenn er nur wollte.<br />

Wenn ich ihn frage, wie es denn mit seiner neuen Freundin läuft, antwortet er: 'ey,<br />

hab isch mit die Schluss gemacht.' Dann korrigiere ich ihn: 'Mustafa, das heißt, mit<br />

der habe ich Schluss gemacht.' Und er sagt cool, mit einem schiefen Lächeln: 'Is<br />

doch Määdschen, is doch die.'<br />

Mein anderer Bruder ist stiller. Er ist gerade 30 und besitzt drei brummende<br />

Computerläden im Ruhrgebiet. Als mein allererster Freund mit mir Schluss gemacht<br />

hat, ging ich zu meinem Bruder und befahl ihm: 'Knöpf dir den Blödmann mal vor, er<br />

hat Deine Schwester gedemütigt. Du bist doch Türke! Warum passiert hier nichts?' ...<br />

20


er sah mich vorsichtig an und sagte: 'Willst du nicht lieber doch nochmal mit ihm<br />

reden?'<br />

Mein Name ist Hatice. Ich bin Türkin, mit deutschem Pass, für Politiker eine<br />

gelungene Integration, für deutsche Männer die verbotene, exotische Frucht und für<br />

deutsche Frauen der Grund, ihre Haare zu hassen. Mein Name hat keine Bedeutung!<br />

Oder zumindest nur so viel Bedeutung wie Mandy, Gaby oder Erna. Die erste Frau<br />

unseres Propheten Mohammed hieß Hatice, sie war die erste Muslima (wer hat<br />

eigentlich aus der Muslime eine Muslima gemacht und müsste die Steigerung dann<br />

nicht Muslimus heißen?).<br />

Eine meiner Schwestern lebt seit ihrer Hochzeit in der Türkei und versteht überhaupt<br />

nicht, warum ich mich im Beruf so stresse. Natürlich mache ich was falsch, ich<br />

versuche in zwei Welten gleichgut zurechtzukommen, die sich einfach nicht unter<br />

einen Hut bringen lassen. Zwei Gesellschaften, die sich, selbst wenn sie dieselbe<br />

Sprache sprächen, einfach nicht verstehen.<br />

Es gibt noch zahllose Dinge zu erzählen über meine Parallel-Universen. Da ist z.B.<br />

der Dönerverkäufer, der sich freut, wenn ich ein Lahmacun oder ein Dürüm bestelle<br />

und er mir als erster Kundin an diesem Tag keinen 'Döner mit alles und schaffe<br />

Sosse' machen muss. Und da ist noch vieles mehr. Was ist die wirkliche Rolle von<br />

'Türkenkoffern' in türkischen Familien, was hat es mit dem Goldschmuck junger<br />

Türkinnen auf sich, wie werden Familienfeste gefeiert und warum lehnt sich bei<br />

Hochzeiten der Schwager immer mit der Kamera aus dem Auto? Weshalb sehen<br />

unsere Möbel aus wie in den Fernsehserien der 60er Jahre? Und glauben Sie mir,<br />

Geschenke sind ein Grauen! Ein ausgeliehener Teller geht niemals leer zurück, der<br />

geborgte Zucker kommt in Form eines Kuchens wieder.<br />

Da sind natürlich auch die Vorstellungen davon, was Hans und Helga so machen.<br />

Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken. Und es ist klar, dass Hans<br />

ein Brötchenholer ist, dass man beim ersten Date mit Hans getrennt bezahlt, dass<br />

Helga niemals zum Friseur gehen würde, einfach nur um sich die Haare föhnen zu<br />

lassen, all das wissen wir Türken längst über Hans und Helga. Und noch eins: man<br />

kann den ganzen Abend beieinandersitzen und richtig schön diskutieren.<br />

Auszüge aus: Hatice Akyün, Einmal Hans mit scharfer Soße. Leben in zwei Welten, München:<br />

Goldmann Verlag, 2005.<br />

21


VORURTEILEN AUF DER SPUR<br />

Diskutiert folgende Begriffe<br />

Was fällt euch zu folgenden Personengruppen ein?<br />

Was wird über sie gedacht?<br />

Arbeitslose Ärzte<br />

Preußen Bayern<br />

AIDS-Kranke Studenten<br />

Russen Türken<br />

Behinderte Drückeberger<br />

Sinti und Roma Schotten<br />

Kapitalisten Amerikaner<br />

Politiker Japaner<br />

Iren Haftentlassene<br />

Afrikaner Obdachlose<br />

Juden Politiker<br />

Moslems Asylbewerber<br />

Stereotypen<br />

Menschen werden oft aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Kultur oder<br />

äußerer Merkmale wie Hautfarbe, Frisur oder Kleidung in Gruppen eingeteilt und<br />

beurteilt. Stereotypen entstehen jedoch erst, wenn Beurteilungen auch mit<br />

bestimmten Eigenschaften, wie z. B. Intelligenz, Faulheit, Fleiß, Aggressivität, etc.,<br />

kombiniert werden. Der Begriff Stereotyp kommt aus dem Griechischen und wird von<br />

den Worten stereos (fest, unbeweglich, starr) und typos (Modell, Muster, Eindruck)<br />

abgeleitet. Stereotypen sind also vereinfachte, unveränderliche Urteile. Zu<br />

Vorurteilen werden sie jedoch erst, wenn sie bewertet werden und sich verfestigen.<br />

aus: Florian Frenzel, <strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong> - theaterpädagogische Materialien, Schnawwl. Nationaltheater<br />

Mannheim, 2008.<br />

22


IM EINTEILUNGSDSCHUNGEL<br />

Weise die Begriffe den entsprechenden Beschreibungen zu<br />

Asylbewerber, Migranten, Gastarbeiter, Deutschtürken, Spätaussiedler, Ausländer,<br />

Deutschsprachige Ausländer, Bürgerkriegsflüchtlinge, Türken, EU- Ausländer,<br />

Zuwanderer<br />

1 Sie wurden ab 1955 gezielt von der Bundesrepublik angeworben, um in<br />

Deutschland zu arbeiten. 1973 endete diese Phase mit dem sogenannten<br />

Anwerbestopp.<br />

2 Sie müssen aus ihrem Land fliehen, weil sie politisch verfolgt werden und oft<br />

sogar in Lebensgefahr schweben. Das Grundgesetz sieht vor, ihnen<br />

uneigennützige Hilfe zu geben. Sie warten auf die Genehmigung ihres<br />

Antrages auf Schutz.<br />

3 Sie bringen sich - vorübergehend - in einem anderen Land in Sicherheit, weil<br />

in ihrem Land Krieg herrscht. Sie warten auf das Ende des Krieges, um in ihre<br />

Heimat zurückkehren zu können.<br />

4 Sie wandern aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland ein. Sie hoffen,<br />

dort ein besseres Leben zu haben oder ihre daheim gebliebenden Familien<br />

unterstützen zu können. Bei der Frage, welche Einwanderer in Deutschland<br />

aufgenommen werden, hat die Bundesrepublik auch wirtschaftliche Interessen.<br />

5 Allgemeine Bezeichnung für alle nach Deutschland eingewanderten Personen,<br />

die keinen deutschen Pass haben oder Personen, deren Eltern nach<br />

Deutschland eingewandert sind.<br />

6 Alle Deutschen, deren Vorfahren sich in anderen Ländern niedergelassen<br />

hatten, die deren kulturelle Traditionen bewahrt haben und die dabei sind,<br />

nach Deutschland zu immigrieren.<br />

7 Türken, die schon viele Jahrzehnte in Deutschland leben und einen deutschen<br />

Pass haben.<br />

8 Menschen mit z.B. einem österreichischen oder schweizer Pass, deren<br />

Muttersprache Deutsch ist. In den Statistiken fallen sie unter die Rubrik<br />

Ausländer.<br />

9 Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die besondere<br />

Freizügigkeit genießen. Sie müssen z.B. keine Arbeitsgenehmigung<br />

beantragen.<br />

10 Bezeichnung für eine ethnische Gruppe in Anatolien und benachbarten<br />

Regionen, die zu den sogenannten Turkvölkern gehört und sprachlich mit<br />

einigen Völkern Zentral- und Mittelasiens verwandt ist.<br />

11 In Deutschland gebräuchliche Bezeichnung für Menschen ohne deutschen<br />

Pass.<br />

aus: Florian Frenzel, <strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong> - theaterpädagogische Materialien, Schnawwl. Nationaltheater<br />

Mannheim, 2008.<br />

23


ARBEITSBLATT 1<br />

Erkläre die Begriffe Vorurteil, Klischee und Stereotyp? Welche Gefahren stecken in der Dynamik<br />

dieser Begriffe? Inwiefern können sie gesellschaftszersetzend sein?<br />

Vorurteil<br />

Klischee<br />

Stereotyp<br />

1. Bist du selbst einmal Opfer eines Vorurteils geworden? Wie war diese Erfahrung für dich? Wie<br />

hast du dich gefühlt? Und konntest du es aus der Welt schaffen?<br />

2. Was ist das beste Mittel gegen ein Vorurteil. Wie kann man es aus der Welt schaffen? Nenne<br />

mindestens 3 Mittel und Wege, wie du gegen ein hartnäckiges Vorurteil erfolgreich bekämpfst!<br />

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_________________________________________________________________________________<br />

Linktipps:<br />

Vorurteile<br />

http://www.exil-club.de/dyn/57688.asp<br />

Reaktionen auf Vorurteile<br />

http://www.bpb.de/publikationen/07832805755201919593630022475198,6,0,T%FCrkische_Minderhei<br />

t_in_Deutschland.html#art6<br />

Vorurteile gegenüber Türken<br />

http://www.fluter.de/look/article.tpl?IdLanguage=5&IdPublication=2&NrIssue=19&NrSection=20&NrArti<br />

cle=2053<br />

Türken stehen noch vor Wien<br />

http://www.n24.de/politik/hintergrund/index.php/a2004100616443502037<br />

aus: www.exil-club.de<br />

24


ARBEITSBLATT 2<br />

1. Die folgende Aufgabe soll in zwei Gruppen gemacht werden. Gruppe A stellt Vertreter der<br />

türkischen Gesellschaft dar, Gruppe B bildet die Vertreter der deutschen Gesellschaft.<br />

Ihr sollt jetzt eine Liste mit Vorurteilen anlegen, die ihr über die andere Gruppe habt. Beachtet die<br />

folgenden Aspekte bei der Bewältigung dieser Aufgabe:<br />

Gruppe A<br />

Welche Vorurteile haben wir Türken<br />

gegenüber den Deutschen? Wie nehmen wir<br />

sie wahr? Was glauben wir, über sie zu<br />

wissen?<br />

Gruppe B<br />

Welche Vorurteile haben wir Deutschen<br />

gegenüber den Türken? Wie nehmen wir sie<br />

wahr. Was glauben wir, über sie zu wissen?<br />

Bitte sammelt mindestens 6 Vorurteile und tragt die Ergebnisse in der Klasse vor. Ihr könnt auch spielen, dass ihr<br />

an einer Talkshow teilnehmt. Wie reagiert die andere Gruppe darauf? Welchen Vorurteilen seid ihr selbst<br />

ausgesetzt? - Wenn euch nicht genügend Vorurteile einfallen, könnt ihr euch auch von den Vorurteilen in der<br />

Themenstation „Vorurteile“ im Exil-Club http://www.exil-club.de/dyn/57688.asp inspirieren lassen.<br />

aus: www.exil-club.de<br />

25


ABC-ROLLENSPIEL<br />

Bei einem ABC-Rollenspiel wird ein Konflikt gleichzeitig von mehreren Kleingruppen gespielt.<br />

Zur Vorbereitung des ABC-Rollenspiels wird die gesamte Gruppe in Kleingruppen mit je drei<br />

Teilnehmern aufgeteilt. Jede Kleingruppe einigt sich, wer Person A, B und C sein möchte. Es<br />

gibt in jeder Gruppe immer eine Person, die die beiden anderen beobachtet und den Verlauf<br />

des gespielten Dialogs in Stichworten notiert.<br />

Der Rollenwechsel (Spielverlauf) sollte in tabellarischer Form (z.B. auf der Tafel) einsehbar<br />

sein.<br />

Die Geschichte wird in drei Teilen gespielt, aber jeder Teil simultan von allen Gruppen, so<br />

dass sich keine Gruppe beobachtet fühlt. Der Spielleiter leitet den jeweiligen Spielteil ein.<br />

Jeder Spielabschnitt wird für alle Kleingruppen zur gleichen Zeit beendet, damit die<br />

Einstiegssituation für den neuen Abschnitt allen mitgeteilt werden kann.<br />

Nach dem Durchspielen der Geschichte in allen Teilen setzt sich die Gruppe in einer großen<br />

Runde zur Diskussion über das Erlebte zusammen.<br />

1. Spiel 2. Spiel 3. Spiel<br />

A Jonas Kerim Beobachter<br />

B Luzia Beobachter Markus<br />

C Beobachter Aynur Beni<br />

Jonas und Luzia kenne sich schon seit vielen Jahren. Sie ist 16 und er ist 15 Jahre<br />

alt. Sie die besten Freunde, die man sich vorstellen kann. Luzia könnte sich vielleicht<br />

eine Beziehung mit Jonas vorstellen. Sie haben aber nie darüber gesprochen. Sie<br />

treffen sich zum ersten Mal nach den Sommerferien wieder.<br />

1. Jonas berichtet Luzia, dass er sich in den Ferien in Aynur verliebt hat. Eine<br />

in Deutschland geborene Türkin, die in Luzias Parallelklasse geht.<br />

Auch Aynur hat sich in Jonas verliebt. Noch in der Türkei erzählt sie ihrer liebe- und<br />

verständnisvollen Großmutter davon. Durch Zufall bekommt ihr älterer Bruder Kerim<br />

alles mit, der ein radikaler Moslem ist.<br />

2. Kerim versucht, Aynur die Liebe auszureden und macht ihr die Deutschen<br />

im allgemeinen und Jonas im Besonderen schlecht.<br />

Trotz allem kommen Jonas und Aynur zusammen. In der Schule sind sie<br />

Gesprächsthema Nummer eins. Die Meinungen gehen sehr weit auseinander.<br />

3. In einer Pause geraten der multikulturell offene Beni und der rechtsradikale<br />

Marius aneinander.<br />

von: Tobias Ballnus (basierend auf dem ABC-Rollenspiel-Prinzip von Ulrich Baer), KJT <strong>Tübingen</strong>, 2010.<br />

26


AUSSCHNITTE AUS "<strong>TÜRKISCH</strong> <strong>GOLD</strong>" VON TINA MÜLLER<br />

1<br />

Luiza Und, wie war’s?<br />

Langweilig?<br />

Jonas Bei dir?<br />

Luiza Langweilig.<br />

Jedes Jahr dasselbe. Tanten, Onkel, Cousinen, Küsschen hier, Küsschen da und<br />

jeden Abend irgendwo n riesen Gelage.<br />

Jonas Klingt doch super.<br />

Luiza Weißt du, hier denke ich oft an Rumänien. Ans Meer. Manchmal hab ich so ne<br />

Sehnsucht, für immer dort zu leben. Aber wenn ich dort bin, will ich immer<br />

sofort wieder zurück.<br />

Jonas Luiza, ich hab dir was mitgebracht.<br />

Kitschige Ohrringe.<br />

Luiza Türkisch Gold?<br />

Jonas Das sind Monde. Türkische Monde.<br />

Sie zieht sie an, schickt ihm einen Luftkuss.<br />

Luiza War bestimmt total langweilig mit Thomas.<br />

Jonas Meistens.<br />

Luiza Allein mit dem Vater in den Ferien, das stell ich mir öde vor.<br />

-<br />

Und, hat er ne Frau aufgegabelt?<br />

Jonas Nee. Erstaunlich. Aber mit seiner Taktik reißt man in der Türkei nicht so<br />

schnell eine auf.<br />

Luiza Stell dir mal vor, Thomas mit so einer Kopftuchfrau. Er grapscht und grapscht<br />

und plötzlich kommen die Brüder.<br />

Luiza spielt Maschinengewehr.<br />

Luiza Die Türkei ist echt das ödeste Ferienziel für deinen Vater.<br />

Jonas Die Ohrringe stehen dir gut.<br />

Luiza Bist wohl die ganze Zeit nur am Strand rumgelegen.<br />

Jonas Ich find’s gar nicht so langweilig, am Strand rumliegen.<br />

Luiza Sonst hast du immer gesagt...<br />

Jonas Diesmal war’s eben anders.<br />

-<br />

Luiza Was jetzt?<br />

Jonas Nichts.<br />

Luiza Was jetzt?<br />

Jonas bisschen verlegen Ich hab halt jemanden kennen gelernt.<br />

Luiza Jonas, was denn jetzt?<br />

Jonas Besser gesagt, richtig kennen gelernt, anders, besser, eigentlich kannte ich sie<br />

ja schon.<br />

Luiza Sie?<br />

Und jetzt schreibt ihr euch?<br />

27


Jonas Das ist es ja, sie wohnt hier.<br />

Luiza Hier?<br />

Jonas Hier.<br />

Rat mal.<br />

Luiza Ich kenn sie auch?<br />

Jonas Aus deiner Schule.<br />

Denk an Anatolien.<br />

Luiza Wir sind so viele Ausländerinnen. Da weiß man gar nicht mehr, wer jetzt<br />

eigentlich wo herkommt.<br />

Jonas Sie ist keine Ausländerin.<br />

Sie ist hier geboren.<br />

Luiza Die? Zeigt Locken.<br />

Jonas Na ja, eher glatt.<br />

Luiza Die kleine, ernste?<br />

Jonas So ernst ist die gar nicht.<br />

Luiza Aynur?<br />

Jonas lächelt verlegen.<br />

Luiza Natürlich ist die Ausländerin. Was denn sonst?<br />

2<br />

Luiza Sie hat aber kein glattes Haar.<br />

Jonas Aynur hat schwarzes langes Haar.<br />

Luiza Sie ist dunkelblond.<br />

Wenn eine nicht strohblond ist, sagen die Jungs immer gleich schwarzhaarig.<br />

Jonas Schöne Lippen, schöne Augen, schöne Wimpern.<br />

Luiza Ich finde, dass sie ziemlich schmale Lippen hat.<br />

Sie ist auch ganz schön ehrgeizig.<br />

Und sie trägt immer diese engen T-Shirts. Aber ohne Aufdruck.<br />

Sonst schauen die Jungs auf ihre Brüste.<br />

Jonas Aynur hat ein schönes Gesicht.<br />

Luiza Wenn du auf Pickel stehst.<br />

Jonas Schöne Füße, schöne Beine, schöne Hände. Alles schön.<br />

Aynur kann super tanzen.<br />

Luiza Man kann nicht mit ihr diskutieren. Sie hält immer an ihrem Standpunkt fest.<br />

Ich habe mal ein lustiges Erlebnis mit ihr gehabt.<br />

Es war Ramadan und Aynur hat einen Kaugummi gekaut und dann kamen ihre<br />

Kopftuch-Freundinnen und haben gesagt, es ist doch Ramadan, das darfst du<br />

nicht. Vor Schreck hat sie den Kaugummi verschluckt.<br />

Jonas Du kennst sie nicht richtig.<br />

Luiza Hallo. Ich gehe seit drei Jahren in ihre Parallelklasse.<br />

Jonas Und ich bin mit ihr zusammen.<br />

Luiza Du bist mit ihr zusammen?<br />

-<br />

Luiza Das bildest du dir ein.<br />

28


-<br />

Luiza Woher willst du wissen, dass ihr beide jetzt zusammen seid?<br />

Habt ihr geküsst?<br />

Jonas Nein.<br />

Ja und nein.<br />

Luiza Habt ihr geküsst?<br />

Jonas Nein.<br />

Geredet.<br />

Luiza Jonas. Aynur ist als „Misses Iceblock“ bekannt.<br />

Die redet nicht mit Jungs. Außer mit ihrem Bruder. Und vielleicht mal mit<br />

einem seiner türkischen Kumpels.<br />

Jonas Sie hat einen Bruder?<br />

11<br />

Jonas und Luiza spielen ihre Mitschüler/innen.<br />

Sophie (L) Du Edita, weißt du, wen ich da grade mit Jonas gesehen habe?<br />

Aynur. Ich hab meinen Augen nicht getraut!<br />

Edita (L) Beni, Aynur ist zusammen mit Jonas. Knutschen in der Öffentlichkeit. Ich hätte<br />

Respekt, aber sie werden schon wissen, was sie tun.<br />

Beni (J) Weißt du schon das Neuste, Meret? Jonas und Aynur sind zusammen. Ich finde<br />

das supersüß. We are one World.<br />

Meret (L) Mit einer Türkin? Wenn das nicht wieder Zoff gibt!<br />

Beni(J) Integration muss man eben leben, nicht nur davon sprechen.<br />

Meret (L) Aber was meinst du, Moritz. Jonas und eine Blondine, das wär doch noch viel<br />

süßer.<br />

Moritz (J) (johlt) Alle sind dabei, außer die Türkei!<br />

Leyla (L) Yasemin, wie verzweifelt muss man sein, mit diesem Milchgesicht?<br />

Yasemin (J) Aber Leyla, er wird sie auf Händen tragen. Schade, dass er kein Moslem ist.<br />

Meret (L) Hast du das auch gehört: Die waren schon zusammen im Bett.<br />

Moritz (J) Also unter meiner Decke hätte ne Türkin nichts verloren!<br />

Moritz (J)/Meret (L) Alle sind dabei, außer die Türkei!<br />

Yasemin (J) Was meinst du, was Kerim dazu sagt? Wenn mein Bruder so was von mir<br />

hören würde, uiuiui.<br />

Leyla (L) Kerim, das Arschloch. Der ruft mich nicht zurück.<br />

12<br />

Jonas spielt Kerim, Luiza kommt als Marius dazu.<br />

Kerim (J) Du fragst mich, warum ich n Gesicht mach wie sechs Monate Dreckswinter im<br />

Allemannenland? Is nischt witzig, Junge, is ne Strapaze der Sonderklasse.<br />

Aynur hat die definitive Tendenz zum Schlampentum.<br />

Wäre es einer von uns, ich schwِr’s dir, ich würd dem dermaßen den Kopf<br />

umdrehn!<br />

Aber die adrette Bulette gibt ja seit neusten Dingen dem deutschen Hurenland<br />

29


die Ehre. Morgen bleicht sie sich die Haare gelb und übermorgen steht sie mit<br />

nem geschorenen Pudel vor unserm Haus.<br />

Marius (L) Jonas hat also ne kleine Braut genagelt, geil, endlich mal eine abgekriegt, so<br />

geil, hat ja schon fast n Arm abgewichst, endlich steht eine auf sein<br />

Pickelgesicht, bravo, geile Frau, geiler Arsch, alles geil, nur n kleiner Haken,<br />

klitzeklein, die Kleine ist n elender Dönerfresser. Also Jonas, Pfoten weg vom<br />

Abschaum, alles drin im Schädel?<br />

Kerim (J) Klaro, ich könnt sie im nächsten Expresspaket in die anatolische Pampa<br />

verschickn und aufm Bauernmarkt vertickn. Oder ich spendier sie Mustafa,<br />

dem hässlichen Junior von Ömer. Aber wozu? Damit die alten Türken sich hier<br />

vor Lachen über meinen geschändeten Vatter und meine geliebte... geschändete<br />

Mutter den Bauch aufreißen?<br />

Marius (L) So billig wie n Döner in Berlin, die kleine Moschee-Muschi.<br />

Kerim (J) Bruder, schau mich an, du an meiner Stelle, habe ich ne Wahl? Soll dieses<br />

Babylon hier ganz diskret all unsre Frauen zu Deutschlands Fummelobjekt<br />

Nummero Eins umschulen? Ich schwör’s dir, da kannst du bald die Uhr nach<br />

stellen.<br />

Marius (L) Kommen hier alle auf die gleiche Tour, Araber, Türken, Taliban, alles die<br />

gleichen Nigger, ficken sich hoch und spucken irgendwann von oben auf<br />

unseren Kopf drauf, aber ohne mich, Leute, ohne mich, lass mich nicht von so<br />

Terroristen rum kommandieren, alle vermummt und wenn nicht, haben sie n<br />

Schnauz bis übers halbe Gesicht. Gehören doch alle mal kräftig an die Wand<br />

gestellt!<br />

Kerim (J) Ich sag dir eins, Bruder, wer einmal mit diesem Volk der Superspinner<br />

anbändelt und mit sonem blonden Hochleistungsarschloch unterm Arm<br />

auftaucht, is bei mir dermaßen unten durch, der trample ich das Genick ein, ich<br />

schwör’s dir beim Allmächtigen.<br />

Marius (L) Wenn der Türkenknutscher Jonas nicht bald aufhört, kleine Dönerfresser zu<br />

züchten, muss ich wohl deutlich werden.<br />

Kerim (J) In der Frau, die mal meine Schwester war, steckt n Dämon drin. Und wie ich<br />

den rauskriegen tu, muss mir keiner diktieren.<br />

Marius (L) Hab den Kerl mal gemocht, hätte gewünscht, wäre ihm erspart geblieben...<br />

Kerim (J) Ein echter Kanake hat das in den Knochen drin.<br />

Marius (L) ...das Bordsteinfressen.<br />

-<br />

Kerim (J) Und wenn du’s vergessen hast, was Ehre heißt, dann pack deine Koffer und leg<br />

dich in en Schweinefressergrab.<br />

aus: Tina Müller, Türkisch Gold, Rowohlt Theater Verlag // Spielfassung des KJT <strong>Tübingen</strong>.<br />

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