08.12.2012 Aufrufe

Rückfallprophylaxe in der Behandlung von ... - Päd. Hartmut Klos

Rückfallprophylaxe in der Behandlung von ... - Päd. Hartmut Klos

Rückfallprophylaxe in der Behandlung von ... - Päd. Hartmut Klos

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FORUM DOI 10.1463/2006.03.10<br />

Relapse prevention<br />

<strong>in</strong> drug-addiction<br />

treatment<br />

Key words<br />

Relapse prevention, drug-prevention<br />

work, tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g programme<br />

Abstract<br />

Aim: What form should effective<br />

relapse-prevention treatment for<br />

drug addiction take? Methods: A<br />

methodologically varied, therapeutic,<br />

psychoeducational tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g programme<br />

for cl<strong>in</strong>ical practice was<br />

tested and further developed. In 12<br />

group sessions, the major aspects of<br />

relapse are covered. Results: The<br />

tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g programme has been an<br />

important component <strong>in</strong> the treatment<br />

of more than 250 patients;<br />

positive results were achieved with<br />

it, <strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g <strong>in</strong>creased risk awareness<br />

and improved cop<strong>in</strong>g skills,<br />

thereby help<strong>in</strong>g patients to emerge<br />

from their addiction. Conclusions:<br />

Relapse prevention must be <strong>in</strong>troduced<br />

early <strong>in</strong> the treatment of<br />

drug addiction and must be comprehensive,<br />

systematic, and psychoeducational.<br />

Apart from relapse<br />

prevention and management, the<br />

goal should be to make patients experts<br />

about their own illness.<br />

<strong>Hartmut</strong> <strong>Klos</strong> 1<br />

<strong>Rückfallprophylaxe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Behandlung</strong> <strong>von</strong> Drogenabhängigen<br />

Schlüsselwörter<br />

<strong>Rückfallprophylaxe</strong>, Drogenarbeit, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

Zusammenfassung<br />

Fragestellung: Wie sollte e<strong>in</strong>e effektive<br />

<strong>Rückfallprophylaxe</strong> für Drogenabhängige<br />

aussehen? Methodik: Es wurde<br />

e<strong>in</strong> methodisch vielfältiges, therapeutisch-psychoedukativesTra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Praxis<br />

erprobt und weiterentwickelt. In 12<br />

Gruppensitzungen werden die wesentlichen<br />

Aspekte zum Rückfallgeschehen<br />

bearbeitet. Ergebnisse: Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

hat sich bei über 250 Patienten<br />

als e<strong>in</strong> wichtiger <strong>Behandlung</strong>sansatz<br />

bewährt, positive Wirkungen<br />

wie z. B. verstärkte Risikowahrnehmung<br />

und verbesserte Bewältigungskompetenz<br />

erzielt und somit effiziente<br />

Hilfestellung beim Herauswachsen aus<br />

<strong>der</strong> Sucht geleistet. Schlussfolgerungen:<br />

<strong>Rückfallprophylaxe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong><br />

<strong>von</strong> Drogenabhängigen muss<br />

frühzeitig, umfassend, systematisch und<br />

psychoedukativ erfolgen und neben<br />

Rückfallvorbeugung und Rückfallmanagement<br />

das Ziel haben, die Betroffenen<br />

zu Experten ihrer eigenen Erkrankung<br />

zu machen.<br />

210 SUCHT | 52 (3) | 210–214 | 2006<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Die Diskussion über das Rückfallgeschehen<br />

<strong>von</strong> Drogenabhängigen hat<br />

sich <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachöffentlichkeit<br />

deutlich <strong>in</strong>tensiviert (vgl.<br />

Vollmer, H. C., 2002; 2002). Dies hat<br />

dazu geführt, dass rückfälligen Patienten<br />

und <strong>der</strong>en Krankheitsverlauf heutzutage<br />

adäquater begegnet wird als<br />

noch <strong>in</strong> den Anfängen <strong>der</strong> professionellen<br />

Drogenhilfe. In me<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>ischen<br />

Tätigkeit als Drogentherapeut<br />

habe ich dennoch festgestellt, dass im<br />

Bereich <strong>der</strong> Rückfall-Prophylaxe bei<br />

Drogenabhängigen die <strong>Behandlung</strong>spraxis<br />

zu optimieren ist.<br />

Auf <strong>der</strong> Patientenseite war zu beobachten,<br />

dass<br />

1. viele Drogenabhängige – selbst<br />

nach jahrelangem Kontakt mit<br />

unterschiedlichen <strong>Behandlung</strong>sangeboten<br />

<strong>der</strong> Drogenhilfe – unangemessene<br />

und z. T. unrealistische<br />

Sichtweisen und Glaubenssätze<br />

über das Rückfallgeschehen<br />

besaßen.<br />

2. sie vielfach nur unzureichend<br />

über den Verlauf und die Phäno-<br />

1 Fachkl<strong>in</strong>ik »Haus Aggerblick« <strong>der</strong> Drogenhilfe<br />

Köln e. V., Marial<strong>in</strong>denerstr. 23,<br />

51491 Overath


mene <strong>der</strong> Erkrankung <strong>in</strong>formiert<br />

und nur ungenügend auf drohende<br />

und stattf<strong>in</strong>dende Rückfälligkeit<br />

vorbereitet waren.<br />

3. sie zudem nur über <strong>in</strong>adäquate<br />

Bewältigungs- und Selbststeuerungsmuster<br />

für diese Situationen<br />

verfügten.<br />

Auf <strong>der</strong> Mitarbeiterseite war zu beobachten,<br />

dass<br />

1. Interventionen zur <strong>Rückfallprophylaxe</strong><br />

zumeist erst bei aktuellen<br />

Vorfällen bzw. unter krisenhaften<br />

Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>setzten. Zudem<br />

wurden sie meist <strong>in</strong>tuitiv umgesetzt.<br />

Ihnen fehlten die Frühzeitigkeit<br />

sowie die Systematik.<br />

2. Interventionen zur <strong>Rückfallprophylaxe</strong><br />

verstärkt auf die Psychodynamik<br />

fokussierten und die<br />

psychoedukative Perspektive vermissen<br />

ließen.<br />

3. <strong>der</strong> Umgang mit Rückfällen selten<br />

antizipatorisch thematisiert und<br />

als Folge des Abst<strong>in</strong>enzanspruches<br />

oftmals gänzlich vernachlässigt<br />

wurde.<br />

4. überzeugende, strukturierte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmanuale<br />

zur <strong>Rückfallprophylaxe</strong><br />

für Drogenabhängige<br />

fehlten. Aus Mangel an Alternativen<br />

wurde sich an Konzepten aus<br />

<strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong>von</strong> Alkoholabhängigen<br />

wie z. B. <strong>von</strong> Körkel und<br />

Sch<strong>in</strong>dler (2003) orientiert, die<br />

aber nur unzureichend <strong>der</strong> spezifischen<br />

Realität <strong>von</strong> Drogenabhängigen<br />

und <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionell<br />

unterschiedlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

gerecht wurden.<br />

5. <strong>der</strong> Ätiologie <strong>der</strong> Suchterkrankung<br />

e<strong>in</strong> überproportional großes<br />

Gewicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtbehandlung<br />

beigemessen wurde. Informationen<br />

und Aufklärung über<br />

den gesamten Krankheitsverlauf<br />

– <strong>in</strong>klusive <strong>der</strong> prospektiven Perspektive<br />

– wurden h<strong>in</strong>gegen vielfach<br />

vernachlässigt.<br />

6. es oftmals an e<strong>in</strong>er Langzeitperspektive<br />

mangelte, die die Suchterkrankung<br />

bzw. den Gebrauch<br />

<strong>von</strong> psychoaktiven Substanzen <strong>in</strong><br />

ihrem Verlauf über die Lebensspanne<br />

h<strong>in</strong> betrachtet.<br />

Das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachkl<strong>in</strong>ik »Haus Aggerblick«<br />

(Drogenhilfe Köln e. V.) <strong>in</strong><br />

den letzten 5 Jahren mit 250 Patienten<br />

durchgeführte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

wirkt dem entgegen und zeichnet sich<br />

durch se<strong>in</strong>e Frühzeitigkeit, se<strong>in</strong>e Systematik,<br />

se<strong>in</strong>en therapeutisch-psychoedukativen<br />

Ansatz, se<strong>in</strong>e Lifespan-Development-Perspektive<br />

sowie se<strong>in</strong>e explizite<br />

E<strong>in</strong>beziehung <strong>von</strong> Rückfallmanagement<br />

aus.<br />

Wir haben e<strong>in</strong> Programm erarbeitet,<br />

dass drogenabhängigen Menschen e<strong>in</strong>e<br />

frühzeitige, systematische und u. a.<br />

auf Wissenserweiterung abzielende<br />

Thematisierung <strong>der</strong> zentralen Aspekte<br />

zum Rückfallgeschehen anbietet. Uns<br />

war es dabei wichtig, zentrale Theorien,<br />

Modelle und Forschungsergebnisse<br />

zum Rückfallgeschehen patientengerecht<br />

zu vermitteln und zur Diskussion<br />

zu stellen. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

wollten wir Raum bieten für die geme<strong>in</strong>same<br />

Erarbeitung <strong>der</strong> jeweils <strong>in</strong>dividuellen<br />

Aspekte (persönliche Risikoprofile,<br />

Bewältigungsstrategien, Ressourcen<br />

etc.), um Patienten auf drohende<br />

bzw. e<strong>in</strong>tretende Rückfälle<br />

angemessen vorzubereiten. Neben <strong>der</strong><br />

Wissensvermittlung und Erarbeitung<br />

realistischer Selbste<strong>in</strong>schätzungen und<br />

Haltungen sollte das Programm auf<br />

e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Selbstwirksamkeitserwartung<br />

(SWE), e<strong>in</strong>e Steigerung<br />

<strong>der</strong> Fähigkeit zur Antizipation,<br />

e<strong>in</strong>e Reduzierung des Abst<strong>in</strong>enzverletzungseffektes<br />

(AVE) und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>übung<br />

<strong>von</strong> Cop<strong>in</strong>g-Strategien abzielen.<br />

Das Programm ist e<strong>in</strong> strukturiertes<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, welches <strong>in</strong> 12 Gruppensitzungen<br />

à 1,5 Stunden die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit den zentralen Aspekten<br />

zum Rückfallgeschehen bietet.<br />

Übergeordnete Ziele des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramms<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

1. drogenabhängige Menschen zu<br />

Experten ihrer eigenen Erkrankung<br />

und dessen Verlauf zu machen.<br />

2. rückfallvorbeugend zu wirken.<br />

3. drogenabhängigen Menschen zu<br />

helfen, e<strong>in</strong>en »angemessenen«<br />

Umgang mit Rückfällen zu entwickeln.<br />

SUCHT | 52 (3) | 210–214 | 2006<br />

CLINICAL PRACTICE AND HEALTH POLITICS<br />

Beschreibung des Programms<br />

Theoretischer H<strong>in</strong>tergrund<br />

Das Programm ist <strong>von</strong> <strong>der</strong> Integrativen<br />

Therapie nach Petzold (2003) geprägt.<br />

Als schulen- und methodenübergreifendes<br />

psychotherapeutisches<br />

Verfahren be<strong>in</strong>haltet es u. a. auch verhaltenstherapeutische<br />

Perspektiven.<br />

Das Programm ist sowohl e<strong>in</strong> therapeutisches<br />

als auch e<strong>in</strong> psychoedukatives<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Rückfalltheorien<br />

bildet das kognitiv-behaviourale<br />

Rückfallmodell nach Marlatt<br />

(1985) die Grundlage des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs.<br />

Die aktuellen Erkenntnisse <strong>der</strong> Rückfallforschung<br />

aus verhaltenstherapeutischer<br />

(L<strong>in</strong>denmeyer, 2000), mediz<strong>in</strong>ischer<br />

und systemisch-lösungsorientierter<br />

Sicht (Schwertl, 1998) werden<br />

berücksichtigt. Ergebnisse aus <strong>der</strong> Alkoholismusforschung<br />

und Erfahrungen<br />

aus <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong>von</strong> Alkoholabhängigen<br />

(Körkel et al., 2003) fließen<br />

ebenfalls mit e<strong>in</strong>.<br />

Die Ausgestaltung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Module ist maßgeblich <strong>von</strong> den über<br />

Jahre gesammelten Erfahrungen und<br />

Reflexionen aus <strong>der</strong> praktischen Arbeit<br />

mit Patienten sowie des Austausches<br />

mit Kollegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong>spraxis<br />

und Fortbildungsarbeit geprägt.<br />

Inhalte<br />

Im Folgenden werden die 12 Gruppensitzungen<br />

kurz beschrieben.<br />

Modul 1 E<strong>in</strong>führung<br />

Es wird e<strong>in</strong> Überblick über das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

gegeben und unter zu<br />

Hilfenahme <strong>von</strong> Diagrammen und Statistiken<br />

die wesentlichen Forschungsergebnisse<br />

zu Rückfallwahrsche<strong>in</strong>lichkeiten<br />

und Rückfallzeitpunkten patientengerecht<br />

vermittelt und diskutiert.<br />

Modul 2 Phasen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />

In dieser E<strong>in</strong>heit wird das Transtheoretische<br />

Modell (Prochaska & Di-<br />

Clemente, 1992) mit se<strong>in</strong>en »stages of<br />

change« vorgestellt und mittels psychodramatischer<br />

Techniken erlebbar.<br />

Patienten erhalten e<strong>in</strong>e Vorstellung<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Prozesshaftigkeit <strong>von</strong> Verhaltensverän<strong>der</strong>ungen<br />

und können ihren<br />

211


FORUM FÜR PRAXIS UND GESUNDHEITSPOLITIK<br />

Standort im Gesundungsprozess bestimmen.Rückfallwahrsche<strong>in</strong>lichkeiten,<br />

-verläufe und -zeitpunkte sowie<br />

Ambivalenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungsmotivation<br />

werden durch dieses Modell<br />

nachvollziehbar.<br />

Modul 3 Schutzfaktoren<br />

Mit <strong>der</strong> Methode »Mauer gegen den<br />

Rückfall« (Schutzfaktoren werden <strong>in</strong><br />

Form <strong>von</strong> Mauerste<strong>in</strong>en gesammelt<br />

und zu e<strong>in</strong>er Mauer zusammengefügt)<br />

wird e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>fachtes und anschauliches<br />

Persönlichkeitsmodell vermittelt.<br />

Die Erarbeitung <strong>von</strong> allgeme<strong>in</strong> wirkenden<br />

und <strong>in</strong>dividuellen Schutzfaktoren<br />

lässt persönliche Ressourcen, bisherige<br />

Entwicklungsschritte als auch Zielsetzungen<br />

für den weiteren therapeutischen<br />

Prozess erkennen. Zudem wird<br />

<strong>der</strong> Zusammenhang <strong>von</strong> Persönlichkeit,<br />

Lebenskontext und Drogenkonsum<br />

anschaulich vermittelt.<br />

Modul 4 Risikofaktoren<br />

Es werden wissenschaftlich erforschte<br />

Risikobereiche vorgestellt und aktuelle<br />

Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Rückfallforschung<br />

zu Rückfallauslösern vermittelt.<br />

Mit Hilfe e<strong>in</strong>er Methode zur<br />

Selbst- und Fremdwahrnehmung (nach<br />

e<strong>in</strong>er Selbste<strong>in</strong>schätzung erfolgt e<strong>in</strong><br />

Feedback <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Patienten) werden<br />

diese Kategorien <strong>in</strong>dividuell gewichtet<br />

und e<strong>in</strong> persönliches Gefährdungsprofil<br />

erstellt.<br />

Modul 5 Ambivalenzen – Das Für<br />

und Wi<strong>der</strong> <strong>der</strong> Drogenfreiheit<br />

Die Vor- als auch die Nachteile e<strong>in</strong>er<br />

drogenfreien Lebensführung werden<br />

erarbeitet, <strong>in</strong>dividuell bewertet und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gruppe zusammengetragen. In<br />

szenischem Spiel werden Argumente<br />

verdeutlicht und Ambivalenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Abst<strong>in</strong>enzmotivation herausgearbeitet.<br />

Modul 6 Strategien für den Umgang<br />

mit Drogenverlangen I<br />

Das Erleben <strong>von</strong> Drogenverlangen<br />

wird auf <strong>der</strong> leiblichen, emotionalen,<br />

kognitiven und Verhaltens-Ebene <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er unterschiedlichen Ausprägung<br />

bewusst gemacht. Über den Austausch<br />

<strong>in</strong>dividueller Rückfallverläufe werden<br />

Rückfallvorläufer aufgedeckt und Strategien<br />

entwickelt, Risikosituationen zu<br />

vermeiden bzw. ihnen angemessen zu<br />

begegnen.<br />

Modul 7 Strategien für den Umgang<br />

mit Drogenverlangen II<br />

Zur Vertiefung des Themas wird<br />

unter E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> kreativen Medien<br />

und psychodramatischen Techniken<br />

das Ziel verfolgt, Risikosituationen erfahrbar<br />

und Bewältigungsstrategien<br />

prägnanter werden zu lassen bzw.<br />

diese e<strong>in</strong>zuüben.<br />

Modul 8 Alkoholkonsum und Drogenabhängigkeit<br />

Mit Hilfe e<strong>in</strong>es modifizierten und<br />

um den Aspekt <strong>der</strong> Suchtverlagerung<br />

erweiterten ICD-10-Fragebogens zur<br />

Alkoholgefährdung wird e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles<br />

Gefährdungsprofil erstellt. Der<br />

Fragebogen dient zudem als Thematisierungshilfe<br />

für Vorstellungen und<br />

Zielbildungen <strong>der</strong> Patienten h<strong>in</strong>sichtlich<br />

des Konsums <strong>von</strong> Alkohol. Das<br />

Thema des kontrollierten Substanzgebrauchs<br />

e<strong>in</strong>zelner Drogen wird angeregt.<br />

Modul 9 Lustgew<strong>in</strong>n und an<strong>der</strong>e<br />

positive Gefühle<br />

Die Patienten werden mit Hilfe <strong>von</strong><br />

Bild-Impressionen angeregt, Situationen<br />

und Aktivitäten zu identifizieren,<br />

mit denen positive Gefühlszustände<br />

verbunden s<strong>in</strong>d. Die »Quellen des Lebens«<br />

werden ausgetauscht und <strong>in</strong>dividuelle<br />

Pläne zur Sicherung bzw. Entwicklung<br />

<strong>von</strong> persönlichen Ressourcen<br />

erstellt.<br />

Modul 10 Krim<strong>in</strong>alität und Rückfälligkeit<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund identitätstheoretischer<br />

Überlegungen wird <strong>der</strong><br />

Zusammenhang <strong>von</strong> potenzieller Rückfälligkeit<br />

und deviantem Lebensstil thematisiert.<br />

Del<strong>in</strong>quenz und dessen identitätsstiftendes<br />

Potenzial wird anhand<br />

e<strong>in</strong>zelner Biographien e<strong>in</strong>geordnet.<br />

Durch e<strong>in</strong>e prospektive Methode (Zukunftsvision)<br />

werden mögliche Gefahren<br />

und Schwierigkeiten antizipiert<br />

212 SUCHT | 52 (3) | 210–214 | 2006<br />

und daraus Konsequenzen für den<br />

weiteren <strong>Behandlung</strong>sverlauf sowie<br />

die Rückfallgefährdung entwickelt.<br />

Modul 11 Ausrutscher und Rückfall<br />

– Das »Airbag-Modell«<br />

In dieser E<strong>in</strong>heit werden an den bisherigen<br />

Suchtverläufen <strong>der</strong> Patienten<br />

und ihren Erfahrungen maligne, pathologisch<br />

fixierte Rückfallprozesse<br />

aufgedeckt und ihnen e<strong>in</strong> alternatives<br />

Handlungskonzept (»Airbag-Modell«)<br />

entgegengestellt. Antizipation und Planungsfähigkeit<br />

werden durch konkrete<br />

Handlungspläne geför<strong>der</strong>t.<br />

Modul 12 Angehörige und Rückfallgeschehen<br />

Mit Hilfe kreativer Medien werden<br />

Gespräche mit Angehörigen und Freunden<br />

zum Thema »Rückfälligkeit« angeregt,<br />

<strong>in</strong> Rollenspielen geprobt, analysiert<br />

und die spezifischen Schwierigkeiten<br />

als auch Chancen zur Verständigung<br />

herausgearbeitet.<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die<br />

Durchführung<br />

1. Das Programm f<strong>in</strong>det 1 x wöchentlich<br />

mit e<strong>in</strong>er konstanten<br />

Gruppe <strong>von</strong> 6 Patienten statt. Die<br />

begrenzte Gruppengröße ist Voraussetzung<br />

für <strong>in</strong>tensive Austauschprozesse<br />

und die Erarbeitung<br />

<strong>in</strong>dividueller Erkenntnisse<br />

und Haltungen.<br />

2. Die Teilnahme am Programm<br />

setzt e<strong>in</strong>e gewisse Grundstabilität,<br />

Drogendistanz und <strong>Behandlung</strong>sbereitschaft<br />

bei den Patienten<br />

voraus.<br />

3. Die Bereitstellung e<strong>in</strong>er wertschätzenden,ressourcenorientierten<br />

und sanktionsfreien Atmosphäre<br />

sowie das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

»doppelten Expertenschaft« (Petzold,<br />

Schay & Ebert, 2004) bieten<br />

die Voraussetzung für effiziente<br />

Lern- und Wachstumsprozesse.<br />

4. Der therapeutisch-psychoedukative<br />

<strong>Behandlung</strong>sansatz greift auf<br />

unterschiedliche therapeutische<br />

Verfahren und Methoden aus <strong>der</strong><br />

Erwachsenenbildung zurück. Es<br />

kommen Schaubil<strong>der</strong>, Meta-


Plan-Techniken, Kurzdiskussionen,<br />

Diagnose-Fragebögen, Arbeitsblätter,<br />

Feedback-Methoden<br />

zur Selbst- und Fremdwahrnehmung,<br />

Rollenspiel, psychodramatische<br />

und übungszentrierte Techniken,<br />

Erfahrungsaustausch, antizipatorische<br />

Techniken sowie<br />

kreative Medien zum E<strong>in</strong>satz.<br />

5. Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm ist im<br />

Rahmen stationärer Entwöhnungsbehandlungen,<br />

stationärer<br />

Nachsorgen, teilstationärer E<strong>in</strong>richtungen<br />

als auch ambulanter<br />

Betreuungskonzepte e<strong>in</strong>setzbar.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Module s<strong>in</strong>d modifiziert<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zeltherapie<br />

zu verwenden.<br />

Bisherige Erfahrungen<br />

Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm wurde im<br />

Laufe <strong>der</strong> letzten 5 Jahre mit <strong>in</strong>sgesamt<br />

250 Patienten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachkl<strong>in</strong>ik »Haus<br />

Aggerblick« (Drogenhilfe Köln e.V.)<br />

erprobt und kont<strong>in</strong>uierlich weiterentwickelt.<br />

Es hat sich als e<strong>in</strong> wichtiger<br />

<strong>Behandlung</strong>sansatz bewährt und erstaunlich<br />

positive Wirkungen erzielt.<br />

Patientenebene<br />

• Das Interesse an diesem Gruppenangebot<br />

ist äußerst hoch. Es<br />

besteht e<strong>in</strong>e große Nachfrage seitens<br />

<strong>der</strong> Patienten.<br />

• Das Programm wird <strong>von</strong> nahezu<br />

allen Patienten als e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bedeutsamsten<strong>Behandlung</strong>se<strong>in</strong>heiten<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Gesamtbehandlung<br />

gewertet.<br />

• Das Programm zeigt bei den Patienten<br />

positive Effekte: u. a. erhöhte<br />

Gesprächsbereitschaft über<br />

das Thema Rückfall, verstärkte<br />

Risikowahrnehmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenerprobung,<br />

verbesserte Cop<strong>in</strong>g-Strategien,<br />

erhöhte Reflexionsbereitschaft,<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Antizipationsfähigkeit, Erhöhung<br />

des Wissens um den Krankheitsverlauf,<br />

Stärkung <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong>smotivation,<br />

Steigerung <strong>der</strong><br />

Motivation zur verlängerten Inanspruchnahme<br />

<strong>von</strong> professioneller<br />

Hilfe.<br />

• Rückfällige Patienten artikulieren<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rückschau das Programm<br />

als hilfreich bei <strong>der</strong> Verkürzung<br />

ihrer Rückfallphasen.<br />

Mitarbeiterebene<br />

Das Programm wurde <strong>in</strong> den letzten<br />

2 Jahren im Rahmen <strong>von</strong> mehrtägigen<br />

Fortbildungsangeboten an Mitarbeiter<br />

aus <strong>in</strong>sgesamt 17 verschiedenen ambulanten<br />

o<strong>der</strong> stationären Drogenhilfee<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> NRW vermittelt. 15<br />

<strong>der</strong> 17 E<strong>in</strong>richtungen haben das gesamte<br />

Programm bzw. E<strong>in</strong>zelaspekte<br />

des Programms im Laufe <strong>der</strong> folgenden<br />

12 Monate umgesetzt bzw. <strong>in</strong> ihren <strong>Behandlung</strong>splan<br />

<strong>in</strong>tegriert.<br />

Diskussion<br />

Die beobachtbaren positiven Effekte<br />

dieses methodisch und <strong>in</strong>haltlich<br />

vielfältigen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramms lassen<br />

uns zu dem Schluss kommen, dass<br />

<strong>Rückfallprophylaxe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong><br />

<strong>von</strong> Drogenabhängigen frühzeitig, umfassend<br />

und systematisch verankert<br />

werden sollte.<br />

Nach unseren Erfahrungen zeigt<br />

sich, dass das hier vorgestellte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

den Patienten beim Herauswachsen<br />

aus <strong>der</strong> Sucht vielfältige Hilfestellungen<br />

bietet. Deshalb ist es s<strong>in</strong>nvoll, dieses<br />

Programm als festen <strong>Behandlung</strong>sbauste<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> den <strong>Behandlung</strong>skonzepten<br />

zu etablieren.<br />

Um empirische Aussagen über Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

bei den Patienten<br />

und die <strong>in</strong> ihnen zum Tragen kommenden<br />

Wirkfaktoren – auch über e<strong>in</strong>en<br />

längeren Zeitraum h<strong>in</strong>aus – treffen<br />

zu können, wurde jetzt mit e<strong>in</strong>er fragebogenunterstützten,<br />

systematischen<br />

Selbstevaluation begonnen. Die E<strong>in</strong>beziehung<br />

mehrerer <strong>Behandlung</strong>se<strong>in</strong>richtungen<br />

zur Untersuchung e<strong>in</strong>er<br />

größeren Patientengruppe ist <strong>in</strong> Vorbereitung.<br />

Hierbei ist geplant, auch die<br />

Umsetzungsprobleme bezogen auf<br />

unterschiedliche <strong>Behandlung</strong>ssett<strong>in</strong>gs<br />

zu evaluieren. E<strong>in</strong>e umfassende wissenschaftliche<br />

Begleitstudie zur systematischen<br />

Erforschung <strong>der</strong> mittel- und<br />

langfristigen Effekte des Programms –<br />

unter E<strong>in</strong>beziehung e<strong>in</strong>es externen<br />

Partners – ist angedacht.<br />

Aus unserer Sicht kann das Trai-<br />

SUCHT | 52 (3) | 210–214 | 2006<br />

CLINICAL PRACTICE AND HEALTH POLITICS<br />

n<strong>in</strong>gsprogramm – mit Perspektive auf<br />

die Suchterkrankung über die Lebensspanne<br />

h<strong>in</strong>weg – bei e<strong>in</strong>igen Patienten<br />

zu e<strong>in</strong>em langfristig schadensreduzierenden<br />

und zeitverkürzenden Herauswachsen<br />

aus <strong>der</strong> Sucht beitragen. Es<br />

würde somit e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag<br />

zur Optimierung <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong>spraxis<br />

und zur Erreichung und<br />

Sicherung <strong>der</strong> Rehabilitationsziele<br />

leisten sowie <strong>Behandlung</strong>skosten reduzieren.<br />

Deklaration möglicher Interessenskonflikte<br />

Es bestehen ke<strong>in</strong>erlei Interessenskonflikte<br />

im Zusammenhang mit dieser<br />

Publikation.<br />

Literatur<br />

Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Zur<br />

Entmystifizierung <strong>der</strong> Gesundheit. Tüb<strong>in</strong>gen:<br />

dgvt-Verlag.<br />

Böll<strong>in</strong>ger, L. & Stöver, H. (Hrsg.). (2002).<br />

Drogenpraxis, Drogenrecht, Drogenpolitik.<br />

Frankfurt: Fachhochschulverlag.<br />

Fengler, J. (Hrsg.). (2002). Handbuch <strong>der</strong><br />

Suchtbehandlung. Landsberg/Lech: ecomed-Verlag.<br />

Gastpar, M. & Rommelspacher, H. (Hrsg.)<br />

(1999). Lehrbuch <strong>der</strong> Suchterkrankungen.<br />

Thieme: Stuttgart.<br />

Keller, S. (Hrsg.). (1999). Motivation zur<br />

Verhaltensän<strong>der</strong>ung. Das Transtheoretische<br />

Modell <strong>in</strong> Forschung und Praxis.<br />

Freiburg: Lambertus.<br />

<strong>Klos</strong>, H. (2004). <strong>Rückfallprophylaxe</strong>-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

(RPT) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Drogenabhängigen<br />

– Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmanual. Köln:<br />

Im Selbstverlag.<br />

Körkel, J. & Sch<strong>in</strong>dler, C. (2003). Rückfallprävention<br />

mit Alkoholabhängigen.<br />

Berl<strong>in</strong>: Spr<strong>in</strong>ger.<br />

L<strong>in</strong>denmeyer, J. (2000). Rückfallprävention.<br />

In J. Margraf (Hrsg.), Lehrbuch <strong>der</strong><br />

Verhaltenstherapie. Band 1. Berl<strong>in</strong>:<br />

Spr<strong>in</strong>ger.<br />

Marlatt, G. A. (1985). Relapse prevention:<br />

Theoretical rationale and overview of<br />

the model. In G. A. Marlatt, & J. R. Gordon<br />

(Eds.), Relapse prevention: Ma<strong>in</strong>tenance<br />

strategies <strong>in</strong> the treatment of addictive<br />

behaviours (pp. 3–70). New<br />

York: Guilford.<br />

Petzold, H. (2003). Integrative Therapie,<br />

Bd.1, 2, 3. Pa<strong>der</strong>born: Junfermann.<br />

Petzold, H., Schay, P. & Ebert, W. (Hrsg.).<br />

(2004). Integrative Suchttherapie. Wiesbaden:<br />

VS Verlag.<br />

213


FORUM FÜR PRAXIS UND GESUNDHEITSPOLITIK<br />

Prochaska, J. O., DiClemente, C. C. & Norcross,<br />

J. C. (1992). In search of how people<br />

change. American Psychologist, 47,<br />

1102–1114.<br />

Schwertl, W., Emle<strong>in</strong>, G., Staubach, M. L.&<br />

Zw<strong>in</strong>gmann, E. (Hrsg.). (1998). Sucht <strong>in</strong><br />

systemischer Perspektive: Theorie – Forschung<br />

– Praxis. Gött<strong>in</strong>gen: Vandenhoeck<br />

und Ruprecht.<br />

Vollmer, H. C. (2002). (Hrsg.), Themenschwerpunkt:<br />

Rückfälle während Stationärer<br />

Therapie. Sucht 48 (2), 79–112.<br />

Vollmer, H. C. (2002). (Hrsg.), Themenschwerpunkt:<br />

Rückfälle während Stationärer<br />

Therapie II. Sucht 48 (2), 439–461.<br />

Watzl, H. & Cohen, R. (Hrsg.) (1989). Rückfall<br />

und <strong>Rückfallprophylaxe</strong>. Berl<strong>in</strong>,<br />

Spr<strong>in</strong>ger.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dipl.-<strong>Päd</strong>. <strong>Hartmut</strong> <strong>Klos</strong><br />

Heilkundlicher Psychotherapeut<br />

Ste<strong>in</strong>bergerstr. 37<br />

50733 Köln<br />

Tel. +49-2 21-1 30 84 84<br />

hartmutklos@web.de<br />

Marial<strong>in</strong>denerstr. 23<br />

51491 Overath<br />

Tel. +49-22 06-9 52 20<br />

Fax +49-22 06-8 28 16<br />

h.klos@aggerblick.drogenhilfekoeln.de<br />

E<strong>in</strong>gereicht: 04.08.2005<br />

Angenommen: 12.12.2005<br />

214 SUCHT | 52 (3) | 210–214 | 2006

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!