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NEUES ESSEN No. 1

In diesem Buch geht es um Wesentliches: Eine ursprüngliche, erfinderische, hochgesunde, ertragreiche und zukunftweisende Anbauweise von Agrarprodukten, die weit über Bio- und Demeter-Standards hinausgeht und zudem spannend ist wie ein Abenteuerroman, der gleichzeitig in der tiefen Vergangenheit, der prickelnden Gegenwart und dem Unbekannten künftiger Zeiten spielt. ISBN: 978-3-033-02144-0 EAN: 7640110517802 Verlag: NaturKraftWerke® Edition

In diesem Buch geht es um Wesentliches: Eine ursprüngliche, erfinderische, hochgesunde, ertragreiche und zukunftweisende Anbauweise von Agrarprodukten, die weit über Bio- und Demeter-Standards hinausgeht und zudem spannend ist wie ein Abenteuerroman, der gleichzeitig in der tiefen Vergangenheit, der prickelnden Gegenwart und dem Unbekannten künftiger Zeiten spielt. ISBN: 978-3-033-02144-0 EAN: 7640110517802
Verlag: NaturKraftWerke® Edition

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ROTKORN<br />

WUNDERWEIZEN<br />

SCHWARZER HAFER<br />

BLAUER SAMTIGER<br />

NACKTGERSTE<br />

GOLDTORPE<br />

PFAUENGERSTE<br />

LICHTKORNROGGEN<br />

BAULÄNDER SPELZ<br />

RAUSCHEBLATT<br />

WEIZEN OHNE TÜV<br />

BUCHWEIZEN<br />

LEINDOTTER<br />

ROTER EMMER<br />

WALDSTAUDENKORN<br />

SCHWARZER EMMER<br />

BRAUNHIRSE<br />

WINTERWICKE<br />

SCHWARZE GERSTE


EDITION<br />

NaturKraftWerke ®


<strong>NEUES</strong><br />

<strong>ESSEN</strong><br />

<strong>No</strong>1<br />

ERNTE<br />

GUT<br />

GESPRÄCH<br />

MIT<br />

EINEM<br />

LANDWIRT


VORWORT<br />

ULRIKE GONDER 9<br />

IM GESPRÄCH<br />

ANTONIUS CONTE<br />

MIT UWE WÜST &<br />

DIRK APPEL 15<br />

WARENKUNDE<br />

DIRK APPEL 185<br />

REZEPTE<br />

ERICA BÄNZIGER 201<br />

ANHANG 215


ULRIKE GONDER<br />

Ernährungswissenschaftlerin<br />

Hünstetten (D)


VORWORT<br />

ULRIKE GONDER<br />

9


LÄSSIG UND<br />

INNOVATIV:<br />

SO MACHT<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

FREUDE<br />

Dass wir nachhaltiger wirtschaften, auch landwirtschaften müssen, ist unstrittig. Über<br />

das Wie gibt es schon mehr Streit. Die einen setzen auf Gentechnik, Mikrobeneiweiss<br />

und höhere Effizienz, andere wollen uns zu allererst den Fleischgenuss vermiesen.<br />

Doch keiner lässt sich gerne vorschreiben, was ihm zu schmecken hat, und moralinsaure<br />

Verzichtsszenarien werden die Welt nicht retten.<br />

Mit einem einfachen «Zurück zur Natur» ist es ebenfalls nicht getan. Auch Biobetriebe<br />

benötigen ein cleveres und fachlich ausgezeichnetes Management. Wie so etwas<br />

aussehen kann, zeigen Uwe Wüst und Dirk Appel auf einem im <strong>No</strong>rdosten Baden-<br />

Württembergs gelegenen Demeter-Hof. Doch dies ist kein «normaler» Hof, hier wird<br />

komplett anders gedacht, gehandelt, gebastelt, geackert und gemacht. Der Besucher<br />

fühlt sich in eine andere Welt versetzt: kein Stress, keine Hektik, keine Ställe, keine<br />

umgeknickten Getreidehalme. Die Tiere sind ganzjährig draussen und die Äcker werden<br />

weder gepflügt noch gedüngt. Das ist günstig fürs Klima, denn brachliegende und<br />

gepflügte Böden geben Unmengen an Treibhausgasen ab. Die Ausscheidungen der<br />

Tiere bezeichnen Wüst und Appel dagegen als «kleinen Furz». Allein das müsste umgehend<br />

zu einer Revolution im Ackerbau führen.<br />

10


Auch ohne Dünger ermüden Wüsts Äcker nicht, es wachsen seltene Pflanzen und alte<br />

Arten auf den von ihm stets mit Hingabe beobachteten Böden. Beständig tüftelt er<br />

an neuen Maschinen und am Saatgut, sucht passende Abnehmer für seine qualitativ<br />

hochwertigen Produkte, Appel begleitet und berät ihn wissenschaftlich. Die Erfolge<br />

geben dem anfangs etwas schräg anmutenden Projekt recht: Wir sehen hier keine<br />

alternativen Sektierer, sondern Originale mit eigenem Kopf, Ideen und Durchhaltevermögen,<br />

die – und das ist besonders erfreulich – hochwertige, schmackhafte Lebensmittel<br />

erzeugen. Diese einzigartige Kombination aus Traditionsbewusstsein und<br />

Innovationsfreunde, aus Lässigkeit und konsequentem Denken und Handeln hat mich<br />

gleich fasziniert. Und ich muss zugeben, dass auch ein wenig Schadenfreude aufkam<br />

gegenüber jenen, die stets nur unken und zweifeln: Als ich erfuhr, dass auf den Äckern<br />

zwar jede Pflanze «nur» um die 50 Prozent der konventionellen Erträge einbringt, dass<br />

durch die Mischkultur auf einem Acker jedoch drei Ernten gleichzeitig wachsen.<br />

Im zweiten Bodenschutzbericht der Bundesregierung steht, dass weltweit bereits<br />

die Hälfte aller Kulturböden geschädigt ist. Die Herausforderungen, vor denen die<br />

Menschheit steht, sind gewaltig. Um sie zu bewältigen, brauchen wir clevere Ideen,<br />

technische Innovationen, gesunde Böden, Pflanzen und Tiere, weltweit kooperierende<br />

Top-Wissenschaftler und Landwirte, mehr Produktivität, Fantasie und Zuversicht.<br />

Wir brauchen mehr Wüsts und Appels, mehr Querdenker und Gegen-den-Strom-<br />

Schwimmer, die einen Traum wahr werden lassen könnten: genug Lebensmittel für<br />

alle in Top-Qualität und nachhaltig erzeugt.<br />

Ich wünsche diesem Buch nicht nur viele Leser, sondern auch, dass diese genauso viel<br />

Freude beim Lesen empfinden wie ich. Den Ideen und dem Konzept von Uwe Wüst<br />

und Dirk Appel wünsche ich, dass sie auf offene Ohren und kreative Mitdenker stossen,<br />

damit das, was sie angefangen haben, wächst und gedeiht!<br />

11


ANTONIUS CONTE<br />

Künstler und Unternehmer<br />

Gründer und Geschäftsleiter<br />

NaturKraftWerke®<br />

– Elementare Lebensmittel<br />

Aathal-Seegräben (CH)<br />

UWE WÜST<br />

Landwirt<br />

Königheim-Brehmen (D)<br />

DIRK APPEL<br />

Landwirtschaftlicher/<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Hof Uwe Wüst<br />

Königheim-Brehmen (D)


IM<br />

GESPRÄCH<br />

ANTONIUS CONTE<br />

MIT<br />

UWE WÜST &<br />

DIRK APPEL<br />

15


IM<br />

SOMMER 2008<br />

FUHR ICH<br />

ERSTMALS NACH<br />

Königheim-Brehmen<br />

auf den Hof der Familie<br />

Wüst. <strong>No</strong>ch kannten<br />

wir uns nicht und ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete; ich wollte eigentlich<br />

nur Bilder von einer Pflanze machen, von Leindotter (Camelina sativa). Als ich<br />

dann aber über die Felder streifte, packte mich eine extreme Begeisterung und ich<br />

wurde regelrecht hineingezogen in die 150-Hektar-Performance dieser Landwirtschaft.<br />

Schon bei diesem ersten Besuch ahnte ich, dass ich hier eine Antwort auf den<br />

Dokumentarfilm «We feed the World» finden oder einen echten Beitrag in der ver-<br />

16


logenen Diskussion um genmanipuliertes Saatgut, das die Ernährungssicherheit der<br />

Zukunft sichern sollte, leisten könnte. Auf jeden Fall wurde mir die Aussergewöhnlichkeit<br />

dieser Unternehmung mehr und mehr bewusst, ich war eingehüllt in das Gefühl,<br />

mich mitten in Deutschland auf einer exotischen und abenteuerlichen Safari zu<br />

befinden. Ich fotografierte tagelang und durchstreifte mehrmals die vielen Felder, bis<br />

alle Speicherkarten gefüllt waren und ich 2300 Bilder geschossen hatte. Das Anschauen<br />

der Bilder, später zu Hause, versetzte mich in eine Art Meditation. Und dabei fiel<br />

mir immer deutlicher auf, dass auf keinem dieser Fotografien etwas schwach, krank<br />

oder kränklich, kümmerlich, geknickt, gebückt, geschwächt, gehemmt, unterdrückt,<br />

zurückgesetzt oder sonst wie lebensunfreundlich beeinträchtigt aussah. Dabei werden<br />

diese Mischfruchtkulturen nicht gepflügt oder gedüngt, die Gewächse weder gespritzt<br />

noch technisch oder chemisch behandelt. Diese Bilder erschienen mir als ein Beleg<br />

für die uneingeschränkte hohe Fruchtbarkeit der defensiv bewirtschafteten Erde.<br />

Daraufhin wollte ich mehr wissen und besuchte den Hof erneut, diesmal mit einem<br />

Diktiergerät bewaffnet. Ich hatte vor, Uwe Wüst und Dirk Appel zu interviewen.<br />

So fuhr ich im frühen Herbst, kurz nach der Ernte, wieder dahin. Selten oder nie ist<br />

in so einem Betrieb Ruhe, und so begann das Gespräch auch auf dem Weg in die<br />

Maschinenhalle, begleitet vom Knirschen der Kiesel. Lange Zeit sagte niemand etwas,<br />

dann fragte Uwe: «Verstehst du was davon?» – «Wovon»? – «Ja, vom Landbau<br />

eben». Diese Frage überraschte mich, da mir bis dahin nicht bewusst gewesen ist, dass<br />

ich keine Ahnung haben könnte. Obwohl ich als Trademarker und Verarbeiter in den<br />

letzten Jahren auch eine Art «Fachmann» für Lebensmittel geworden bin, bestand<br />

meine Kompetenz bestenfalls aus angelesenem Halbwissen. Tatsächlich: Eigentlich<br />

wusste ich kaum etwas über Landbau. Ich gestand Uwe, ich hätte so wenig Ahnung<br />

von der Sache, dass mir nicht einmal eine gute Frage einfalle. Vielleicht sei es besser,<br />

wenn er sich die Fragen selber stelle. Keine Antwort. Wir stemmten das große Rolltor<br />

auf und gingen in die Maschinenhalle. Trotz meiner eingestandenen Unkenntnis<br />

wagte ich nun meine erste Frage. Wir bewegten uns dabei zwischen den ruhenden<br />

Maschinen und tranken einen Schluck sehr starken mexikanischen Schnaps. Vögel<br />

flogen über unseren Köpfen zwischen den Balken herum, von draußen hörte man den<br />

17


Antonius Conte: Wenn alles geerntet<br />

ist, fängt das Jahr gleich wieder an, oder?<br />

Uwe Wüst: Viele Leute meinen, die Ernte sei stressig. Sie ist jedoch völlig entspannend:<br />

Es macht Spass und bringt Freude. Richtig los geht’s nach der Ernte mit den<br />

16-Stunden-Tagen.<br />

Warum machst du eigentlich Mischkultur?<br />

Damit ist doch in jeder Hinsicht ein extremer Aufwand verbunden.<br />

UW: In der hier umgesetzten Landwirtschaft versuchen wir, Pflanzen auf der Mutter<br />

Erde anzubauen, die im natürlichen Zustand wild ist. Alles natürlich Wilde – und was<br />

die Jäger und Sammler gegessen haben – können wir genauso essen. Aber das will<br />

heute kein Mensch mehr. Irgendwann hat sich eine neue Kultur eingeschlichen, vielleicht<br />

durch die Kuh. Ich weiss nicht, wer daran schuld war, das spielt auch keine Rolle.<br />

Wer Getreide auf der Erde anbaut oder Früchte kultiviert, sollte das so naturnah<br />

wie möglich machen. Wild kann die Erde immer sein. Ich denke so: Da wächst etwas,<br />

dann stirbt es, dann wächst etwas anderes und stirbt wieder.<br />

Die moderne Landwirtschaft wie die Landwirtschaft, die die Menschheit schon seit<br />

Langem betreibt, kommt mir als brutaler Raubbau vor. Das war übrigens auch schon<br />

in der Bandkeramikerzeit 1 so: Es ging los mit Brandrodungen, und wenn nichts mehr<br />

gewachsen ist, sind die Menschen weitergezogen, weil es noch genügend Land gab.<br />

Der Boden hat sich regeneriert und wenn nach Jahrzehnten wieder jemand gekommen<br />

ist, konnte wieder etwas angebaut werden. So geht es heute nicht mehr. Wir<br />

müssen lernen, einen Landbau zu betreiben, der insofern nachhaltig ist, als da immer<br />

wieder etwas wächst. Das setzt einen ordentlichen Umgang mit dem Boden und den<br />

Pflanzen voraus.<br />

Es fällt auf, dass du überhaupt nicht düngst!<br />

UW: Wir düngen nicht. Ich habe den Mist von den Rindern, was im Prinzip ein<br />

Haufen Stroh ist. Die zwei Rinderherden weiden ganzjährig frei; wir haben keinen<br />

Stall auf dem Hof. Die Rinder haben im Winter vier Standweiden, wo sie gefüttert<br />

18


werden. Es gibt Liegeflächen und Futterplätze für die Tiere, und da sammelt sich<br />

allerhand an, unter anderem auch Mist. Stroh und Grasreste zum Beispiel fahre ich<br />

nicht aufs Getreidefeld, sondern zur Zwischenfrucht 2 . Es wird jetzt um diese Jahreszeit<br />

(im Sommer) ungefähr ausgebracht. Dann kommt eine Zwischenfrucht drauf,<br />

die nicht geerntet wird.<br />

Ist Zwischenfrucht so etwas wie Klee?<br />

UW: Nein, nicht Klee, sondern ein «geordnetes Durcheinander» mit ganz vielen verschiedenen<br />

Pflanzen, die ich selber sammle und züchte.<br />

Dein Saatgut machst du also selber?<br />

UW: Genau. Das fängt damit an, dass ich die Samen irgendwoher heraussammle, in<br />

Wiesen, Randstreifen oder bestehenden Kulturen. Sobald ich eine witzige Pflanze finde,<br />

nehme ich sie in die Zucht. Dieses Jahr hab ich ca. 20 verschiedene Sorten, die<br />

wir mit einem Kleindrescher 3 gedroschen haben. Anschliessend ist Nina zu Heidi ge-<br />

1 Bandkeramikerzeit. Die Bandkeramiker sind benannt nach<br />

ihrer Technik, Tongefässe ohne rotierende Töpferscheibe herzustellen,<br />

indem Tonstreifen spiralförmig aufgebaut und die Stösse<br />

anschliessend verstrichen werden. Die Bandkeramikerzeit beginnt<br />

in Mitteleuropa um 5500 v. Chr., als dort die Menschen sesshaft<br />

wurden und mit Ackerbau und Viehzucht begannen. Man lebte in<br />

so genannten Langhäusern, den Vorläufern der Fachwerkhäuser,<br />

deren Dächer mit Reed oder Stroh gedeckt waren und die Wände<br />

mit Lehm beworfenem Flechtwerk ausgefacht waren.<br />

An Tieren hielten die Bandkeramiker den Hund, der schon im<br />

Mesolithikum domestiziert wurde, Rind, Schwein, Schaf und Ziege.<br />

Die Tiere hielten durch Verbiss die Umgebung der Siedlungen<br />

busch- und baumfrei, dass Ackerbau betrieben werden konnte.<br />

An Kulturpflanzen kannte man Einkorn, Emmer, Lein, Linse,<br />

Erbse und Hanf, später auch Blau- bzw. Schlafmohn, der aus dem<br />

heutigen Griechenland stammt. Die Bandkeramikerzeit wurde<br />

von der Bronzezeit abgelöst (ab ca. 2500–2000 v. Chr.).<br />

2 Zwischenfrucht. Ackerfrucht, die nicht zu Erntezwecken angebaut<br />

wird. Zwischenfrüchte können z.B. Leguminosen (Erbsen,<br />

Bohnen, Klee, Luzernen- und Lupinenarten) sein, um der<br />

Folgefrucht Nährstoffe zur Verfügung zu stellen. Zwischenfrüchte<br />

werden auch eingesetzt, um den Boden zu regenerieren (Aushungern<br />

von Schädlingen oder Krankheiten), um in Wasserschutzgebieten<br />

Stickstoff zu binden, damit er über Winter nicht<br />

ins Grundwasser gelangt, oder einfach um den Boden lebend zu<br />

verbauen. Eine Zwischenfrucht wird, nachdem sie ihre Aufgabe<br />

erledigt hat, meist umgebrochen und dann die entsprechende<br />

Hauptfrucht eingesät. Um die Zwischenfrucht zu töten, gibt es<br />

verschiedene Möglichkeiten, die von den Umständen, Pflanzenarten<br />

und Zeitpunkten abhängen. In der konventionellen Landwirtschaft<br />

werden Zwischenfrüchte untergepflügt (Umbruch)<br />

oder mit Herbiziden weggespritzt und anschliessend die Hauptfrucht<br />

gesät. Im ökologischen Landbau wird auch häufig untergepflügt,<br />

aber auch geschält (mit dem Stoppelhobel) oder einfach<br />

umgewalzt, wenn dies die Zwischenfrucht zulässt (z.B. Roggen<br />

im Mai). Frostempfindliche Zwischenfrüchte wie Senf frieren<br />

im Winter auf natürliche Weise ab. Wieder andere können direkt<br />

eingesät werden und die Hauptfrucht überwächst dann die<br />

Zwischenfrucht. Wichtig ist, dass die folgende Hauptfrucht nicht<br />

durch so genannten Durchwuchs (siehe auch Fussnote 56 «Durch -<br />

wuchs» auf Seite 155) beeinträchtigt wird.<br />

19


fahren, einer Züchterin mit einer kleinen Standdreschmaschine 4 . Sie hat den Samen<br />

gedroschen, Mengen von einem bis zehn Kilo, und das gibt schon ein kleines Beet. Das<br />

kann ich dann beobachten, ob es brauchbar ist und weitervermehrt werden könn te.<br />

Wenn nicht, kommt es ins Tierfutter. So lief das beispielsweise bei Einkorn 5 , Buchweizen<br />

und Grünroggen 6 , die jetzt fester Bestandteil in der Kulturführung sind.<br />

Wie lange experimentierst du schon?<br />

UW: Solche Experimente habe ich schon als Kind gemacht, mit Kichererbsen, Mungbohnen<br />

und allem, was man im Bio-Laden kriegt. Ich kaufte ein Tütchen davon, säte<br />

aus und schaute, wie es wächst. Dabei stellten wir uns Fragen, ob und wie man das ernten<br />

könnte, wie es reif wird. Es gibt Pflanzen, die bei uns überhaupt nicht gut wachsen,<br />

wie zum Beispiel Soja. Es könnte mit anderen Anbaumethoden eventuell gehen, aber<br />

man müsste es mit viel Energie hier zu etablieren versuchen. Von sich aus kommt hier<br />

keine Soja. Eine Linse wiederum, die fühlt sich sofort wohl und mit dem Einkorn war es<br />

ebenso: Einmal ausgesät und gleich haben wir einen riesigen Ertrag gehabt. Im zweiten<br />

Jahr gab es schon einen kleinen Acker. Der Leinsamen ist auch so entstanden und letzt-<br />

3 / 4 Technische Ausdrücke des Mähdreschers: Kleindrescher,<br />

Standdreschmaschine etc. Zu Beginn der mechanisierten Landwirtschaft<br />

wurde das von Hand oder mit der Mähmaschine geschnittene<br />

Getreide zu Garben gebunden und zu Hause mit grossen<br />

Dreschmaschinen gedroschen. Grössere Betriebe hatten fest eingebaute<br />

Maschinen. Zu kleineren Höfen und Nebenerwerbsbauern<br />

kam die fahrbare Dreschmaschine zum Lohndreschen. Diese Praxis<br />

kennen ältere Menschen heute noch aus eigenem Erleben. Mähdrescher<br />

sind eine Kombination aus Mähmaschine und Dreschmaschine<br />

und gibt es etwa seit 1950. Anfangs wurden sie mit einem Schlepper<br />

gezogen, heute gibt es praktisch nur noch selbst fahrende. Ein<br />

Balkenmesser an der Vorderkante des Tisches schneidet die Halme<br />

ab und die Haspel schafft sie auf den Tisch. Die Einzugschnecke<br />

führt das Dreschgut über den Schrägförderer der Dreschtrommel<br />

bzw. dem Dreschkorb zu, wo das Korn ausgedroschen wird. Durch<br />

entsprechende Einstellungen an Schüttler, Gebläse und Sieben werden<br />

die Körner von Stroh und Spelzen getrennt. Das Stroh läuft<br />

weiter durch die Maschine und wird gehäckselt oder lang auf die<br />

gemähte Fläche verbracht. Die Körner sammeln sich am tiefsten<br />

Punkt des Mähdreschers und werden mit der Kornschnecke in den<br />

Korntank transportiert. Von dort wird die Ernte in Säcke oder auf<br />

Anhänger verladen. Anfangs haben Mähdrescher das Stroh wahlweise<br />

auch zu Ballen gepresst. Da die Technik anfällig ist und heute<br />

meist grössere Ballen verlangt werden als früher, wird es heute in<br />

einem eigenen Arbeitsgang mit Spezialmaschinen gepresst.<br />

Mähdrescher sind grosse und schwere Maschinen, die dem Boden<br />

sehr zusetzen. Deshalb macht man sich heute wieder Gedanken<br />

darüber, mit Standdreschmaschinen zu arbeiten. Bei kleineren<br />

und welligen Ernteflächen bieten sich Kleinmähdrescher an, die<br />

auch wendiger sind. Sie sind leichter und haben eine kleinere<br />

Arbeitsbreite. In der Getreidezucht werden so genannte Parzellenmähdrescher<br />

eingesetzt. Es sind komplizierte kleine Mähdrescher,<br />

die sehr genau dreschen und nach jeder Parzelle sauber<br />

geblasen und gereinigt werden können, damit es nicht zu Vermischungen<br />

kommt.<br />

<strong>No</strong>ch kleinere Partien werden in kleinen Standmaschinen von<br />

Hand gedroschen. So können sogar einzelne Ähren gedroschen<br />

werden. Das Arbeitsprinzip ist überall gleich.<br />

20


lich alle Kulturpflanzen, die wir hier anbauen. Der Einkorn war eigentlich meine erste<br />

grosse Sache, die ich jetzt immer noch habe. Der Buchweizen ist so entstanden und der<br />

Leinsamen. Das ging alles relativ einfach. Dann der Dinkel, von dem es hier regionale<br />

Sorten gibt. Da habe ich grössere Partien spezieller Hofsorten von anderen Landwirten<br />

bekommen. Die habe ich mir angeschaut, ob sie mir gefallen. Ich habe sie vermischt<br />

und in Reinsaat 7 ausgesät. Aus diesen Dinkelsorten habe ich dann vereinzelte, wie den<br />

begrannten Dinkel und den Roten Dinkel 8 , herausgefunden. Dafür muss ich jedesmal<br />

recherchieren und Einzelpflanzen zu den Züchtern geben. Die suchen dann mit ihrem<br />

Wissen nach der Herkunft und dem Ursprung einer bestimmten Sorte. Mittlerweile gibt<br />

es eine ganz schöne, bekannte Dinkelsorte, die weiss ist und extrem lange Grannen hat;<br />

auf die setze ich viel. Sie ist wahrscheinlich irgendwie und irgendwo vermischt worden<br />

5 Einkorn. Einkorn (Triticum monococcum) gilt als Vorläufer<br />

von Weizen und Dinkel. Einkorn zeichnet sich dadurch aus, dass<br />

nur jeweils ein Korn auf der Ährenspindel sitzt. Es ist sehr robust<br />

und zuverlässig im Anbau, bringt jedoch eher geringe Erträge.<br />

Das Triticum monococcum stammt vermutlich aus dem kleinasiatischen<br />

Raum (Türkei und Kaukasus) und wurde nach heute<br />

verfügbaren Erkenntnissen bereits von den Bandkeramikern (ca.<br />

8000 v. Chr.) angebaut. Ernährungsphysiologisch ist Einkorn sehr<br />

wertvoll (hoher Gehalt an Karotin und Zink), aber nicht ganz einfach<br />

zu verbacken. Einkorn wird von so genannten Weizenallergikern<br />

meist gut vertragen.<br />

wenig bekannt, da Grünroggen als Konsumware nicht üblich ist.<br />

Es ist aber anzunehmen, dass er sehr mineralstoffreich ist, da der<br />

Mehlkörper kleiner als bei Zuchtroggen ist. Roggen ist überhaupt<br />

ein sehr interessantes Gras, da es in wilden Formen mehrjährig<br />

ist. Früher hat man in Russland Roggenfelder dauerhaft angelegt<br />

und über mehrere Jahre immer wieder gedroschen. Die alten<br />

Wurzelstöcke wurden immer mächtiger und ertragreicher. In moderne<br />

landwirtschaftliche Konzepte passt das nicht hinein, so hat<br />

man dem Roggen die Ausdauer weggezüchtet.<br />

6 Grünroggen. Grünroggen (Secale multicaule), auch Waldstauden-<br />

oder Futterroggen, ist ein ausdauernder (perennierender)<br />

(Wild-)Roggen, der landwirtschaftlich als Begrünung, Futter- und<br />

neuerdings als Energiepflanze genutzt wird. Ausserdem säen ihn<br />

Jäger gerne als Wildfutterwiese, da er vom Wild zweimal genutzt<br />

werden kann (im ersten Jahr als Gras, im zweiten Jahr als Getreide)<br />

und er sehr anspruchslos und insbesondere extrem winterhart<br />

ist. Wir haben ihn gedroschen und gereinigt und einfach mal<br />

zu Sauerteigbrot verbacken. Das Ergebnis ist ein sehr rustikales,<br />

haltbares Schwarzbrot. Auf einem auswärtigen Hoffest kam es<br />

sehr gut an. Seither bieten wir Grünroggen auch als Konsumware<br />

an, obwohl er vergleichsweise ertragsschwach ist. Das Stroh ist<br />

sehr lang (bis über 2 m) und wird deshalb gerne von Imkern zum<br />

Flechten von Bienenkörben und Strohbeuten verwendet. Dazu<br />

taugt nur Roggenstroh, da die Bienen anderes Stroh fressen und<br />

die Körbe schnell «abgenutzt» wären. Über die Inhaltsstoffe ist uns<br />

7 Reinsaat. Reinsaat ist das Gegenteil von Mischsaat und führt zu<br />

einer Monokultur mit den entsprechenden Problemen.<br />

8 Roter Dinkel. Es gibt zwei farbliche Grundtypen von Dinkel,<br />

nämlich den roten und den weissen. Rote Dinkelsorten variieren<br />

von Orange bis zu Bräunlich, weisse Sorten von blassem Gelb bis<br />

Violett. Auch bei anderen Getreidearten gibt es verschiedene<br />

Farbschläge. Es ist wenig bekannt, welch wunderschöne Getreidesorten<br />

es gibt!<br />

9 sich auskreuzen. (siehe auch Fussnote 46, Seite 145: «Hybridsaatgut»):<br />

In der F3-Generation (Nachbau) tauchen wieder die<br />

Eltern mit ihren Eigenschaften auf. Von Auskreuzen spricht man<br />

auch, wenn transgene Organismen (GVO) ihre Eigenschaften auf<br />

verwandte Wildpflanzen z.B. durch Pollenflug übertragen (vgl.<br />

transgener Raps).<br />

21


und hat sich so gehalten. So findet man einzelne Sorten, die dann gezüchtet werden. Es<br />

gibt viel zu wenig Züchter, die sich darum kümmern. Es ist jedoch interessant, denn die<br />

Pflanzen verändern sich dauernd. Das ist ein Phänomen: Manches kreuzt sich aus 9 und<br />

wird dann offenbar weiter vererbt. Im nächsten Jahr sieht sie wieder anders aus.<br />

Wie lange machst du das schon auf diesem Hof?<br />

UW: Knapp zehn Jahre, hier bin ich seit 1999 und gelernt habe ich 1979 –84.<br />

Ackerbau ist heutzutage sehr industriell geworden.<br />

UW: Ja, es gibt ein paar wenige Parameter, nach denen das Getreide angepflanzt und<br />

vermarktet wird.<br />

Da spielt immer diese verfängliche Logik mit: Zum Beispiel<br />

Ertragsmengen-Erwartungen oder Aufwands-Verminderung bei<br />

Ernte und Verarbeitung.<br />

UW: Alles muss maschinengerecht sein. Das geht bei den alten Sorten nicht. Die zu<br />

reinigen ist ein Himmelfahrtskommando.<br />

Wenn ein konventioneller Bauer einen Acker<br />

von dir mit diesen vielen Disteln und Beikräutern sieht:<br />

10 Rübse. Die Rübse (Brassica rapa) ist eine ein- oder zweijährige<br />

Kohlpflanze, ähnlich dem Raps, mit ölhaltigen Samen. Da die<br />

Rübse züchterisch nicht so intensiv bearbeitet ist wie Raps, hat<br />

das Öl einen recht hohen Gehalt an Erucasäure und wird daher<br />

nur als technisches Öl genutzt. Früher war Rübsenöl als Schmiermittel<br />

und Lampenöl im Binnenland so wichtig wie Tran in den<br />

Küstenlandstrichen. Auch die essbare Wasserrübe (Teltoweroder<br />

Mairübe) zählt botanisch zu den Rübsen.<br />

11 Brassica. Brassica (Kohl) ist eine Gattung der weitläufigen<br />

Familie der Brassicaceae (Kreuzblütler, manchmal auf die Blüte<br />

bezogen auch Cruziferen genannt). Viele krautige Nutzpflanzen<br />

zählen dazu wie Kohl- und Senfarten, Raps, Rübse, Leindotter<br />

usw. Die Artengrenzen sind hier auch gegenüber Wildarten sehr<br />

fliessend, weshalb gentechnisch veränderte Kreuzblütler (GVO-<br />

Raps) eine sehr grosse Gefahr darstellen.<br />

12 Erucasäure. Erucasäure ist eine einfach ungesättigte Fettsäure,<br />

die im Öl von Kreutzblütlern (Kohl, Raps, Senf) vorkommt.<br />

Ernährungsphysiologisch ist Erucasäure bedenklich, da sie sich<br />

am Herzmuskel von Säugetieren und Mensch ablagert und dessen<br />

Funktion beeinträchtigt. Es war deshalb Ziel, den Erucasäure-Gehalt<br />

in Kultursorten für Speisezwecke zu reduzieren, was<br />

insbesondere bei Raps und Senf gut gelungen ist. In Südasien<br />

werden traditionell erucasäurehaltige Speiseöle zum Kochen<br />

verwendet. Da die Erucasäure bei hohen Temperaturen zerstört<br />

wird, werden in diesen Küchen Bratöle bis zum Rauchpunkt<br />

erhitzt. Der kritische Gehalt an Erucasäure ist nicht genau bekannt;<br />

tatsächlich gesundheitliche Schäden konnten bisher nicht<br />

exakt beschrieben werden. Trotzdem ist der Erucasäure-Gehalt<br />

in Speiseölen und -fetten gesetzlich auf maximal 5 Prozent begrenzt.<br />

Für technische Zwecke hat der Gehalt an Erucasäure<br />

keine negativen Auswirkungen.<br />

22


Wird er da nicht denken, dass es «unmöglich» ist, diesen zu<br />

bewirtschaften und ein unbezahlbarer Aufwand?<br />

UW: Du brauchst dementsprechend einen Mähdrescher und Geduld. Wenn man<br />

spritzt, braucht man genauso Geld und Zeit.<br />

Die Maschinen baust du dir selber um?<br />

UW: Immer wieder, die werden hier immer weiterentwickelt. Die letzten vier Wochen<br />

habe ich fast nur gebastelt, geflext, geschraubt, geschweisst.<br />

Ist die Rübse 10 eine Art von Raps?<br />

Dirk Appel: Nein, das ist eine Art Brassica 11 , ein Kreuzblütler. Es handelt sich um eine<br />

sehr alte Ölpflanze, die für Speisezwecke noch nicht geeignet ist. Die herzschädliche<br />

Erucasäure 12 ist bei ihr noch drin. Im Mittelalter und über viele Jahrhunderte, vor allem<br />

im Binnenland, ist sie als technisches Öl verwendet worden. Sie entspricht in ihrer Bedeutung<br />

im Prinzip dem Walöl an der Küste.<br />

UW: Die Pflanze ist wahrscheinlich auch daran schuld, dass hier alles industrialisiert<br />

wurde. Das Öl hat sehr viel ermöglicht. Es fing damit an, dass man mit den Öllampen<br />

die Nacht zum Tag gemacht hat; das Öl dafür war Rübsenöl.<br />

Der Leindotter hat doch auch eine bewegte Geschichte!<br />

DA: Vor noch nicht allzu langer Zeit betrachtete man Leindotter ja als Acker unkraut.<br />

Er ist bekämpft worden.<br />

UW: Kulturpflanzen haben Kulturbegleiter. Wenn man Leindotter mal drin hat,<br />

ist er ganz schwer zu bekämpfen. Im Getreide war es fast undenkbar, den wegzubekommen<br />

und so wurde er eben genutzt. Es gibt zum Beispiel diese Spinnenfeger,<br />

die wie kleine Besen sind. Früher wurden diese aus Leindotterzweigen hergestellt.<br />

Heutzutage sind sie aus Kunststoff. Es gab die Bürstenbinder noch bis in den Zweiten<br />

Weltkrieg. Sie waren in der Regel behinderte Menschen vom Dorf, die sich<br />

aber trotzdem selbstständig um ihr Leben kümmerten. Sie haben Körbe und Besen<br />

gemacht, die dann gegen Essen oder Klamotten getauscht wurden. Das Öl wurde<br />

gepresst. Ich weiss nicht, ob es in Brehmen jemals eine Ölmühle gab, aber in den<br />

23


Nachbardörfern gab es welche. Überall dort, wo es konstant fliessende Gewässer<br />

hatte, gab es die Ölmühlen. Natürlich gab es an diesen Orten auch Sägewerke, aber<br />

Getreide- und Ölmühlen waren ebenso weit verbreitet. Das waren mehr oder weniger<br />

kleine, armselige Anlagen, wo man die Saat kiloweise hingebracht hat, um<br />

daraus frisches Öl zu pressen.<br />

DA: Früher hatte man von seiner Ölsaat einen halben Sack daheim in der Ecke stehen<br />

gehabt und dann ein «Kännle» voll gemacht und das frisch verbraucht. Wenn man den<br />

ganzen Sack auf einmal gepresst hätte, wäre das Öl ranzig geworden. Insofern brauchten<br />

die Leute solche Ölmühlen in ihrer Nähe. Heute gibt es natürlich ausgeklügelte Techniken,<br />

die dieses Vorgehen überflüssig machen.<br />

Wann wächst der Raps bzw. die Rübse?<br />

DA: Es gibt die Winterrübse und es gibt die Sommerrübse. Die Winterrübse ist ähnlich<br />

wie der Raps.<br />

24


25


28


25 o. Vermehrung von Dinkel (vorne)<br />

und Schwarzer Emmer<br />

25 u. Gerstengemenge<br />

26 Gemenge aus Leindotter, Wicken u.v.a.m.<br />

28 o. Lein<br />

28 u. Gerstenbestand<br />

29 o. Schwarzer Hafer<br />

29


30


31


34


30 o. Dinkelgemenge<br />

30 u. Dinkelgemenge<br />

31 o. Schwarzer Emmer<br />

31 u. Wunderweizen<br />

32 Bunte Begrünung der Schweineweide<br />

34 o. Bunte Begrünung der Schweineweide<br />

34 u. Weizenmischung zur Selektion<br />

(Uwe bekam einen Sack, voll mit gemischtem seltenem<br />

Saatgut, das wir versuchen, in seine ursprünglichen Sorten zu<br />

selektieren. (s. weitere Bilder: Seiten 76, 78, 86, 164 oben)<br />

35 o. Weizen, Luzerne und Disteln<br />

35


WIR SIND<br />

IMMER NOCH<br />

IN DER<br />

Maschinenhalle. In einer hellen Ecke neben dem Eingang<br />

befindet sich eine imposante Werkstatt. Alles ist<br />

übersichtlich eingeteilt und alles ist da, was es braucht,<br />

um Maschinen zu reparieren, zu erweitern oder sogar zu bauen. Zwischen Haufen von<br />

Samen und Pflanzenstengeln, die Uwe jeweils extra für die Vögel liegen lässt, liegen<br />

Eisenteile, Maschinenkomponenten, gebogene und geschmiedete Elemente, die später<br />

einer Sämaschine eingebaut werden sollen.<br />

37


Was ist das für ein Gerät? Oder ist es ein Kunstobjekt?<br />

UW: Das ist der Hügelpflug 13 . Ehrlich gesagt, wissen wir aber nicht bestimmt, wie<br />

das Ding wirklich heisst. Es gibt keinen offiziellen Namen dafür. Eigentlich ist es<br />

ein Keltischer respektive Römischer Pflug 14 . Vom Römischen Pflug weiss man mehr<br />

als vom Keltischen. Das ist ein Gerät, wie es in Spanien noch bis vor kurzer Zeit<br />

eingesetzt wurde. Der Römische Pflug wird heute noch von ganz wenigen Landwirten<br />

eingesetzt. Ein mittlerweile in Deutschland lebender Spanier – Julian – hat eine<br />

sehr interessante Erfahrung gemacht mit seinem Vater. Dieser war einer der ersten<br />

wirklich intensiven Landwirte nach dem Krieg. In dieser Zeit wurden die Böden<br />

mit aller Macht heruntergewirtschaftet. Ihm ist das aufgefallen und er hat sich dann<br />

umgehend mit der traditionellen spanischen Landwirtschaft beschäftigt. Aufgrund<br />

der Fehler seines Vaters ist er auf dieses Gerät gekommen und arbeitet seit ca. zehn<br />

13 Hügelpflug. Der Hügel- oder Häufelpflug ist in verschiedenen<br />

Ausführungen im Kartoffelanbau, in der Spargelkultur usw.<br />

durchaus gebräuchlich. Im übrigen Ackerbau eher selten, hat er<br />

aber trotzdem eine gewisse Kultur. Im Prinzip wird der Boden<br />

nur flach geschält und zu Dämmen zusammengezogen. Die Täler<br />

werden mit einem einfachen Hakenpflug (ähnlich dem antiken<br />

Römischen oder Keltischen Pflug) gelockert, ohne zu wenden.<br />

14 Keltischer Pflug, Römischer Pflug. Der Keltische bzw. Römische<br />

Pflug wurde ab etwa 500 v. Chr. verwendet und ist die<br />

Fortentwicklung des einfachen Hakenpflugs (ab ca. 3000 v. Chr.).<br />

Er ritzt den Boden lediglich und bestand zunächst aus einer entsprechenden<br />

Astgabel, später bronze- und schliesslich eisen- bzw.<br />

stahlbewehrt. Asymmetrische Wendepflüge mit Streichblech, die<br />

den Boden umdrehen, kamen erst ab etwa 350 n. Chr. auf. All<br />

diese Pflüge beziehungsweise deren Einsatzergebnisse sind mit<br />

denen heutiger Pflüge überhaupt nicht vergleichbar, da wegen<br />

der bis ins 20. Jahrhundert eingeschränkten Zugkraft nur sehr<br />

flach gearbeitet werden konnte. Pflugtiefen bis 50 cm (heutige<br />

«Tiefenlockerungen» gehen teilweise noch weiter in den Boden)<br />

waren nicht zu realisieren, entsprechend traten auch keine dramatischen<br />

Schäden an der Krume auf. Die heutige Pflügerei ist<br />

wie ein Teufelskreis, indem immer schwerere Maschinen immer<br />

tiefere Verdichtungen bewirken, die immer noch tieferes Pflügen<br />

«erforderlich» machen.<br />

15 «Hügeln» als Methode. Die angesprochene Hügelkultur arbeitet<br />

auf 60 cm Breite und etwa 20–25 cm Höhe. Im Tal erfolgt eine<br />

relativ tiefe Lockerung durch eine Hakenschare. Die Dämme bzw.<br />

Hügel werden mit streichblechartig angeordneten Drähten aufgeschoben.<br />

Es kann gleichzeitig ins Tal oder auf den Hügel oder in<br />

beides gesät werden, wobei im Tal vermehrte Feuchtigkeit und Beschattung,<br />

auf dem Hügel vermehrte Belichtung erreicht wird. Dadurch<br />

ergeben sich viele Gestaltungsmöglichkeiten in der Kulturführung.<br />

Da verhältnismässig wenig Erdreich bewegt wird, reichen<br />

leichte Schlepper für die Bodenbearbeitung aus: es wird Kraftstoff<br />

gespart, es kann zügig gefahren werden (hohe Flächenleistung)<br />

und die Bodenverdichtung hält sich in Grenzen. Nacharbeiten wie<br />

Beikrautregulierung, Nachsaat oder Zwischenfruchtumbruch erfolgen<br />

mit dem gleichen Basiswerkzeug und in der gleichen Spur.<br />

Wie bei allen Minimalbodenbearbeitungssystemen müssen die<br />

Werkzeuge präzise arbeiten und gut ausgerichtet sein und an den<br />

Fahrer sind besonders in hügeligen Regionen besondere Anforderungen<br />

gestellt.<br />

16 Sägrubber. Direktsämaschine, die lediglich flach schneidet<br />

bzw. schält und gleichzeitig sät, ohne den Boden zu wenden.<br />

Sägrubber sind häufig bei nichtwendenden Bodenbearbeitungsmassnahmen<br />

im Einsatz, auch beispielsweise im konventionellen<br />

Intensivmaisanbau oder in Anbausystemen, bei denen nicht jedes<br />

Jahr gepflügt wird.<br />

38


Jahren daran und damit. Er ist Deutschland-Fan und mag hier Land und Mentalität.<br />

Also ist er mit der Familie nach Deutschland gekommen und tüftelt an einem sehr<br />

ähnlichen Gedankengut herum wie ich. Ich muss ihm zugestehen, dass er mit seiner<br />

Bodenbearbeitung viel weiter ist als ich, nicht zuletzt durch sein spezielles Wissen,<br />

das er aus Spanien mitgebracht hat. Ohne die Erfahrungen der Spanier wäre er aber<br />

noch lange nicht so weit. Ich habe 2002 das erste Mal auf Hügel 15 angesät mit dem<br />

Sägrubber 16 . Es ist dann aber sehr schwierig, die Kulturen zu pflegen. Nur die Spanier<br />

konnten auf Hügeln anbauen, doch jetzt geht es bei uns mehr oder weniger auch<br />

mit dieser speziellen Technik. Wir wollen diese Anbaumethode hier etablieren: Im<br />

flachen Land, in steinfreier Erde oder im Sandboden klappt es schon ganz gut, zum<br />

Beispiel mit Möhren und Gemüse. Wir wollen es bei unseren Bodenverhältnissen<br />

auch mit Getreide versuchen; das müsste eigentlich klappen.<br />

Du setzt immer etwas auf den Hügel und etwas anderes ins Tal?<br />

UW: Genau. Man kann entweder nur auf den Hügel oder nur ins Tal säen. Es ist immer<br />

die Frage, wie man das pflegt. Das war hier das grosse Problem: Du konntest nicht<br />

striegeln und vernünftig säen. Ich muss sagen, wir sind hier ziemlich schnell unterwegs,<br />

weil Julian das schon so lange macht und eben die Erfahrung aus Spanien hat. Wir<br />

haben jetzt innerhalb von vier Wochen mit ihm als Coach wahnsinnig viel gelernt. Wir<br />

haben nächtelang geschweisst, probiert, wieder umgeschmissen usw. Es ist ganz wichtig,<br />

mit dem Boden zu arbeiten. Der Boden ist lebendig; darauf baut sich meine Idee<br />

auf. Nur aufgrund seiner Lebendigkeit bringt er die Pflanze zum Leben und deswegen<br />

wächst etwas und nicht, weil wir düngen oder pflügen.<br />

In der modernen konventionellen Landwirtschaft wird alles mechanisch gemacht.<br />

Dem Boden wird kein Handlungsspielraum mehr gelassen. Er wird aufgebrochen, umgepflügt<br />

oder rumgegrubbert oder was es alles gibt.<br />

DA: Man geht gedanklich rein technisch an die Sache ran. Wenn irgendein Unkraut<br />

wächst, dann spritzt man es weg.<br />

UW: Es geht aber vorher schon mit dem Boden los: Die machen den mit den ganzen<br />

Maschinen auf. So wird der Boden verfestigt usw. Dies ist in der Natur nicht normal; es<br />

39


wird abgesetzt. Der Boden setzt sich normal von selbst ab, wenn man es nicht maschinell<br />

macht. Dann kommt die Saatmaschine und nicht wie früher der Sämann.<br />

DA: Heute hat man auch die ganze Leistung zur Verfügung. Wenn die irgendeine Option<br />

im Kopf haben, schicken sie schnell mal 500 PS drüber.<br />

UW: Das ist in Wirklichkeit keine Leistung, sondern Behinderung.<br />

DA: Es gibt im Prinzip und im Gegensatz zu früher keine Begrenzung. Langsam<br />

zeichnet sich ab, dass der begrenzende Faktor der Sprit und die damit verbundenen<br />

Kosten wird.<br />

UW: Die Leistung ist das, was der Boden bringt. Aus der Leistung des Bodens können<br />

wir irgendwann ernten. Wir müssen den Boden machen lassen und dazu muss ein Zustand<br />

geschaffen werden, damit er es auch tut und seine Sache gern macht. Das geht<br />

auf dem Hügel besser, weil er so viel selbstständiger arbeitet. Er kann es nicht leiden,<br />

wenn du ihn platt machst, festwalzt und Brocken machst. Dann braucht er wieder Zeit,<br />

um sich zu rekultivieren und irgendwann kommen dann das Kraut und Unkraut.<br />

In der landwirtschaftlichen Kultur muss es sehr schnell gehen. Da muss der Boden<br />

schon auch Leistung bringen und sich sehr anstrengen. Das kann er auch, wenn man<br />

ihn lässt und ich glaube, er macht das gern. Das setzt natürlich voraus, dass man ihn bei<br />

Nässe zum Beispiel nicht zu sehr verdichtet, weil er dann nichts mehr können wird. Du<br />

bringst selber auch Leistung, wenn ich dir etwas zum Essen und zum Schlafen gebe.<br />

Wenn ich dich den ganzen Tag nur haue, bringst du natürlich keine Leistung, höchstens<br />

Widerstand. Das ist mit dem Boden nicht anders.<br />

Mit dem Hügel ist es sehr auffällig: Wenn ich einen Hügel anlege und ich säe darauf<br />

oder daneben, dann sortiert sich das von selbst. Die grossen Brocken zerfallen in<br />

kleine Erdteilchen; nichts wird verdichtet. Das ist das Problem, wenn du eine Gerätschaft<br />

mit sehr grosser Schare hast. So wird die Erde erst verdichtet und dann glatt<br />

gestrichen; sie kann nicht mehr atmen, das Wasser kommt nicht rein und kann nicht<br />

abfliessen.<br />

40


41


42


43


44


41 Hakenpflug mit Häufler (abgewandeltes System Turiel)<br />

42 o. Direktsaat mit dem Hügelpflug<br />

42 u. Werkzeugsätze für den Hügelpflug<br />

43 o. Hügelpflug eingerichtet zur Direktsaat in die Talsohle<br />

43 u. Halbwüchsige Schweine («Hofmischung»)<br />

44 o. Belegte Schweineweide<br />

44 u. Abgesenkter Reifendruck<br />

zur Bodenschonung (kein Platten!)<br />

45 o. Rinder auf der Weide<br />

45


IN DER<br />

HALLE STEHT<br />

EIN TIER-<br />

transportanhänger mit einem Schwäbisch-<br />

Hällischen Schwein drin, das nach einem<br />

idyllischen Leben in Freiheit gelassen seinem<br />

Ende entgegensieht. Es soll zu einem Bio-Metzger gebracht werden, sechzig Kilometer<br />

vom Hof entfernt. Uwe meint, dass er das Schwein nur von jemandem schlachten<br />

lasse, der das anständig und respektvoll erledige, und den industriellen Betrieben<br />

traue er nicht. Also lasse es sich nicht vermeiden, den weiten Weg auf sich zu nehmen,<br />

obwohl es nicht ökologisch sei. Für mich als vegetarisch orientiertem und urbanisiertem<br />

Individuum ist das Thema fremd und sogar unsympathisch, aber ich will mich den<br />

Zyklen und Gebräuchen dieser Landwirtschaft mit allem Drum und Dran jetzt nicht<br />

verschließen. Wir hängen den Anhänger an einen klapprigen Personenwagen, steigen<br />

ein und fahren los. Dirk sitzt am Steuer, ich daneben und Uwe hinten. Das Auto fährt<br />

an, das Gespräch geht weiter.<br />

47


Bei dir sieht man keine Scharen.<br />

UW: Ich war schon immer ein Gegner grosser Scharen. Das war ein Problem mit meinem<br />

Sägrubber, der viel zu grosse Säscharen hatte. Ich war nicht darauf gekommen,<br />

dass es mit so etwas Einfachem auch geht.<br />

Was ist jetzt an Stelle des Pfluges?<br />

UW: Diese Schar läuft in die Erde und macht die Arbeit. Diese Häufler machen mehr<br />

oder weniger den Hügel. Das ist die ganze Bodenbearbeitung, und wir haben die<br />

dünnsten Drähte, die sonst keiner hat. Alle haben nur die dicken. Ich wollte ganz<br />

dünne. Der Boden muss von selbst da hin, wo er hin muss. Entweder er will oder er<br />

will nicht, und wenn er nicht will, dann soll er grad da bleiben, wo er ist. Die dünnen<br />

Drähte haben nur wenig Kontakt mit der Erde, und das ist die ganze Show.<br />

Nun kommt jemand zu euch und fragt ganz naiv:<br />

Was macht ihr hier eigentlich? Was kriegt der als Antwort?<br />

UW: Wir sind Bauern und wir bringen Körner in die Erde. Diese Körner wachsen, und<br />

wir kommen mit dem Mähdrescher und ernten. Und die Ernte bekommt jemand, der<br />

etwas Tolles daraus macht. Genau das machen wir und möglichst ohne den Boden zu<br />

belasten. Das soll der Boden von sich aus machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass<br />

er das kann. Sonst würde es ihn schon lange nicht mehr geben. Dies ist auch meine<br />

grösste Befürchtung, wenn die Menschen dies in die Hand nehmen wollen. Ich bin sehr<br />

skeptisch, dass wir morgen noch etwas Vernünftiges zu essen bzw. zum Fahren haben.<br />

Wieso machen es nicht mehr Leute wie ihr hier? Wie könnte man<br />

eure Art von Landwirtschaft darstellen, wenn jemand<br />

kommt und es auch so machen möchte? Ich meine nicht nur das mit den Hügeln,<br />

sondern grundsätzlich die Mischkultur und all eure Experimente.<br />

DA: Wir sind überzeugt, dass in der Landwirtschaft irgendwann ein falscher Weg eingeschlagen<br />

worden ist. Dabei ist vieles an Wissen und Können verloren gegangen. Heute<br />

wird gar nicht mehr hinterfragt, ob nicht der falsche Weg eingeschlagen wurde. Das<br />

48


setzt sich immer weiter fort, und es tauchen Probleme auf, die wieder mit Gewalt in den<br />

Griff zu kriegen versucht werden. Wir wollen hier ein Gedankengut pflegen, das schon<br />

seit Urzeiten existiert hat, es zumindest als Möglichkeit betrachten. Unsere Triebkraft ist<br />

der Gedanke, Lösungen und Antworten auf die zum Teil historisch bedingten Fehlentscheidungen<br />

und Fehlleistungen früherer Generationen – und deren Auswirkung auf die<br />

heutigen Konventionen – zu finden.<br />

UW: Man muss viel dabei denken, immer wieder probieren und noch unbekannte<br />

Dinge umzusetzen versuchen. Die meisten Bauern trauen sich nicht mehr, sich auf die<br />

Erde zu verlassen. Sie verlassen sich auf das Lagerhaus und auf synthetische Mittel,<br />

die in der Regel gegen etwas und nicht für etwas helfen. Sie arbeiten nach Rezepturen,<br />

die sie einmal gelernt haben. Das funktioniert etwa so: Es werden ohne vertiefende<br />

Beobachtungen drei oder vier Parameter angewendet und sonst wird nichts gedacht;<br />

fertig. Die Arbeit mit der Natur bedingt eine permanente Beobachtung. Man beobachtet<br />

und handelt oder lässt es bleiben. Der Berthold ist ein sehr gutes Beispiel dafür,<br />

und ist deshalb auch ein sehr guter Bio-Bauer. Er ist früher, als konventioneller Bauer,<br />

immer herumgefahren und hat geguckt und geguckt, konnte sich nie entscheiden und<br />

hat dann doch nicht gespritzt. Eigentlich war er ein konventioneller Bauer, der aber<br />

nicht zum Spritzmittel griff. Er hatte dann immer das Problem, wo er mit der Giftbrühe<br />

in seiner Spritze hin soll, da er sie ja nicht aufs Feld gebracht hat. Man kann das<br />

Zeugs nicht irgendwo hinkippen. Er hat es dann in Tonnenfässern gesammelt und fürs<br />

nächste Jahr aufgehoben. Aber dann passierte dasselbe wieder. Er hat wieder geguckt<br />

und geguckt und schliesslich wollte er doch nicht spritzen. Die modernen Landwirte,<br />

die gucken vielleicht auch, aber die gu cken auf den Terminkalender oder so was, nur<br />

nicht auf den Boden – und fahren dann los.<br />

Mir ist auch aufgefallen, dass du den Boden auffällig<br />

intensiv beobachtest, überall und selbst auf dem Mähdrescher.<br />

UW: Natürlich. Da wächst ja auch das Getreide und nicht in der Luft. In Holland<br />

wächst es in irgendwelchen Hütten, aber bei uns wächst es auf dem Boden.<br />

DA: Das ist ein Handwerk wie bei einem Schreiner, der sich sein Holzstück auch an­<br />

49


guckt, damit er weiss, wo er die Säge am besten anlegen muss. Bei einer Spanplatte ist es<br />

ziemlich egal, wie ich sie schneide. So ist es auch in der Landwirtschaft.<br />

UW: Wir haben die vier Elemente; wir haben das Feuer, das Wasser, die Erde und die<br />

Luft. Ich habe als Bauer weder Einfluss auf das Wasser, das Feuer noch auf die Luft,<br />

ausser vielleicht mit meinen Abgasen. Aber am Boden kann ich arbeiten. Ich kann<br />

ihn mir anschauen und Entscheidungen treffen. Aber ich kann definitiv nicht Regen<br />

machen oder die Sonne scheinen lassen.<br />

DA: Der andere Punkt ist der Mut zur Fläche. Wir bearbeiten eine Fläche und nicht nur<br />

Randstreifen oder Versuchsparzellen.<br />

Mir fällt auch auf, dass hier alles gross ist. Man sieht<br />

Entschlossenheit und vermutet gewagte Entscheidungen, die ein<br />

grosses Risiko beinhalten. Ob es dann was wird oder nicht…<br />

UW: So lange sich die Erde dreht.<br />

DA: Richtig fürchterliche Einbrüche habe ich hier noch nie erlebt. Es gibt Sachen, die<br />

mehr versprechen und andere lässt man sein, weil es zu teuer ist, auf Grund der Spritkosten<br />

oder weil es mit dem Boden nicht funktioniert. Ich finde, man kann durchaus ein<br />

bisschen mutiger sein.<br />

UW: Das fehlt schon in der konventionellen Landwirtschaft: Die rechnen und sind geizig<br />

und meinen, es reiche von vorn bis hinten nicht. Ich verstehe das nicht. Geld haben<br />

wir hierzulande und damit die Möglichkeiten für Investitionen oder zum Schweissen<br />

usw. In Afrika ist es anders.<br />

DA: Mit dem Verzicht auf chemisch-synthetisches Spritzen spart man sehr viel Geld<br />

und schafft sich dadurch Freiräume. Wenn man sich auf die grossen Gebärden nicht<br />

einlässt, mit Schleppern, die schnell mal 200 bis 300 Tausend Euros kosten… Man<br />

fragt sich in der Tat manchmal, mit welchen Körnern die Bauern das bezahlen wollen.<br />

Sie müssen dann die Zinsen zahlen und so stehen sie unter einem grossen Leistungsdruck.<br />

Und deshalb ist es eine Katastrophe, wenn sie mal eine Handvoll weniger Körner<br />

vom Acker holen.<br />

UW: So gesehen ist der heutige konventionelle Bauer auch gar nicht so geizig. Sie be-<br />

50


zahlen den Sprit, der ganz schön teuer geworden ist. Ich wäre da geizig. Die Landwirtschaft<br />

ist ja eigentlich etwas Autarkes. Es ist ein Organismus.<br />

DA: Nah an der Urproduktion, aus sich selber heraus.<br />

Landwirtschaft ist also die Urproduktion. Ohne Landwirtschaft<br />

gibt es nichts mehr zum Essen. Es gibt doch die Idee, dass man auch im<br />

Labor Essen herstellen kann ...<br />

DA: Die moderne Landwirtschaft ist zum Ressourcenverschwender geworden. Wenn<br />

gesagt wird, dass die Ökos ca. ein Drittel weniger von der Fläche holen – was zumindest<br />

nicht generell gilt – dann muss man aber auch den Aufwand der konventionellen<br />

Landwirtschaft gegenrechnen! Für das, was da an Stickstoff, Spritzmittel und Kraftstoff<br />

draufgeschmissen wird, ist es ja das Mindeste, dass ein paar Körner mehr heraus kommen.<br />

wenn die nicht mehr runterholen würden als wir, wäre das ja fürchterlich.<br />

UW: Da muss ja auch viel weggeschmissen werden. Wenn ich mein Getreide in den<br />

Handel gebe, in einen Kanal, ist es mir wichtig, dass damit ordentlich umgegangen<br />

wird und nichts weggeworfen wird.<br />

Ich habe über 2000 Bilder gemacht von deinen Feldern, quasi im<br />

Rausch und aus Begeisterung. Hinterher stellte ich fest, dass<br />

auf keinem dieser Bilder etwas Krankes ersichtlich wird; nichts Eingefallenes,<br />

Verpilztes oder Verkümmertes. Es ist alles prächtig und prall. Ich hab<br />

angefangen, interessierte Leute darauf hinzuweisen und das hat<br />

alle echt platt gemacht.<br />

UW: Die Natur macht das halt so!<br />

Wenn ich das in meinem Garten mache, wobei ich alles viel lockerer<br />

nehme, sieht es nicht so aus. Der konventionelle Landwirt hat doch auch etwas<br />

Angst vor der Natur: Parasiten, Käfer, Blattläuse, Unwetter, Verwilderung.<br />

UW: Vor der <strong>No</strong>rmalität hat er Angst.<br />

Euch gelingt das einfach auch. Gibt es ein spezielles<br />

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System und inwiefern ist es wirklich andersartig?<br />

DA: Ich denke, wir profitieren von einem Gesundheitstrend: Da werden viele Vorstellungen<br />

verbreitet und verfolgt. Auch die Gesundheit ist eine Sache, die vom Boden aus<br />

kommt, und wenn ich dem Boden seine Freiräume lasse und ihn vor allem nicht drangsaliere<br />

und einenge, dann wird er auch mit Drucksituationen fertig. Es ist ein Fehler zu<br />

meinen, ihm alles abnehmen zu müssen. Wenn zum Beispiel ein Pilzdruck 17 kommt,<br />

wird er gleich mit Mittelchen davon befreit. Hierdurch verliert er seine Fertigkeit. In der<br />

konventionellen Landwirtschaft gibt es auch ganz merkwürdige Erscheinungen, z.B. die<br />

Kleemüdigkeit 18 , von der kein Mensch weiss, was da los ist. Fusariendruck 19 und Ähnliches.<br />

Man sagt dann, das Getreide sei krank … Es kommt keiner drauf, dass es dem Boden<br />

schlecht gehen könnte als Ursache. Ich finde es spannend, dass man bei Infektionen<br />

bzw. bei möglichen Infektionen den Boden sehr intensiv beobachten und Hinweise lesen<br />

kann, was da wirklich vor sich geht.<br />

17 Pilzdruck. Siehe Fussnote 19: «Fusarien / Fusariendruck» und<br />

Fussnote 53, Seite 153: «Steinbrand, Brandbefall»<br />

18 Kleemüdigkeit / -krebs. Kleemüdigkeit von Böden gilt als Folge<br />

von Kleekrebs (Sclerotinia trifoliorum), einer Pilzerkrankung, die<br />

fast alle Hülsenfrüchte (Leguminosen) bekommen können, aber<br />

hauptsächlich bei zu enger Fruchtfolge bei Rotkleebeständen auftaucht.<br />

Rotklee wird in viehbetonten, vor allem konventionellen<br />

Betrieben als «schneller Stickstofflieferant» genutzt. Luzernenbestände<br />

mit 5-jähriger Fruchtfolge sind beispielsweise wesentlich<br />

weniger gefährdet. Auch andere Kleearten sind nicht so anfällig,<br />

bringen aber auch nicht so viel Stickstoff in die Tiere. Man<br />

kann Kleemüdigkeit als Bodenkrankheit auffassen.<br />

19 Fusarien / Fusariendruck. Fusarien ist ein Sammelbegriff für<br />

völlig verschiedenartige Schimmelpilze, die in der Landwirtschaft<br />

insbesondere Pflanzenbestände sehr beeinträchtigen können.<br />

Neben Wurzel- und Stängelfäule stellen Giftstoffe ein grosses<br />

Problem dar, welche die Ernte ungeniessbar oder sogar gesundheitsschädlich<br />

für Mensch und Tier machen können. Oft treten<br />

die Fusarien schon als Auflaufkrankheit in Erscheinung. Konventionelles<br />

Saatgut ist häufig schon mit mehr oder weniger giftigen<br />

Chemikalien gebeizt. Im ökologischen Landbau verwendet<br />

man pflanzliche Extrakte oder Tees. Fusarien können als Bodenkrankheit<br />

aufgefasst werden, wenn beispielsweise kein ausreichender<br />

Fruchtwechsel stattfindet. Andere Fusarien keimen erst<br />

in der Blüte und werden vom Wind übertragen. Ob Fusarien keimen,<br />

hängt von vielen Faktoren ab, unter anderen von der Umgebungsfeuchte<br />

und der Temperatur, aber auch von der Resistenz<br />

oder Toleranz der Wirtspflanze.<br />

Von Fusariendruck spricht man, wenn viele Sporen vorhanden<br />

sind und die Witterung entsprechende Keimbedingungen schafft.<br />

Oft sind Fusarien auf Wirtspflanzen oder Wirtspflanzengruppen<br />

spezialisiert, können aber auch unterschiedliche Pflanzengruppen<br />

angreifen. In den 1980er Jahren setzten die USA Fusarium oxysporum<br />

als «Agent Green» in Südamerika gegen Koka- und Marihuanaplantagen<br />

ein. Die dortigen Regierungen verboten bald<br />

den Einsatz, da ganze Ökosysteme beeinträchtigt wurden. In der<br />

ehemaligen Sowjetunion wurden Fusarien auch als biologische<br />

Kampfstoffe erprobt.<br />

20 Leindotter. Leindotter (Camelina sativa) ist eine sehr alte<br />

Nutzpflanze (Öl) und gehört zu den Brassicaceae (Kohlpflanzen,<br />

Kreuzblütler). Vor allem in Leinbeständen wurde er zu einem gefürchteten<br />

Unkraut.<br />

Heute wird Leindotter im ökologischen Landbau als Gemengepartner<br />

neu entdeckt, da er anspruchslos ist, wenig Konkurrenz<br />

macht und vor allem auswuchsgefährdete Leguminosen stützt.<br />

Später lässt er sich problemlos herausreinigen und ergibt wertvolles<br />

Speiseöl oder technisches Öl.<br />

52


UW: Da wird immer gleich eingegriffen. Aber das ist doch ganz normal. Es geht dem<br />

Menschen auch so bei einer Krankheit oder wenn er sich nicht wohl fühlt, wenn das<br />

Wetter mal nichts taugt oder wenn man sich übernimmt oder schlechtes Essen gekriegt<br />

hat. Das ist bei uns wie auf dem Acker. Es ist nicht immer alles schön und gut.<br />

Die Pflanze ist ein Lebewesen: Sie ist erkältet, hat Husten oder ihr ist schlecht und<br />

da muss sie durch. Im konventionellen Landbau werden solche Gedanken und Beobachtungen<br />

nicht geduldet. Es wird immer gleich synthetisch behandelt. Das heisst,<br />

die Pflanze kann sich gar nicht gesund halten. Sie muss samt der Krankheit recht und<br />

schlecht bis zur Ernte kommen.<br />

DA: Oft ist es auch von der Sorte abhängig. Hochleistungssorten müssen in einem Zug<br />

durchwachsen, sonst haben sie ein Problem. Bei uns, gerade bei Frühjahrstrockenheit,<br />

haben wir schon die Beobachtung gemacht, dass beispielsweise Einkorn, wenn es im<br />

April besonders heiss wird, stehen bleibt und gar nichts mehr macht. Er steht dann eine<br />

Woche lang, wenn es nicht regnet, zwei Wochen lang, drei Wochen lang und wenn es<br />

dann regnet, wächst er weiter. Eine moderne Sommergerste verträgt vielleicht noch gut<br />

eine Woche ohne Regen, aber mit zwei Wochen wird es kritisch und bei drei Wochen<br />

kannst du sie – wenn überhaupt – nur noch in die Biogasanlage schmeissen.<br />

Was ist flächenmässig am prominentesten?<br />

UW: Alles ist prominent (lacht). Leider Gottes ist der Dinkel dominant.<br />

Wieso leider Gottes?<br />

UW: Das ist im Moment ein Modegetreide, und ich mag das einfach nicht.<br />

Der Leindotter 20 ist fast überall mit drin.<br />

Schon länger oder erst seit Kurzem?<br />

UW: Er ist seit Längerem drin. Damit hab ich ursprünglich angefangen.<br />

Was hast du früher mit den Samen gemacht?<br />

UW: Aufgehoben, ausgesät oder verschenkt. Dann gab es eine Mühle in Bayern, die<br />

53


haben diesen Rohstoff zu Treibstoff gepresst und zu Maschinenöl. Mittlerweile gibt es<br />

aus den Leindottersamen Speiseöl, ein Produkt, das mir sehr sympathisch ist.<br />

Und dann gibt es ganz viele Weizensorten, Emmer, Einkorn, Buchweizen, Leinsamen,<br />

Schwarzer Emmer, Schwarzer Hafer, Schwarze Gerste. Es ist auch eine schwarze Weizensorte<br />

dabei. Die Körner sind natürlich nicht schwarz, sehen aus wie Weizen, aber<br />

der Spelz und die Grannen sind schwarz.<br />

Ist beim Emmer das Korn auch schwarz?<br />

UW: Schwarze Körner gibt es eigentlich nicht. Das Aussenhäutchen ist schwarz, der<br />

Mehlkörper eher gelb oder braun, aber nicht schwarz. Manche sind vielleicht etwas<br />

orange, gold oder ocker. Einkorn ist stark gelb. Der Roggen geht ins Graugrünliche<br />

21 Freidreschen. Die Getreidekörner sind auf der Ähre mit<br />

mehr oder weniger fest verbundenen Schalenhäutchen bedeckt,<br />

den so genannten Spelzen. Vor dem Konsum müssen diese entfernt<br />

werden (Gerbung). Bei Gerste und Reis sind die Spelzen<br />

meist so fest an den Körnern, dass sie sogar geschält bzw. geschliffen<br />

werden müssen; bei Gerste spricht man dann von Graupen.<br />

Dabei gehen wertvolle Teile der Schale verloren. Beim<br />

Mälzen von Getreide, z.B. in der Bierbrauerei, sind die Spelzen<br />

eher erwünscht, da sie den Prozess fördern. Aufbereitetes Spelzgetreide<br />

ist erheblich teurer, da das Gerben einen zusätzlichen<br />

Arbeitsgang darstellt. So wurde Getreide dahingehend gezüchtet,<br />

dass die Spelzen schon beim Dreschen mit dem Stroh abfallen;<br />

diese Sorten nennt man freidreschend.<br />

Daneben gibt es auch so genanntes Nacktgetreide, welches<br />

gar keine Spelzen hat, d.h. die Körner sitzen «nackt» auf der<br />

Ähre. Meist sind Nacktgetreide jedoch empfindlich gegenüber<br />

Auflaufkrankheiten (Pilzerkrankungen während des Keimprozesses),<br />

da ihnen die schützenden Spelzen fehlen. Typische<br />

Spelzgetreide sind neben der Gerste vor allem Dinkel, Hafer,<br />

Einkorn, Emmer und Reis. Weizen und Roggen sind fast durchwegs<br />

freidreschend. Hochwertige nackte Hafer- und Gerstensorten<br />

für Speisezwecke sind sehr gefragt, da Spelzsorten schwer<br />

und mit Qualitätsverlusten aufzuarbeiten sind. Hinsichtlich der<br />

Qualität an sich jedoch scheinen Spelzgetreide tendenziell höherwertig<br />

als nackte Sorten zu sein.<br />

22 Graupen. Graupen sind geschliffene Gerstenkörner – seltener<br />

auch Weizen – und kommen unter dem Namen Roll- oder<br />

Kochgerste in den Handel. Die feinste Form sind die kleineren<br />

Perlgraupen. Da Gerste (nicht die Nacktgerste) ein sehr «hartnäckiges»<br />

Spelzgetreide ist, wird sie zu Speisezwecken geschliffen.<br />

Dabei verliert sie die wertvollen äusseren Schichten (Vitamine<br />

und Mineralstoffe), die Graupen sind aber schneller gar.<br />

Graupen sind küchentechnisch mit Grütze verwandt, die aus<br />

allen einheimischen Getreidearten hergestellt wird. Allerdings<br />

wird das Getreide lediglich gehackt bzw. gebrochen, wodurch<br />

es schneller gart als das ganze Korn. Auch die «Rote Grütze»<br />

war ursprünglich ein mit roten Früchten gesüsster Getreidebrei.<br />

Heute wird auch dünnes Beerenmus alleine als Rote Grütze bezeichnet.<br />

Ebenso gehören das türkische Bulghur und der nordafrikanische<br />

bzw. arabische Couscous zu diesen Getreideaufbereitungen.<br />

Dies sind thermisch behandelte Getreidekörner, die<br />

wieder getrocknet und anschliessend gebrochen wurden. Die<br />

thermische Behandlung hat drei Vorteile: nach dem Trocknen<br />

fallen sogar die fest verbundenen Spelzen der Gerste leicht ab;<br />

die wertvollen Inhaltsstoffe bleiben vollständig erhalten, können<br />

sogar teilweise von den Spelzen in den Mehlkörper eingetragen<br />

werden (Parboiled-Verfahren) und das Produkt ist noch<br />

einfacher zu garen (bei Couscous genügt kurzes Dämpfen).<br />

Schliesslich ist noch der Reis anzuführen, der ganz ähnlich aufbereitet<br />

werden muss. Auch der Reis ist ein Spelzgetreide. Meist<br />

kommt er entspelzt, aber mit Silberhäutchen als so genannter<br />

Cargo- oder Braunreis nach Europa. Der verbreitete Weisse<br />

Reis wird geschliffen bzw. poliert und verliert dabei ebenfalls<br />

weitgehend seine wertvollen Inhaltsstoffe. Der Parboiled Reis<br />

wird wie Bulghur und Couscous thermisch behandelt, so dass ein<br />

Grossteil der Schalenstoffe in den Mehlkörper eingeht. Die Körner<br />

sind entspelzt bzw. das Silberhäutchen ist entfernt worden<br />

und die Reiskörner sind leicht bräunlich. Parboiled Reis gart<br />

wesentlich schneller als Weisser Reis.<br />

54


wie ein Grünkern. Der Schwarzhafer wird aber auch weiss, wenn man ihn schält.<br />

Schade eigentlich, ich hätte gerne schwarze Körner.<br />

UW: Das ist beim Raps ja genauso: Er ist schwarz oder die Wicken sind schwarz, Linsen<br />

haben wir auch in jeder Farbe und wenn man sie schält, sind sie hell oder rosa. Bei<br />

Linsen geht’s bis ins Rot.<br />

DA: Dann gibt es noch ein Kriterium, nämlich die Sache mit dem Freidreschen 21 . Interessant<br />

ist das bei Spelz-Getreide und bei der Gerste. Wird die Gerste nicht als Braugerste,<br />

sondern als Speisegerste verwendet, ist das Problem der Spelz, der ziemlich fest<br />

verwachsen ist mit dem Korn. Um eine Speisequalität zu erhalten, muss er geschliffen<br />

werden, ähnlich wie beim Reis und den Graupen 22 , die sind geschliffen. Dabei ist tragisch,<br />

dass man die wertvollsten Bestandteile wegschleift. Deshalb ist das Interesse gross,<br />

freidreschende Gerste zu kriegen.<br />

Was heisst freidreschen?<br />

DA: Das Korn kommt quasi nackt aus der Dresche. Die Spelzen sind weg, ohne geschliffen<br />

bzw. gegerbt worden zu sein. Der Dinkel muss ja gegerbt werden und wird nicht geschliffen.<br />

So ist alles sehr kompakt beieinander. Das merkst du, wenn du eine Gerste auseinander<br />

nimmst; du kommst nicht an den Kern ran. Da ist immer noch eine Spelzschicht<br />

darüber. Ohne Schleifen bringst du die nicht weg. Es gibt schon ein paar Sorten, die<br />

freidreschend sind, aber diese Sorten sind anfälliger auf Pilzerkrankungen. Da sind die<br />

«nackten» Sorten tendenziell empfindlicher. In diesem Bereich gibt es noch jede Menge<br />

zu tun oder zu erforschen, was noch in Restbeständen auf alten Bauernhöfen herumliegt.<br />

Ihr seid unermüdlich immer am Suchen!<br />

UW: Wir haben jetzt eine alte hessische Landsorte. Angeblich sieht sie wie ein alter<br />

italienischer Nudelweizen aus. Zweifarbig begrannt mit relativ kurzer Ähre: Er wird<br />

heute als unbrauchbar qualifiziert. Getreide muss aus konventioneller Sicht lange Ähren<br />

und viele Körner haben, was gleichbedeutend ist mit viel Mehl und Geld.<br />

DA: Viel Stickstoff ist auch wichtig. Fussfester Boden, dass man viel Stickstoff drauf<br />

55


hauen kann.<br />

UW: Die alten Sorten werden krank, wenn man ihnen Stickstoff gibt.<br />

Was heisst das konkret?<br />

DA: Diese alten Sorten fallen um oder kriegen Pilze, wenn man ihnen Stickstoff gibt.<br />

Das ist ein Problem bei der ganzen Saatgutzüchtung. Zumindest in Deutschland ist<br />

dies ein Problem: zertifiziertes Saatgut 23 muss vom Bundessortenamt 24 anerkannt werden<br />

und die Sortenprüfung bestehen. Und ein Kriterium dieser Prüfung ist, dass die<br />

Sorte verschiedene Stickstoffgaben überleben muss auf dem Acker. Dies ist mehr oder<br />

weniger schwierig bei den Bio- bzw. Ökosorten, die speziell für nährstoffarme Ökoproduktionen<br />

gedacht sind. Wenn sie zu viel Stickstoff kriegen, um durch die Prüfung<br />

zu kommen, dann werden sie krank und fallen um. Und darum ist es sehr schwierig,<br />

dafür eine Zertifizierung zu kriegen. Es gibt jedoch viele supergute, nicht zertifizierte<br />

Sorten, die für den Ökoanbau geeignet sind, aber umgekehrt sind die Landwirte nicht<br />

mutig genug, auf dieses Z (Symbol für zertifiziertes Saatgut) zu verzichten.<br />

Der Verzicht auf das Z impliziert spätere Verkaufshindernisse?<br />

DA: Das kommt drauf an, ob man es in irgendwelche anonymen Löcher 25 reinkippen<br />

will, dann vielleicht schon.<br />

UW: Wir suchen die Verarbeiter, die unsere Qualität auch ohne Z schätzen und<br />

deswegen schaue ich nicht unbedingt darauf, nur solche Sorten zu haben, sondern<br />

23 & 24 zertifiziertes Saatgut / Bundessortenamt BSA. Das in<br />

Hannover ansässige Bundessortenamt (BSA) untersteht dem<br />

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

(BMfELV). Das BSA ist insbesondere für die<br />

Zulassung von Pflanzensorten als handelbares Saatgut zuständig.<br />

Nur Sorten, die ein standardisiertes Prüfverfahren durchlaufen<br />

haben, dürfen als Saatgut im Rahmen des Saatgutverkehrsgesetzes<br />

und des Sortenschutzgesetzes gehandelt werden. Kriterien<br />

für eine Sorte in diesem Sinne sind 1. Unterscheidbarkeit, 2.<br />

Homogenität, 3. Beständigkeit, 4. Neuartigkeit und 5. Bezeichnung<br />

(Namen). Der Sortenschutz gilt normalerweise für 25 Jahre<br />

(bei Gehölzen 35 Jahre).<br />

Bis 1900 gab es keine geregelte Sortenzucht und -pflege. Der<br />

Bauer war gleichzeitig Züchter. Ab 1920 gab es «geprüftes Saatgut»<br />

und 1934 entstand mit der ‹Verordnung über das Saatgut›<br />

das Berufsbild des Züchters; gleichzeitig verschwanden über 90<br />

Prozent der bis dahin angebauten Sorten. 1953 trat das ‹Deutsche<br />

Saatgutgesetz› in Kraft. In den 1960er Jahren entstand das<br />

‹Internationale Züchterrecht›, das mittlerweile alle WTO-Staaten<br />

(World Trade Organization) umsetzen. Ab 1994 werden Sortenschutz<br />

und -patentierung über das Agreement on Trade-Related<br />

Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs) geregelt. 1999<br />

wurde das EU-Patentamt errichtet und seit 2007 begann die Patentierung<br />

von der Zucht konventioneller Pflanzen und Tiere.<br />

56


Sorten aus der Zeit, als es diesen Unfug von zertifiziertem Saatgut noch nicht gab.<br />

Es handelt sich um Sorten, die züchterisch nicht bearbeitet worden sind wie beispielsweise<br />

Einkorn oder Nacktgerste oder auch diese alte Hessische Landsorte,<br />

italienischer Nudelweizen, Emmer, Hugo Erbe-Weizen 26 , Dippes-Weizen 27 oder<br />

Imperialgerste und viele mehr. Der Anbau solcher Sorten ist hauptsächlich im beginnenden<br />

19. Jahrhundert eingestellt worden. Der Dippes-Weizen ist erst in den<br />

1880er Jahren gestorben und seit da ist sein Weizen züchterisch durch niemanden<br />

mehr entwickelt worden.<br />

DA: Hugo Erbe hat bis lange nach dem Krieg gearbeitet. Er ist für sein Backferment bekannt,<br />

das er entwickelt bzw. wiederentdeckt hat. Er hat über wenige Generationen aus<br />

Wildgräsern Weizensorten gezüchtet, die heute auch noch in einem begrenztem Umfang<br />

zur Verfügung stehen. Daher sind das heute wieder relativ neue Sorten, die noch nicht<br />

nach modernen Kriterien gezüchtet worden sind und das macht sie spannend. Bei der<br />

Imperialgerste war um 1910 Feierabend: Mit dem Einzug von Stickstoff in die modern-<br />

25 Anonyme Löcher. Gemeint sind die Ablieferstellen der Lagerhäuser<br />

für Ackerfrüchte. Es geht dabei darum, dass Landwirte<br />

ohne eigene Lagermöglichkeiten gezwungen sind, ihre Ernte dort<br />

zu dem angebotenen Preis abzugeben, wenn die Ware nicht verderben<br />

soll.<br />

Ausserdem wird der Abnahmepreis durch einige wenige, rasch<br />

bestimmbare «Qualitätskriterien» und Fremdbesatz (Unkrautsamen,<br />

Durchwuchs-Samen) bestimmt. Sortenqualitäten spielen<br />

keine Rolle. So trägt diese Praxis (neben der Sortenzulassung)<br />

ganz erheblich zum Artenschwund bei Nutzpflanzen bei, da nur<br />

zuverlässige und ertragreiche Sorten für den normalen Landwirt<br />

interessant sind. Das Endprodukt auf dem Markt wird dadurch<br />

zunehmend uniform und sorten- oder regionalbedingte Unterschiede<br />

sind nicht mehr erkennbar.<br />

fielen sie mehr und mehr aus dem Flächenanbau. Einige wenige<br />

Züchter arbeiteten an den Sorten weiter.<br />

Heute werden die besonderen Qualitäten wieder zunehmend geschätzt<br />

und im Rahmen der Pflege von Biodiversität und Regionalvermarktung<br />

werden Erbe-Weizen und deren Weiterentwicklungen<br />

vermehrt angebaut.<br />

Erbe-Weizen-Sorten sind begrannt, langstrohig und insgesamt<br />

auffällig (z.B. die goldene Farbe der Sorte «Goldkorn»). Es<br />

sind eher Weichweizentypen, d.h. mit weichen wasserlöslichen<br />

Klebern, die nicht backstrassentauglich sind und den heutigen<br />

«Qualitätsanforderungen» nicht unbedingt entsprechen. Sie haben<br />

einen sehr guten Geschmack und sind handwerklich oder in<br />

der häuslichen Küche gut zu verarbeiten. Im Anbau sind sie anspruchslos<br />

und mögen keine hohen Stickstoffgaben.<br />

26 Hugo Erbe (1895–1965), Erbe-Weizen. Nach Hugo Erbe ist<br />

auch ein Backferment aus Erbsenmehl, Honig und Salz benannt.<br />

Erbe begann in den 1930er Jahren aus Wildgräsern völlig neuartige<br />

Getreidesorten zu züchten. In den 1960er Jahren waren diese<br />

im biologisch-dynamischen Landbau durchaus vertreten. Sie<br />

zeichneten sich durch Ertragsstärke, hohe Qualität und Beständigkeit<br />

aus. Mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck und<br />

der Uniformierung der Qualitätskriterien in der Landwirtschaft<br />

27 Gustav Adolf Dippe (1807–1890), Dippes-Weizen. Dippe war<br />

Pflanzenzüchter und hat sich vor allem durch Zuckerrübenzucht<br />

hervorgetan, ist aber auch in der Getreidezucht kein Unbekannter.<br />

Die Dippe-Saatzucht war als Familienunternehmen ab Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreich und existierte noch in der<br />

DDR. Heute gehört die ehemalige Dippe-Saatzucht als Firma<br />

Hilleshög zur Syngenta-Seeds GmbH und ist einer der bedeutendsten<br />

Zuckerrübensaatzüchter.<br />

57


konventionelle Landwirtschaft hat man damit aufgehört. Hier in der Region – Hohenlohe,<br />

Odenwald, Taubertal, Bauland – kam der Stickstoff später und die Gerste wurde<br />

relativ lange angebaut. Nach dem Ersten Weltkrieg ging’s dann los mit der landwirtschaftlichen<br />

Umstellung. Da gab es unter anderem eine Stickstoff-Phase: Die hatten all<br />

die Bombenfabriken und konnten sich das Pulver nicht mehr um die Ohren schiessen.<br />

Der Stickstoff musste irgendwohin verräumt werden und dann haben sie ihn einfach<br />

auf die Äcker geschmissen. Der Zweite Weltkrieg war dann mehr eine Pestizid-Phase.<br />

Damals gab es all die Chemikalien und die mussten auch irgendwohin. So hat man sich<br />

überlegt, wie man das auf die Äcker bringt.<br />

Die Kriege hatten also einen so starken Einfluss auf die<br />

Entwicklung der modernen Landwirtschaft?<br />

28 Agent Orange (A.O.), Monsanto. A.O. ist der militärische<br />

Code-Name eines Mischherbizids zur Entlaubung von Pflanzen<br />

mit der CAS-Nr. 39277-47-9 (CAS = chemical abstract service,<br />

internationaler Bezeichnungsstandard für Chemikalien). Agent<br />

– engl. hier: Wirkstoff; orange: weil in orange markierten Fässern<br />

gelagert; es gab auch Wirkstoffe, die anders gekennzeichnet<br />

wurden und entsprechend z.B. agent blue hiessen. Es wurde im<br />

Vietnam-Krieg von den US-Streitkräften in grossem Stil eingesetzt,<br />

zunächst um Schutzstreifen um Militärbasen übersichtlich<br />

zu halten, später auch, um gezielt Wälder zu entlauben und Agrarflächen<br />

systematisch zu verseuchen. Neben den ohnehin sehr<br />

giftigen Wirkstoffen enthielt A.O. auch stets sehr beständige und<br />

hochgiftige «Verunreinigungen» (Dioxine), die in der Folge für<br />

Fehlbildungen und Vergiftungen auch der Zivilbevölkerung verantwortlich<br />

waren.<br />

Firmen wie Monsanto, Dow Chemical und Spolana lieferten das<br />

Mittel an die US-Streitkräfte und erwirtschafteten damit hohe<br />

Gewinne. Auch die deutsche Firma Boehringer/Ingelheim lieferte<br />

Ende der 1960er Jahre A.O.-Komponenten an Dow Chemical.<br />

Dow Chemical und Monsanto gewannen durch diese Geschäfte<br />

massgeblich die wirtschaftliche Potenz, um heute den weltweiten<br />

Agrarchemie- und Saatgutmarkt zu kontrollieren bzw. die kapitalintensive<br />

«Grüne Gentechnik» zu forcieren.<br />

29 Hochstämme, Streuobstwiesen, Obstbau. Die Kulturobstbäume<br />

sind normalerweise zweiteilig und bestehen aus der Unterlage<br />

(Wurzel) und dem Edelklon (Krone), manchmal auch mit einer<br />

so genannten Zwischenveredelung. Die Unterlage bestimmt die<br />

Wüchsigkeit des Obstbaumes, also die Stammhöhe und die Grösse<br />

der Krone, die Veredelung bestimmt die Obstsorte (Klon). Dieses<br />

Verfahren ist im Prinzip schon so alt wie die Kultivierung von Obst<br />

überhaupt. Allerdings sind die Unterlagen in den letzten 50 Jahren<br />

immer «schwächer» geworden mit dem Effekt, dass die Bäume tendenziell<br />

niedriger wurden, schneller in die Ertragsphase kommen<br />

und schneller altern. Dies sind Faktoren, die einer industrieartigen<br />

Obstproduktion dienlich sind: die Bäume lassen sich rationeller<br />

pflegen und beernten, die Obstanlagen sind betriebswirtschaftlich<br />

leichter zu kalkulieren und die Sorten können schneller den<br />

«Marktbedürfnissen» angepasst werden. Dadurch sind alte Obstsorten<br />

verschwunden oder sehr selten geworden. Empfindliche<br />

Hochleistungssorten wurden in Monokulturen zur maschinellen<br />

Pflege angelegt, Schädlinge spielen insofern keine Rolle, als die<br />

Industrie gegen alles entsprechende Chemikalien anbietet. Mittlerweile<br />

gibt es fast nur noch Einheitsware und dieser Trend wurde<br />

viele Jahre lang auch politisch unterstützt. Mittlerweile hat man<br />

bemerkt, dass die alten, dauerhaften und im Grunde pflegeleichten<br />

Streuobstwiesen viel mehr Aufgaben hatten als nur Obst zu liefern.<br />

Inzwischen pflegen viele Initiativen alte Sorten auch wegen ihrem<br />

ökologischen Wert und legen Streuobstwiesen mit alten Sorten auf<br />

Hochstämmen an. Ganze Artenketten aus Wiesenpflanzen, Insekten,<br />

Vögeln und Kleinsäugern hängen an den Streuobstwiesen und<br />

wirken weit in andere Lebensbereiche hinein.<br />

In den enger werdenden Märkten und bei steigenden Rohstoffpreisen<br />

werden die genügsamen Streuobstbestände auch wirtschaftlich<br />

58


DA: Ja und natürlich auch der Generationenwechsel. Monsanto ist durch Agent Orange<br />

28 entstanden. Monsanto war anfangs der 60er Jahre eine kleine Firma. Durch den<br />

Vietnam-Krieg haben sie das Kapital zusammengekriegt und bis heute haben sie so viel<br />

Kapital schaffen können, dass sie jetzt mächtig in der Gen-Technologie mitmischen.<br />

UW: Die alten Bauern haben sich auf die Neuerungen nicht eingelassen. Die haben<br />

traditionell vor sich hin gewirtschaftet, wahrscheinlich auch durch die Realteilung:<br />

kleine Bauerngüter und wenig Geld. Da hatte der Opa noch das Sagen und es lief<br />

nichts mit Dünger und so. Entweder hatten sie die finanziellen Möglichkeiten nicht<br />

gehabt oder es war wirtschaftlich kein Faktor. In der hier auf dem Land vertretenen<br />

Grundeinstellung war auch kein Interesse vorhanden, mit so neumodischem Zeugs zu<br />

arbeiten. Nach dem Krieg hat es dann nochmals zehn bis fünfzehn Jahre gedauert, bis<br />

der wirkliche Generationenwechsel kam. Da hat es erst richtig «Bumm» gemacht. Die<br />

Leute im Alter meines Vaters haben dann rigoros umgestellt.<br />

DA: Die sind ja auch intensiv bearbeitet worden von der Heimvolksschule und der<br />

Industrie. In den 50er Jahren gab es grosse Programme in Baden-Württemberg, wo<br />

Intensivobstbau gefördert wurde, indem man für die Rodung von Hochstämmen 29 in<br />

Streuobstwiesen und für Anlegen von Monokulturen gutes Geld bekam. Das war der<br />

Ursprung des intensiven Obstanbaus in Baden-Württemberg. Heute schicken sie ehrenamtliche<br />

Naturschützer aus, um die Streuobstbestände wieder hoch zu kriegen. Es<br />

ist immer das gleiche Spiel: Die Grossen machen ihr Geld, indem unheimlich viel ka­<br />

30 Mulcher. Maschinen mit schnell rotierenden Schlagwerkzeugen<br />

(Schlegeln) an einer Welle und sehr hohem Kraftbedarf.<br />

Mulcher werden eingesetzt, wenn das Mähgut auf der Fläche<br />

bleiben und schnell verrotten soll. Dazu wird es in Stücke zerkleinert.<br />

Da keine Klingen arbeiten, zerstören Steine und Äste<br />

die Werkzeuge nicht. Sie werden zum Beispiel zur «Pflege» von<br />

Wiesen, die nicht gemäht werden (dürfen), zum Schlegeln von<br />

Gründünger, zum «Mähen» von Strassenrändern und auch – mit<br />

hochgestellter Maschine – um Hecken «zurückzuschneiden» benutzt.<br />

Die Arbeitsleistung der Maschinen ist hoch. Neben dem<br />

hohen Kraftbedarf, was sich im Energieverbrauch äussert, ist<br />

der unsaubere Schnitt zu bemängeln. Gemulchte Wiesenflächen<br />

wachsen schlecht nach (was zunächst ja auch erwünscht ist) und<br />

geschlegelte Hecken erholen sich schlecht von dieser «Pflege»,<br />

da die zerspleissten Schnittstellen nicht verheilen und lange für<br />

Erreger offen bleiben. Da die Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit<br />

fahren, haben Insekten, Bodenbrüter und Säugetiere (Hasen,<br />

Rehkitze usw.) kaum reale Fluchtchancen. Aus ökologischer<br />

Sicht ist Mulchen als «Pflegemassnahme» abzulehnen, da es eher<br />

Zerstörung und Energieverschwendung ist.<br />

31 BUND, der. «Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland»,<br />

ein wichtiger überregionaler Umweltverband in Deutschland.<br />

59


putt gemacht wird und die Naturschutzfreaks kriegen später das Pflanzmaterial und<br />

dürfen renaturieren. Momentan geht es mit den Hecken so. Die Hecken werden von<br />

den Landwirten mit den Maschinen niedergemacht, weil sie dafür Deckungsbeiträge<br />

einfahren können. Sie werden von der Gemeinde engagiert und fahren dann mit ihren<br />

hochgestellten Mulchgeräten 30 an der Hecke entlang und hauen alles kurz und klein.<br />

Ich rechne mal damit, dass in spätestens zehn bis fünfzehn Jahren die Hecken eingehen,<br />

weil sie das nicht vertragen. Die brauchen einen sauberen Schnitt. Wenn schon,<br />

dann einen schonenden Schnitt, aber sicher nicht dieses Abfräsen. In ein paar Jahren<br />

möchte man wieder was Neues: Dann schickt man BUND 31 und wie sie alle heissen<br />

raus. Sie kriegen vom Minister ein Bäumchen mit Handschlag überreicht und dies<br />

dürfen sie dann ehrenamtlich pflanzen. So wird die nächste Runde eingeläutet.<br />

Ihr habt 2006 den 1. Preis «Förderpreis Naturschutzhöfe» erhalten.<br />

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, euch anzumelden?<br />

UW: Wir waren gerade in der Kaffeepause, als jemand davon erzählt hat, oder es<br />

stand in der Zeitung, die auch überall herumliegt. Ich kann mich erinnern, wie ich<br />

gesagt habe: «Wenn wir da mitmachen, dann gehen wir aufs Treppchen. Sonst lassen<br />

wir es gleich sein. Das wäre Blödsinn und Heissluft.» Wir wollen nicht einfach halbwegs<br />

ordentlich Landbau betreiben und mit unseren Ideen rumhängen, Getreide anpflanzen<br />

und Bienen-, Baum- und Heckenpflege machen, sondern wir wollen das auch<br />

sinnvoll vermitteln.<br />

Salopp ausgedrückt, kann man es so sagen: Dirk hat die Sau für den Wettbewerb dressiert,<br />

und dann haben wir sie vorgestellt und sie hat beeindruckt.<br />

Und wie lief das ab?<br />

UW: Das ging los mit einer Ausschreibung. Sie wollten den Betriebsspiegel, wer da alles<br />

arbeitet, welche Kulturen wir anpflanzen, auf welchen Flächen, in welcher Region.<br />

Sie wollten wissen, was hier typisch sei und ob es hierhin passe, ob wir Fische auf dem<br />

Trockenen züchten oder so etwas, weil es dafür wahrscheinlich auch irgendeinen Preis<br />

gibt. Dirk hat dann alles zusammengetragen, was hier auf dem Hof läuft.<br />

DA: Das Spannende war, dass dieser Preis nicht auf Öko-Landbau beschränkt war.<br />

60


Dies sahen wir als Herausforderung an, denn es gibt auch den Seehofer-Preis, mit dem<br />

der beste Öko-Hof ausgezeichnet wird auf der Grünen Woche in Berlin. Das war etwas<br />

Neues, denn so war diese Hürde nicht eingebaut, sondern alle wurden gleich behandelt.<br />

Aufgrund der eingereichten Papiere wurde eine Vorauswahl getroffen, und die Jury ist<br />

zwei- oder dreimal gekommen, um sich alles genau anzuschauen.<br />

UW: Ursprünglich gab es vier- oder fünfhundert Kandidaten und die Frage war, wie<br />

viele Bauern überhaupt Interesse an so etwas haben. 240 Betriebe bundesweit kamen<br />

dann in die erste Ausscheidung. Die wurden nochmals angeschrieben und man musste<br />

wiederum alles detailliert einreichen. Dann war eine Kommission unterwegs und<br />

die haben sich alles angeguckt. Am Anfang waren das nur etwa drei Leute. Die haben<br />

sich alle Höfe angeschaut und haben dann etwa zwanzig bis dreissig Kandidaten für<br />

die engere Auswahl ausgesucht. Die sind hier rummarschiert und ich hab ihnen alles<br />

gezeigt. Sie hatten relativ wenig Zeit, waren aber nicht unwissend. Sie haben genau<br />

und überall geguckt, aber doch eher oberflächlich.<br />

Nachdem wir in die engere Auswahl gekommen waren, kam der Fotograf. Bilder<br />

wurden nur von den Höfen gemacht, die in der engeren Auswahl waren. Dann kam<br />

eine grosse Kommission: Leute vom Bauernverband, das Ministerium, die Frankfurter<br />

Rundschau, die Presse usw. Die haben sich mehr Zeit genommen und sind mit<br />

dem Anhänger mit Tisch und Tee drauf draussen herumgefahren und haben so alles<br />

Mögliche abgeklappert, sind über Felder marschiert und haben alles angeschaut, was<br />

im Getreide wächst. Es war spannend, weil ich auch nicht alle Pflanzen kenne, die<br />

da wachsen. Es war witzig, denn da kamen Leute, die Biologie studiert hatten und<br />

entdeckten Pflanzen, die sie auch nicht kannten. Dann kamen diese Fragen: «Was<br />

ist das, passt das hierher?» oder «Ist das nicht schon ausgestorben?» Da wurde es<br />

richtig interessant. Sie haben viele Pflanzen entdeckt, die ihrer Meinung nach in der<br />

Landwirtschaft gar nicht mehr vorkommen. Für uns war klar, dass wir ziemlich weit<br />

vorne mitmischen.<br />

Es gab dann Verzögerungen, weil der Preis zum ersten Mal ausgeschrieben war und<br />

sie noch den Modus geändert haben. Ursprünglich war gedacht, dass es einen ersten,<br />

zweiten und dritten Platz sowie neun Anerkennungen zu vergeben gibt. Dann<br />

61


haben sie gemerkt, dass es mit dem ersten, zweiten und dritten Platz schlecht bzw.<br />

schwer ist, weil man eben nicht vergleichen kann. Sie haben sich letzten Endes dazu<br />

entschlossen, sozusagen drei erste Preise in grossen Bereichen zu vergeben, und da<br />

war dann eben auch Sonderkultur dabei und Weinbau. Es war ein Weidebetrieb<br />

dabei, der praktisch nur Tiere gehalten hat und einer, der Getreide anbaut. Das<br />

waren dann die drei gleichwertigen Prämierungen in unterschiedlichen Branchen.<br />

Alle Preise wurden mit grossem Pomp in Bonn im Amt für Naturschutz durch den<br />

Bundesminis ter für Umweltschutz, Sigmar Gabriel, verliehen. Es gab ein grosses<br />

Buffet usw. Es war schon lustig, sich das mal anzugucken.<br />

Und was habt ihr da bekommen?<br />

Eine Art Dokument, eine Urkunde?<br />

UW: Ja, eine Urkunde. Einen Blumenstrauss haben wir auch gekriegt.<br />

Musstest du eine Dankensrede halten?<br />

UW: Nein, aber es war ganz nett. Wir sind dann mit Sigmar Gabriel rumgestanden. Er<br />

hatte nicht viel Zeit. Wir konnten ein paar Worte austauschen und ich denke, dass er<br />

mal hierher zu Besuch kommen wird. Wir haben ihn eingeladen und vielleicht findet<br />

er mal die Zeit, dass er sich das hier live angucken kann.<br />

DA: Dieser erste Preis war auch eine Art Initialzündung. Vorher bist du irgendein Verrückter,<br />

den niemand so recht ernst nimmt und dem vom Landwirtschaftsbeamten gesagt<br />

werden muss, wo die Grenzen sind. Mit dem Preis wird man plötzlich eine Hausnummer.<br />

Es rufen Leute an und wollen sehen, wie das bei uns läuft. Man kann sich<br />

auch ein bisschen mehr leisten und erlauben. Deshalb ist es vorteilhaft, wenn man den<br />

renommierten Preis bekommt. Es ist schade, dass es so sein muss, aber es hat schon Gewicht.<br />

Es hat einen Ruck durch unsere ganze Geschichte gebracht: Wir sind mit der Uni<br />

Kassel ins Gespräch gekommen und sind immer wieder mal bei Tagungen dabei und<br />

reden vor Studenten. Es kommen jetzt von Kassel oder Hohenheim Studenten hierher,<br />

um zum Beispiel ein Praktikum zu machen.<br />

62


63


64 Rispenhirsenbestand<br />

66 Schwarzer Emmer<br />

68 Weizenbestand<br />

70 Leinbestand<br />

72 vorne Roggenmischbestand, hinten Imperialgerste<br />

75 Leindotter-Hafer-Gemenge<br />

76 Weizenmischbestand (vgl. S. 34 unten)<br />

78 Weizenmischbestand (vgl. S. 34 unten)<br />

80 Wickenbestand<br />

82 Bunte Begrünung<br />

84 Leindotter und Braunhirse<br />

86 Weizenmischbestand (vgl. S. 34 unten)<br />

74


NUN<br />

FAHREN<br />

WIR VON DER<br />

AUTOBAHN<br />

runter und kurven durch die Dörfer. Links und<br />

rechts der Strasse hat es frisch umgebrochene<br />

Felder. Auf Uwes Feldern weiden zur gleichen<br />

Zeit die zwei Viehherden die Stoppeln ab, geben ihre Wiederkäuerwärme dem Boden,<br />

verbinden ihren Stoffwechsel mit dem der Erde. Eine Art tierisches Glück ist sichtbar,<br />

die Viecher haben Appetit auf dieses lebendige Futter und fühlen sich erkennbar<br />

wohl in diesem Wohnzimmer der Natur. Im Gegensatz dazu wirken die dunkelbraunen<br />

Felder hier verlassen, feindselig, kalt und depressiv. Ich kann mich nicht erinnern,<br />

dass Van Gogh, Monet oder Pissarro Schwarzbrachen gemalt haben. Und überhaupt:<br />

Zu Beginn der Moderne waren die Felder ein wichtiges Thema für bedeutende Maler.<br />

Waren sie nur ein dankbares Motiv oder mehr? Ein Feld symbolisiert das Brot,<br />

das Kern des Lebens oder zumindest unseres gesellschaftlich organisierten Lebens<br />

ist. Wenn ich die Bilder von Monet oder Van Gogh oder die Felder von Uwe mit dem<br />

vergleiche, was heutzutage mehrheitlich in der Landwirtschaft praktiziert und von der<br />

etablierten Wissenschaft angeführt wird, staune ich über riesige Diskrepanzen. Van<br />

Gogh würde sich wohl eher in seine Fantasie flüchten als sein Malzeug vor einem heutigen<br />

Acker mit seiner leblosen Gleichförmigkeit auszupacken.<br />

89


UW: Mit dem Hügeln hab ich jetzt eine Möglichkeit, gestalterisch viel mehr zu machen.<br />

In der konventionelleren Landwirtschaft ackert man und legt die Felder irgendwie<br />

an. Es ist eine gewisse Ordnung vorgegeben. Es ist nicht leicht, mit den dreieinhalb<br />

bis fünfzehn Metern breiten Geräten umzugehen. Und so sieht es dann auf dem Land<br />

aus: Die Felder sind eingeteilt in Fahrgassen, der Technik untergeordnet, damit zum<br />

Beispiel eine fünfzehn Meter breite Spritze durchpasst. Ich lege meine Felder so an,<br />

dass es der natürlichen Ordnung entgegenkommt, auch mit den Bäumen, Hecken und<br />

der Standortwahl der Pflanzen. Das ist die zentrale Fragestellung in der Mischkultur:<br />

Wie mache ich einen sinnvollen Verbund mit einem Getreide, einer Leguminosenpflanze<br />

oder einem Klee zum Beispiel oder mit zwei verschiedenen Getreidesorten.<br />

Dazu muss die Technik stimmen, damit man eine solche Anordnung gewinnbringend<br />

ermöglichen kann. In der Permakultur 32 nehme ich vier Tüten mit in den Garten und<br />

stecke von Hand eine Zwiebel, da eine Bohne, da setze ich eine Erdbeere – so geht es<br />

leicht. Auf einem Acker muss man das technisch lösen, aber trotzdem den natürlichen<br />

Gegebenheiten anpassen und nicht maschinellen Voraussetzungen. Genau da haben<br />

wir viele Erkenntnisse und Möglichkeiten gefunden, die in der konventionellen Landwirtschaft<br />

fehlen.<br />

Früher gab es doch immer Probleme mit den Vögeln, die in<br />

den Feldern grosse Schäden verursacht haben.<br />

UW: Das Problem gibt es immer noch. Ich kenne das von anderen Bauern, bei denen<br />

Schäden durch Vögel auftreten, aber auch durch Mäuse und andere Schädlinge. Ich<br />

weiss auch nicht wirklich, was man dagegen machen kann: Wenn ein Schädling kommt<br />

– egal, ob es sich um einen Käfer, eine Blattlaus, einen Vogel oder die Maus handelt<br />

–, ist es wichtig, dass das natürliche Gleichgewicht im Einklang ist mit den Kräften<br />

aus der Erde und dem Bauern, der darauf arbeitet. Das Geistige trägt auch zu dieser<br />

Balance bei. Ich denke, dass die Schäden durch irgendetwas hervorgerufen werden<br />

können. Letztes Jahr war extrem, da gab es weit verbreitet viele Probleme mit Mäusen.<br />

Ich kenne auch viele andere Betriebe, die grosse Probleme mit den Vögeln haben,<br />

die die Saat immer wieder fressen und deshalb ständig nachgesät werden muss. Das<br />

90


kommt hier nicht vor. Ich lasse auf dem Feld immer etwas für die Vögel stehen.<br />

Entweder hast du Glück oder du bist Gottes Liebling …<br />

UW: Nein! Der liebe Gott hat doch alle lieb!<br />

DA: Ein Bekannter von der Heimvolksschule hat mal über die Obstbäume äusserst treffend<br />

gesagt: «Wenn man meint, dass man praktisch das ganze Jahr nicht zu seinen Obstbäumen<br />

hinausgeht und sich nicht mit ihnen unterhält oder auseinandersetzt und wenn<br />

man sich dann einbildet, dass da kein anderer das Obst holt, der öfter kommt, dann ist<br />

man ein bisschen naiv».<br />

In welcher Rolle stehst du hier im Betrieb?<br />

DA: Ich bin die «Rechte Hand für alles» und insbesondere mache ich die Präparate-<br />

Arbeit 33 . Ich bin ein Stück weit das Sprachrohr nach aussen, vor allem wenn es um Bereiche<br />

geht wie den Uni-Studenten oder wenn es eine klare Systematik darzustellen gilt.<br />

Ich bin der Ansprechpartner für Leute, die eher das analytische Denken brauchen. Uwe<br />

32 Permakultur. Ein Anbausystem mit ständig belebter und grüner<br />

Fläche. Es wird nur noch mit Direktsaat gearbeitet. Permakultur<br />

stellt an den Boden und den Bewirtschafter hohe Anforderungen.<br />

Der Boden muss weitgehend intakt sein und der Bewirtschafter<br />

muss sehr umsichtig handeln. Dann aber bringt die Permakultur<br />

hohe Erträge bei wenig Arbeit und Energieeinsatz.<br />

33 Präparate. (Wesen, Zusammensetzung, Aufwand, Anwendung).<br />

Die biologisch-dynamischen Präparate versuchen die Sensibilität<br />

für den Boden und alle anderen Hoforgane aufzugreifen, indem<br />

sie ein Informationssystem zwischen den Wesensgliedern zu<br />

realisieren versuchen. Der anwendende Landwirt kann aktiv die<br />

Hoforgane ansprechen, wie dies der Arzt oder Heilpraktiker mit<br />

homöopathischen Mitteln bei den Körperorganen des Patienten<br />

versucht. Allerdings sind die Präparate keine Heilmittel, die nur<br />

bei «Krankheit» eingesetzt werden. Die Lebendigkeit der Hoforgane<br />

wird so ernst genommen, dass ein geistiger Austausch als<br />

möglich und notwendig betrachtet wird. Den Hoforganen wird die<br />

Möglichkeit der «Rücksprache» zugestanden und so ein Dialog eröffnet.<br />

Die Substanzen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.<br />

Es ist wie beim Briefe schreiben: zwar braucht man Papier und<br />

Tinte, aber die eigentliche Botschaft liegt nicht in den Substanzen,<br />

sondern in dem, was sie geistig tragen. Die Präparatearbeit geht<br />

insoweit über die reine Beobachtung hinaus, als sie ein aktiver<br />

Vorgang ist; und sie bleibt «unterhalb» der Handlungsebene, weil<br />

insofern kein direkter, ergebnisorientierter Zweck damit verbunden<br />

ist.<br />

Interessanterweise trifft sich das Prinzip der Präparatearbeit mit<br />

Erkenntnissen der theoretischen Physik, insbesondere wenn es um<br />

das Verhalten und das Wesen von Elementarteilchen geht. Das Präparatewesen<br />

will auch nicht in Konkurrenz mit naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen treten, sondern diese ergänzen, indem mit Tatsachen<br />

umgegangen wird, die zweifelsohne geistiger Natur sind und<br />

deshalb gar nicht naturwissenschaftlich beschrieben werden können,<br />

weil hier Geistigkeit und Lebendigkeit gar nicht definiert sind.<br />

Das Präparatewesen ist – wie eine Sprache – ein offenes System,<br />

in dem es zwar Regeln gibt, aber sowohl die Regeln als auch die<br />

Ausdruckmöglichkeiten einem ständigen Wandel bzw. einer ständigen<br />

Entwicklung unterworfen sind. Es ist auf jeden Fall falsch, von<br />

einer Art «Düngung» zu reden; diese Vorstellung geht an der Präparatearbeit<br />

völlig vorbei, es sei denn, man meinte Kunstdünger im<br />

ursprünglichsten Sinne des Wortes. Im Demeter-Verband sind die<br />

Mitglieder zur regelmässigen Anwendung der von Rudolf Steiner<br />

im Landwirtschaftlichen Kurs (1924) empfohlenen acht Grundpräparate<br />

verpflichtet. Darin erschöpft sich die biologisch-dynamische<br />

Präparatearbeit aber bei weitem nicht: es wurden weitere Präparate<br />

91


kann entsprechend besser mit Landwirten umgehen. Ich habe das Gefühl, dass wir uns<br />

gut ergänzen.<br />

Welche Prozesse kommen in Gang, wenn ihr auf neue Ideen kommt?<br />

DA: Wenn wir beim Kaffee oder beim Bier zusammenhocken und dann gehen einem<br />

verrückte Gedanken durch den Kopf, sagen wir uns: «Dieses und jenes müsste doch<br />

eigentlich funktionieren.» Dann probieren wir aus und sammeln Informationen. Das<br />

Recherchieren gehört auch zu meinen Aufgaben. Auch wenn es zum Beispiel darum<br />

geht, Saatgut zu besorgen und die Informationen über Quellen zu kriegen.<br />

92


93


96


97


93 o. «Präparateturm» mit Rührkesseln<br />

93 u. Präparatespritze<br />

94 Sämaschine für Gemengesaat<br />

96 o. Direktsämaschine «Eigenbau»<br />

96 u. Montagewerkstatt<br />

97 o. Werkzeugschmiede<br />

97 u. Werkzeugschmiede<br />

98 o. Alles findet Verwendung<br />

99 o. Getreideannahme («Gosse»)<br />

99 u. Trocknungssilos mit Warmluftgebläse<br />

98


99


Holperwege. Es dauert über eine Stunde, bis wir beim<br />

«guten Metzger» sind. Es ist ein Familienbetrieb, der<br />

Junior kommt aus dem Haus, er macht einen vertrauenswürdigen Eindruck, ist seiner<br />

Sache sicher. Er wirkt nicht wie ein Mörder, sondern wie der seriöse und warmherzige<br />

Vollstrecker einer <strong>No</strong>twendigkeit. Wäre ich ein Schwein, ich wäre vermutlich einverstanden,<br />

in den Händen dieses Mannes zu enden. Ich könnte in ihm die natürliche<br />

Konsequenz meiner Hingabe an ein erfülltes Schweineleben sehen. Ich würde mich<br />

noch bei Uwe bedanken für das üppige und anarchistische Leben unter freiem Himmel<br />

inmitten lustiger Artgenossen, für das wirklich einmalig gute Essen (Wir bekamen<br />

unter anderem die Sämereien von den Feldern, alles, was übrig blieb beim Dreschen<br />

vom Getreide, von den Hülsenfrüchten und Ölsaaten, aber auch die Samen von allen<br />

Beikräutern wie Brennnesseln, Wegerich, Wicken und Disteln) und dass er für mich<br />

diesen anständigen Metzger ausgewählt hat. Es beginnt bereits zu dämmern, als wir<br />

uns von dem Schwein und seinem Metzger verabschieden und weiterfahren. Wir wol-<br />

LAND-<br />

STRASSEN,<br />

DÖRFER,<br />

101


UW: Wenn das Feld brach liegt, kommt es zu Gärungsprozessen, bei denen Kohlenstoff<br />

freigesetzt wird, der normalerweise über die Wurzelverbauung organisch gebunden<br />

ist. Die Wurzelverbauung wird in der konventionellen Landwirtschaft unterbewertet:<br />

Es wird primär über den mineralischen Dünger Fruchtbarkeit hergestellt oder<br />

gewährleistet. Das Bodenleben, das über die Wurzelbebauung erhalten wird und den<br />

Humus bildet, spielt eine Nebenrolle. Die brauchen nicht den Boden an sich, sondern<br />

Dünger, Wärme und Wasser. Es ist gewaltig, was ein Hektar konventionell gehaltener<br />

und unbedeckter Fläche übers Jahr an Kohlendioxid ausgast.<br />

Wenn der Boden nicht bedeckt ist, ist er eine CO2-Maschine?<br />

DA: Richtig. Im Vergleich dazu ist der CO2-Ausstoss der Bodenbearbeitungsmaschinen<br />

nur Peanuts. In einem Vortrag hat Hartmut Grassl 34 , der am Max-Planck-Institut für<br />

Klimatologie arbeitet und damals in der Kommission für den Weltklimabericht war,<br />

sehr eindringlich, genau und spannend über diesen Punkt in der Landwirtschaft referiert.<br />

Er hat da richtiggehend «heilige Kühe geschlachtet». Er ist auch schon an verschiedenen<br />

Bauernveranstaltungen rausgeschmissen worden, wenn er gesagt hat, was Sache<br />

ist und dass der Landwirt auch Natur- und Klimaschützer ist oder sein sollte.<br />

In der konventionellen Landwirtschaft wie auch in der biologischen wird<br />

also das Zeitfenster so gestaltet, dass in vier Wochen im Sommer<br />

alles geerntet wird und dann die Erde «nackt» daliegt, oder? Und dann gast<br />

sie CO2 ab, solange keine Frucht drauf ist.<br />

DA: Die Schwarzbrache im Sommer ist noch viel schlimmer als im Winter, weil da mehr<br />

Leben im Boden ist. Die Zersetzungsprozesse starten viel schneller als im Winter. Aber<br />

auch im Winter sollte man das Feld nicht unbedeckt lassen. Es ist immer besser, wenn die<br />

gesamte Fläche begrünt oder irgendwie verbaut ist. Verbaut ist noch besser als begrünt.<br />

Was heisst verbaut? Wenn Wurzeln drin sind?<br />

DA: Ja. Aber im Sommer zersetzt sich das schnell, was man auch in jedem Komposthaufen<br />

merkt, und im Winter zwischen <strong>No</strong>vember und April ist nicht allzu viel los, weil<br />

102


die organischen Prozesse durch die Temperatur heruntergefahren sind.<br />

UW: In der konventionellen Landwirtschaft lernt man, dass die Wurzeln, die im Boden<br />

sind, enterdet 35 werden sollen. So habe auch ich es gelernt und so haben es auch<br />

die anderen gelernt, was von deren Standpunkt aus auch einleuchtend ist.<br />

Das verstehe ich jetzt nicht.<br />

UW: Die Wurzeln verbauen die Erde und in der Erde können sie wachsen. Bei allem,<br />

was man als Unkraut bezeichnet, ist Erde aussen rum. Du brichst den Boden zwar um,<br />

aber die Pflanze wächst auch kopfüber – oder wie auch immer – weiter und ist dann<br />

schädlich.<br />

Sie ist schädlich?<br />

DA: Nein, aber es wird so betrachtet. Die Pflanze mit der Wurzel kann ja weiterwachsen.<br />

Also geht man hin und enterdet sie, so dass sie keinen Bodenanschluss mehr hat. In<br />

der Folge stirbt sie ab.<br />

UW: Wenn man Unkrautdruck hat und zum Beispiel Klee umbricht, dann muss man<br />

das auf eine bestimmte Art machen. Sonst wächst die Pflanze immer weiter. Wenn<br />

Klee drauf ist und ich will hinterher etwas anderes anpflanzen, dann muss der Klee<br />

vom Feld weg. Erst dann kann ich etwas anderes kultivieren, weil Klee keine anderen<br />

Pflanzen neben sich dulden würde. Also muss man eine Methode dazu finden. Der<br />

Boden kann das aus und durch sich selbst, man muss diesen Prozess nicht unbedingt<br />

mechanisch umsetzen. Ohne technisch-mechanische Hilfe ist es viel schonender, und<br />

34 Hartmut Grassl (*1940) ist ein engagierter deutscher Klimaforscher,<br />

der bereits in den 1980er Jahren eindringlich vor dem<br />

Klimawandel warnte. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Meteorologischen Institut Mainz und in Hamburg und war auf<br />

Reisen mit dem berühmten Forschungsschiff ‹Meteor›. 1981 wurde<br />

er Professor in Kiel, 1984 Direktor am GKSS in Hamburg.<br />

1988 erhielt er eine Professur an der Universität Hamburg und<br />

wurde gleichzeitig Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie<br />

in Hamburg bis zu seiner Emeritierung 2005. Er leitete<br />

mehrere Jahre das Weltklimaforschungsprogramm der World<br />

Meteorological Organization in Genf, die mehrere Weltklimaberichte<br />

erarbeitete, und erhielt zahlreiche Auszeichnungen und<br />

Ehrenprofessuren auf der ganzen Welt.<br />

35 enterden. Beim Umbruch oder bei der mechanischen Unkrautbekämpfung<br />

muss die Wurzel der Zielpflanze (Unkraut) möglichst<br />

vollständig von der umgebenden Erde befreit und oben auf den<br />

Boden abgelegt werden. Behält die Pflanze über ihre Wurzeln den<br />

so genannten Bodenschluss, so wirkt die Behandlung wie Pikieren,<br />

«Umtopfen» oder Schröpfen (wenn nur der Trieb entfernt wird und<br />

die Wurzel völlig unversehrt bleibt). Dies führt bei vielen Pflanzen<br />

sogar zu einer Wachstumsförderung und verstärkter Bestockung.<br />

103


daran muss man arbeiten. Das gängige Kriterium bei der mechanischen Unkrautbekämpfung<br />

ist, dass man die Wurzel enterdet. Wenn man sie nicht enterdet, ist das im<br />

Extremfall wie ein Umtopfen oder ein Pikieren. Das muss der Boden bei mir über<br />

kurz oder lang selber machen, und er kann das auch. Wenn du ihn mit aller Gewalt zur<br />

Schwarzbrache machst und dann klein bröselst, ist die Ausgasung um ein Vielfaches<br />

intensiver.<br />

Schwarzbrache heisst, wenn der Boden völlig nackt ist?<br />

UW: Ja, es ist obszön, wie ohne Klamotten auf der Strasse gehen. Es ist aber nicht nur<br />

obszön, sondern auch klimaschädlich. Der Humus ist eigentlich die grösste Kohlenstoffreserve<br />

der Erde.<br />

Welche Rolle spielt der Humus für die Erde?<br />

DA: Das ganze Gerede um die Bio-Energie ist reine Augenwischerei. Es wird ja immer<br />

vorgegaukelt, dass nachwachsende Rohstoffe einen geschlossenen Kreislauf bilden.<br />

Letzten Endes läuft es darauf hinaus, dass man die Humusschicht verheizt, weil das<br />

Erdöl und die Kohle langsam und absehbar zu Ende gehen. Wobei wir schon seit Urzeiten<br />

dabei sind, die Humusschicht zu verbrauchen. Jede ackerbauliche Tätigkeit ist ein<br />

Verheizen von Humus. Einzig der Wald baut tatsächlich den Humus auf.<br />

Doch der Wald will in Ruhe gelassen werden. Wird er gerodet, ist das immer Raubbau.<br />

Es gibt verschiedene Grade von Raubbau. Ich kann ein Stück Land oder Wald innerhalb<br />

von wenigen Jahren bis aufs Zahnfleisch herunterwirtschaften oder ich kann damit<br />

vernünftig umgehen. Aber nie wird es möglich sein, durch konsequente Agrarkultur<br />

so viel Humus aufzubauen, wie eigentlich nötig wäre. Das schafft nur der Wald und<br />

deshalb ist er auch so ungeheuer wichtig für uns. Heute denkt man ein Stück Wald nur<br />

noch in Kubikmeter Holz und das ist völlig verfehlt. Bei uns ist der Wald ganz eng ins<br />

Konzept integriert.<br />

UW: Um beim Thema Boden zu bleiben oder bei der Bodenbearbeitung: Es gibt natürlich<br />

Massnahmen, die wirklich bodenzerstörend sind und es gibt Massnahmen, die<br />

bodenaufbauend sind. Davon bin ich nicht nur überzeugt, das hab ich schon mit eige-<br />

104


nen Augen gesehen. Die Erde wird wahrscheinlich nicht dicker werden, wenn man<br />

richtig Landbau betreibt. Der Humus muss so sein, wie das Wasser im Fluss. Er wird<br />

verbraucht, und dann wird er wieder neu hergestellt und aufgebaut, zum Beispiel<br />

durch Wurzelausscheidungen der Pflanzen und durch das ganze Bodenleben und die<br />

Mikroorganismen im Boden. Der ist ja lebendig! All dies muss in einem halbwegs vernünftigen<br />

Rhythmus geschehen.<br />

Der Boden regeneriert sich also selber?<br />

UW: Ja. Er könnte es oder er ist dazu in der Lage, wenn man ihn lässt. Ich weiss<br />

noch, – das habe ich auch sehr lange Zeit geglaubt –, dass Landschaftsstrukturen wie<br />

zum Beispiel die Streuobstwiese 36 die artenreichsten seien in unserer Gegend. Das<br />

stimmt aber nicht und ist sogar falsch. Der grösste Artenreichtum herrscht im Wald.<br />

Auch bei uns.<br />

Es gibt extrem unterschiedliche Wälder…<br />

DA: Man muss schon unterscheiden. Zwischen einer Fichtenmonokultur und einem einigermassen<br />

gesunden Wald liegen Welten. Es gibt auch eine Art Streuobstmonokultur;<br />

so etwas meine ich natürlich nicht. Früher galt im ökologischem Bereich, dass offene<br />

Auenlandschaften anzustreben seien oder Streuobstwiesen, weil dann auch die Schmetterlinge<br />

unterwegs sind und die Vögel, vom Rotschwänzchen über den Pirol bis zum<br />

Steinkauz. Aber das ist auch nur ein Raster. Es mag sein, dass der Anteil von höheren<br />

Tieren, also Wirbeltieren, in Streuobstwiesen höher ist. Aber wenn man tatsächlich genau<br />

hinschaut, was die Lebensprozesse aufbaut, dann ist es der Humus, das Edaphon,<br />

also letztlich die Mikroorganismen.<br />

Was hast du gesagt: Edaphon 37 ?<br />

UW: Das ist die Summe aller Bodenorganismen. Das Wort ist vom Griechischen abgeleitet<br />

und heisst sinngemäss «was die Erde macht» oder «was die Erde bildet». Das<br />

sind Mikroorganismen, die man zum grössten Teil mit blossem Auge gar nicht sehen<br />

kann. Und in einem Waldboden ist der Artenreichtum im Vergleich mit allen anderen<br />

105


Böden mit Abstand am grössten. Im Wald herrschen paradiesische Verhältnisse, wenn<br />

ich es in einem biblischen Bild auszudrücken versuche. Da geht alles von selber. Und<br />

mit der Schlange und dem Apfel hat sich der Mensch aus dieser Situation herausbegeben.<br />

Nun muss er es selber machen, quasi mit schwachen Krücken auf dem Acker die<br />

Kulturen pflegen. Es geht nicht mehr automatisch wie im Paradies, sondern ist mit viel<br />

Mühsal verbunden. Und es wird kein Wald entstehen, weil der Mensch das Paradies in<br />

seiner ursprünglichen Form nicht machen kann, sonst könntest du die ganze Geschichte<br />

in der Pfeife rauchen. Das Paradies ist etwas anderes, als was wir hier machen. Die<br />

Kultur, die ganze Arbeit hat mit Mühsal zu tun, aber es kann schlussendlich funktionieren.<br />

Und daran müssen wir arbeiten. Wir müssen nicht unbedingt Waldverhältnisse<br />

schaffen, und ich glaube auch nicht, dass wir dazu in der Lage wären.<br />

DA: Waldverhältnisse zu schaffen wäre theoretisch möglich, aber dann verlören wir<br />

alles, was wir Kultur nennen. Wald ist wild, ist Natur pur und in dem Sinne Paradies.<br />

Dann müssten wir uns von verschiedenen Dingen verabschieden, die wir hoch schätzen<br />

in unserer Kultur. Eine Lebensversicherung zum Beispiel gibt es im Wald nicht.<br />

Vom Kulturwald zum Urwald, da gibt es verschiedene Abstufungen …<br />

36 Streuobstwiese. Siehe Fussnote 30, Seite 58: «Hochstämme,<br />

Streu obstwiesen, Obstbau»<br />

37 Edaphon, das. Der Begriff «Edaphon» geht auf den Mikrobiologen<br />

und Botaniker Raoul Heinrich Francé (1874–1943) zurück<br />

und fasst sämtliche Bodenlebewesen zusammen, die kleiner als 2<br />

mm sind plus die Würmer.<br />

Es besteht etwa zu 40% aus Bakterien, 40% Algen und Pilzen,<br />

12% Regenwürmern und 8% Makro- und Mikroorganismen (wie<br />

Nematoden, Milben, Collembolen usw.).<br />

Das Edaphon baut in hochkomplexen Stufenprozessen abgestorbenes<br />

organisches Material zurück («Mineralisation») oder bereitet<br />

es für andere Lebensprozesse auf. Eine wichtige Erkenntnis<br />

des Bodenforschers Francé ist, dass dabei die Ebene der Belebtheit<br />

nicht verlassen wird; d. h. der weithin gebräuchliche Begriff<br />

der «Mineralisation» für den Abbau organischen Materials ist<br />

nicht korrekt. Ist die tatsächliche Mineralisation erst einmal erreicht,<br />

so ist es sehr langwierig bis unmöglich, wieder in die Lebendigkeit<br />

zu finden.<br />

38 Verbuschung. Die Verbuschung ist eine Sukzessionsstufe einer<br />

ehemals kultivierten Fläche hin zum Wald. Wiesen und Äcker bedürfen<br />

z.B. in Mitteleuropa der menschlichen Nutzung bzw. Pflege,<br />

um die Entwicklung zum Wald zu unterbinden (Kulturlandschaft).<br />

Überlässt man eine Wiese oder einen Acker sich selbst, so spricht<br />

man zunächst von der Brache, welche dann verbuscht, indem immer<br />

mehr Sträucher und Pionierbäume wie Birken (auf eher trockenen<br />

Flächen) oder Erlen, Weiden und Pappeln (an Gewässern)<br />

aufgehen. Ist ein dichteres Blätterdach aufgebaut, verschwindet<br />

das Gras und macht Platz für Waldbäume, die die Pionierbäume<br />

ablösen. Dies ist nur ein sehr grobes Bild der Sukzession, deren<br />

Ausprägung und Geschwindigkeit stark von den regionalen Verhältnissen<br />

abhängig ist. Es braucht Jahrhunderte, bis aus einem<br />

Acker ein echter Urwald entstanden ist. Die Zielausprägung ist<br />

ebenfalls schwierig vorherzusagen: Hätte man bisher nördlich der<br />

Alpen als Sukzessionsziel den Buchen-Eichen-Wald angenommen,<br />

dürfte es angesichts der Klimaerwärmung eher in Richtung<br />

Marronen-Nussbaum-Wald gehen. Was heute die Eichen-Buchen-<br />

Wälder in Mitteleuropa sind, waren vor den Eiszeiten ausgedehnte<br />

106


DA: Sagen wir es mal so: Es ist die Bewegung, in der sich alles entwickelt, wenn sich der<br />

Mensch verabschiedet. Es dauert mehr oder weniger lang. Wenn du einen Acker liegen<br />

lässt, ist der Wald sein innewohnendes Ziel, respektive sein Prinzip.<br />

UW: Es ist jedoch von Region zu Region verschieden, und es hängt auch mit dem<br />

Klima zusammen.<br />

DA: Man verliert in dieser Betrachtung die zeitliche Dimension. Es dauert halt. Das<br />

Endziel ist immer Wald. Es fängt meistens mit Verbuschungen 38 an, und dann wird der<br />

Buschwald abgelöst. Je nach Standort kommen dann zum Beispiel Erlen oder Birken<br />

und irgendwann ist wieder die Eiche oder Buche da. In Zukunft vielleicht eher Marronen,<br />

wenn es wärmer wird. Aber das Bestreben ist und bleibt Wald.<br />

UW: Wir als Menschen, als Bauern – da wird’s jetzt sehr biodynamisch – übernehmen<br />

eine Funktion, mit Willenskraft an die Landschaft heranzutreten. Man übernimmt damit<br />

auch sehr viel Verantwortung.<br />

Agrikultur ist also zu einem wesentlichen Anteil Gestaltungswille?<br />

DA: Ja, das hat alles mit Willenskraft zu tun. Die Natur selber würde es ganz anders<br />

ma ch en. Es ist schwierig, dort eine Kraft festzustellen, die eine Richtung hat. Es erscheint<br />

uns mindestens auf den ersten Blick alles chaotisch. Und es wird auch niemals<br />

Rücksicht genommen auf den Menschen. Landschaft wird nur durch die Tätigkeit des<br />

Bauern gestaltet.<br />

Vorhin haben wir diese Feldteilung erwähnt.<br />

Das ist ja erst seit Napoleon so, oder?<br />

UW: Die Realteilung 39 ? Ja.<br />

Früher hat das Land dem Adel gehört, und der Adel war quasi<br />

das «Blaue Auge» Gottes. Darum sagt man auch, die haben «blaues» Blut.<br />

Der Adel hat den Bauern und dem gemeinen Volk das Land zur<br />

Verfügung gestellt. Und Land war alles. Land und Felder waren früher<br />

nicht so abgegrenzt wie heute. Das Vieh wurde in den Wald<br />

107


getrieben und hat dort alles kurz und klein gefressen.<br />

DA: Der Wald war früher das «Unbekannte». Da gab es noch Anger und die Wildnis<br />

war immer feindlich. Die Natur als etwas zu betrachten, das gehütet und gehegt<br />

werden muss, ist an sich eine moderne Sichtweise. Zumindest im abendländischen<br />

Raum, da hatte man traditionell noch lange einen Hag rund um die Ortschaft herum<br />

angelegt und alle, die darüber hinausgegangen sind und dort klar gekommen sind, die<br />

abends eben nicht wieder ins Dorf hinter den Hag zurückgekommen sind, das waren<br />

Helden und Berserker.<br />

UW: Das hängt auch mit dem Glauben und der Religion zusammen. Die sind ja aus<br />

dem Paradies raus und haben sich dann nicht mehr getraut hineinzugehen. Gerade<br />

in der christlichen Religion ist es spannend: Die Christen hatten Angst vor Gott. Sie<br />

haben sogar Geld bezahlt, damit sie nicht in die Hölle kommen 40 . Praktisch niemand<br />

ist freiwillig in den Wald gegangen, da er eben als feindlich betrachtet wurde. Man hat<br />

vielleicht noch ein Stück Wald für das Brennholz gehabt, aber dann war irgendwann<br />

Schluss. Alles Weitere war nicht geheuer wie beim Meer auch.<br />

Welchen Einfluss hatten die<br />

napoleonischen Reformen auf die Landwirtschaft?<br />

UW: Die vorhandenen Strukturen wurden brutal geschwächt, würde ich mal sagen. Es<br />

war danach sehr mühselig, Strukturen aufzubauen, mit denen man Macht oder Einfluss<br />

auf den Handel ausüben konnte.<br />

DA: Vorher war es so, dass der älteste Sohn den Hof übernommen hat, und diese<br />

Tradition hat sich abseits der napoleonischen Einflusszone gehalten, etwa in Bayern<br />

oder <strong>No</strong>rddeutschland. Es hat sich ein gewisser Landadel gebildet und etabliert. In<br />

Süd-Westdeutschland etwa sind die Parzellen immer kleiner geworden. Ansonsten<br />

war es so, dass immer der Zweitgeborene oder die anderen Nachgeborenen für ihr<br />

Weiterkommen abseits des Elternhofes schauen mussten. So kam es regelmässig zu<br />

Auswanderungswellen, beispielsweise nach Amerika.<br />

Eine weitere interessante Betrachtung aus den Agrar- und Forstwissenschaften ist die<br />

Rache der Zweitgeborenen. Sie haben versucht, als landwirtschaftliche Berater Ein­<br />

108


fluss auf die Erstgeborenen zu nehmen über die Hintertreppe. Und in Süd- und Süd-<br />

Westdeutschland sind dadurch die Parzellen immer kleiner geworden und heute sind<br />

wir so weit, dass ein Landwirt hier im Süd-Westen normalerweise zu zwei Dritteln auf<br />

Pachtgelände arbeitet. Zwei Drittel eigenes Land wie hier auf unserem Hof ist eher<br />

39 Realteilung. Die Realteilung sieht vor, dass im Erbfall die gesamte<br />

Erbmasse (real) auf alle Erbberechtigten gleichmässig verteilt<br />

wird. Diesem Prinzip steht das Anerbenrecht gegenüber, wo<br />

der Hof von der übrigen Erbmasse getrennt behandelt wird und<br />

geschlossen als Einheit an einen Erbberechtigten weitergegeben<br />

wird (z.B. den Erstgeborenen, Stammhalter usw.). Der Anerbe<br />

muss zum Beispiel in Baden und Hessen aktiv vom Erblasser bestimmt<br />

werden, sonst greift die Realteilung. Das Anerbenrecht<br />

ist germanischen Ursprungs und zollt dem Hof als Institution<br />

Rechnung, dem der Mensch als Organ dient und dem er sich insofern<br />

unterzuordnen hat. Das ist auch ein Grund, weshalb das<br />

Anerbenrecht im nördlichen Deutschland und Europa, aber auch<br />

in Niederbayern verbreitet ist (Feudalherrschaft). Die Realteilung<br />

ist historisch gesehen moderner und respektiert Freiheit<br />

und Gleichberechtigung des einzelnen Menschen und ordnet die<br />

Sache an sich unter. Sie entstand aus dem Römischen Recht und<br />

kommt daher insbesondere im Süden und Südwesten (entlang<br />

dem Limes) zum Ausdruck, wo der römische Einfluss viel stärker<br />

war als im germanischen Kernland.<br />

Um die Hintergründe etwas besser zu verstehen, bleibt zu beachten,<br />

dass in Süddeutschland die christliche Missionierung der<br />

Germanen sich früher und flächendeckender vollzog, weil die<br />

Missionare (insbesondere Bonifatius) auf die von den Römern<br />

hinterlassene Infrastruktur bauen konnten. So wurden weite<br />

Teile Süd-, Südwest- und Westdeutschlands Kirchenbesitz (Erzbistümer,<br />

Stiftungen usw.), die in der Folge als Lehen an Kleinfürsten<br />

und Klöster vergeben wurden und in Fronarbeit (Leibeigenschaft)<br />

bewirtschaftet wurden. Freie Bauern waren hier sehr<br />

selten.<br />

Deshalb wurden die Bauernkriege (um 1500) in Süddeutschland<br />

angestossen, als die Lasten an Klerus und Adel von den Bauern<br />

einfach nicht mehr aufgebracht werden konnten. Die Bauernführer<br />

entwickelten die ersten Chartas für Menschenrechte (vgl. Die<br />

Zwölf Memminger Artikel), die für spätere Demokratiebewegungen<br />

(Französische Revolution, Gründung der USA) zur Vorlage<br />

wurden. So prägte sich ein selbstbewusstes Menschenbild in der<br />

«Südwestkultur» Deutschlands, die heute noch unter anderem<br />

in der Realteilung nachwirkt. Mit Napoleon Bonaparte, der den<br />

grössten Einfluss auf Deutschland (wie die Römer) entlang des<br />

Rheins und in der «Südwestachse» (zwischen Preussen und dem<br />

Habsburger Reich) hatte, erreichte auf dem Reichsdeputationshauptschluss<br />

1803 für diesen Bereich eine weitgehende Säkularisierung.<br />

Der grösste Teil der kirchlichen und klösterlichen Besitztümer<br />

wurden privatisiert. Dabei hat sich besonders Sigismund<br />

Freiherr von Reitzenstein als Staatsminister von Baden hervorgetan.<br />

Damit war die eigenständige (Wirtschafts-)Macht der Kirchen<br />

gebrochen und Napoleon konnte mehr oder weniger walten<br />

wie er wollte. Obendrein huldigte das gemeine Volk (zunächst)<br />

seiner «Gerechtigkeit». Über die Realteilung zersplitterten sich<br />

die Flächen rasch und es entstand ein Heer «wirtschaftlicher<br />

Einzelkämpfer». Ökologisch war der Zustand ein Segen, insofern<br />

sich Hecken und Brachflächen, die sich ihrer Grösse wegen<br />

nicht zur Bewirtschaftung lohnten, etablieren konnten und so die<br />

auch heute noch reiche landschaftliche Strukturierung des deutschen<br />

Südwestens ermöglichte. Das Festhalten an der Realteilung<br />

machte und macht die seither regelmässig durchgeführten Flurbereinigungen<br />

genauso schnell wieder obsolet.<br />

Die grösser gebliebenen Betriebe des <strong>No</strong>rdens arbeiteten zwar<br />

viel wirtschaftlicher, entliessen aber immer wieder viele land- und<br />

mittellose Nachgeborene, die sich dort verdingen mussten, wo es<br />

Arbeit gab. Viele dieser Menschen wanderten aus. Der südwestdeutsche<br />

Nebenerwerbslandwirt fühlt sich noch heute als selbstständiger<br />

Unternehmer, auch wenn er nur einen «Handtuchacker»<br />

bewirtschaftet und im Grunde Arbeitnehmer ist. Deshalb<br />

ist er tendenziell liberal-konservativ und proletarischem oder<br />

gar sozialistischem Gedankengut schwer zugänglich. Die grundsätzliche<br />

Eigenständigkeit hielt die Menschen aber doch eher im<br />

Lande als in <strong>No</strong>rddeutschland und beschleunigte die Industrialisierung<br />

in Süddeutschland. Man bekommt so ein Bild, wie tief<br />

die Bauernkultur die Lebensumstände – wie zu allen Zeiten und<br />

immer noch – prägt.<br />

40 Ablassbrief. Mit Ablassbriefen konnte man sich im Mittelalter<br />

von Sünden freikaufen, indem ein Betrag an die katholische<br />

Kirche abgeführt wurde. Der so genannte Ablassbrief bestätigte<br />

diesen Handel. Die reformatorische Bewegung um Martin Luther<br />

wandte sich u. a. gegen diese Praxis und zog damit den Unmut<br />

des Klerus auf sich, für den der Ablasshandel ein einträgliches<br />

109


die Ausnahme.<br />

Würdest du hier auch noch mehr Fläche kriegen?<br />

UW: Wenn ich wollte, vielleicht schon. Wenn Land verkauft wird, wird mir das ab und<br />

zu angeboten. Deshalb ist es möglich, ja. Darauf will ich jedoch keinen Einfluss nehmen,<br />

das entsteht von selber. Einfluss kann ich nehmen mit meinen Maschinen und<br />

mit meinen Böden, aber nicht mit Landkauf oder Pachten.<br />

Könnte man eine Klimakatastrophe wesentlich abmildern, wenn<br />

man konsequent bodenbedeckende Landwirtschaft betreiben würde?<br />

DA: Auf jeden Fall. Die Landwirtschaft ist eine richtig grosse Nummer. Sie ist ein wesentlicher<br />

Faktor.<br />

UW: Durch den entsprechenden Umgang mit dem Boden könnte man am Klima einiges<br />

verändern. Das ist wohl so.<br />

DA: Die Landwirtschaft ist ein vergleichbarer Faktor für den Klimawandel wie der<br />

Strassenverkehr. Die Formel, dass die Landwirtschaft tendenziell durch Begrünungsoder<br />

andere Massnahmen eher gegen den Klimawandel arbeitet, stimmt definitiv nicht<br />

in jedem Fall.<br />

UW: Das ist so wie beim Auto und dem Strassenverkehr: Da wird viel zu verschwenderisch<br />

gearbeitet. Weil noch Potential da ist, kann man mit grossen Sprüchen leben.<br />

Aber langfristig kann sich die Menschheit das nicht leisten. Da kann man in der Landwirtschaft<br />

wie im Strassenverkehr einsparen. Beim Strassenverkehr begreifen es die<br />

Menschen langsam, dass es machbar ist; aber es tut sich vorläufig trotzdem nichts!<br />

Vor allem beim Verbraucher tut sich noch viel zu wenig.<br />

UW: Der Verbraucher kann sich das noch leisten.<br />

DA: Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass die Politik gestalterisch eingreifen könnte.<br />

So wie man auch die ganzen Jahre gestalterisch eingegriffen hat, dass es zu der massiven<br />

Kapitalakkumulation in der Welt gekommen ist. Stichwort «Globalisierung». Das sind<br />

alles Folgen davon, dass bestimmte Wirtschaftsmethoden erlaubt sind oder gefördert<br />

werden. Andere sind untergraben worden. Man merkt es auch in der Landwirtschaft:<br />

Ohne grossartige Auszeichnungen giltst du schnell als Verrückter und man nimmt dich<br />

110


nicht ernst. Das wirkt auf die Masse. Wenn dann ein Vertreter von Monsanto kommt,<br />

hat er sofort unglaubliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Politik und wird in<br />

seiner Sache ernst genommen, weil da diffuse Ängste mitspielen. Man merkt das zum<br />

Beispiel in der Gen-Debatte: Wir können wirklich fundiert und mit harten Argumenten<br />

unseren Standpunkt vortragen und werden dann mit «Wenns» und «Abers» überhäuft,<br />

ohne in der Sache ernst genommen zu werden. In dieser Richtung gibt es politisches<br />

Potential, wie das Verbraucherverhalten gesteuert werden kann. Man kann fördern und<br />

bewerben, dass es toll ist, zum Beispiel ein 500 PS-Auto in der Garage stehen zu haben.<br />

Wenn das jeder predigt und die Politiker auch über ihre 500 PS-Autos reden, dann will<br />

es der Kleine auch. Wenn man dieses Ideal demontiert, wird der kleine Mann es auch<br />

früher oder später nicht mehr als wichtig empfinden. In der Marktwirtschaft beruft man<br />

sich gern auf das Argument «Das wird nicht nachgefragt!». Aber man muss ja auch die<br />

Möglichkeit haben, Alternativen nachzufragen, also zu kaufen. Natürlich fahre ich nur<br />

wegen einem Bio-Joghurt nicht in die nächst grössere Stadt, weil es ihn im Ort einfach<br />

nicht gibt, und kaufe den konventionellen. Das wäre ja verrückt! Dann zu kommen und<br />

zu sagen «Das wird ja nicht gekauft!», ist ein bisschen schwach von der Argumentation<br />

her. Genau so läuft es mit vielen Dingen, weil sie einfach nicht im Angebot sind.<br />

UW: Das Ding ist, es geht hier rein ums Geld. Uns ist wichtig, dass ganz normale Leute<br />

in den Hofladen kommen. Wir könnten unser Fleisch und Getreide anderswo verkau-<br />

41 Slowfood-Bewegung, die. Die Slowfood-Bewegung wurde 1986<br />

von Carlo Petrini in Italien als gemeinnütziger Verein zunächst<br />

zur Pflege regionaler Küchen gegründet. Slowfood zählt mittlerweile<br />

ca. 85.000 Mitglieder in über 130 Ländern. Im Zentrum<br />

stehen die Schlagworte Genuss, Qualität und Zeit. In der Folge<br />

kamen Begriffe wie (Ess-)Kultur, Biodiversität sowie Kritik an<br />

genveränderten Organismen (GVO) in der Landwirtschaft und<br />

der Agrarchemie hinzu.<br />

Heute engagiert sich Slowfood auch aktiv am Erhalt alter Nutzpflanzen<br />

und -tierrassen und der Pflege regionaler Spezialitäten.<br />

Slowfood veranstaltet und beteiligt sich an Fachmessen, organisiert<br />

Fortbildungen und sucht die Zusammenarbeit mit Organisationen,<br />

die ähnliche oder ergänzende Ziele verfolgen, zum Beispiel<br />

dem Terra Madre-Netzwerk unter der Schirmherrschaft des<br />

Britischen Kronprinzen Charles. Bemerkenswert ist die Gründung<br />

der ersten (privaten) Universität für gastronomische Wissenschaften<br />

in Pollenzo bzw. Colorno (Italien) und der Akademie für Kulinaristik<br />

in Bad Mergentheim (Deutschland).<br />

42 Arche <strong>No</strong>ah. Der Verein Arche <strong>No</strong>ah wurde 1990 in Niederösterreich<br />

gegründet, um alte Kultursorten (Gemüse, Obst und<br />

Ackerfrüchte) zu erhalten, zu pflegen und zu betreuen. Mit diesem<br />

Ziel sind viele Erhaltungszüchterinnen und -züchter unter<br />

Arche <strong>No</strong>ah organisiert, die den Erhaltungsstand mittlerweile<br />

in dem jährlich erscheinenden Arche <strong>No</strong>ah Sortenhandbuch dokumentieren.<br />

Arche <strong>No</strong>ah betreibt verschiedene Schau- und Erhaltungsgärten.<br />

Weitere Aktivitäten sind Fortbildung, Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Verkostungen und vieles mehr.<br />

111


fen – bei Slowfood 41 zum Beispiel – für wesentlich bessere Preise. Am Schluss kriegen<br />

aber diejenigen Leute die Top-Ware, die letztendlich am meisten dafür verantwortlich<br />

sind, dass es 500 PS-Autos gibt. Und das wollen wir nicht.<br />

Wo bringt ihr denn das Schwein hin?<br />

UW: <strong>No</strong>rmalerweise nicht so weit. Unser alter Metzger ist gestorben. Das Problem<br />

ist, dass die Metzger aussterben. Als ich mit der Landwirtschaft begann, habe ich mit<br />

Tieren gearbeitet, die auf der «Roten Liste» standen, also vom Aussterben bedroht<br />

waren. Es gibt jetzt auch bei der Bevölkerung ein starkes Interesse daran, solche Rassen<br />

zu erhalten. Rudolf Bühler von der schwäbischen Erzeugergemeinschaft hat bei<br />

uns viel dazu beigetragen, dass das Thema öffentlich diskutiert wird. Arche <strong>No</strong>ah 42<br />

auch. Mittlerweilen beobachte ich, dass man jetzt die Metzger auf die «Rote Liste»<br />

setzen kann. Dieses Handwerk stirbt aus, darum fahren wir jetzt so weit; es ist eine<br />

Übergangslösung.<br />

[…]<br />

DA: Es gibt Konsequenzen, die aus einem persönlichen Verhalten erwachsen. Ich bin<br />

überzeugt – und deshalb zerbreche ich mir auch nicht den Kopf über Vegetarismus –,<br />

dass mit einem vernünftigen Verhältnis und einer direkten Ergriffenheit der Fleischkonsum<br />

auf ein vertretbares Mass zurückgeht. Das läuft aktuell so schräg, weil die Leute<br />

sich überhaupt nicht mehr um die damit verbundenen Fakten wie zum Beispiel den Tod<br />

scheren müssen. Ich habe schon viele Leute kennen gelernt, die mit dem Schlachten<br />

nichts zu tun haben wollen, aber keine Mahlzeit ohne Fleisch verpassen und am liebsten<br />

ein Schnitzel essen, das rechts und links vom Tellerrand herunterhängt.<br />

Ich habe früh damit angefangen, bevor ich in dieser Gegend wohnte, bei einem Bauern<br />

zu Weihnachten eine Gans zu holen. Ich habe dann viel Wert darauf gelegt, die Gans<br />

selber zu schlachten. Ich wollte diesen emotionalen Zustand erleben und damit klar<br />

kommen. Wichtig war mir auch, dass die Kinder dabei waren und das auch mitkriegten.<br />

Wenn man das richtig mit ihnen aufarbeitet, geht es, ohne dramatisch zu werden.<br />

112


Ich bin auf Widerstände von zum Beispiel den Grosseltern gestossen, die gesagt haben:<br />

«Das kann man nicht mit den Kindern machen!» Und dies ausgerechnet von den<br />

Grosseltern, die jeden Sonntag zwei – wenn’s drauf ankommt, sogar drei – Rollbraten<br />

in der Röhre liegen haben und wo dann richtig zugeschlagen wird. Mit meinem Sohn<br />

Vinzent war ich im Kindergartenalter in Karlsruhe im Schlachthof, was wir gedanklich<br />

und emotional sehr intensiv bearbeiteten und für ihn letztlich eine Erfahrung war,<br />

von der er heute noch zehrt. Er ist zwar nicht Vegetarier geworden, doch zumindest<br />

weiss er, wo diese Sachen herkommen und trägt es im Bewusstsein. Ich glaube, das<br />

würde diesen exzessiven Fleischkonsum, der ja auch für den Klimawandel verantwortlich<br />

ist, von der Verbraucherseite her abdämpfen. Politisch und wirtschaftlich besteht<br />

da aber kein Interesse. Die Konzerne verdienen nur damit, was umgesetzt wird. Und<br />

das heisst: mehr, mehr, mehr.<br />

Zum Beispiel Currywurst: Obwohl man weiss, wie ungesund das ist<br />

– und dies ist auch kommuniziert in den Medien mit all den Transfetten<br />

drin etc. – geht der Konsum nicht zurück. Im Gegenteil: Es<br />

werden 800 Millionen Currywürste im Jahr produziert und auch<br />

gegessen. Die Umsätze steigen weiter an.<br />

DA: Gerade die Currywurst ist vom Kulinarischen her eine Barbarei. Das hängt auch<br />

mit der Werbung zusammen, denn es schmeckt den Leuten wahrscheinlich gar nicht<br />

wirklich. Bei dem Song «Gib mir mal ne Flasche Bier und eine Currywurst ...» mit der<br />

Stimme von Alt-Bundeskanzler Schröder untergelegt, da wollen die Leute einfach dabei<br />

sein, das ist Identität und sie essen halt Currywurst. Und das hat nichts mit der Wurst<br />

zu tun, sie wollen einfach dabei sein. Mit dem McDonald’s ist es genauso: Ich war noch<br />

nicht oft im McDonald’s, aber ich muss immer wieder staunen, wenn ich daran vorbeikomme:<br />

Die Leute hocken immer wie abwesend da drinnen und essen. Das ist das<br />

typische Bild. Der amerikanische Maler Edward Hopper hat Bilder gemalt, mit diesen<br />

leeren Räumen in Fastfoodbuden an den Highways. Im McDonald’s herrscht immer<br />

diese Stimmung. Alles ist steril und steril beleuchtet und die Leute würgen ihre Big Mac‘s<br />

rein, ohne dabei zu sein. Das finde ich erschütternd.<br />

113


UW: Es gibt Metzger, die können mit Vieh nicht umgehen, für die ist das einfach ein<br />

Stück irgendwas. Sie sehen nicht, dass es Lebewesen sind. Ich fahre so weit bis hierher<br />

mit der Sau, weil dieser Metzger ein netter Mensch ist, der einen sensiblen und würdigen<br />

Umgang mit den Tieren hat. Ich habe kein Problem, wenn es irgendwie weh tut.<br />

Das Leben tut manchmal weh, aber man sollte eine gewisse Achtung davor bewahren.<br />

DA: Das ist das Einzige, was ich letzten Endes einbringen kann. Ich weiss nicht, wie das<br />

Leben von einem Schwein oder von einem Rind ist. Es ist eine Mutmassung. Ich gehe<br />

davon aus, dass eine ruhige Sau weniger Probleme hat als eine, die die Wände hochgeht<br />

oder rumschreit und zittert. Insofern ist die Achtung vor der Kreatur das, was ich<br />

einbringen kann, und das ist eine Verpflichtung. Wenn jemand berufsmässig in einem<br />

Schlachthof arbeitet, muss er sich abreagieren können nach diesem Ausmass an Blut<br />

und Töten. Das erzeugt Stress. Eine einzelne Person schafft das vielleicht, aber nicht ein<br />

ganzes System, das sich die Massenschlachtung mit der Begründung von Wirtschaftlichkeit<br />

erlaubt. Da sind wir wieder an so einem Punkt, wo man sagen kann: Das ist in der<br />

Anlage sozialpolitisch total verfehlt, meiner Meinung nach.<br />

UW: Es gibt Leute, die es können und die werden gekündigt und irgendwelche, die es<br />

billig machen, die werden angestellt und müssen es halt machen.<br />

DA: Und dann ist egal, wie diese Menschen psychisch ausgestattet sind. Und wenn die<br />

sich dann unmöglich und respektlos verhalten oder verhalten müssen, gilt das sozusagen<br />

als Kollateralschaden.<br />

UW: Was wichtig ist: Die Tiere müssen auch ein wertvolles Leben haben. Zuerst ein<br />

katastrophales Leben und dann ein biologischer Tod, das bringt es auch nicht wirklich.<br />

Der schöne Tod alleine gleicht das nicht aus.<br />

Die Tiere sind so kurzlebig?<br />

UW: <strong>No</strong>rmalerweise entspricht die Lebenserwartung bei allen Wirbeltieren der vierfachen<br />

Zeit der Verknöcherung. Die Verknöcherung beim Schwein dauert drei Jahre,<br />

dann ist es ausgewachsen. Es könnte also etwa zwölf Jahre alt werden.<br />

114


115


115 o. «Bodendoktoren» bei der Arbeit<br />

115 u. Gute Gare! Wie sieht der «ideale» Boden aus?<br />

116 o. Zufutter (Braunhirsestoppel) für die<br />

Rinder im Spätherbst und Winter<br />

117 o. Begrüssung auf «Kuhisch»<br />

117 u. Lycos (English Longhorn-Bulle) und Pensionskuh beim Fressen<br />

118 o. Schwarze Gerste, Leindotter und Beikraut<br />

118 u. Mischfruchternte<br />

119 o. Uwe in den Rübsen<br />

119 u. Älterer Kuhfladen: Der ideale Wirtschaftsdünger!<br />

120 Mahnmal: Ressourcen schonen!<br />

116


117


118


119


120


121


122


121 Raffael, der Poitou-Esel<br />

122 o. Hinterwälder-Kuh mit Kalb<br />

122 u. «Longhorns», Hinterwälder und Mischlinge<br />

123 o. Lycos, der sanfte «Longhorn»-Bulle<br />

124 Rinder auf der Winterweide<br />

123


126


126 o. Umweiden<br />

126 u. Trieb durchs Dorf<br />

127 o. Bienenkasten<br />

128 o. Deutsches Weideschwein (Rückzüchtung)<br />

128 u. Bayrische Landgänse (vom Aussterben bedroht)<br />

127


128


MITTLER-<br />

WEILE IST ES<br />

DUNKEL<br />

geworden. Die Fahrt über die Dörfer endet in einem<br />

skurrilen Gasthof, der in mir Erinnerungen an die 70er<br />

Jahre wachruft. Der Beginn der Postmoderne mit der<br />

kontinuierlichen Zersetzung herkömmlicher Lebensformen. Die Hoffnung, dass sich<br />

bald freie und vernünftige Gesellschaften auf der Welt ausbreiten, bestimmte damals<br />

viele Lebensentwürfe. Auch starteten die Ökobewegung, die Friedensbewegung und<br />

die Grünen; unbürgerliche und spirituelle Gruppierungen schafften es mit der Darstellung<br />

neuer Formen des Zusammenlebens bis in die prominenten Medien; es gab<br />

bedeutende Künstler, die erfolgreich die Seelenlosigkeit der Gesellschaft und der<br />

Kunst reklamierten und einen gigantischen Raum von Neuartigkeit, Befreiung und<br />

Schönheit schufen. Auf der anderen Seite rüsteten starke Kräfte ein System auf, das<br />

wir heute als die totale Marketinggesellschaft erleben, Ergebnis eines übergreifenden<br />

Missbrauchs von menschlichen Grundbedürfnissen, Wünschen und Ängsten für eine<br />

gnadenlose Profitmaschinerie. Eine Art von Wirtschafts- und Wissenschaftsfaschismus,<br />

der sich auf der ganzen Welt ausgebreitet hat wie eine pandemische Infektionskrankheit,<br />

gegen die es keine Medizin gibt. In dem Lokal hängt tatsächlich ein uraltes<br />

Poster mit Frank Zappa drauf, und der Wirt ist wahrscheinlich ein alter, fossiler Hippie.<br />

Es wird munter geraucht, obwohl das Rauchen in den Kneipen gerade in ganz<br />

129


Mein Ziel – ein bisschen hochgegriffen – ist es, eine Antwort auf den Film<br />

«We Feed the World» zu finden. Das ist ein nüchterner Dokumentarfilm ohne<br />

moralische Aussage. Der Film hat aber viele Fragen ausgelöst, die<br />

niemand beantwortet. Ich möchte einen Beitrag zu einer Antwort leisten<br />

oder Möglichkeiten darstellen, wie man es anders machen kann.<br />

Welche Alternativen haben wir?<br />

UW: Die Schweine in unseren Ställen fressen den Kindern in Brasilien mehr oder<br />

weniger das Getreide vom Teller. Bei uns wird gleichzeitig die Hälfte des Fleisches<br />

weggeschmissen. Und die Rinder auf unseren Tellern werden in Argentinien gezüchtet,<br />

wo eigentlich Gemüsepflanzen und Früchte wachsen würden. Unsere Kühe hier<br />

fressen Gras und machen daraus Fleisch. Meine Kühe sind der lebende Beweis dafür.<br />

Die bekommen sonst nichts.<br />

DA: Man muss auf jeden Fall kommunizieren, dass nicht zu wenig Nahrungsmittel auf<br />

der Welt produziert werden, sondern dass es ausschliesslich an den Machtverhältnissen<br />

liegt. Darum gibt es Hunger. Das ist keine Substanzfrage, sondern eine Geistesfrage.<br />

UW: Ich glaube nicht, dass es ums Essen geht, sondern es geht nur ums Geld.<br />

Wenn wir zum Beispiel im ZDF bei Maybritt Illner wären und<br />

da stehen ein Genforscher und der Landwirtschaftsminister Seehofer und<br />

es heisst: «Wir müssen das Saatgut optimieren». Was sagst du da?<br />

DA: So kurz, wie die das sagen, kann man antworten: «Das stimmt nicht». Es gibt gewisse<br />

Dinge, die kann man in fünf Minuten nicht erklären. Und in einem Medium wie dem<br />

Fernsehen ist echte Aufklärung nicht möglich. Im Fernsehen findet nur ein Abtausch<br />

von Schlagworten statt. Das ist reine Medienmache. Es hat damit zu tun, dass einem<br />

Horst Seehofer oder einem Monsanto-Mensch viel mehr Vertrauen entgegengebracht<br />

wird. Sie sind in der Lage, Vertrauen zu fingieren, indem sie auf dieses und jenes Institut<br />

verweisen. Es gibt ebenso viele Untersuchungen, die genauso wissenschaftlich belegen,<br />

dass man die ganze Landwirtschaft auf der Welt in Bio umwandeln könnte und wir auf<br />

dem gleichen Produktionsniveau bleiben würden. Es würde keine Hand voll weniger<br />

Nahrungsmittel produziert. Und fest steht auch, dass Monsanto daran verdient und ein<br />

130


deklariertes Ziel hat: Zusammen mit Nestlé den Weltnahrungsmittelmarkt zu kontrollieren.<br />

Da geht es nicht darum, die Menschen satt zu machen, sondern einzig darum,<br />

Macht auszuüben und Geld zu verdienen. Es ist eine grosse Unverschämtheit, dass die<br />

so tun, als hätten sie eine humane Mission.<br />

Das ist tatsächlich so: Nestlé investiert sehr viel in<br />

Hochschulen und erntet damit die Aura der Wissenschaftlichkeit.<br />

UW: Wenn ich merke, dass von meinem Getreide etwas in deren Kanäle fliesst, dann<br />

mache ich sofort den Riegel zu. Ganz egal, ob es Demeter oder Bioland ist. Wenn ich<br />

merke, dass die zusammenarbeiten, dann kriegen sie nichts. Genauso wäre es auch bei<br />

dir: Wenn ich wüsste, da fliesst etwas über irgendwelche Hintertürchen, die nehmen<br />

dein Öl und verkaufen das dann, um ihr Gewissen zu beruhigen, würde ich sagen:<br />

«Hey, Antonius, abhaken, das schmeissen wir jetzt lieber weg.» Da kenne ich nichts!<br />

Im Demeter-Bereich gibt es auch Leute, die arbeiten genauso wie ein Denree 43 . Da<br />

brauchen wir keine Namen zu nennen. Es ist Blödsinn, was da abläuft. Da guck ich,<br />

dass die von meiner Ware nichts bekommen, egal, ob da ein Demeter-Schild oder irgendwas<br />

drüber hängt.<br />

DA: Die Politiker haben wenig bis gar keinen Durchblick, was wir auch in der Gen-Initiative<br />

gemerkt haben. Wir hatten den baden-württembergischen Landwirtschaftsminister<br />

im Rathaus in Grünsfeld vor grosser versammelter Mannschaft. Der hat auf mich<br />

einen recht blauäugigen und kenntnislosen Eindruck gemacht.<br />

Er gilt als gesellschaftlich Aufgeklärter, der sich darauf beruft, dass zu wissenschaftlichen<br />

Zwecken Untersuchungen gemacht werden und es dazu diese Versuchsfelder in<br />

Baden-Württemberg braucht. Es gäbe Forschungsbedarf, hat er grosspurig dargestellt.<br />

Auf die Frage, ob er die Sponsorenliste von den Forschungseinrichtungen kenne, hat er<br />

43 Dennree. Dennree ist ein renommiertes Logistik-Unternehmen<br />

für Naturkost und hauptsächlich in Deutschland, Luxemburg<br />

und Österreich tätig (vgl. auch: Alnatura, Naturata, Tegut).<br />

Wie bei allen derartigen Verteilungsunternehmen in der Biobranche<br />

ist eine Balance zwischen ethischen Ansprüchen und<br />

den so genannten Marktzwängen nicht einfach zu finden. Dies<br />

wird mehr und mehr Gegenstand der öffentlichen Diskussion<br />

und ist ein sensibles und sehr komplexes Thema. Künftig ist eine<br />

deutliche Verschiebung hin zu direkter und regionaler Vermarktung<br />

zu erwarten.<br />

131


mehr oder weniger nichts mehr gesagt. Dann haben wir ihm von der Liste abgelesen,<br />

wer dabei ist: Pioneer, Monsanto, BASF. Und dann kam dieser Reflex von ihm, dass da<br />

sicher noch andere Firmen dabei seien. Er könne das jetzt aus dem Stand nicht sagen.<br />

Dann wird vielleicht eine Kommission beauftragt… In dem Stil geht es ab. Die haben<br />

null Durchblick und trotzdem unheimlichen Vorschuss in der Öffentlichkeit. Das wird<br />

nicht hinterfragt, und deshalb läuft es so.<br />

Was ist eigentlich das Ziel oder der Wunsch deiner Arbeit?<br />

DA: Mein Wunsch ist eigentlich banal: Wirtschaftlich so weit zu kommen, dass wir unsere<br />

Arbeit frei machen können. Bei Uwe sieht es ähnlich aus, denn wirtschaftlich kochen<br />

wir schon auf sehr niedriger Flamme.<br />

Heisst das auch, dass ihr wenig verdient?<br />

DA: Es geht nicht darum, viel auf die Seite schaffen zu können. Es ist so, dass wir<br />

mit sehr viel Idealismus dabei sind und viel Vorschuss in die ganze Geschichte einbringen.<br />

Wir haben die Hoffnung, dass sich das irgendwann so einpendelt, dass wir<br />

unsere Arbeit richtig frei machen können. Wir machen uns viele Gedanken darüber,<br />

ob wir uns dieses oder jenes leisten können oder nicht, auch mit arbeitsmässigen Investitionen.<br />

Für wirklich notwendige Investitionen ist genug Geld da, aber wenn mir<br />

heute das Auto unter dem Hintern wegbricht, dann hätte ich ein echtes Problem. Ich<br />

würde das dann schon irgendwie auf die Reihe kriegen, aber das ist für mich kein optimaler<br />

Zustand. Was die Arbeit angeht, kann ich mir kaum etwas Besseres vorstellen.<br />

Wenn ich draussen auf dem Acker bin oder bei der Arbeit mit den Präparaten, dann ist<br />

mir das alles ziemlich egal. Aber wenn man mit so Sachen zu tun hat, wie zum Beispiel<br />

das Schwein in eine entfernte Metzgerei zu bringen, bricht es schon über einen herein:<br />

Es ist einfach traurig, dass man dazu einen PKW braucht.<br />

Früher hat man die Schweine durchs Dorf getrieben<br />

oder der Metzger kam nach Hause.<br />

DA: Dasselbe gilt auch für das Getreide, das wir zu Erdmann Hauser fahren.<br />

132


<strong>No</strong>ch schlimmer ist es, zu uns in die Schweiz zu liefern!<br />

DA: Ja, genau.<br />

Das ist die Moderne …<br />

DA: Ja, aber was ich damit sagen will: Es braucht Betriebsmittel und zumindest mir stehen<br />

diese nicht so ohne weiteres zur Verfügung. Da gibt es noch ein Missverhältnis. Jetzt<br />

kann ich es anders herum anschauen und sagen: «Okay, diesen Betrieb gibt es schon seit<br />

1999. Seit 2003 ist er von Demeter anerkannt, also läuft es richtig biologisch-dynamisch<br />

ab.» Wenn ich mir angucke, was wir in vier bis fünf Jahren auf dem Hof gemacht haben<br />

und wie wir vorankommen, macht mich das zufrieden. Es gibt Demeter-Betriebe, die<br />

schon dreissig Jahre alt sind, immer noch auf ihrer Milchproduktion herumtümpeln und<br />

sich nur Gedanken machen, wie viel Cent sie für den Liter kriegen. Ich sehe dann, dass<br />

es eine Frage der Zeit ist. Das weckt dann auch wieder die Bereitschaft.<br />

Ihr macht eigentlich etwas, was sonst niemand macht. Ich zumindest<br />

sehe diese Art der Feldbewirtschaftung zum ersten Mal.<br />

Auch bei Demeter-Betrieben habe ich so etwas Ähnliches noch nie gesehen.<br />

DA: Die Pflügerei ist auch bei Demeter eine heilige Handlung. Die haben grosse Schwierigkeiten,<br />

auf den Pflug zu verzichten und das Merk würdige ist, dass da Argumentationsebenen<br />

durcheinander gebracht werden. Es wird in Bezug auf die Pflügerei auf die<br />

Bibel verwiesen, was auch gar nicht von der Hand zu weisen ist. Nur frage ich mich:<br />

Was hat das biblische Pflügen mit Holzpflug und Pferd mit der modernen Pflügerei zu<br />

tun, die mit einem 300 PS-Traktor und einem Gerät dreissig bis vierzig Zentimeter tief<br />

den Boden aufreisst. Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen, rein vom<br />

mechanischen Ablauf her.<br />

Ist es denkbar, dass ihr eine Art Schule machen werdet, da ihr ja<br />

enorm viel forscht und experimentiert. Führt ihr Buch über Misserfolge<br />

und Erfolge, damit sich euer Modell verbreiten kann?<br />

DA: Wir können einem anderen Landwirt nicht so ohne weiteres sagen, was oder wie<br />

133


er es am besten machen soll. Jeder muss das letztendlich für sich selbst entscheiden. Das<br />

nehmen wir bei uns auf dem Hof sehr ernst. Deshalb bin ich auch eher zurückhaltend,<br />

weil ich immer noch am Hineinwachsen bin in den Hof und seine Verhältnisse, mich auf<br />

einem Entwicklungsweg befinde. Uwe hat den Vorteil, dass er von Kind auf die Gegend<br />

kennt und er schon mit seinem Vater unterwegs war und seinem Opa, der auch sehr<br />

wichtig für ihn war. Das sind Erfahrungen, die mir fehlen. Du kannst nicht von einer<br />

Uni oder Fachhochschule kommen in einen beliebigen Landstrich und – kaum das erste<br />

Mal dort – den ansässigen Landwirten sagen wollen, was Sache ist. Du kennst die langjährigen<br />

Witterungsverhältnisse nicht, du kennst die Bodenverhältnisse nicht usw. Das<br />

sind alles Sachen, die man sich recht mühselig erarbeiten muss. Da ist Erfahrung nötig.<br />

Du kannst da wenig gedanklich oder abstrakt vorwegnehmen. Man wächst hinein und<br />

insofern versuche ich eine Art Wissensschmiede zu praktizieren, indem wir Praktikanten<br />

auf den Hof holen. Jeder ist willkommen und kann sich das angucken. Aber letzten<br />

Endes können das alles nur Anstösse sein. Dieses Wissen auf einem anderen Hof umzusetzen,<br />

ist nochmals ein kreativer Akt und diese Kreativität in der Landwirtschaft ist<br />

durch nichts zu ersetzen.<br />

Ich habe den Eindruck, dass in der heutigen Landwirtschaft von Betriebsleitern Angst<br />

verbreitet wird und das verursacht die Zaghaftigkeit hinsichtlich dieses Kreativitätspotentials.<br />

Sie suchen nach Rezepten mit Garantien, die sie anwenden können. Sie wollen<br />

am liebsten eine zehnjährige Fruchtfolge, mit der sie wetterunabhängig sind und<br />

genau wissen, was wann kommt und in welchen Verhältnissen und Zyklen. Wenn wir<br />

zu den Leuten sagen, feste Fruchtfolgen gäbe es bei uns gar nicht, dann gucken sie uns<br />

zuerst einmal konsterniert an.<br />

Was bedeutet eine zehnjährige Fruchtfolge?<br />

UW: Es bedeutet, dass man eine Fruchtfolge im Zeitraum von zehn Jahren gestaltet.<br />

Das bezieht sich aber nicht auf die einzelnen Glieder in den einzelnen Jahren. Weil<br />

bei drei- oder viergliedriger Fruchtfolge wiederholt sich das Gleiche immer wieder.<br />

Typisch ist zum Beispiel: Gerste–Raps–Weizen, Gerste–Raps–Weizen, Gerste–Raps–<br />

Weizen. Bei der viergliedrigen Folge kommt dann noch ein Mais dazu.<br />

134


DA: Es scheint so, als hätten die konditionierten Betriebsleiter und Agraringenieure<br />

Angst davor, sich einzugestehen, dass es keine festen Formen und Programme gibt, dass<br />

es nur Anregungen gibt, und einfach mal den Mut aufbringen, ein bisschen wilder umzugehen<br />

mit dem Ganzen und etwas zu wagen.<br />

UW: Das kann man lernen.<br />

Da könnt ihr Vorbild sein. Wir von NaturKraftWerke möchten<br />

weitervermitteln, welche Alternativen es im Landbau und der Erzeugung von<br />

lebendiger Nahrung gibt, Alternativen zu den konventionellen und technischen<br />

Bestrebungen, die bis in wenigen Jahren per Satellit arbeiten werden:<br />

Der Bauer kann dann zu Hause bleiben und etwas anderes machen, während<br />

der Traktor alleine über den Acker fährt. Auch der Nährstoffbedarf des<br />

Bodens wird automatisch ermittelt und die Düngermischung<br />

exakt dem Bedarf des Bodens angepasst.<br />

UW: Das wird so nicht gehen.<br />

Wieso nicht?<br />

UW: Weil dem der liebe Gott in die Suppe spucken wird … ganz brutal.<br />

Aber die ganze Forstwirtschaft läuft doch schon per Satellit?<br />

DA: Die haben auch schon Probleme damit. Wenn nämlich in ihren Zukunftsbaum,<br />

den sie per Satellit ausgewählt haben, plötzlich ein Borkenkäfer reinkommt und dann<br />

abstirbt, dann kriegen die eine Lücke, wo keine Lücke sein sollte. Da fängt das nämlich<br />

44 Harvester. H. sind schwere, leistungsstarke Waldschlepper mit<br />

Greifarmen. In Wirtschaftsforsten werden sie beim Durchforsten<br />

und bei der Stangenholzernte eingesetzt. Sie sind geländegängig<br />

bis in mässige Steillagen und fast bei allen Bodenverhältnissen<br />

manövrierbar. Eine Zukunftsvision unter Forstwirtschaftlern besteht<br />

allen Ernstes darin, diese Fahrzeuge GPS-gesteuert in den<br />

Wald zu schicken, um eingescannte Zukunftsbäume nach und<br />

nach bis zur Erntereife frei zu stellen. Die Schäden, die diese<br />

Maschinen anrichten, sind gewaltig, insbesondere hinsichtlich<br />

Bodenverdichtung und dem Zerwühlen der empfindlichen Humusschicht,<br />

aber auch Rinden- und Wurzelschäden, selbst an<br />

den Zukunftsbäumen. Im Bergischen Land (östlich des Ruhrgebietes)<br />

berichtete ein befreundeter Forstbediensteter, dass man<br />

dort vom Harvester-Einsatz abgerückt sei. Hintergrund sind<br />

die untragbaren Schäden am Waldboden, die sich dort auf die<br />

zahlreichen Talsperren zur Trinkwassergewinnung auswirken.<br />

Die Maschinen werden nur noch verwendet, um minderwertige<br />

Fichtenmonokulturen kostengünstig abzuwickeln. In wertvollen<br />

Mischwäldern, die das Wasser filtern und speichern, dürfen sie<br />

nicht mehr eingesetzt werden.<br />

135


schon an. Oder wenn die ihren Harvester 44 in ihren Zukunftsbaum schrammen und er<br />

plötzlich wurzelkrank wird … das geht notwendig in die Hose, weil das so nicht in den<br />

Griff zu kriegen ist. Und wenn das mit den GPS-gesteuerten Schleppern so weit sein<br />

wird, dann werden wir erleben, dass so ein Schlepper plötzlich im Wohnzimmer eines<br />

Einfamilienhauses steht.<br />

Auf jeden Fall wird ein Teil der Menschheit auf dieses<br />

Modell zusteuern, wird Hoffnungen darauf haben und mitmachen;<br />

egal, ob es gut ist oder schlecht.<br />

UW: Willst du dich im Lebendigen bewegen oder geht es darum, dass da irgendein<br />

Bulldozer läuft und irgendwelches Getreide produziert wird? Das kann man in irgendwelchen<br />

Labors halten, in irgendwelchen Hallen, da braucht man keine Felder mehr<br />

dazu.<br />

DA: Wenn der Sprit ausgeht, ist sowieso schnell Feierabend mit diesen ganzen Sachen<br />

und der Zeitpunkt wird kommen.<br />

UW: Wenn jemand Interesse hat, mit der Lebendigkeit zu arbeiten, dann muss auch<br />

eine Art der Übertragbarkeit möglich sein. Das bedeutet, dass meine aktuelle Arbeit<br />

auch jemand anderes machen kann oder dass ich jemandem mein Tun und Wissen lehren<br />

kann. Er muss nicht denselben Bulldozer fahren oder dieselbe Maschine, er muss<br />

den Boden verstehen können und vor allem seinen Boden. Insofern kann man es übertragen,<br />

denn es geht darum, dass er mit seinem Boden arbeitet und nicht mit seinen<br />

Maschinen. Es geht nur um den Boden und dementsprechend müssen auch die Maschinen<br />

langfristig ausgelegt sein. Ausserdem sollte klar sein, dass man einen Maschinenpark<br />

nicht über PS erklärt. Es muss immer um die Frage gehen: «Was spielt sich im<br />

Boden ab?» Ich brauche dann ein Gerät oder Gerätschaften, die meine Idee umsetzen<br />

können und die auf jedem Boden einsetzbar sind. Daran kann man mit Sicherheit<br />

arbeiten. So etwas macht man heute nicht, weil heute verkrümelt wird, rückverfestigt,<br />

und da gibt es diese ganze Palette komischer Begriffe wie «Saatbeet herstellen».<br />

Das sind Dinge, die der Boden selber machen kann, und das muss man ihn auch tun<br />

lassen. Dieses Wissen, glaube ich, ist übertragbar. Da braucht man auch nicht viel<br />

136


Werkzeug dazu. Der Boden arbeitet auch ohne Werkzeuge. Daran versuche ich zu<br />

arbeiten. Der Stoppelhobel, der Ringschneider oder die Fräse: Die sind gefährlich.<br />

Das ist ein Handwerk für sich, das nicht jeder kann. Entweder lassen sie es dann wieder<br />

sein oder sie machen es nicht gut. Viele Menschen, die sich dafür interessieren,<br />

sind regelrecht überfordert. Es kann ja auch nicht jeder Rennfahrer werden, obwohl er<br />

gerne möchte. Er kann vielleicht Auto fahren, aber dafür kriegt er noch keinen Pokal.<br />

Ich glaube aber, dass sich jeder mit dem Boden beschäftigen und ihn befragen und<br />

bearbeiten kann. Dahin muss die Technik gehen. Sie muss nicht viele PS haben. Es<br />

muss auch nicht unbedingt ein Gaul sein, der nur Gras frisst. Es kann durchaus etwas<br />

Skurriles sein, mit dem man fährt. Vielleicht sitzt jemand zuhause im Hof und fährt die<br />

Maschine mit einer Fernsteuerung und kann seinen Geräten beim Arbeiten zugucken.<br />

Aber einfach daheim vorm Fernsehen sitzen, das haut nicht hin.<br />

Das funktioniert auch nicht in den Schweineställen. Den Schweinen kannst du füttern,<br />

was du willst, das ist denen egal. Du musst einen Bezug zu den Tieren haben und den<br />

kriegst du nicht übers Telefon oder irgendein Ding. Man muss zu den Tieren hingehen,<br />

was mühselig sein kann. Ich denke, das habe ich den Leuten rüberzubringen<br />

versucht: dass sie sich bemühen. Selbst bemühen und die Kraft reinbringen in ihr Tun.<br />

Dann wird es funktionieren. Da bin ich fest davon überzeugt. Das ist heute alles völlig<br />

verlernt. Es wird alles nur noch theoretisch abgehandelt. Irgendwelche Lehrer erzählen<br />

irgendwelchen Quatsch, irgendwelche Rezepturen und dann wird es geglaubt, gemacht<br />

und fertig. Mit dem Boden oder mit den Tieren muss man arbeiten und sich mit<br />

der eigentlichen Sache beschäftigen. Das macht Spass und führt auch zum Erfolg, da<br />

bin ich ganz sicher.<br />

Es ist sehr persönlich, du hast dein Schicksal mit im Spiel!<br />

UW: Man kann ja nicht einfach eine Maschine kaufen und dann funktioniert es. Man<br />

muss zuerst einmal mit der Maschine umgehen lernen. Genauso wenig kannst du dir<br />

ein Formel-1-Auto kaufen und dann im Zirkus antreten. Das wird auch in den Schulen<br />

nicht gelernt. Die beschäftigen sich nicht mit dem Eigentlichen, nur mit dem ganzen<br />

«Drumherum». Und mit dem «Drumherum» wird Geld verdient. Und das Eigentliche<br />

137


ist der Boden, das Leben, die Natur, die permanent nachliefert wie ein Fluss: Da fliesst<br />

Wasser und man kann raus schöpfen und raus schöpfen. Es fliesst und fliesst. Egal, wie<br />

viel du raus schöpfst, es fliesst immer weiter. So kann die Landwirtschaft funktionieren.<br />

Ich weiss nicht, ob man das duldet und zulässt; wahrscheinlich nicht. Die wollen<br />

Geld verdienen. In dieser Welt geht es nur ums Geldverdienen – egal wie. Und das<br />

machen manche auch relativ erfolgreich.<br />

DA: Aber es soll auch die Möglichkeit vorhanden sein, dass ein anderer Weg gepflegt<br />

werden kann und man sich als Landwirt frei entscheiden kann. Es ist vielleicht angesagt,<br />

dass man in Zukunft auf eine GPS-Landschaft zusteuert. Trotzdem sind wir in einer<br />

freien Welt oder sollten zumindest in einer möglichst freien Welt sein. Dann muss es<br />

auch möglich sein, sich für einen experimentelleren Weg entscheiden zu können. Damit<br />

das real möglich wird, müssen auch das Wissen und die Erfahrungen gepflegt werden.<br />

Es gab noch vor den Weltkriegen oder vor noch längerer Zeit ungemein viel Wissen, das<br />

in der Zwischenzeit verloren gegangen ist. Da sind wir daran, teilweise mühselig wieder<br />

zurückzuholen und zurückzuerkämpfen, was früher selbstverständlich war. Möglicherweise<br />

würde uns ein Landwirt aus dem 19. Jahrhundert den Vogel zeigen und sagen:<br />

«Hey, seid ihr bekloppt, ihr erfindet das Rad zum zweiten Mal». Es ist schon so viel<br />

Wissen weggebrochen und es muss ja jetzt nicht ganz alles verschwinden. Obwohl vieles<br />

darauf angelegt ist. Vermutlich ist da ein Zusammenhang mit vielen Ängsten, mit der<br />

ganzen Gentechnik zum Beispiel.<br />

Welche Ängste sind das?<br />

DA: Zum Beispiel bestimmte Sakrilegien, dass man den Anschluss zur Weltelite verliert.<br />

Obwohl viele gar nicht wissen, woum es eigentlich geht. Da rennt einfach alles hinterher,<br />

meist von Ängsten getrieben. Angst ist aber immer ein sehr schlechter Ratgeber.<br />

UW: Die Bauern haben das Vertrauen in ihren Boden verloren. Deswegen wird mit<br />

Gewalt gearbeitet.<br />

DA: Sie haben Angst vor dem Wetter, vor dem Unkraut, vor den Insekten und überhaupt<br />

vor allem. Es herrscht ein permanenter Kriegszustand und von den Ergebnissen<br />

daraus soll man dann die Menschen ernähren und die sollen noch bei klarem Verstand<br />

138


leiben?<br />

UW: Landwirtschaft hat viel mit Vertrauen zu tun: Glaube, Hoffnung und Liebe. Das<br />

ist an sich schon toll: Es macht Spass und es ist schön, sich auf etwas verlassen zu können<br />

und nicht in permanenter Ungewissheit zu leben.<br />

Von welcher Art Ungewissheit sprichst du in diesem Zusammenhang?<br />

UW: Vielleicht nicht Ungewissheit allgemein. Es ist gewiss, dass da irgendetwas<br />

wächst, weil die Erde lebendig ist. Von meinem Boden weiss ich, dass er lebt. Da kann<br />

kommen, was will, es wird etwas wachsen und wir werden ernten. Ich weiss noch nicht<br />

was, wie viel und was es kostet, aber da spielen so viele Faktoren mit, auf die ich sowieso<br />

keinen Einfluss habe.<br />

Wenn du experimentierst, hast du oft auch Ergebnisse, die nicht so<br />

sind, wie du sie erwartest. Wurdest du auch schon enttäuscht?<br />

UW: Von meinen Feldern oder meinem Vieh? Nein! Ich bin immer wieder überrascht,<br />

wie das alles zustande kommt. Ich finde es absolut faszinierend und staune, wie das<br />

alles geht.<br />

Viele Bauern leben in einem Zustand ständiger Bedrohung.<br />

Wie sieht das bei euch aus?<br />

UW: Ein Landwirt wird doch nicht von seinem Acker bedroht oder von seinen Beständen!<br />

Er ist höchsten bedroht vom Finanzamt, von der Versicherung, vom Landmaschinenhändler,<br />

vom Veterinär oder von den ständigen Rechnungen, die er sich<br />

einhandelt. Der Acker bedroht nicht, er ist die Quelle!<br />

Schädlinge, Unwetter etc: Ich denke an solche Phänomene.<br />

Das wird ja auch nicht einfacher, vor allem jetzt mit möglichen oder<br />

drohenden klimatischen Veränderungen.<br />

UW: Auf unseren Feldern gibt es keine Schädlinge. Und letztes Jahr war ich in der<br />

Frühjahrstrockenheit regelrecht fasziniert von folgendem Ereignis: Das konventionelle<br />

Getreide hat Ähren geschoben, während mein Getreide reglos dastand und sich die<br />

139


Welt anschaute und was weiss ich gemacht hat. Urlaub vielleicht? Keine Ahnung. Es<br />

hat auf jeden Fall keine Ähren geschoben. Ich wunderte mich, was jetzt wohl passieren<br />

würde. Drei Wochen nach den konventionellen Flächen ging es dann auch bei mir los<br />

mit dem Ährenschieben, kurz bevor es zu regnen begann. Für mich war es ein betörendes<br />

Ereignis: Richtig schöne, volle Ähren wuchsen von selbst heran, ohne Dünger<br />

und ohne alles. Wenn ich da vorher in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen versucht<br />

hätte: Ich habe keine Ahnung, was dann passiert wäre. Ich will es auch überhaupt gar<br />

nicht wissen.<br />

DA: Die Erwartungen, das ist eine Geschichte für sich. Ich kann einem Getreideacker<br />

vorgeben, wie viel Ertrag oder Körner er zu erbringen hat und wenn es weniger ist, entspricht<br />

er nicht den Erwartungen. Zu viel gibt es ja sowieso nie. Ein Begriff wie «Ertragserwartung»<br />

hängt von so vielen Faktoren ab, dass er eigentlich nie zu hundert Prozent<br />

erfüllt sein kann. Darauf ein Konstrukt aufzubauen, was jetzt eine Vollernte sein soll;<br />

das sind alles nur Spielereien, die letzten Endes dazu dienen, ein Marktgeschehen zu bestimmen.<br />

Es ist nicht zu beschreiben, was auf dem Acker draussen tatsächlich losgeht...<br />

Wenn die Landwirte mit theoretischen Konstrukten wie Ertragserwartungen in Tonnen<br />

pro Fläche dermassen mit dem Rücken an die Wand getrieben werden, ist eigentlich jede<br />

Ernte eine Missernte. Wenn man sich auf diesen Zirkus nicht einlässt – oder zumindest<br />

keine Überstrapazierung mitmacht – dann ist im Gegensatz dazu jede Ernte eine reichliche<br />

Ernte.<br />

UW: Ich schaue mir in erster Linie den Boden an und bin immer froh, wenn der Boden<br />

unter meinem Tun nicht leiden muss und ich das Gefühl habe, dem Boden geht es<br />

gut. Die letzten zehn Jahre beobachtete ich meinen Boden nach verschiedenen Parametern,<br />

die sich aus unserem Tun ergeben haben. Wir konnten anhand verschiedener<br />

Bodenuntersuchungen feststellen, dass sich der Boden von Jahr zu Jahr besser auf das<br />

einstellt, was wir mit ihm zu tun gedenken. Wir werden immer mehr zum «Team» und<br />

es wächst immer etwas.<br />

Gemäss Schultheorie dürfte ich schon lange keinen Mähdrescher mehr brauchen müssen,<br />

weil auf meinen Feldern nichts wachsen würde. Kein Dünger, keine tiefen Bodenbearbeitungen,<br />

Humusabbau ohne Ende… Tatsache ist, dass ich vor zwei Jahren einen<br />

140


neuen Mähdrescher kaufen musste. Genau das Gegenteil: Der Boden baut sich auf,<br />

er stellt sich ein und ist so, dass ich mit ihm arbeiten kann – oder der Boden mit mir.<br />

Das Wichtigste ist mir, dass die Grundlage zum Arbeiten oder zum Sein nicht verloren<br />

geht. Ich würde mich sorgen, wenn sich das Wachstum aus dem Boden von Jahr zu<br />

Jahr vermindern würde… So bin ich froh, wenn keine Krankheiten oder Schädlinge<br />

auftreten, wenn etwas wächst und der Boden bleibt.<br />

Der Boden bleibt – was heisst das?<br />

UW: Ich kann nächstes Jahr wieder etwas machen. Keine Erosion, viele Regenwürmer.<br />

Die Bodenaggregate, also der Zustand des Bodens, verändern sich. Er wird nicht<br />

schlechter, sondern der Boden baut sich tendenziell eher auf. Wie schnell das gehen<br />

sollte oder ob das bei mir zu langsam ist, weiss ich nicht. Aber er ist für mein Verständnis<br />

in einer Veränderung hin zum Positiven.<br />

DA: Das ist auch ein Thema, die Geduld.Wir denken, dass wir dem Boden auch Zeit<br />

geben müssen, wenn er über so viele Jahre hinweg geplagt worden ist. Wenn der Boden<br />

dreissig Jahre lang gedüngt und gespritzt wurde, um das Maximum aus ihm herauszuholen,<br />

dann ist er drauf wie ein «Junkie». Wenn ich ihn auf Entzug setze, dann muss<br />

ich ihm die Gelegenheit geben, ausflippen zu dürfen. Sei es, indem er mit Unkräutern<br />

reagiert oder nicht gleich den Ertragserwartungen entspricht.<br />

UW: Die Ertragserwartung ist ja relativ. Heute ist sie abhängig von irgendwelchen<br />

seltsam gezüchteten Sorten. Wir brauchen zuerst einmal vernünftige Pflanzensorten,<br />

damit man überhaupt von einer Ertragserwartung sprechen kann. Da sind wir noch<br />

sehr weit davon entfernt.<br />

Bei den züchterischen Massnahmen bei uns auf dem Hof, was der Dirk da vermehrt,<br />

kann ich offen und ehrlich sagen: Das bringt nichts zusammen. Ich könnte einige Hektar<br />

aussäen, aber das geht langsam. Das ist logisch, denn er hat eine Ähre oder zwei<br />

oder zwanzig und dann geht es von einem halben Kilo auf ein Kilo und so weiter.<br />

Aber wenn sich eine Sorte einmal angepasst hat an eine Region und den Boden und<br />

der Boden sich halbwegs fit fühlt, dann könnte man vielleicht von Ertragserwartung<br />

sprechen. Das ist wie bei einem gut trainierten Fahrradfahrer, dem ich sage: «Hey,<br />

141


wenn alles gut läuft und es nicht regnet, dann schaffst du das gemäss Marschtabelle in<br />

der Zeit». Aber soweit sind wir noch nicht. Das dauert einfach und geht nicht von jetzt<br />

auf gleich. Aber wir sind am Trainieren, am Basteln und es macht den Anschein, dass<br />

es vorwärts geht.<br />

DA: Und wir wollen das Dopen vermeiden, obwohl man das immer machen könnte.<br />

Eine Stickstoffspritze – und dann hast du ein paar Körner mehr.<br />

Heute wird oft vermutet, dass Nahrungsmittel an Krankheitsursachen<br />

beteiligt sein können und auch, dass mit ausgewählten Nahrungsmitteln<br />

Krankheiten eingedämmt werden beziehungsweise für eine robuste Gesundheit<br />

sorgen können. Schlussendlich hat der Konsument den grössten Nutzen<br />

von eurer qualitativ hervorragenden Arbeit.<br />

UW: Das ist mir ziemlich egal. Mein Interesse liegt darin – weil ich mit dem Boden<br />

arbeite – einen gesunden Boden zu haben, damit er mir eine Frucht bringt, an der ich<br />

Spass und Freude habe und die mir auch schmeckt. Da freue ich mich darüber. Was<br />

der Konsument daraus macht oder davon hält, muss er selbst wissen. Der kann das<br />

kaufen, und ich freue mich, wenn jemand daran Freude hat.<br />

Selbst wenn man die überzeugende Bilanz von Nährstoffen und Energie<br />

ausser Acht lässt: Euer Landbau ist schon etwas ganz Besonderes<br />

im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft oder auch im Vergleich zur<br />

Bio-Monokultur. Nicht unbedingt exotisch, aber doch sehr speziell.<br />

UW: Natürlich. In den letzten Jahren gab es den Werbeslogan «Geiz ist geil», und ich<br />

sage mir: «Leben ist geil». Ich will daran Spass und Freude haben und ich freue mich<br />

darüber, ein gutes Bier aufzumachen und es schmeckt gut. Ob es gesund ist oder nicht,<br />

ist ein anderes Paar Schuhe. Ich freue mich auch, wenn sich jemand aus meinem Getreide<br />

ein Brot backt. Oder Nudeln, Pfannkuchen und Linsen kocht.<br />

Wir waren in Bonn bei der Preisverleihung, da war ein topfiter Koch, der hat in Rekordzeit<br />

eine Platte aufgetischt. Er hat ein Wahnsinnsessen gebaut und ich hatte das<br />

Gefühl, dass er auch Spass an den Produkten hatte. Er hat sich das angeguckt und sich<br />

142


darüber gefreut. Dann hat er ein Essen daraus gemacht und die Leute waren – gerade<br />

auch vom Fleisch – und vor allem vom Linsensalat völlig fasziniert. Erstens kannten<br />

sie das nicht, zweitens sah es cool aus und hat drittens auch noch witzig geschmeckt.<br />

Das muss genügen. Wenn es auch noch gesund ist, dann ist das eine tolle Sache.<br />

Gesundheit hin oder her: Es handelt sich in mehrfacher Hinsicht um<br />

eine Kulturleistung, wenn man so etwas macht. Unter anderem eben auch in<br />

volksgesundheitlicher Hinsicht.<br />

DA: Bei unserer Art von Erzeugnissen kann ich nur zustimmen. Dem Erzeuger ist es<br />

egal, was der Konsument im Endeffekt daraus macht. Das muss der Konsument entscheiden.<br />

Der Erzeuger ist insofern an sein Erzeugnis gebunden, dass er nur die Qualitäten<br />

erzeugen kann, die sein System, sein Boden und sein Hoforganismus hergeben.<br />

Unsere Produkte unterscheiden sich im Vergleich zu konventioneller Ware, dass es dem<br />

Verbraucher gut tut, wenn die Anonymität durchbrochen wird. Das heisst, der Konsument<br />

kennt die Herkunft des Produkts und wenn er einen Bezug zur Herkunft und<br />

den Erzeugern – in dem Fall zu uns – aufbauen kann, spielt das bei der Qualitätserfahrung<br />

eine entscheidende Rolle. Bei konventionellen Produkten herrscht eine weitgehende<br />

Anonymität. Der konventionelle Bauer oder Erzeuger kippt sein Zeug in<br />

irgendein Loch rein, kriegt Geld dafür und damit ist der Fall erledigt und er sieht das<br />

Zeug in der Form nie wieder. Genauso ist es auch für den Konsumenten: Der greift<br />

in irgendein Regal in irgendeinem Supermarkt, und ihn interessiert überhaupt nicht,<br />

woher das Produkt kommt oder wo und wie zum Beispiel ein Brot gebacken worden<br />

ist. Es interessiert ihn vornehmlich, ob es eine rote oder grüne Verpackung hat, ob das<br />

Ding süss oder salzig ist und was es kostet. Für so etwas sind unsere Erzeugnisse nicht<br />

geeignet. Ich will das gar nicht beurteilen, das muss jeder für sich entscheiden.<br />

UW: Mir ist nicht egal, was der Verbraucher mit meinen Erzeugnissen macht – überhaupt<br />

nicht. Ich würde sehr bedauern, wenn jemand ein Produkt wegwirft. Dann hätte<br />

ich das Gefühl «Oh, da hab ich etwas falsch gemacht». Mir ist es schon sehr wichtig,<br />

dass aus unserem Getreide ein Produkt entsteht. Deswegen mache ich auch sehr gerne<br />

etwas für Kindernahrung. Die nehmen dann so eine Dose und ich freue mich riesig,<br />

143


wenn es gut schmeckt und die sich darüber freuen. Das ist toll, aber nicht, weil es gesund<br />

ist oder weil es «cool» aussieht, sondern es muss aus sich heraus einfach toll sein.<br />

Jeder – gerade auch ein Kind – kann sich vorstellen, was er will. Auch wenn es zum<br />

Beispiel an der Verpackung liegt, die trägt viel dazu bei. Kinder lesen, was auf der<br />

Dose steht und dann schmeckt das auch noch gut. Ihnen ist es egal, ob es gesund oder<br />

ungesund ist. Dass es gesund ist, das ist für mich selbstverständlich und die Voraussetzung.<br />

DA: Die Qualität ist eine vielschichtige Sache, die heutzutage auf viel zu wenig Parameter<br />

reduziert wird. Qualität ist ein Prozess. Ob ein Apfel qualitativ gut oder schlecht ist,<br />

entscheidet sich nicht darin, wie viel Zucker- und Eiweisswerte usw. er liefert, sondern<br />

darin, ob er meinem Körper gut tut. Ob ich ihn schön finde, schon wenn ich ihn in die<br />

Hand nehme und ob er sich gut anfühlt, ob er eine schöne Farbe hat, wenn ich reinbeisse,<br />

ob er gut schmeckt und dass ich keinen Durchfall kriege, wenn ich ihn runterschlucke.<br />

Das ist ein ganzer Prozess, den ich nicht an Zucker- oder Vitamingehalt festmachen<br />

kann. Natürlich wird heute auf dem Markt ein Qualitätskatalog aufgestellt, beim Getreide<br />

so und so viel Eiweiss, Kohlenhydrat usw., aber das ist kein direkter Ausdruck<br />

von Qualität. Qualität lässt sich nicht messen, Qualität ist eine Prozesserfahrung. Wir<br />

tendieren dazu, messbare Parameter zu nehmen, die offensichtlich in einer Korrelation<br />

zu einer Prozesserfahrung stehen. Und dann machen wir den Fehler, dass wir diese<br />

Parameter mit Qualität gleichsetzen. Das ist nicht Qualität: Es ist höchstens ein Korrelat.<br />

Hier taucht dann das Problem auf, dass plötzlich, obwohl wir einen qualitativ super<br />

hochwertigen Weizen haben mit super Eiweisswerten und Klebergehalt, er plötzlich von<br />

Menschen nicht vertragen wird. Das heisst, er hat eine schlechte Qualität. Was ist da los?<br />

Eigentlich muss man erst einmal Ordnung schaffen, aufräumen und sagen: Okay, Qualität<br />

habe ich hier und da habe ich Messdaten, die nicht unbedingt miteinander harmonieren<br />

müssen. Da besteht ein Bruch. Ich kann nicht zu den Leuten sagen: «Hey du, bei<br />

dir tickt etwas nicht richtig, wenn du den tollen Weizen nicht verträgst!» Im Gegenteil:<br />

An den Kriterien und Parametern stimmt etwas nicht. Sie erzeugen nicht die Qualität,<br />

die ein Mensch braucht. Das nächste Problem: Ein Apfel, den ich toll finde und der mir<br />

gut tut, der für mich qualitativ hochstehend ist, hat für jemanden gerade neben mir mög­<br />

144


licherweise eine mangelhafte Qualität.<br />

UW: Bei Äpfeln gibt es eine grosse Vielfalt. Bei Getreide ist das ganz anders. Ich weiss<br />

nicht, wie viele zertifizierte Sorten momentan auf dem Markt sind, die jährlich angebaut<br />

werden. Es sind sehr wenige. Dafür braucht es wahrscheinlich keine zwei Hände,<br />

um die abzuzählen. Daraus entstehen aber tausenderlei verschiedene Produkte, die<br />

sich durch die Verpackung unterscheiden oder durch den Namen oder durch das Produkt,<br />

das sie darstellen. Ich will den Schuh in dieser Beziehung komplett umkrempeln.<br />

Und zwar lautet meine Devise: Man kann Getreide nicht über einen Kamm scheren.<br />

Es gibt sehr viele verschiedene Sorten und die unterscheiden sich alle voneinander.<br />

Und dann kommen wir irgendwann an den Punkt, dass wir die vielen verschiedenen<br />

Sorten unterscheiden können und erkennen, ob wir sie schön oder nicht schön und<br />

gut finden. Der eine verträgt das eine besser und der andere das andere, der eine will<br />

Bohnen essen, der andere Leberwurst. Ich bin überzeugt, dass man nicht sagen kann,<br />

jemand kann keinen Weizen essen. Wenn wir fünf- oder zehntausend verschiedene<br />

Weizensorten hätten, würde sich das ganz schnell ändern. Das liegt doch auf der Hand,<br />

weil heute alles der gleiche «Scheiss» ist.<br />

DA: Hier gibt es eine besorgniserregende Tendenz: Wir hatten ein Erzeugertreffen, an<br />

dem auch handwerkliche Bäcker dabei waren. Einer dieser Bäcker konstatierte – und<br />

die anderen haben dem zugestimmt – dass es beim anhaltendem Trend in der Sortenzüchtung<br />

in nicht allzu ferner Zukunft kaum noch möglich sein wird, diese Getreidesorten<br />

eigenständig handwerklich zu Brot zu verarbeiten.<br />

Was heisst das?<br />

DA: Das heisst, dass heutzutage die Qualitätsmerkmale von Getreidesorten so speziell<br />

sind, dass sie in bestimmten Verhältnissen untereinander gemischt werden müssen, damit<br />

45 Hybridsaatgut. Hybriden sind genetische Mischlinge, die<br />

nicht samenfest und deshalb nicht nachbautauglich sind. Es<br />

werden also durch verschiedene Elternsorten Eigenschaften<br />

in die Tochtergeneration (F1) gebracht, die sich bei erneuter<br />

Aussaat (F2-Generation) wieder in die Elternsorten aufspalten<br />

(auskreuzen). Weil die Elternsorten nicht anbautauglich sind,<br />

muss das Saatgut immer wieder neu gezüchtet und vom Landwirt<br />

erworben werden; es entsteht eine Abhängigkeit vom Saatguthersteller.<br />

Der biologisch-dynamische Landbau lehnt Hybridsaatgut<br />

grundsätzlich ab, da auch die «inneren» Qualitäten<br />

leiden, was mit so genannten bildschaffenden Analysemethoden<br />

dargestellt werden kann.<br />

145


sie überhaupt noch backfähig sind. Es gibt also einen Weizen, der nur noch Kohlenhydrate<br />

bringt, und eine andere Sorte mit schlechten Kohlenhydratewerten hat dafür einen<br />

super Kleber. Wenn ich die zusammenrühre, kriege ich ein Brot hin, aber mit einem einzelnen<br />

Mehl läuft nichts mehr. Eine Stufe weiter getrieben bedeutet das Hybridsaatgut 45 .<br />

Wenn ich das Hybridsaatgut nachbaue, dann kreuzt sich das auf. Ich bekomme die<br />

Eltern, die einzeln nichts taugen und nur in ihrer Tochtergeneration etwas Vernünftiges<br />

ergeben. Das ist eine Tendenz, der wir entgegenarbeiten wollen durch unsere Sortenpflege.<br />

Es gibt Gott sei Dank noch traditionsbewusste, handwerkliche Bäcker.<br />

Aber so viele wird es nicht mehr geben?<br />

DA: Ja, das meiste wird auf Backstrassen industriell verarbeitet.<br />

Die Industrie arbeitet doch heute schon daran,<br />

dass das Handwerk ausstirbt!<br />

UW: Ich arbeite dagegen, solange wir noch Vielfältigkeit auf dem Tisch haben wollen.<br />

Heute ist das Handwerk noch bekannt. Wir sind nicht am Weltende. Wenn du Nudeln<br />

machen willst, brauchst du normalerweise einen anderen Weizen, als wenn du einen<br />

Hefeteig machen möchtest. Die Industrie arbeitet daran, dass es nur noch ein Getreide<br />

gibt, aus dem du Nudeln als auch Brot oder Kuchen machen kannst. Aber ich denke,<br />

dass ich für einen Kuchen einen anderen Weizen brauche als für Nudeln.<br />

Da gibt es diese neuen Trends: Kochshows mit Jamie Oliver,<br />

Tim Mälzer, Sarah Wiener und andere, einige werben<br />

zaghaft oder klar für Bio… Ich finde, das Bekenntnis zur Rohstoffqualität<br />

könnte etwas strikter sein, das hätte eine gute Wirkung.<br />

UW: Bei mir im Hofverkauf läuft es so – und das ist mir ein grosses Anliegen: Man<br />

kann den Leuten nicht zehn Kilogramm Fleisch verkaufen, weil sie damit nicht umgehen<br />

können. Aber sie können es ja lernen! Bald ist Weihnachten und dann soll sich die<br />

Frau vom Mann ein Kochbuch wünschen. Von mir aus Jamie Oliver, das passt schon.<br />

Das gibt es ja nicht, dass die Leute nicht mehr kochen können! Also habe ich mit den<br />

146


Leuten gesprochen und den jungen Hausfrauen ein Paket mit ganz verschiedenen und<br />

ihnen komplett unbekannten Fleischsorten mitgegeben. Sie haben zu kochen begonnen<br />

und damit zu arbeiten. Sie servierten die Resultate ihrer Familie und nun kaufen<br />

sie das immer wieder. Genauso beim Getreide: Am Anfang haben sie sich nicht getraut,<br />

damit etwas zu machen oder Linsen zu kochen. Jetzt machen sie Linsensalat und<br />

Linsensuppe, Linseneintopf und so weiter. Das kann man alles lernen. Ich denke, es<br />

liegt auch in meiner Verpflichtung, es den Leuten anzubieten. Ich kann nicht davon<br />

ausgehen, dass die Leute alles selber wissen.<br />

DA: Die letzen Tage vor den Ferien, da haben wir ein Schulprojekt gemacht, mit Fünftklässlern.<br />

Die haben mit verschiedenen Getreidesorten Waffeln gebacken. Das war insofern<br />

spannend und interessant, dass die betreuenden Lehrer immer nach einem Rezept<br />

gefragt haben, als sie den Teig zubereiten sollten. Ich habe gesagt: «Na ja, du brauchst<br />

Mehl, ein paar Eier, ein bisschen Fett und ein Waffeleisen». Die haben verschiedene Getreidesorten<br />

gemahlen, daraus Waffeln gebacken und waren so begeistert, dass sie beim<br />

kommenden Schulfest unbedingt Waffeln backen wollten. Das haben wir dann auch<br />

gemacht. Wir hatten drei Stände mit verschiedenen Getreidesorten: Dinkel, Weizen und<br />

Einkorn, je separat, damit sie das auch schmecken und den Leuten verklickern konnten,<br />

dass das eben verschiedene Getreidesorten sind. Der Einstieg war, dass sich die Lehrer<br />

darüber unterhalten haben, wie viel Eier, Mehl und Milch man in die Schüssel gibt und<br />

wie man das zusammenrührt. Die Kinder haben schon die Eier reingehauen und gerührt,<br />

die Lehrer haben immer noch diskutiert, wie viel Gramm und so, da haben die Schüler<br />

schon die ersten Waffeln gebacken. Das Tollste war: Der Start war etwa um fünfzehn<br />

Uhr und um sechzehn Uhr war alles ausverkauft oder selber gegessen. Dann ist der eine<br />

noch mal los und hat Stoff nachgeholt. Dann haben wir nochmals gebacken und bis um<br />

siebzehn Uhr war wiederum alles komplett ausverkauft und die Kinder waren völlig begeistert.<br />

Und diese Begeisterungsfähigkeit war ein grandioser Moment; dieses Tun und<br />

das Wachsen im Tun. Ich denke, dass man diesen Punkt nur erreicht, wenn man auch<br />

den notwendigen Stoff dazu liefert. Das geht eben nicht mit einem Industrieweizen. Das<br />

ist viel zu langweilig. Genauso war es bei einer Kartoffelaktion. Die Leute brauchen,<br />

je nachdem, eine halbe Stunde, bis sie «auftauen», aber dann sind sie voll drin. Dann<br />

147


wird gegraben und geschafft, zum Beispiel Mädchen mit Rüschenröckchen, von denen<br />

man meint, dass sie sich keinen Finger dreckig machen wollen. Es gibt schon einige, die<br />

sind enorm verkorkst, aber erfahrungsgemäss – bei Dritt- und Viertklässlern vor allem<br />

– werden nach einer gewissen Zeit irgendwelche Urtriebe geweckt. Genau da muss man<br />

ansetzen und sie dort abholen, dann läuft es.<br />

UW: Letztes Jahr beim Schulfest habe ich gegen den Willen der Eltern und Lehrer<br />

mit den Kindern Kartoffeln gekocht. Die glaubten, dass ihre Kinder keine Kartoffeln<br />

essen ohne irgendetwas dazu. Dann haben die Kinder Kartoffeln gekocht, kleine Kartoffeln<br />

rausgesucht und gedämpft. Die wurden dann auf Zahnstocher aufgepickst mit<br />

Fähnchen obendrauf. Sie haben unsere Kartoffeln gegessen wie Süssigkeiten. Sie sind<br />

auf dem Hof mit den Kartoffeln rumgerannt und haben gegessen. Die Eltern konnten<br />

sich nicht vorstellen, dass ihre Kinder Kartoffeln ohne Ketchup oder irgend so was<br />

essen. Die waren aber lecker. Wenn du einem Kind eine Kartoffel andrehen willst, die<br />

nicht schmeckt, dann wird das Kind sie nicht essen. Und wenn du einem Kind sagst,<br />

«Das schmeckt nicht» oder «Das isst du nicht», dann haut das ebenfalls nicht hin. Aber<br />

wenn du sie selber probieren lässt und es ist gut, dann essen sie das. Die haben die<br />

Kartoffeln wie Schokolade gegessen und immer noch mehr geholt.<br />

DA: Vor allem, weil sie das auch selber machen können. Das ist wichtig.<br />

UW: Wenn du irgendwo hingehst und eine Kartoffel kaufst, dann fehlt dir erstens<br />

der Bezug zu der Kartoffel und dann schmeckt sie auch nicht gut. Das gibt es, dass<br />

bei manchen Kartoffeln der Geschmack nicht richtig kommt, weil sie noch ein bisschen<br />

erdig sind. Aber wenn es gut schmeckt, dann ist das überhaupt kein Problem. Da<br />

haben Kinder Kartoffeln gegessen und gesagt: «Ich habe noch nie so eine Kartoffel<br />

gegessen».<br />

DA: Das heisst doch: Da ist ein Potential, auch von der Konsumentenseite her. Der Verbraucher<br />

muss die Möglichkeit haben, vernünftig auswählen zu können. Wenn es heisst,<br />

dass der Konsument im Supermarkt immer das Billigste kaufe, dann trifft das für den<br />

Supermarkt zu. Das ist dort die Haltung und die kenne ich von mir selbst. Wenn ich mich<br />

in einen Supermarkt verirre, dann sage ich mir, hier werde ich sowieso verarscht. Und<br />

die Verarschung geht ums Geld und dann gucke ich eben, dass ich so wenig wie möglich<br />

148


verarscht werde und nehme das Billigste. Wenn ich aber in einen Hofladen komme oder<br />

in einen Bioladen, bin ich gleich in einem Vertrauensverhältnis zum Produkt und zu den<br />

Leuten. Da findet eine Begegnung zwischen Produkt und Mensch statt. Mir sagt die Erfahrung,<br />

sowohl als Konsument als auch als Anbieter, dass der Preis dann zweitrangig<br />

wird – entgegen allen marktwirtschaftlichen Gesetzen.<br />

UW: Ganz wichtig ist die Qualität – Bioladen oder Hofladen hin oder her: festkochend,<br />

weichkochend. Am Anfang hiess es, man müsse wissen, welche Art Kartoffeln<br />

das seien: ob Salatkartoffeln oder zum Weichkochen usw. Dann hab ich gesagt: «Das<br />

sind Kartoffeln, die die Schüler angebaut haben und das ist ein heilloses Durcheinander,<br />

keine Ahnung. Ich habe sie probiert und sie sind lecker. Die kosten so und<br />

so viel, fertig und basta». Die haben alle die Nase hochgezogen, die Kartoffeln aber<br />

trotzdem gekauft. Das war dann wie beim Dealer: Die waren angefixt und sind wiedergekommen,<br />

weil die Kartoffeln gut waren. Niemand wusste, welche Qualität die<br />

Kartoffeln genau hatten und ich hab bei den Leuten zurückgefragt: «Sind die jetzt festoder<br />

weichkochend und was macht ihr damit?» Sie haben Kartoffelbrei gekocht, Bratkartoffeln,<br />

Kartoffelsalat, Pommes usw. Und die Kartoffeln sind gut. Unser Problem<br />

ist eher, dass die Kartoffeln innerhalb kürzester Zeit alle sind. Ich muss einen ganzen<br />

Haufen Leute abwimmeln und sagen, dass wir keine mehr verkaufen, weil wir keine<br />

mehr haben. Die Qualität der Kartoffel spricht eben für sich. Sie ist ewig haltbar. Wir<br />

haben sogar das Problem, dass die Leute die Pflanzkartoffeln essen.<br />

Und beim Getreide: Die Reinigung mache ich gewissenhaft – so gut es mit unserer<br />

Technik geht – aber auf Grund der Mischkultur, die ich fahre, sind da auch allerhand<br />

Sachen dabei. Ich kriege auch immer Reklamationen. «Ja, da waren Wicken drin oder<br />

da sind Erbsen drin» usw. Aber da mache ich mir keinen Kopf. Dann wird es wieder<br />

46 Kornrade. Die Kornrade (Agrostemma githago) ist ein einjähriges<br />

Nelkengewächs und war früher eine verbreitete Getreidebegleitpflanze<br />

(vor allem in Roggen) und wird gerne von Insekten<br />

besucht (wie alle Nelkengewächse besonders von Faltern).<br />

Durch unzureichende Reinigung des Saatguts wurde sie immer<br />

wieder mit ausgesät. Wegen der Giftigkeit des Samens war sie im<br />

Speise- und Futtergetreide recht gefürchtet; andere behaupten<br />

aber, dass ein geringer Besatz der Gesundheit sogar zuträglich<br />

sei. Durch moderne Reinigungsmethoden stellt sie kein Problem<br />

mehr dar, ist im Gegenteil – auch wegen der intensiven Unkrautbekämpfung<br />

– sehr selten geworden und geschützt (Rote Liste).<br />

Es gibt Initiativen, die Kornraden züchten, um sie beispielsweise<br />

in Randstreifenprojekten auszusäen. In Deutschland war die<br />

Kornrade Blume des Jahres 2003.<br />

149


gereinigt und dann kommt eine andere Reklamation. Dann bringen sie’s wieder und<br />

dann wird’s nochmals durchgereinigt. Wir haben von den Müllern und Auszubildenden<br />

von Verarbeitern wie Erdmann Hauser schon Leute hier gehabt, damit die sehen,<br />

wie das bei uns überhaupt läuft. Denen habe ich gesagt: Du kannst das so lange reinigen,<br />

bis keine Wicke mehr drin ist, aber das geht auch immer einher mit Verlusten.<br />

Bei jedem Reinigungsdurchgang geht auch von der eigentlichen Frucht mit weg. Und<br />

wenn dann hinten dran der Müller steht und sagt «Ich brauche jedes Korn», dann sag<br />

ich: «Also, jetzt ist es gut, die Wicke geht nicht raus, die lässt man drin». Die Qualität<br />

des Mehls ist ja trotz allem überzeugend.<br />

Sind Wicken giftig?<br />

UW: Nein, Quatsch. Die haben nur Bitterstoffe. Die muss man halt abkochen oder<br />

irgendetwas machen. Wicke ist ein altes Lebensmittel von ganz früher. Die hat man<br />

früher gegessen, sie war auf jeden Fall auf dem Speiseplan.<br />

DA: Was heute als ungeniessbar gilt, hat man zum Beispiel mehrmals gebrüht. Bohnen<br />

sind genauso giftig. Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass ein gewisser Besatz von<br />

Kornrade 46 – die gilt auch als ziemlich giftig – für die Verdauung und die Gesundheit<br />

förderlich sei. Das heisst nicht, dass man die Kornrade esslöffelweise verspeisen soll. Mir<br />

kommt das mit diesem Reinigen vom Getreide ein bisschen so vor, wie wenn man im Klo<br />

oder im Bad mit Salzsäure anrückt, um alles keimfrei zu haben und dann wundert man<br />

sich, wenn die ganze Familie krank wird.<br />

UW: Diese Haltung hat erst durch die Monokultur – in der Form, wie wir sie heute<br />

haben – Einzug gehalten. Früher war es undenkbar, ein Getreide in einem absoluten<br />

Sortenreinheitsgrad zu bekommen. Im Vergleich zu früher gibt es in den grossen Hofsilos<br />

nur Getreide und sonst nichts – nicht einmal eine Maus kommt rein oder ein<br />

Vogel – und das schimmelt da vor sich hin. Du brauchst keinen Käse mehr zu essen,<br />

weil der dann schon im Brot mit drin ist. Ich will damit sagen, das gab es früher überhaupt<br />

nicht. In meiner Kindheit gab es die Lagerhäuser mit den Schüttböden 47 . Es<br />

hatte richtig grosse Haufen, und da sind wir mit dreckigen Schuhen oder barfuss rein<br />

gehüpft. Das haben alle gegessen, was wir da rausgeschaufelt haben. Dafür gab es<br />

150


eine Bluna 48 oder ein Sinalco für jedes Loch, das wir leergefegt haben. Da kannte man<br />

die hohen Getreidesilos noch nicht. Auch wenn Getreide eingelagert wurde, das von<br />

der Feuchtigkeit her nicht ganz einwandfrei war, was auch heute noch vorkommt, ist<br />

trotzdem nichts passiert. Es konnte nicht schimmeln, weil es luftig gehalten wurde; es<br />

bildete sich kein Milieu für Schimmel oder Bakterien. Da ist man auch nicht Gefahr<br />

gelaufen, dass das Getreide mit Pilzen belastet war. Und heute kommt es in riesig<br />

grosse Blechtürme und mittendrin ist eine Fuhre, die nicht ganz hasenrein ist und dann<br />

hast du ein Problem. Das wird aber mit vermahlen, denn das wegzukippen, kann sich<br />

niemand leisten.<br />

Wird das nicht getestet?<br />

UW: Das endet dann mit irgendwelchen Rückrufen, aber da ist das Brot schon lange<br />

gegessen. Das ist wie mit dem Döner Kebap. Wenn die merken, dass das Fleisch<br />

schlecht ist, ist der Kebab schon längst verzehrt. Die starten Rückrufaktionen von<br />

Zeug, das es nicht mehr gibt. Es wird auch viel weggeschmissen. Aber das Zeug ist<br />

sortenrein. Da findest du nichts, wahrscheinlich nicht mal einen Mäusedreck.<br />

Man hat auch früher gereinigt. Da hatte Mäusekot nichts zu suchen drin, Stroh musste<br />

47 Schüttboden. Einfaches Lager für Schüttgut wie Getreide,<br />

meist in einem höheren Geschoss (Unterlüftung) unter besonderer<br />

Berücksichtigung der trockenen Einlagerung. Ein Schüttboden<br />

hat normalerweise eine oder mehre Bodenluken, über die<br />

das Schüttgut nach unten weitergegeben werden kann, beispielsweise<br />

in einen Wagen oder in eine Mühle. Schüttböden sind als<br />

Dauerlager für Getreide problematisch, da sie gerne von Mäusen,<br />

Ratten und Vögeln heimgesucht werden. Für Mühlen sind<br />

sie recht praktisch und täglicher menschlicher Umtrieb hält die<br />

Diebe fern.<br />

48 Bluna, die. Deutsche Kult-Limonade aus den 1950er Jahren<br />

aus dem Hause Blumhoffer Nachfolger, woher auch Afri-Cola<br />

stammt. 1994 hat die Überkinger-Teinacher-Mineralbrunnen AG<br />

die Markenrechte gekauft.<br />

49 Durchsatz. Unter Durchsatz versteht man gewöhnlich den Materialdurchlauf<br />

in einem Arbeitsprozess pro Zeit. Bei Prozessen,<br />

in denen keine wesentliche (z.B. chemische) Veränderung des<br />

Materials hervorgerufen wird, kann der Durchsatz ein brauchbares<br />

Mass für die Produktivität darstellen, z.B. bei Reinigungsprozessen<br />

wie Sieben oder Sortieren und beim Mahlen oder<br />

Schreddern. Entscheidend für die Produktivität ist allein, wie viel<br />

Kilogramm oder Tonnen pro Zeit bearbeitet werden. Bei «Veredelungsprozessen»<br />

ist die Produktivitätsbewertung ausschliesslich<br />

nach Durchsatz oft schwierig.<br />

50 Kümmerkorn. Unvollständig ausgebildete Körner in der<br />

Ähre, häufig auch nicht keimfähig. Kümmerkorn ist das Ergebnis<br />

schlechter Wuchsbedingungen wie Trockenheit, Lichtmangel,<br />

Nährstoffmangel usw. Auf einer Ähre können sich auch einzelne<br />

oder abschnittsweise Kümmerkörner bilden, wenn beispielsweise<br />

Trockenheit in wichtige Entwicklungsphasen fällt oder Einzelblüten<br />

wegen Regens nicht ausreichend befruchtet werden können.<br />

Auch beim Obst gibt es Kümmerfrüchte, die nicht ausreichend<br />

befruchtet wurden. Diese fallen im Sommer meist ab.<br />

151


aus, Steine, Dreck, Staub usw. Da wurde intensiv gereinigt, damit auch nichts passiert.<br />

Die waren auch ziemlich genau. Wenn man eine alte Getreidereinigung nimmt,<br />

die es in Lagerhäusern gab und auch auf den Bauernhöfen, die arbeiten relativ akkurat,<br />

eigentlich besser als die modernen, weil die nicht den hohen Durchsatz 49 haben.<br />

Da ist es fast unmöglich, einen Stein durchlaufen zu lassen oder Stroh, das fliesst echt<br />

gut weg. Aber es war in der Mischkultur oder durch die Verunkrautung alles Mögliche<br />

mitgewachsen. Das war alles biologisch und je nach Bauer waren da auch immer<br />

andere Körner mit dabei, also Fremdbesatz durch anderes Getreide oder Wicken und<br />

andere Acker unkräuter. Sie konnten das nicht so leicht rausreinigen und wenn sie es<br />

so intensiv gereinigt hätten, wäre das auch immer mit Verlusten an Getreide einhergegangen.<br />

Das konnte sich niemand leisten, und da war die Toleranzgrenze noch ganz<br />

anders angelegt als heute.<br />

Wenn ein moderner Müller eine Handvoll Getreide sieht mit einem anderen Korn<br />

drin, dann bekommt es eine Aberkennung, obwohl das für das Lebensmittel eher ein<br />

Vorteil ist. Und das Zeug ist ja nicht giftig. Das spielt sich in einem Prozentbereich ab,<br />

den ich als Fremdbesatz auszähle. Das mache ich hin und wieder aus Eigeninteresse<br />

von Hand: Ich nehme von einer Charge eine Handvoll heraus in einen kleinen Eimer,<br />

nehme es mit an den Tisch und dann zählen wir aus: Grosse Körner, kleine Körner<br />

usw. Das ist von Jahr zu Jahr verschieden: Es gibt Jahre, da sind die Körner alle fast<br />

gleich gross, dann gibt es andere Jahre, da sind ganz grosse Körner dabei, aber auch<br />

ganz mickrige. Oder dann gibt es viele Kümmerkörner 50 , die fliegen bei der Reinigung<br />

eh weg. Die bläst der Wind weg. Und wenn ich den Fremdbesatz auszähle, dann komme<br />

ich nicht mal auf zwei Prozent. <strong>No</strong>rmalerweise ist es sogar unter einem Prozent bis<br />

nicht mehr messbar in Prozent. Und damit kannst du keinen krank machen oder sogar<br />

umbringen. Das ist wie mit Mutterkörnern 51 : Die sind ja nicht so giftig, dass Menschen<br />

davon sterben oder krank werden würden.<br />

DA: Dieser Wirkstoff im Mutterkorn wirkt extrem gefässverengend. Deshalb ist früher<br />

das Mutterkorn medizinisch verwendet worden, zum Beispiel zum Hemmen von Blutungen<br />

nach der Geburt. Es gibt eine kritische Dosis, wo es dann gefährlich wird. Früher<br />

war ein gewisser Besatz, wenn man es mal umdreht, rein vom Gesundheitlichen her<br />

152


völlig akzeptabel. Gar keine Frage.<br />

UW: Das ist wie der Floh auf dem Hund, die Maus auf dem Feld oder der Kartoffelkäfer<br />

in den Kartoffeln: Bis zu einem erträglichen Grad ist das normal und gehört dazu.<br />

Irgendwann wird es lästig bis unerträglich. So gab es früher und gibt es heute noch Bestände,<br />

die einen starken Mutterkornbesatz haben oder Brandbefall. Steinbrand 52 ist<br />

ein Pilz, der giftig ist. Das geht bis zum Totalausfall, wo man dann alles wegschmeissen<br />

muss, man kann das nicht mal mehr als Viehfutter verwenden.<br />

51 Mutterkorn. Mutterkorn (Claviceps purpurea) ist ein Schadpilz<br />

vor allem fremdbestäubender Getreidearten (Roggen). Die<br />

Sporen dringen in die Blüte ein, die statt dem Samenkorn einen<br />

Pilzkörper ausbildet. Deshalb sind fremdbestäubende Arten gefährdeter<br />

als selbstbestäubende; auch eine lange Blühperiode,<br />

die meist mit Regen verbunden ist, begünstigt eine Infektion,<br />

schnelle Blüte mit viel Pollen vermindert die Infektionsrate.<br />

Deshalb werden in Hybridroggen gerne spezielle, pollenreiche<br />

Vaterlinien eingekreuzt. Die Alkaloide des Mutterkorns sind<br />

vielfältig und von komplexer Wirkung. Dosen von 5–10 g können<br />

für Erwachsene bereits tödlich sein. Insbesondere das Ergometrin<br />

fördert Wehen und wurde als Mittel zum Schwangerschaftsabbruch<br />

oder zum Einleiten der Geburt eingesetzt. Andere Inhaltsstoffe<br />

stoppen Blutungen nach der Geburt. Wahrscheinlich<br />

leitet sich daher auch der Name «Mutterkorn» ab. Die gefässverengende<br />

Wirkung führt zu Durchblutungsstörungen der Gliedmassen,<br />

die sich dann dunkel verfärben und sogar absterben<br />

können, was im Mittelalter häufig mit dem Aussatz verwechselt<br />

wurde. Ausserdem enthält Mutterkorn psychoaktive und halluzinogene<br />

Substanzen wie die Lysergsäure, die ebenso Bestandteil<br />

der synthetischen Droge LSD ist. Mutterkorn ist seit Jahrtausenden<br />

als Rauschmittel bekannt.<br />

52 Steinbrand, Brandbefall. Steinbrand (Tilletia caries), auch<br />

Schmier- oder Stinkbrand, ist eine Pilzerkrankung, die hauptsächlich<br />

bei Weizen und bei Dinkel auftritt. Die Körner verfärben sich<br />

dunkel und werden zu so genannten Brandbutten, die auf Druck<br />

zerfallen und ihre Sporen entlassen. Die Ernte hat deutlichen<br />

Fischgeruch, wird ungeniessbar und sogar gefährlich. Die Übertragung<br />

erfolgt über infiziertes Saatgut und Pilzdruck durch die<br />

Vorfrucht. Weitere Branderkrankungen am Getreide sind Flugbrand,<br />

der auch vom Wind übertragen wird: beim Weizen (Ustilago<br />

tritici), bei der Gerste (U. nuda) und beim Hafer (U. avene);<br />

Flugbrandbefall ist nicht ganz so dramatisch wie Steinbrand. Vorbeugemassnahmen<br />

sind chemisches Beizen in der konventionellen<br />

Landwirtschaft und Heisswasser- oder Senfmehlbeizen im Ökolandbau.<br />

53 den «Acker verhageln». Ein Aphorismus für unvorhersehbare<br />

Ereignisse, die eine Ernte beeinträchtigen oder ganz vernichten.<br />

Dazu gehören beispielsweise Unwetter, Überschwemmungen,<br />

Krankheiten, Schädlinge; diese Ereignisse – und überhaupt der<br />

ganze Vegetationsverlauf eines Jahres – bestimmen die Ertragslage<br />

wie Düngung oder Pflanzenschutz. Vor allem bei älteren Landwirten<br />

gibt es noch diesen Respekt vor diesen «anderen» Kräften.<br />

54 Feldbeerdigung. Fantasiebegriff. Es soll darauf angespielt werden,<br />

dass ein Acker in der konventionellen Landwirtschaft als<br />

reiner Substratträger aufgefasst wird, der den synthetischen Mineraldünger<br />

für «Pflanzenapparate» zur Verfügung stellen muss<br />

(bei der Treibhauskultur auf Steinwolle-Substrat ist dieses Prinzip<br />

auf die Spitze getrieben). Der Boden verliert sowohl in der<br />

Anschauung des Landwirts als auch konkret allmählich jede Lebendigkeit.<br />

Der konkrete Verlust äussert sich z.B. darin, dass ein<br />

Regenwurmbesatz von 0 (in Worten: Null) bis 30 Individuen pro<br />

Quadratmeter Ackerboden konventionell als tragbar gelten. Es<br />

rückt erst ganz langsam ins Bewusstsein der Akteure, dass damit<br />

Erosion und Versteppung einhergehen. Die Agrar-Industrie hat<br />

kein Interesse an gesunden Böden, da sie – wie auch die Pharma-<br />

Indus trie – an der Krankheit und am Mangel verdient bzw. daraus<br />

ihre Existenzberechtigung schöpft. Es ist leicht einzusehen,<br />

dass ein so getöteter Acker nicht über Nacht in die Lebendigkeit<br />

zurückgeführt werden kann – wenn es überhaupt in menschlich<br />

überblickbaren Zeiträumen möglich ist. Manche Landwirte verlieren<br />

ja schon bei «halb- oder vierteltoten» Äckern in der Umstellung<br />

nach wenigen Jahren die Nerven und fangen wieder an<br />

zu pflügen, zu düngen und zu spritzen, ungeachtet nachfolgender<br />

Generationen, nur mit Blick auf kurzfristigen Erfolg.<br />

153


DA: Das sind Schimmelpilze, also auch das Mutterkorn.<br />

UW: Es ist wie mit der Maus: Die darf da sein, aber natürlich nicht prominent. Es ist<br />

wichtig, dass es im Einklang mit der Natur funktioniert. Es kommt immer wieder vor,<br />

wenn auf dem Feld irgendetwas schief läuft oder – das muss nicht unbedingt ein Fehler<br />

vom Bauern sein – irgendetwas nicht stimmt. Das Feld oder das Getreide fühlt sich<br />

demnach nicht wohl, wird krank und stirbt. Es ist wie bei den Menschen: Die werden<br />

teilweise auch krank und sterben. So etwas kann auch im Getreidefeld passieren.<br />

Mit einem ganzen Feld?<br />

UW: Ja klar.<br />

DA: Mutterkorn ist ein Pilz, der fast nur beim Roggen vorkommt, weil der Roggen ein<br />

Fremdbestäuber ist. Die anderen Getreidesorten sind Selbstbestäuber. Das Auffällige<br />

ist, dass der Mitte Mai blühende Roggen bei einer Schlechtwetterperiode und Regen aussergewöhnlich<br />

lang in Blüte stehen kann. In solchen Phasen ist die Infektionsrate recht<br />

hoch. Das heisst, es kann dir den ganzen Acker verhageln 53 . Ist die Blüte im Sonnenschein<br />

und innerhalb einer halben Woche durch, dann gibt es kein Problem.<br />

UW: Das ist mir zu wissenschaftlich. Stell dir vor, es ist schlechtes Wetter und du gehst<br />

mit nassen Haaren raus und fährst Motorrad; dann ist die Gefahr natürlich höher, dass<br />

man krank wird. Da gebe ich dir völlig recht. Ob aber einer wirklich krank wird oder<br />

nicht, da spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Deswegen finde ich die Wesenheiten<br />

das Wichtige, die geistigen und die materiellen beziehungsweise irdischen;<br />

das muss in Harmonie miteinander gehen, so dass man eben auch in schlechten Zeiten<br />

darüber hinweg kommt. Das ist wichtig. Ich kann mir das nicht anders erklären.<br />

DA: Es kann einem, wenn es sein muss, den ganzen Acker verhageln.<br />

UW: Natürlich kommt das vor, auch bei mir. Ich will jetzt nicht meine Felder und<br />

unser Tun davon ausschliessen. Nur würde ich mir darüber gar keinen Kopf machen.<br />

Ich bin der festen Überzeugung: Wenn ein Feld krank ist und an dieser Krankheit<br />

stirbt, dann ist es eben tot und weg, Ende der Geschichte 54 .<br />

Ein ganzes Feld stirbt, nicht eine Ecke oder sonst ein Teil davon?<br />

DA: Im Extremfall schon.<br />

154


UW: Es stirbt ja auch kein halber Mensch. Entweder ganz oder gar nicht.<br />

Das ist dann irgendwie infektiös?<br />

DA: Unter sehr ungünstigen Bedingungen schon. Vor 25 Jahren habe ich mal bei einer<br />

Hybrid roggensaatzucht gearbeitet. Wenn das Jahr von der Blüte an blöd läuft, das ist<br />

der kritische Moment in Bezug auf das Mutterkorn zum Beispiel, dann kann man schon<br />

einen richtig üblen Besatz haben in einem Bestand. Ab wann es dann überhaupt nicht<br />

mehr erntefähig ist, weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht genau, wovon das abhängt und<br />

wie oft das vorkommt. Bei uns habe ich noch nie einen solchen Totaleinbruch erlebt.<br />

UW: Ich habe im Jahr 2001 einmal einen Brandbefall im Dinkel gehabt; das war Totalausfall<br />

und das wirft man dann eben alles weg. Jetzt muss ich scharf nachdenken,<br />

was ich mit dem Dinkel gemacht habe. Ich habe ihn auf die Schweineweide gesät,<br />

glaube ich. Das endete dann in einer Art Bestattung. Ich habe mir noch nie Gedanken<br />

gemacht, wie man Getreide richtig bestattet. Es war selten notwendig. Ganz am Anfang<br />

habe ich gemeint, «Allez-hopp!», ich schmeiss das auf die Schweineweide und<br />

vielleicht kann es dort wieder wachsen oder machen, was es will. Ich habe davor auch<br />

keine Angst. Es gibt Menschen, die pflügen ihre Felder dreimal nacheinander, was<br />

weiss ich wie tief, und bauen dann ewig keinen Weizen mehr hin. Das ist Humbug.<br />

Daran glaube ich nicht. Ich würde gerade noch einmal einen Weizen oder Dinkel machen<br />

und mit gutem Gewissen glauben, dass es wieder gesund werden kann. Ich würde<br />

mich vielleicht ein bisschen intensiver darum kümmern, wie wenn man sich bei einem<br />

kranken Kind ans Bett setzt. Dann machst du mal einen warmen Tee, das schon. Ich<br />

kriege jedoch keine Angst, dass das gerade wieder passiert und setze es auch nicht auf<br />

Entzug deswegen. Es kann wieder gesund werden. Das ist überhaupt kein Problem.<br />

Da macht sich die moderne Landwirtschaft normalerweise regelrecht in die Hosen,<br />

55 Roggendurchwuchs, Durchwuchs allgemein. Durchwuchs<br />

ist ein unerwünschter Aufgang der Vorfrucht in einer Kultur.<br />

Er entsteht aus Ernteresten, die beim Dreschen auf dem Acker<br />

zurückbleiben und nicht konsequent unterdrückt werden. Auch<br />

Zwischenfrucht, die in milden Wintern nicht zuverlässig abgefroren<br />

ist, kann zu Durchwuchs führen. Im Extremfall kann der<br />

Durchwuchs die geplante Kultur völlig überwachsen.<br />

Roggen ist sehr anspruchslos und auch winterhart. Aus diesem<br />

Grund kann es bei ihm besonders leicht zu Problemen mit Durchwuchs<br />

kommen.<br />

155


wenn so was passiert.<br />

DA: Das hängt natürlich wieder mit wirtschaftlichem Erwartungs- und Leistungsdruck<br />

zusammen wie zum Beispiel auch bei Fremdbesatz. Ich merke, dass Fremdbesatz überhaupt<br />

kein Problem ist.<br />

Was ist Fremdbesatz?<br />

DA: Das ist eben, wenn ich einen Weizenacker habe und irgendeine Verunreinigung<br />

oder Roggendurchwuchs 55 , Dinkel oder irgendetwas anderes mit drin ist. Heute ist es so,<br />

dass du da «ratzfatz» Abzug kriegst. Du lieferst einen Weizen ab, in dem so und so viele<br />

Körner pro Hand Roggen drin sind und dann wirst du runtergestuft. Es gibt weniger<br />

Geld, obwohl der Weizen später in der Bäckerei wieder mit dem Roggen zusammen gemischt<br />

wird. Es ist völlig widersinnig.<br />

UW: Das ist zum Beispiel bei Grünkern ganz spannend: Es ist natürlich lästig, wenn<br />

der Händler den Grünkern als reinen Grünkern anbieten will, dieser nun aber mit<br />

Weizen, Roggen und Gerste vermischt ist. Da muss man bei jedem Kunden eine Erklärung<br />

abgeben. Und das lässt er sich eben durch den Abzug bezahlen. Das verstehe<br />

ich. Aber wenn es dann sowieso vermischt wird, dann ist das einfach idiotisch. Das ist<br />

reine Geldmacherei.<br />

Um den Reinigungsstandard etwas zu illustrieren. Ich kann mich an Szenen aus meiner<br />

Kindheit erinnern: Wenn es bei uns Linsen gegeben hat, sind wir an diesem Tag<br />

gemeinsam am Küchentisch gehockt und haben die ganz normalen und regulär eingekauften<br />

Linsen aus dem Laden auf dem Tisch ausgebreitet. Dann hat man die Steinchen<br />

und die Gerste usw. von Hand ausgesammelt. Das war normal. Und heute müssen<br />

die rein sein, weil sonst der Händler Gefahr läuft, verklagt zu werden. Früher war<br />

das überhaupt keine Diskussion, da hat jeder gewusst, dass da noch Steine usw. mit<br />

drin sind. Die Linse wächst flach, da ist die Gefahr, dass da Steine mit reinkommen, relativ<br />

gross. Damit hat man früher gelebt, aber heute müssen die picobello sauber sein.<br />

Mir wäre lieber, wenn die Leute in zum Beispiel einem Bio-Laden damit konfrontiert<br />

würden, dass da ein Zettel mit drauf ist und da steht, dass die Linsen nicht handverlesen<br />

sind und die das noch selber machen müssen. Warum? Weil eine auf steinfreiem<br />

Boden gewachsene Linse nichts taugt, das ist wie ein Wein auf flachem Land.<br />

156


DA: Das war früher auch ein kleines familiäres Ereignis und warum soll man solche Sachen<br />

nicht pflegen? Und es macht einen Heidenspass, Linsen zu essen. Ein Leben ohne<br />

Linsen ist möglich, aber sinnlos!<br />

Über den Mähdrescher müsst ihr auch noch etwas sagen.<br />

UW: Ich beginne im Juni und höre im Oktober auf, Mähdrescher zu fahren.<br />

Wieso lässt du nicht jemanden sonst noch fahren?<br />

UW: Lukas, den ältesten Sohn, lasse ich schon Mähdrescher fahren. Er will es lernen<br />

und das finde ich auch schön. Es ist ein Ereignis und ich mache das gerne. Es macht<br />

mir viel Spass.<br />

Ich stell mir das ziemlich schwierig und knifflig vor: Du musst die<br />

Höhe immer regulieren, zudem musst du völlig wach sein und kannst nicht<br />

einfach nur durchfahren.<br />

UW: Langsam. Da ist die Getreidezüchtung intensiv dran, dass man Getreide so<br />

züchtet, dass man den Mähdrescher automatisch darüber laufen lassen kann. Da wird<br />

alles vorgegeben und mittlerweile wird der Mähdrescher per Computer eingestellt.<br />

Das geht mit den konventionellen Getreidesorten.<br />

Lukas war auf einem Mähdreschlehrgang und hat sich da alles angehört, was die<br />

erzählt haben; dann hat er bei mir fahren müssen, und es war für ihn wie in einer<br />

56 Haspel. Siehe Fussnote 3/4, Seite 20: «Technische Ausdrücke<br />

des Mähdreschers: Kleindrescher etc.»<br />

57 Witzenhausen. In Witzenhausen (<strong>No</strong>rdhessen bei Kassel) ist<br />

die landwirtschaftliche Fakultät der Universität Kassel untergebracht.<br />

Neben den Universitäten Giessen und Hohenheim<br />

(bei Stuttgart) ist Witzenhausen eine der bedeutendsten Agrarfakultäten<br />

deutscher Universitäten. Witzenhausen zeichnet sich<br />

durch sein Augenmerk auf den Ökolandbau gegenüber den anderen<br />

Universitäten und Hochschulen aus. 2007/2008 machte<br />

die erste biologisch-dynamische (Stiftungs-)Professur des niederländischen<br />

Wissenschaftlers Ton Baars an einer öffentlichen<br />

Hochschule Furore. Sie wurde auf Druck der Studentenschaft<br />

eingerichtet, die endlich auch mehr über ökologischen und insbesondere<br />

biologisch-dynamischen Landbau wissen wollten und<br />

ist nach wie vor sehr umstritten. Im Zuge des Förderpreises Naturschutzhöfe<br />

wurden wir dort bekannt und stehen nun in regelmässigem<br />

Kontakt mit der dortigen Fakultät, bieten Praktika für<br />

Studenten an und beteiligen uns an wissenschaftlichen Projekten.<br />

58 Rauscheblatt-Weizen. Eine Weiterzüchtung von Erbe-Weizen<br />

durch die Züchterin Heidi Franzke.<br />

157


anderen Welt. Es hat überhaupt nichts von dem gestimmt, was die erzählt haben.<br />

Das sind moderne Sorten und deren Ähren sind alle in der gleichen Höhe mit relativ<br />

wenig Stroh – und alles die gleiche Sorte. Damit kommt ein moderner Mähdrescher<br />

relativ gut zurecht. Man gibt die Höhe ein, dann lässt du ihn automatisch laufen.<br />

Vom Feldanfang zum Feldende, hin und her – hin und her. Es ist einfach zu lernen<br />

und jeder kann das.<br />

Mit den alten Getreidesorten, die unterschiedlich hoch sind, mit verschiedenen Ähren<br />

auf unterschiedlicher Höhe, wo dann in einer Mischkultur auch noch verschiedene<br />

Pflanzen herumstehen, da wird es ziemlich anspruchsvoll. Man muss mehr<br />

gu cken, mehr arbeiten und ein Gefühl dafür bekommen. Da verstell ich während<br />

dem Fahren dauernd die Höhe, die Geschwindigkeit der Haspel 56 und auch die Entfernung<br />

der Haspel hin und her. Man muss auch immer wieder darauf achten, wie<br />

man das Dreschwerk – Dreschtrommel und Sieb – einstellt. Dafür kriegt man mit der<br />

Zeit ein Gefühl. Man muss eben gucken und hören. Das ist spannend, ich mache das<br />

gerne. Immergleiches Zeug zu dreschen ist irgendwie überflüssig und langweilig für<br />

mich. Linsen oder Flachs zu dreschen, Buchweizen oder auch Hirse, das macht richtig<br />

Spass. Das ist wie Segeln.<br />

Da war ein Jungbauer aus dem Hohenlohischen hier, der in Witzenhausen 57 studiert.<br />

Die dreschen dort Hochertragssorten und aufgrund des Standortes auch grosse<br />

Mengen. Der war verdutzt, wie wenig auf unseren steinigen Böden wächst. Wir haben<br />

einen Rauscheblattweizen 58 gedroschen auf einem für mich verhältnismässig guten<br />

Standort. Da hat der mal gestaunt, etwas in der Art hat er noch nie gesehen, zum<br />

59 Berthold. Berthold ist ein Nachbarlandwirt, mit dem Uwe<br />

schon zur Schule ging. Er ist ein grosser Praktiker mit viel Wissen<br />

und stets hilfsbereit. Mittlerweile ist er auch Bio-Bauer (was er im<br />

Grunde schon immer war).<br />

60 Schüttelsieb-Reinigung. Einfache Getreidereinigungsmethode,<br />

bei der das Getreide über einen oder mehrere schräg angeordnete<br />

Siebflächen läuft, die ständig oder rhythmisch gerüttelt werden.<br />

Das Getreide wird in Fraktionen zerlegt, die durchfallen oder<br />

über das Sieb laufen. Mit entsprechenden Siebgrössen, Lochformen<br />

und Durchlaufgeschwindigkeiten kann man brauchbare<br />

Reinigungsergebnisse erzielen.<br />

61 Klettenlabkraut. K. (Galium aparine) ist ein verbreitetes Unkraut<br />

mit auffällig quirlig stehenden Laubblättern. Durch winzige<br />

Stachelborsten fühlt es sich rau und klebrig an und kann an Wirtspflanzen<br />

hochranken und sie überwuchern. Bestände können eine<br />

fest zusammenhängende Matte bilden, der kaum Herr zu werden<br />

ist. Die Früchte sind kleine «Kletten», die leicht an Beinkleidern<br />

und im Fell von Säugetieren hängenbleiben und so verbreitet wer-<br />

158


Beispiel, wie viel Stroh ein Weizen haben kann. Das ist eine spannende Geschichte,<br />

so ein Ding zu dreschen und man muss ständig gucken, sonst bleibt die Kis te stehen.<br />

Ich habe einen sehr guten Lehrer gehabt. Früher hat es mich gelangweilt, für meinen<br />

Vater zu dreschen, all das gleichmässige Zeug. Da bin ich über den Acker gerast<br />

und gut, ich habe vom Dreschen damals auch nicht so viel verstanden. Einmal habe<br />

ich dann für den Toni gedroschen, mit einem interessanten alten Mähdrescher. Toni<br />

hatte wirklich eine Ahnung und drischt alles. Von ihm habe ich gelernt, wie man<br />

richtig Mähdrescher fährt. Da habe ich Blut gerochen und es hat mir Spass gemacht.<br />

Und seitdem juckt es mich immer, irgendwelche Dinge zu dreschen, die ich noch<br />

nicht kenne. Zum Beispiel die Linsen, die sind immer wieder eine neue Herausforderung<br />

und es geht jedes Jahr anders. Es ist nie gleich. Es macht mir schon Spass.<br />

Der Berthold 59 macht das auch, also Zeug zu dreschen, das er noch nie gedroschen<br />

hat. Mähdrescher einstellen, ausprobieren, was kommt in den Tank, was fliegt hinten<br />

raus, wie muss ich fahren, langsam, schnell und so weiter, bis es irgendwie klappt.<br />

Wenn du eine Mischkultur abschneidest, kommt dann alles in einen<br />

Tank? Der Hafer, die Linse, der Senf, der Leindotter?<br />

UW: Das kommt alles in einen Tank. Und das Stroh muss hinten raus, so viel wie geht.<br />

Aber da ist dann auch das Grünzeug mit drin?<br />

UW: Je nachdem welche Siebe ich einbaue, kann ich es versuchen rauszusieben. Ein<br />

grosser Vorteil meines Mähdreschers ist, dass er sehr viele verschiedene Siebkombinationen<br />

hat, viel mehr als beim heutigen Standard. Über die Siebkombination kann ich<br />

einiges machen und dann habe ich noch viele Möglichkeiten mit dem Wind: Die Luft<br />

bläst das Stroh und die leichten Teilchen weg. Da muss man aber brutal aufpassen,<br />

weil sonst Sachen wie zum Beispiel der Leindotter auch hinten rausfliegen. Man muss<br />

alles entsprechend einstellen und immer wieder gucken, das ist die Kunst.<br />

Ich kann mich erinnern, dass ich als kleines Kind mit meinem Vater auf der Landwirtschaftsausstellung<br />

war und da standen immer Mähdrescher rum mit zwei Sitzen<br />

und ganz vielen Hebeln. Und erst vor wenigen Jahren hat mir jemand erzählt, dass<br />

159


die Russen zu zweit dreschen. Der eine fährt die Maschine und der andere bedient<br />

das Dreschwerk. Der konnte auch rechts raus oder durchlaufen, konnte auch auf die<br />

Siebe oder auf den Tank schauen und hat den passend eingestellt. Das macht für mich<br />

Sinn. Und die modernen Mähdrescher machen das mit dem Computer, sind dann aber<br />

natürlich bei einer Mischkultur absolut überfordert. Das geht schon mit alten Weizensorten<br />

los, die vom Korn her eine komische Form haben.<br />

Wenn du nun den ganzen Acker im Tank hast,<br />

sagen wir mal Hafer, Erbsen, Senf und Leindotter:<br />

Wie geht es dann weiter?<br />

UW: Das kommt dann in die Zwischenlagerung zur Nachtrocknung.<br />

Wer trennt die verschiedenen Bestandteile<br />

und wie geht das vor sich?<br />

UW: Ich selber. Ich trenne das mit der Saatgutreinigung. Das ist eine Schüttelsiebreinigung<br />

60 mit verschiedenen Sieben und einem Dreher. Dann habe ich drei oder vier<br />

Fraktionen, die ich jede einzelne für sich nachreinigen kann. Wenn ich diese Fraktionen<br />

nicht ordentlich voneinander getrennt bekomme, gebe ich das einem Bekannten,<br />

der nochmals eine feinere Reinigungsanlage hat. Er reinigt das auf die vom Abnehmer<br />

gewünschte Reinigungsstufe.<br />

DA: Braunhirse ist auch sehr schwierig zu reinigen, weil es sehr viele Unkrautssorten<br />

gibt, die eben gerade genauso gross sind wie die Braunhirse, wie zum Beispiel das<br />

Klettenlabkraut 61 . So gibt es verschiedene Techniken. In Rosenberg gibt eine so genannte<br />

Tischreinigung, bei der Tische in eine bestimmte Schräge gebracht werden.<br />

Dann wird geschüttelt und dann sammeln sich in bestimmten Bereichen bestimmte<br />

Grössen von Körnern an. Durch eine Öffnung läuft das dann aus. Bei Tischreinigungen<br />

hast du aber einen relativ kleinen Durchsatz.<br />

UW: Das sind alles alte Techniken von früher. Da stand in jedem besseren Kaff ein<br />

Lagerhaus, und die haben das ganze Jahr über Getreide angenommen und es irgendwie<br />

geputzt. Die brauchten auch das ganze Jahr über Arbeit. Nach der Reinigung<br />

160


haben sie abgesackt, lose verkauft oder die Müller haben es geholt. Da wurde auch<br />

nie etwas weggeworfen. Da lief dann eben Hühner-, Schweinefutter oder sonst was<br />

raus. Das haben dann die Futtermischanlagen bekommen oder sie haben es direkt an<br />

Schweinebetriebe verkauft.<br />

Und heute gibt es nur noch ganz wenige Anlagen und die arbeiten alle mit Durchsatz,<br />

wo es maschinell gehen muss – schnell und gross. Die geben sich mit solchen Kleinigkeiten<br />

nicht ab. Das ist alles auf Reinsorten abgestimmt. Die können sie schnell und<br />

im hohen Durchsatz durchjagen. Dieses ganze Gemenge aus Mischkulturen ist viel<br />

zu aufwändig, dazu braucht es einen Haufen Leute und all die verschiedenen Silos,<br />

wo dann alles hinlaufen kann. Deswegen setzen sie auch nur auf Monokulturen und<br />

Reinsaaten, die sie durch ihre Maschinen jagen können. Da wird alles separat gemacht<br />

und fertig. Das kennt man ja auch aus dem Garten. Das weiss jeder Mensch, der selbst<br />

einen Garten hat. Es gibt Pflanzen, die wachsen sehr gerne miteinander und solche<br />

62 Gemengepartner. Im Mischfruchtanbau (früher: Mengkornbau)<br />

werden verschiedene Pflanzenarten gleichzeitig auf einem<br />

Acker angebaut. Die Ernte wird anschliessend durch entsprechende<br />

Reinigungskombinationen in die einzelnen Ackerfrüchte<br />

getrennt und vermarktet. Der Gedanke des Mischfruchtanbaus<br />

hat vor allem im Mittelmeerraum, aber auch in Ostasien (China,<br />

Korea und Japan) und bei den amerikanischen Ureinwohnern<br />

eine alte Tradition.<br />

Die Gemengepartner müssen sorgfältig aufeinander abgestimmt<br />

sein, da sich nicht alle Pflanzen mit allen vertragen. Ausserdem<br />

müssen sie gleichzeitig reifen und insbesondere für Konsumzwecke<br />

trennbar sein oder gemischt vermarktet werden können.<br />

Wenn die Partner zusammenpassen, eröffnen sich ganz neue<br />

Perspektiven im Pflanzenschutz und der Bodenpflege. Mischpopulationen<br />

sind allgemein viel stabiler und «lebendiger» als<br />

Monokulturen. Totalausfälle sind praktisch ausgeschlossen und<br />

Untersuchungen – übrigens schon zu Beginn der Agrarwissenschaften<br />

– haben gezeigt, dass im Gemenge die Erträge höher<br />

sind als in der bereinigten Monokultur. Dies erklärt sich aus<br />

der besseren Flächenausnutzung, da Pflanzen oft Wurzelausscheidungen<br />

produzieren, die benachbarte Schwesterpflanzen<br />

hemmen. Gemengepartner verfilzen sich im Wurzelbereich regelrecht,<br />

nutzen daher die Fläche besser aus, unterdrücken unerwünschte<br />

Begleitpflanzen nachhaltiger. Sie stützen sich gegenseitig<br />

und wirken ebenso der Bodenerosion entgegen.<br />

63 Leguminosen. Die Leguminosen sind eine grosse Pflanzengruppe,<br />

darunter sehr viele wichtige Nutzpflanzen. Sie alle bilden Hülsen<br />

aus, in denen sich die Samen befinden (deshalb auch «Hülsenfrüchte»).<br />

Charakteristisch ist ihr hoher Eiweissgehalt (besonders<br />

der Samen), der sie für die vegetarische Ernährung von zentraler<br />

Bedeutung macht. Eine weitere Eigenschaft ist ihre Fähigkeit, an<br />

den Wurzeln Luftstickstoff pflanzenverfügbar zu speichern – in<br />

Symbiose mit den so genannten Knöllchenbakterien (Rhizobium).<br />

Im ökologischen Landbau kann damit die Nutzpflanzenernährung<br />

ohne synthetischen Dünger sichergestellt werden. Zu den Leguminosen<br />

zählen alle Erbsen, Bohnen und Linsen, die Kleearten,<br />

Wicken, Lupinen und Luzernen; sogar Bäume wie Robinie und<br />

Akazie gehören zu diesen «Stickstoffsammlern».<br />

64 Vereinigung Mischfruchtanbau. Die Interessengemeinschaft<br />

Mischfruchtanbau (IG MFA) ist ein loser Zusammenschluss von<br />

Landwirten, Wissenschaftlern und Unternehmern, die ab 1989 mit<br />

Anbauversuchen begannen. Die eigentliche Gründung war erst<br />

2002 unter der Schirmherrschaft des 1992 gegründeten privaten Instituts<br />

für Energie und Umwelttechnik München (IEU). Mittlerweile<br />

zählt die IG etwa 150 Teilnehmer. Es handelt sich um eine Art Informationsbörse<br />

zum Thema, mit regelmässigen Veranstaltungen,<br />

Feldbegehungen und Informationsschriften. Ziel ist ein Erfahrungsaustausch<br />

in Anbau, Nutzung und Vermarktung, sowie Informationen<br />

über nationale oder europaweite Fördermöglichkeiten.<br />

161


Pflanzen, die können sich überhaupt nicht leiden, und die machen sich das Leben<br />

schwer. In der Mischkultur hat man nun mal den Vorteil, dass die Gemengepartner 62<br />

zusammensitzen, sich mögen und voneinander leben können. In einer guten Gemeinschaft<br />

ist die Chance für gesunde Erträge weitaus höher als in einer Monokultur. Das<br />

schafft natürlich auch eine Monokultur, wenn über das Jahr alles gut und glatt läuft.<br />

Aber eine Mischkultur ist eigentlich immer im Vorteil, in schlechten wie auch in guten<br />

Jahren. Früher hatte man gerade wegen der Ertragssicherheit mehr Mischkulturen.<br />

Die Sicherheit ist eben höher, wenn man eine Mischung anbaut und in einem bestimmten<br />

Jahr wachsen z.B. Leguminosen 63 besser. Dann hast du eben mehr Erbsen in der<br />

Ernte. Und im anderen Jahr wächst das Getreide besser und dann ist wieder mehr<br />

Getreide drin. Aber man hat wenigstens immer etwas! Wenn du jetzt ein ganzes Feld<br />

hast mit nur Getreide und es war kein Jahr für Getreide, dann sieht die Ernte mies aus.<br />

Und in der Mischkultur hast du fast immer irgendetwas.<br />

Wir sind auch bei der Vereinigung «Initiative Mischfruchtanbau» 64 dabei, die jährlich<br />

Werte bei den Betrieben sammeln. Alles wird ziemlich detailliert und genau<br />

aufgeschrieben. Die kommen in der Mischkultur mittlerweile schon an Werte heran,<br />

das darf man öffentlich gar nicht sagen, wo jeder Gemengepartner stärker ist als in<br />

der Reinsaat. Da ist entscheidendes Potenzial vorhanden, wo man noch lernen muss,<br />

wie damit richtig umzugehen ist. Die säen zum Beispiel Erbsen- und Gerstenbestände,<br />

Erbsen- und Leindotterbestände oder Leinsaat und Bohnen auf einem Feld: Am<br />

Schluss drischt jede Komponente so viel, wie sie normal in Reinsaat drischt. Das<br />

heisst, dass sie den doppelten Ertrag auf einem Hektar haben. Das ist bei mir zum<br />

Beispiel bei den Linsen genauso: Ich habe – soviel mir bekannt ist – überhaupt den<br />

höchsten Linsenertrag weit und breit. Kein anderer Bauer drischt den Linsenertrag<br />

wie ich: In der Mischkultur mit Leindotter, das passt halt. Da hab ich zufällig Komponenten<br />

gefunden, die sich mögen.<br />

DA: Gerade bei den Linsen kann es sein, dass die umfallen, wenn sie nichts zum Ranken<br />

haben und dann dermassen flach liegen, dass zwar ein schönes Ertragspotential da wäre,<br />

aber unter Umständen nicht eingebracht werden kann, weil die Frucht für die Maschine<br />

zu weit unten liegt.<br />

162


UW: Mit der Gerste ist es immer schwierig: Entweder wird die Gerste gut oder die<br />

Linse wird gut. Dann musst du die Gerste so lange stehen lassen, bis die Linse reif<br />

ist. Die Linse wird eben in der Gerste nicht so gut wie im Leindotter und die Gerste<br />

fällt dann schon aus oder bricht ab, so dass du Ertragsverluste hast. Vielleicht hat<br />

man zwei Komponenten, wovon keine wirklich viel taugt. Aber man hat natürlich<br />

trotzdem von jedem etwas, was nicht schlecht ist und die ganzen letzten zehntausend<br />

Jahre über ganz gut funktioniert hat. Ich denke aber, dass man an manchen Dingen<br />

rumfeilen und neue Ordnungen etablieren kann. Wie gesagt, das mit dem Leindotter<br />

funktioniert bislang zum Beispiel sehr gut. Es ist für mich jedoch nicht so wichtig,<br />

dass ich Höchsterträge erziele. Das ist für mich ein glücklicher Zufall, dass etwas<br />

funktioniert und ich freue mich. Es geht einfach durch die Reinigung und ich habe<br />

jedes Jahr einen sicheren Ertrag. Das ist eigentlich eine schöne Sache. Da kann ich<br />

nicht meckern.<br />

Das stelle ich mir sehr schwierig vor: Drei oder vier<br />

verschiedene Sachen, die zu unterschiedlichen Zeiten reif werden.<br />

Wie hat man das unter Kontrolle?<br />

UW: Es ist nicht ganz einfach, aber das ist auch gerade das Interessante. Man kann<br />

sich damit beschäftigen und beobachten. Man denkt, etwas zu wissen und nächstes<br />

Jahr ist das Wetter anders oder der Aussaatzeitpunkt war ein anderer, und dann hat<br />

man eventuell schon wieder keinen Anhaltspunkt mehr. Also bleibt es interessant.<br />

Das finde ich auch schön. Das wird dann durch die Kultur und die Früchte weitergetragen.<br />

Dieses Faszinierende kann man später auch im Produkt wiederfinden, in<br />

irgendeiner Form.<br />

Ich sehe es zum Beispiel an den Kindern, die mit den Kartoffeln auf ihren Zahnstochern<br />

durch die Gegend flitzen und sie verschlingen – oder an den Kindern, die ihre<br />

komischen grünen Dosen dabei haben und Haferbrei machen. <strong>No</strong>rmalen Haferbrei<br />

aus irgendeiner Tüte isst kein Kind, das schmeckt auch überhaupt nicht. Unseren Hafer<br />

essen die Kinder wirklich gerne, obwohl es eigentlich das Gleiche ist. Die Kinder<br />

mögen den einen, den andern aber nicht. Ich kenne die Gründe nicht, denke aber, dass<br />

163


164


165


168


169


164 o. Weizenmischbestand (vgl. S. 34 unten)<br />

164 u. Kontrollgang<br />

165 o. Feldbegehung<br />

165 u. Feldbegehung<br />

166 Gerstenbestand mit Roggen-Dinkel-Randstreifen<br />

168 o. Nach der Ernte: links Mischkultur, rechts konventionelle Öde!<br />

168 u. Mischbestand mit Senf<br />

169 o. Rotkleevermehrung<br />

169 u. Feldbegehung im Blühstreifen, Dinkelbestand im Hintergrund<br />

170 o. Kleine Dreschpause<br />

171 o. Leinsaat<br />

171 u. Randstreifen mit Wilder Möhre, Wegwarte, Flockenblume<br />

170


171


178


172 Leinbestand<br />

174 Schwarzer Emmer<br />

176 Leeren des Mähdreschertanks<br />

178 o. Leeren des Mähdreschertanks<br />

178 u. ...und weiter!<br />

179 o. Haferernte<br />

182 Nachts drischt sich’s gut!<br />

179


SCHON<br />

WEIT NACH<br />

MITTERNACHT,<br />

der Wirt ist etwas nervös geworden<br />

und will uns, bereits<br />

seit einiger Zeit seine letzten<br />

Gäste, wohl loswerden. Wir verlassen die 70er-Jahre-Wolke und fahren durchs nächtliche<br />

Bauland – so heißt die Gegend hier tatsächlich – zum Hof zurück; alles über die<br />

Dörfer. Alleine und ohne Navi wäre ich hier in der Dunkelheit heillos verloren wie<br />

irgendwo in Afrika nach einem Flugzeugabsturz im Urwald. Dirk kurvt sicher durch<br />

die leeren Käffer, Wälder und Landstriche. Das Aufnahmegerät habe ich schon in<br />

der Kneipe abgestellt. Wir machen ein paar Witze und erzählen uns Geschichten, der<br />

Fokus auf diese herzerwärmende Landwirtschaft löst sich auf. Ich bin schon verkatert…<br />

nicht etwa vom Bier, sondern von dem sechsstündigen Gespräch, den neuen,<br />

aufregenden Inhalten, die sofort Einfluss auf meine Weltsicht nehmen und wie guter<br />

Wein durch meinen Kreislauf und meine Adern pochen, mein Gewebe infiltrieren, die<br />

Zellen aufladen und eine innere Umgebung gestalten, der ich nicht mehr entweichen<br />

kann. Ich werde es weitererzählen, das mit dem CO2 und auch sonst alles, ich nehme<br />

einen süssen, tiefen Begeisterungsrausch wahr. Es gibt diese verrückten, gut gelaunten<br />

Leute, diese Felder und die Früchte davon, das Brot, das Fleisch, die Linsen und die<br />

Ölsaaten. Es ist ganz real, praktisch, vernünftig und aussichtsreich und es ist ebenso<br />

180


KLEINE<br />

WARENKUNDE<br />

DIRK APPEL<br />

185


EINKORN<br />

(Triticum monococcum) ist eine der ältesten domestizierten<br />

Getreidearten. Der Name rührt von dem<br />

einzelnen Korn auf der Ährenspindel. Einkorn stammt vom wilden Weizen (Triticum<br />

boeoticum Boiss.) ab, der im Gegensatz zu Einkorn eine brüchigere Ährchengabel<br />

(Rachis) hat. Einkorn galt lange als Vorläufer von Emmer, Dinkel und Weizen, bis<br />

nachgewiesen wurde, dass letztere vom Wilden Emmer abstammen. Einkorn stammt<br />

vermutlich aus Mesopotamien und Osttürkei (heutiges Kurdistan).<br />

Einkorn eignet sich für Feingebäck, Brotmischungen und zum Flocken. außerdem ergibt<br />

es markantes Bier und Kornbrand.<br />

Einkorn ist noch nicht signifikant in Sommer- und Winterformen selektiert und wie<br />

auch der Emmer wenig wissenschaftlich beschrieben und bearbeitet.<br />

EMMER<br />

oder auch Zweikorn (Triticum dicoccon) gilt als Vorläufer<br />

von Wei zen und Dinkel, der ebenfalls schon seit der Steinzeit<br />

von Kleinasien bis nach China kultiviert wird. Er fällt durch seine lang begrannten,<br />

meist zweiblütigen Ährchen auf, wird aber in Europa kaum noch angebaut. Der winterharte<br />

schwarze Emmer besitzt durch seine schwarze Farbe einen natürlichen UV-<br />

Schutz, so dass er wenig zu UV-bedingten Mutationen neigt und deshalb das beständigste<br />

Getreide überhaupt sein dürfte. Daneben gibt es auch weißen Sommeremmer<br />

und rötliche Typen.<br />

Emmer wird zu sehr feinem Bier verbraut. Im alten Ägypten war Emmer das Getreide<br />

schlechthin, aus dem Brot, Feingebäck und Bier hergestellt wurde.<br />

Emmer und besonders Einkorn zeichnen sich durch für Getreide äusserst hohe Gehalte<br />

an Betakarotin und Zink aus. Ersteres verleiht dem Backwerk eine appetitliche<br />

gelbe Farbe. Die Backeigenschaften sind nicht schlecht, aber sehr speziell und etwas<br />

gewöhnungsbedürftig. Beide Getreidearten werden auch von so genannten Weizenallergikern<br />

meist gut vertragen.<br />

Im Anbau sind Einkorn und Emmer sehr anspruchslos und widerstandsfähig gegenüber<br />

Trockenheit und Pilzerkrankungen. Das Ertragsniveau ist einerseits niedrig an-<br />

186


GERSTE<br />

derseits aber sehr zuverlässig.<br />

gehört zu den frühen Kulturpflanzen des Menschen und<br />

wurde bereits ab dem fünften Jahrtausend v. Chr. angebaut. Im alten Griechenland<br />

wurde sie sogar als wichtigstes Getreide angesehen. Homer nennt in der Odyssee die<br />

Gerste «das Mark des Mannes».<br />

Die Nutzung der Gerste gliedert sich in verschiedene Bereiche. In vielen Entwicklungsländern<br />

mit extremem Klima dient sie noch als Brotgetreide für Fladenbrot.<br />

Ein anderes Gerstenerzeugnis sind Graupen und Grütze für Breie und Suppen. Zur<br />

Herstellung von Graupen werden Gerstenkörner auf Mahlsteinen, die mit einer<br />

Schmirgelmasse belegt sind, von den Spelzen befreit. Die weitere Bearbeitung durch<br />

Schleifen und Polieren führt zu einer runden Form des Korns, wobei Frucht- und Samenschale<br />

nahezu vollständig entfernt werden. Zur Herstellung von Perlgraupen werden<br />

Graupen vor dem Schleifvorgang in zwei bis vier Stücke geteilt und danach poliert.<br />

Die grössten Graupen, Rollgerste, werden vorwiegend als Suppeneinlage verwendet.<br />

Leider wird der Nährwert von Graupen durch die mechanischen Bearbeitungsvorgänge<br />

erheblich verringert.<br />

Ein weiterer Bereich betrifft die Verarbeitung als Braugerste. Die Gerstenkörner liefern<br />

nach Ankeimen und Trocknen auf der Darre das Malz als Grundlage der Bierbrauerei.<br />

Ausserdem wird Gerste zur Erzeugung von Kornbranntwein und Whisky<br />

verwendet. Gerste enthält kaum Klebereiweiss und ist deshalb zum Backen weniger<br />

HAFER<br />

geeignet.<br />

In der Vergangenheit gehörte Hafer in Form von Hafergrütze<br />

zu den am meisten verzehrten Lebensmitteln. Nachdem die Brotgetreidepreise sanken<br />

und die Menschen mehr Brot assen, verlor er an Bedeutung.<br />

Hafer gehört zu den Süssgräsern und reift in Rispen. Mehr als dreissig verschiedene<br />

Haferarten sind verbreitet. Der wichtigste Vertreter ist jedoch der Saathafer oder Gemeiner<br />

Hafer. Zu den Hauptanbaugebieten zählen die feucht-kühl gemässigten Breiten<br />

Europas und <strong>No</strong>rdamerikas sowie Australien und Neuseeland.<br />

Ein Grossteil der Haferernte wird zur Fütterung von Pferden und Geflügel verwen-<br />

187


det. Nur ein kleiner Teil dient der menschlichen Ernährung. Da Hafer nur einen<br />

geringen Glutengehalt besitzt, eignet er sich weniger zur Brotherstellung, sondern<br />

wird vielmehr zu Hafererzeugnissen wie Haferflocken, -grütze, -mehl, -kleie oder<br />

-knusperprodukten verarbeitet. Grossblättrige Haferflocken werden u.a. als Frühstücksgetreide<br />

verzehrt und sind aus Müslimischungen kaum wegzudenken. Kleinblättrige<br />

Haferflocken eigenen sich aufgrund ihrer feineren Struktur auch gut zur<br />

Bereitung von Gebäck und Aufläufen.<br />

Hafer ist ein Getreide, das sich in der Zusammensetzung seiner Nährstoffe in einigen<br />

Punkten von anderen Getreidearten abhebt. So ist der Gehalt an Eisen und Magnesium<br />

sehr hoch und bei den Vitaminen der Anteil an Vitamin K und Biotin. Daneben<br />

ROGGEN<br />

Kohlenhydrat, das Schleim bildet.<br />

weist Hafer einen hohen Fettgehalt auf, der sich durch<br />

die günstige Zusammensetzung der Fettsäuren auszeichnet.<br />

Auch zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen<br />

eignet sich Hafer, denn er enthält Lichenin, ein<br />

Seit etwa 700 v. Chr. wird Roggen in Mitteleuropa angebaut. Roggen stammt vom<br />

anatolischen Wildroggen ab, der in der Steinzeit als Unkraut der Gerstenfelder nach<br />

Westen kam.<br />

Roggen wird hauptsächlich in den kühl-gemässigten Gebieten <strong>No</strong>rdeuropas angebaut.<br />

Neben Deutschland haben auch Polen und Russland grössere Anbauflächen. Im<br />

Gegensatz zu anderen Getreidearten gedeiht Roggen auch unter ungünstigen Standortverhältnissen<br />

wie leichten Böden, rauen Lagen oder Gegenden mit vorsommerlicher<br />

Trockenheit.<br />

LINSEN<br />

Ein Grossteil des erzeugten Roggens wird als Viehfutter<br />

verwendet. In der menschlichen Ernährung wird Roggen<br />

hauptsächlich bei der Erzeugung von Brot genutzt. Weitere<br />

Verwendungsmöglichkeiten sind das ganze Roggenkorn<br />

als Beilage wie Reis zubereitet, oder Roggenflocken, die wie Haferflocken zum<br />

Beispiel in einem Müsli verzehrt werden können.<br />

188


Grab-Beigaben aus grauer Vorzeit erbrachten den Beweis: «Lens culinaris» und andere<br />

Hülsenfrüchte aus der Familie der Leguminosen oder Schmetterlingsblütler gehören<br />

zu den ältesten Kulturpflanzen, die Ackerbauern schon vor 8000 bis 10.000 Jahren<br />

auf ihren Feldern ernten konnten. Im alten Ägypten und in Rom gehörten sie zu den<br />

Grundnahrungsmitteln.<br />

Am besten gedeihen Linsen in warmem und trockenem Klima, d.h. nur an wenigen<br />

Standorten in Deutschland – unsere Haupt-Importländer sind Kanada, die USA und<br />

die Türkei. Die rautenförmigen Hülsen liefern ein bis drei kreisrunde abgeflachte<br />

(meist) grüne Samen, die bei der Lagerung braun werden. Diese Farbveränderung beeinträchtigt<br />

aber den Geschmack und die Kochfähigkeit nur unwesentlich: Selbst nach<br />

vier bis fünf Jahren Lagerung lassen sich Linsen noch in zwei Stunden weich kochen<br />

–wobei sie immer erst nach dem Garen (in möglichst kalkarmem Wasser) gesalzen<br />

werden dürfen, sonst kochen sie nicht weich!<br />

Nach ihrem Durchmesser werden Linsen eingeteilt in<br />

Riesenlinsen (>7 mm)<br />

Grosse oder Tellerlinsen (6–7 mm)<br />

Mittellinsen (4–6 mm).<br />

<strong>No</strong>ch kleiner sind rote Linsen, die in der Türkei und Indien, aber auch in Südfrankreich<br />

angebaut werden. Sie kommen geschält in den Handel, kochen schnell zu<br />

Brei und ändern dabei ihre Farbe von Orangerot zu Gelb. Linsen und auch die anderen<br />

Hülsenfrüchte kommen in grossen Mengen auch als vorgekochte Konserven<br />

in den Handel. Auch wenn für den Handel die Riesenlinsen am wertvollsten sind<br />

– geschmacklich sind die kleinen ihnen deutlich überlegen: Der (prozentual) höhere<br />

Schalenanteil bringt mehr an linsentypischen Aromastoffen!<br />

Im Vergleich mit anderen Hülsenfrüchten enthalten 100 g Linsen zwar «nur» 10,6 g<br />

Ballaststoffe, aber stolze 52 g Kohlenhydrate, nur 1,4 g Fett, aber beachtliche 23,5 g<br />

Eiweiss und sind damit sehr nahrhaft. Die biologische Wertigkeit ihrer pflanzlichen<br />

189


Proteine lässt sich durch eine Kombination mit Getreideprodukten deutlich steigern,<br />

beispielsweise in Form von Linsen mit Spätzle (für Nicht-Schwaben tut es natürlich<br />

auch eine Scheibe Brot!) Zusätzlich liefern Linsen reichlich Kalium, Magnesium und<br />

Phosphat – auch ihr Eisengehalt von 6,9 mg kann sich sehen lassen.<br />

Trotz dieser beeindruckenden Inhaltsstoffe war der Verzehr an Hülsenfrüchten allgemein<br />

und damit auch an Linsen zwischenzeitlich durch «verfeinerte Essgewohnheiten»<br />

zurückgegangen – Omas Linseneintopf mit Mehlschwitze, Speck und fetter<br />

Wurst lag auch wirklich (zu) lange schwer im Magen … und sorgte oft für reichlich<br />

«Wind»! Inzwischen erleben wir erfreulicherweise wieder eine (kleine) Renaissance:<br />

Linsen & Co sind – mit fettarmen Rezepten – in die gesundheitsbewusste Küche<br />

zurückgekehrt.<br />

In immer mehr Haushalten gibt es auch so genannte Keimboxen oder -gläser: Auch<br />

aus Linsen lassen sich damit ganz einfach und schnell Keimlinge oder Sprossen ziehen,<br />

die besonders im Winter z.B. als Salat(-Beilage) eine wertvolle Bereicherung des<br />

Speiseplans darstellen. Beim Keimprozess steigt der Gehalt verschiedener Vitamine<br />

deutlich an: Linsenkeime enthalten deshalb reichlich Vitamin C, B1, B2, Niacin und<br />

Vita min E. Im Gegensatz dazu reduziert der Keimvorgang den Gehalt an blähenden<br />

Substanzen und auch die Phytinsäure in Hülsenfrüchten. Während die Keimlinge von<br />

Sojabohnen, Erbsen und Kichererbsen vor dem Verzehr blanchiert werden sollten,<br />

um die hitzelabilen Trypsin-Inhibitoren und Hämaglutinine zu inaktivieren, können<br />

Linsen-Sprossen auch roh gegessen werden.<br />

Wegen anderer Inhaltsstoffe, nämlich den harnsäurebildenden Purinen, sollten Linsen<br />

und andere Hülsenfrüchte von Patienten mit der Veranlagung zu Gicht gemieden werden.<br />

Dagegen sorgt ihr niedriger glykämischer Index nur für eine mässige Ausschüttung<br />

von Insulin – aus diesem Grund dürfen auch Diabetiker ab und zu eine normale<br />

Portion Linsen essen – trotz des hohen Kohlenhydratgehaltes.<br />

190


191


192


193


191 o. Schwarzer Hafer<br />

191 u. Schwarzer Emmer mit rotem Ausreisser<br />

192 o. Dinkel<br />

192 u. Weizen in der so genannten Milchreife<br />

193 o. Schwarze Gerste<br />

193 u. (Weisser) Emmer<br />

194 Schwarzer Emmer<br />

196 o. Dinkel<br />

197 o. Wicken und Senf<br />

197 u. Luzerne und Senf<br />

198 o. Leindotter, noch grün<br />

198 u. Braunhirse<br />

199 o. Reifer Leindotter<br />

199 u. Wunderweizen<br />

196


197


198


199


ERICA BÄNZIGER<br />

Dipl. Ernährungsberaterin<br />

Kochbuchautorin<br />

Verscio /TI


REZEPTE<br />

ERICA BÄNZIGER<br />

201


SCHWARZER<br />

HAFER<br />

POWERBALLS<br />

MIT DÖRRMANGOS<br />

150 g Schwarzer Hafer, fein geschrotet<br />

100 g Akazienblütenhonig<br />

100 g Mandeln, sehr fein gemahlen, oder Haselnüsse<br />

50 g Fair Trade Bio-Mangos<br />

1 Prise Vanillepulver<br />

1 Bio-Zitrone, abgeriebene Schale<br />

Kokosflocken zum Wenden der Powerballs<br />

Evtl. farbige Pralinepapiere<br />

Mangos in Wasser ca. 30–60 Minuten einweichen, abgiessen.<br />

Einweichwasser trinken.<br />

Den Haferfeinschrot in einer Pfanne ohne Fett leicht darren, das bedeutet, den<br />

Schrot so lange unter Rühren rösten, bis er duftet. Dann in eine Schüssel<br />

oder noch besser in einen Cutter geben und mit den restlichen Zutaten zu einer<br />

homo genen Masse verkneten. Aus der Masse mit Hilfe eines kleinen Glacelöffels<br />

Bällchen formen und diese mit Kokosflocken ummanteln.<br />

Varianten: Statt Mangos Dörraprikosen oder Datteln verwenden.<br />

202


SCHWARZER<br />

HAFER<br />

- LAUCH MEDAILLONS<br />

100 g Schwarzer Hafer<br />

3 dl Gemüsebrühe<br />

160 g Lauch, fein geschnitten<br />

1/2 TL Thymian, fein gehackt, frisch oder getrocknet<br />

1 Knoblauchzehe<br />

1 EL Olivenöl extra vergine<br />

Kräutersalz<br />

1 Prise mittelscharfes Curry<br />

Olivenöl oder Kokosfett zum Braten<br />

Den Hafer mittelfein schroten. Haferschrot in der trockenen<br />

Pfanne ohne Fett ca. 5 Minuten darren.<br />

Thymian dazugeben und mit Gemüsebrühe auffüllen. Unter Rühren<br />

10 Minuten leise kochen. Auf der ausgeschalteten Herdplatte<br />

30 Minuten nachquellen lassen.<br />

Den Lauch in sehr feine Streifen schneiden, Lauchstreifen in Olivenöl<br />

andünsten und mit einer Prise Curry würzen. Mit etwas Brühe<br />

ablöschen und einige Minuten dünsten.<br />

Den Lauch mit dem Haferschrot mischen und salzen. Aus der Masse Medaillons<br />

formen und diese in Olivenöl von beiden Seiten goldbraun braten.<br />

203


GERSTEN<br />

KUCHEN<br />

MIT<br />

BIRNEN<br />

1 Springform von 24 cm<br />

150 g Schwarze Gerste, gekocht<br />

5 Freilandeier<br />

3,5 dl Rahm<br />

1,5 dl Milch<br />

175 g Akazienblütenhonig<br />

100 g Dinkelmehl, fein gemahlen<br />

6 grosse, reife Birnen<br />

Eier, Honig, Milch und Rahm verrühren.<br />

Birnen schälen und das Kerngehäuse entfernen. Längs in Scheiben schneiden.<br />

Springform einfetten und mit Mehl bestäuben, die gekochte Gerste darin verteilen<br />

und die Birnenscheiben kreisförmig darauf anordnen. Mit der Masse<br />

übergiessen und bei 220° Grad ca. 1 Stunde backen. 10 Minuten auskühlen lassen<br />

und vorsichtig lösen.<br />

204


WALDSTAUDENKORN<br />

PLÄTZCHEN<br />

MIT MEERRETTICH<br />

UND<br />

MAJORAN<br />

1 Zwiebel, fein gehackt<br />

1 EL Olivenöl extra vergine<br />

200 g Waldstaudenkorn, sehr fein geschrotet<br />

4 dl Gemüsebrühe<br />

1 Karotte, fein gerieben<br />

1 TL Meerrettich, fein gerieben<br />

Meersalz<br />

Frischer Majoran, fein gehackt, ca. 1 TL<br />

Zwiebeln in Olivenöl andünsten. Waldstaudenkorn dazugeben und kurz<br />

mitdünsten, dann mit der Brühe ablöschen und ca. 10 Minuten unter Rühren<br />

kochen. Auf der ausgeschaltenen Herdplatte 30 Minuten zugedeckt quellen lassen.<br />

Schrot mit den Karotten, Meerrettich und Majoran mischen, mit Salz abschmecken.<br />

Mit Hilfe eines Guetzliausstechers direkt auf ein mit Backtrennpapier<br />

ausgelegtes Blech Plätzchen/Burger formen. Im Ofen bei 180° Grad ca. 20 Minuten<br />

backen. Nach 10 Minuten die Burger wenden. Dazu passt Meerrettichschaum<br />

oder ein Meerrettichquark bzw. eine Mischung aus Demeter Quark und<br />

Sauerrahm, geriebenem Meerrettich und einer Prise Meersalz.<br />

205


SCHWARZER<br />

HAFER<br />

KOKOSBÄLLCHEN<br />

150 g Schwarzer Hafer, geschrotet<br />

1 EL Olivenöl extra vergine oder Sesamöl<br />

1 kleine Zwiebel<br />

1 TL getrockneter Thymian<br />

je 1 MSP Curry mild und scharf<br />

etwas Kurkuma für die Farbe<br />

3 dl Gemüsebrühe<br />

1 EL gehackte, glatte Petersilie<br />

30–50 g Kokosflocken zum Binden und Wenden<br />

Pfanne erhitzen, Zwiebelwürfel darin andünsten, den Haferschrot dazugeben<br />

und mit Thymian und Curry würzen. Kurkuma dazugeben und alles ca. 3–5 Minuten<br />

rösten. Mit heisser Gemüsebrühe auffüllen und 5 Minuten unter Rühren kochen.<br />

Haferschrot mit geschlossenem Deckel auf der ausgeschalteten Herdplatte 30 Minuten<br />

ausquellen lassen. Petersilie dazugeben und einen Teil der Kokosflocken.<br />

Aus der Masse mit Hilfe eines kleinen Glacelöffels Kugeln formen.<br />

Diese in den restlichen Kokosflocken wenden und in Olivenöl oder Sesamöl<br />

knusprig braten.<br />

Dazu passt z.B. ein Mango Chutney oder sehr delikat ist auch ein Gemüse-<br />

Curry mit Kokosmilch.<br />

206


WALDSTAUDENKORN<br />

AUBERGINEN-FRIKADELLEN<br />

100 g mittelgrober Waldstaudenkornschrot<br />

2 dl Wasser / Gemüsebrühe<br />

2 EL Olivenöl extra vergine<br />

100 g Auberginen, klein gewürfelt<br />

50 g roter Peperoni, fein gewürfelt<br />

50 g Zwiebeln, fein gehackt<br />

Kräutermeersalz<br />

Pfeffer aus der Mühle<br />

Thymian<br />

2 frische Salbeiblätter, fein gehackt<br />

1 TL fein gehackter Rosmarin<br />

Olivenöl extra vergine zum Braten<br />

Waldstaudenkornschrot mit Gemüsebrühe, Thymian und Rosmarin<br />

aufkochen und 10 Minuten kochen. Auf der ausgeschalteten Herdplatte 60 Minuten<br />

nachquellen lassen. Salzen. Auberginen, Peperoni und Zwiebelwürfel in einer<br />

Bratpfanne im Olivenöl während ca. 8–10 Minuten weich dünsten. Schrot mit dem<br />

Gemüse mischen und zu Frikadellen formen. Diese in Olivenöl von beiden<br />

Seiten je rund 5 Minuten braten.<br />

Knoblauch-Dip:<br />

200 g saurer Halbrahm<br />

2 Knoblauchzehen, gepresst<br />

Meersalz, gehackte Petersilie<br />

Alles mischen und zu den Bratlingen servieren.<br />

207


SCHWARZE<br />

GERSTE<br />

TOMATEN-BRATLING<br />

150 g Schwarze Gerste, mittelfein geschrotet<br />

3 dl Gemüsebrühe<br />

50 g gedörrte Tomaten<br />

1 Knoblauchzehe, gepresst<br />

1 EL gehackte, glatte Petersilie<br />

1 TL getrockneter oder frischer Thymian, fein gehackt<br />

Kräutermeersalz<br />

Den Schrot in der trockenen Pfanne darren, dann mit der Gemüsebouillon<br />

ablöschen, ca. 8 Minuten unter Rühren kochen. Zugedeckt 30 Minuten auf der<br />

ausgeschalteten Herdplatte ausquellen lassen.<br />

Die Dörrtomaten 3 Stunden vorher in kaltem Wasser einweichen, dann gut<br />

ausdrücken und mit einem Messer fein hacken. Mit der Petersilie und der Gerste<br />

mischen und aus der Masse Burger formen. Burger in Sesam oder in Olivenöl<br />

extra vergine langsam von beiden Seiten braten und mit einer Thymiansauce<br />

oder Zitronensauce servieren. Dazu zum Beispiel gedämpften<br />

Brokkoli reichen.<br />

208


SOMMERLICHER SALAT AUS<br />

SCHWARZER GERSTE<br />

MIT TOMATEN UND<br />

MOZZARELLA<br />

100 g Schwarze Gerste<br />

1 Schalotte, fein gehackt<br />

1 kleine junge Zucchini<br />

16 Cherry Tomaten, halbiert<br />

1 Mozzarella, evtl. di Bufalo 150 g, klein gewürfelt<br />

10 Blätter Basilikum, fein geschnitten<br />

Sauce:<br />

2 EL Olivenöl extra vergine<br />

1 EL Haselnussöl, kaltgepresst<br />

1 EL Rahm<br />

1/2 TL Senf<br />

2 EL Rosenblütenessig oder Apfelessig<br />

Meersalz<br />

Pfeffer aus der Mühle<br />

Die Gerste über Nacht einweichen. Mit 4 dl Wasser und einem Lorbeerblatt während<br />

ca. 60 Minuten ohne Salz weich garen. Kurz vor Ende der Garzeit salzen. Die Gerste<br />

abschütten, auskühlen lassen.<br />

Die Tomaten, Zucchini, Schalotten und den Mozzarella zur Gerste geben und mit<br />

der Sauce mischen. Mit frischem Basilikum verfeinern und servieren.<br />

Im Sommer eine erfrischende Mahlzeit.<br />

209


SÜSSER<br />

SCHWARZER<br />

HAFER<br />

MIT NÜSSEN UND<br />

GRANATAPFELKERNEN<br />

100 g Schwarzer Hafer<br />

2 EL Vollrohrzucker<br />

40 g geschälte Mandeln<br />

40 g Baumnusskerne<br />

50 g Zartbitter-Schokolade<br />

250 ml Rotwein mit 1 EL Zucker auf die Hälfte einkochen lassen<br />

1 grosse Prise Zimt<br />

Granatapfelkerne von 1/2–1 Granatapfel<br />

Minzenblättchen zum Garnieren<br />

Hafer für 2 Stunden in kaltem Wasser einweichen. Danach in 3 dl Wasser mit<br />

Zucker während ca. 30 Minuten gar kochen. Hafer abgiessen und auskühlen lassen.<br />

Mandeln und Baumnüsse grob hacken und ohne Fett in einer Pfanne<br />

leicht rösten. Schokolade reiben oder fein würfeln. Hafer mit dem eingekochten<br />

Wein, Nüssen, Schokolade und Zimt mischen. In Schälchen abfüllen, mit den<br />

Granatapfelkernen bestreuen und mit Minze dekorieren.<br />

Tipp: Granatapfel halbieren und die Hälften mit der Schnittfläche auf die Hand<br />

legen und von oben mit einem Löffel die Kerne über einer Schüssel ausklopfen.<br />

Granatapfelkerne sind sehr gesund, sie enthalten viele Antioxidanzien.<br />

Das Rezept stammt aus Sizilien, dort verwendet man dafür Weizen.<br />

Variante: Statt mit Hafer mit schwarzer Gerste zubereiten.<br />

210


SCHWARZE<br />

GERSTEN<br />

SUPPE MIT BASILIKUM<br />

UND ZUCCHINI<br />

120 g Schwarze Gerste, mittelfein geschrotet<br />

1 bis 2 kleine junge Zucchini, mittelfein gerieben<br />

1 Lorbeerblatt<br />

1dl Rahm<br />

1 Bund Basilikum<br />

25 ml Olivenöl<br />

Den Gerstenschrot mit einer gehackten Zwiebel in 2 EL Olivenöl anrösten.<br />

1 Lorbeerblatt dazugeben und mit 6–7 dl Gemüsebrühe auffüllen, während<br />

20 Minuten köcheln, dann die geriebenen Zucchini dazugeben und<br />

weitere 8–10 Minuten kochen.<br />

1 grosses Bund Basilikum mit Olivenöl fein mixen. Lorbeerblatt entfernen<br />

und zusammen mit dem Rahm zur Suppe geben. Alles einmal aufkochen und<br />

die Suppe mit frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken und servieren.<br />

Evtl. mit Rahmtupf und einem frischen Blatt Basilikum garnieren.<br />

211


ANHANG<br />

215


HOFDATEN<br />

Experimenteller Landbau<br />

im Gemischtbetrieb<br />

ARBEITSKRÄFTE<br />

Betriebsleiterehepaar<br />

1 Lehrling<br />

1 FÖJ-Angestellter (Freies Ökologisches Jahr:<br />

In Deutschland für junge Leute eine<br />

Alternative zum Wehr- bzw. Zivildienst)<br />

1 Präparator<br />

1 Angestellter (Sohn Lukas)<br />

STANDORT<br />

Höhenlage<br />

360 m N.N.<br />

Durchschn. Jahresniederschläge 700 mm<br />

Durchschn. Bodenpunkte 20–40<br />

Bodenart<br />

schwer, steinig, tonig<br />

BETRIEBSFLÄCHE<br />

Landwirtschaftl. genutzte Fläche<br />

Ackerfläche<br />

Dauergrünland<br />

Wald<br />

150 ha<br />

110 ha<br />

35 ha<br />

5 ha<br />

FRUCHTFOLGE<br />

Keine Starre, oft durchmischt mit<br />

Zwischenfrucht oder Kleevermehrung<br />

216


TIERHALTUNG<br />

Kühe<br />

20 Hinterwälder, 10 English Longhorn,<br />

25 Kreuzungstiere<br />

Schweine 1 Wollsau, 2 Weideschweine,<br />

19 Kreuzungstiere (v.a. Schwäbisch-Hällische)<br />

Esel<br />

1 Poitou-Esel<br />

Hunde 2 Grossspitze<br />

Hühner 40<br />

Gänse, Bienen<br />

Aufstallung<br />

Fütterung<br />

Keinerlei Stallungen vorhanden, komplette Freilandhaltung<br />

Schweine: Grünfutter, Silage, hofeigenes Schrot<br />

Rinder: Grünfutter, Heu, Silage<br />

Geflügel: Hofeigenes Körnerfutter, Grünfutter<br />

KONTAKTDATEN<br />

Demeter- und Naturschutzhof Wüst, ‹Krautfürnix›<br />

Esselbrunner-Strasse 4<br />

D-97953 Königheim-Brehmen<br />

Ansprechpartner: Uwe Wüst<br />

dukunstmichmal@aol.com<br />

VERKAUFSZEITEN<br />

September bis Juni, donnerstags von 19–21h und freitags von 9–13h<br />

Anbauverband: Demeter<br />

WEGBESCHREIBUNG<br />

Über die A81: Ausfahrt ‹Ahorn›, Richtung ‹Hardheim› abbiegen.<br />

Im nächsten Dorf, ‹Buch›, scharf rechts abbiegen (Brehmen ist ausgeschildert)<br />

Über die B27: Ausfahrt ‹Königheim/Gissigheim›, durch Gissigheim durch,<br />

217


GESPRÄCHSPARTNER<br />

Die Gespräche haben<br />

im Sommer und Herbst 2008<br />

während Feld begehungen,<br />

Hofbesichtigungen und Auslieferungsfahrten<br />

in und um<br />

Königheim-Brehmen<br />

(Baden-Württemberg, D)<br />

stattgefunden.<br />

218


ANTONIUS CONTE (o.r.)<br />

Künstler und Unternehmer<br />

Gründer und Geschäftsleiter<br />

NaturKraftWerke® – Elementare Lebensmittel<br />

1954 geboren in der Schweiz<br />

1970–1974 Zeichner-Lehre, Ausbildung in Kunstgeschichte,<br />

visuelle Kommunikation, Zeichnen, klassische Musik<br />

1974–1977 autodidaktische Prozesse<br />

1978–1986 verschiedene Tätigkeiten in der Schweiz, in Italien, Amerika<br />

und Deutschland als Briefträger, Hilfskrankenpfleger,<br />

Holzfäller, Maler und Lackierer, Gipser, Fensterputzer, Kellner.<br />

Später: Dekorations- und Schriftenmaler, Bauhandwerker, Freiberufler<br />

und Unternehmer für Planung und Gestaltung von Innenräumen<br />

und Häusern<br />

1983–1998 Wohnsitz in Berlin<br />

1986–1991 Werkstatt am Südstern/Kreuzberg<br />

1990 Mitgründung und künstlerische Leitung der Galerie T&A<br />

in Berlin-Mitte; Gründung eines Kunstvereins auf der Insel Rügen,<br />

Mecklenburg-Vorpommern; Organisation<br />

von internationalen Symposien.<br />

1991–1994 Werkstatt in Hennigsdorf bei Berlin<br />

1992–2000 Entwicklungen mit Pflanzen und Bäumen,<br />

Behütung von 6 ha Wald, Berglase, Insel Rügen<br />

1994–1996 Heilpraktikerausbildung<br />

in Berlin als biographisches Kunstprojekt<br />

1996 Gründung von NaturKraftWerke® im Rahmen<br />

der Arbeit Kunst=Brot=Kunst=Brot<br />

1995–2000 Werkstatt in ehemaliger russischer Kaserne<br />

in Töpchin, Brandenburg<br />

219


Seit 2002 Werkstatt in Messkirch-Schnerkingen, Baden-Württemberg<br />

UWE WüST (u.l.)<br />

Landwirt<br />

1963 geboren in Hardheim<br />

1978 Hauptschulabschluss in Königheim<br />

1978–1983 Landwirtschaftliche Ausbildung und Arbeit<br />

1983–1986 Betriebshelfer und Arbeit beim Häuserbau<br />

1986–1987 Afrika-Aufenthalt<br />

1987 «Müslikutscher» (Auslieferer im Naturkosthandel)<br />

1987–1989 Landschaftsgärtner und Betriebshelfer<br />

1989–1992 USA-Aufenthalt<br />

1992–1997 Kurierdienst (Luftfracht)<br />

1997–2000 Spielplatzbau und schwierige Baumfällungen<br />

seit 1999 experimenteller Landbau in Königheim-Brehmen<br />

seit 2003 Demeterbetrieb und Bewirtschaftung des elterlichen Betriebes<br />

2006 ausgezeichnet mit dem Förderpreis Naturschutzhöfe,<br />

Demo-Betrieb im Rahmen des Bundesprogramms<br />

Ökologischer Landbau (BÖL)<br />

DIRK APPEL (u.r.)<br />

Landwirtschaftlicher/<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

1961 geboren in Heidelberg<br />

1981 allgemeine Hochschulreife an der<br />

Handelslehranstalt Wiesloch (Wirtschaftsgymnasium)<br />

1981–1982 Mexiko-Aufenthalt<br />

ab 1982 Studium der Philosophie und Völkerkunde<br />

220


an den Universitäten Tübingen und Heidelberg<br />

1993–1996 Planung und Bau eines Lehmhauses in Uissigheim<br />

ab 1998 Malerei und Seminare über Malerei,<br />

Kultur und Philosophie und selbstständig in der Biobaubranche<br />

2000–2002 Leitung eines Malereiprojektes an der Riemenschneider<br />

Realschule Tauberbischofsheim<br />

2001–2002 Lehrauftrag für Bildende Kunst am<br />

Matthias-Grünewald-Gymnasium Tauberbischofsheim<br />

April 2002 China-Aufenthalt<br />

seit 2003 nur noch Auftragsarbeiten;<br />

Arbeit in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft<br />

(Demeter-Hof Wüst, Königheim/Brehmen);<br />

Öffentlichkeitsarbeit (Seminare, Vorträge usw.), Schulprojekte,<br />

Sorten- u. Artenschutz und innovative landwirtschaftliche Konzepte<br />

2006 ausgezeichnet mit dem Förderpreis Naturschutzhöfe,<br />

Demo-Betrieb im Rahmen des Bundesprogramms<br />

Ökologischer Landbau (BÖL)<br />

seit 2008 Bundesdelegierter beim Demeter e.V. für Baden-Württemberg;<br />

Dozent an der internationalen biologisch-dynamischen<br />

Präparatezentrale in Künzelsau/Mäusdorf;<br />

Dozent beim biologischen Beratungsdienst des<br />

Weinbauinstituts (WBI) Freiburg/Breisgau, gefördert durch<br />

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE);<br />

Mitarbeit an agrarwissenschaftlichen Projekten der Uni Kassel<br />

und des Julius-Kühn-Instituts Braunschweig (JKI)<br />

221


HERAUSGEBER<br />

NaturKraftWerke®,<br />

Antonius Conte<br />

KONZEPT<br />

Antonius Conte, Tinu Balmer<br />

REDAKTION<br />

Antonius Conte<br />

TEXTE<br />

Antonius Conte<br />

Uwe Wüst, Dirk Appel<br />

Ulrike Gonder, Erica Bänziger<br />

TRANSKRIPTION<br />

Tatjana Kalinovic<br />

LEKTORAT<br />

Christoph Meier<br />

KORREKTORAT<br />

Doreen Fröhlich<br />

SATZ, GESTALTUNG<br />

Tinu Balmer<br />

BILDER<br />

Antonius Conte<br />

BILDBEARBEITUNG<br />

Tina Hanser<br />

PRODUKTION<br />

© 2009, NaturKraftWerke ®<br />

3. Auflage, März 2014<br />

NaturKraftWerke®<br />

Elementare Lebensmittel<br />

www.naturkraftwerke.ch<br />

www.mischfruchtanbau.com<br />

DANK<br />

An Jutta und Uwe Wüst<br />

und Dirk Appel<br />

Gedruckt auf 100% Recycling Papier,<br />

ausgezeichnet mit<br />

dem Blauen Umweltengel<br />

222

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