Leseprobe Computer und Arbeit 11_2016
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<strong>Computer</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
cua | it-mitbestimmung <strong>und</strong> datenschutz<br />
cua-web.de<br />
25. JAHRGANG<br />
ISSN 1863-85<strong>11</strong><br />
D <strong>11</strong>680<br />
<strong>11</strong> | <strong>2016</strong><br />
digitalisierung<br />
Wie mobile <strong>Arbeit</strong><br />
zum Erfolg wird<br />
industrie 4.0 Es gilt, die schleichenden Veränderungen rechtzeitig zu erkennen<br />
überwachung Beim Einsatz von Videokameras ist der Betriebsrat vor Ort zuständig<br />
cyberwar Im Internet der Dinge kann auch ein Backofen ins Fadenkreuz geraten
titelthema mobile arbeit CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
Den <strong>Arbeit</strong>splatz<br />
immer dabei<br />
mobile arbeit Moderne Technik macht <strong>Arbeit</strong> mobil. Und viele Beschäftigte<br />
befeuern die gewonnene Flexibilität. Doch die neuen <strong>Arbeit</strong>sformen<br />
bringen auch Nachteile mit sich. So kann die <strong>Arbeit</strong>szeit mächtig aus<br />
dem Tritt geraten oder Daten unter die Räder kommen. Damit mobile<br />
<strong>Arbeit</strong> zu einem Erfolgsmodell wird, sind ausgewogene Regelungen nötig.<br />
VON PETER WEDDE<br />
8
CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
mobile arbeit<br />
titelthema<br />
Wer für den Weg zur <strong>Arbeit</strong> täglich<br />
lange Fahrstrecken bewältigen<br />
muss, für den ist die<br />
Vorstellung verlockend, an<br />
einzelnen Tagen alle <strong>Arbeit</strong>saufgaben zu Hause<br />
erledigen zu können. Und wer oft <strong>und</strong> lange<br />
berulich unterwegs ist, für den ist es eine<br />
<strong>Arbeit</strong>serleichterung, wenn er dabei beruliche<br />
Aufgaben erledigen kann. Diese <strong>und</strong> ähnliche<br />
Formen der <strong>Arbeit</strong> außerhalb der Betriebsstätte<br />
werden inzwischen als »mobile <strong>Arbeit</strong>« bezeichnet.<br />
Sie ist überall dort möglich, wo <strong>Arbeit</strong><br />
unabhängig vom physikalischen Zugang<br />
zu Geräten <strong>und</strong> Maschinen ist <strong>und</strong> deshalb<br />
gelegentlich oder regelmäßig mittels Notebook,<br />
Tablet-<strong>Computer</strong> oder Smartphone zu<br />
erledigen ist. Notwendige Kommunikation mit<br />
dem Betrieb erfolgt über das Internet oder per<br />
Mobiltelefon.<br />
Inhaltlich beschränkt sich mobile <strong>Arbeit</strong><br />
längst nicht mehr auf einfache Tätigkeiten.<br />
Mittels entsprechender Programme oder Apps<br />
lassen sich inzwischen beispielsweise auch<br />
komplexe Prozesse in Verwaltung oder Produktionsanlagen<br />
von unterwegs oder von daheim<br />
aus steuern <strong>und</strong> überwachen. Wo <strong>Arbeit</strong>en<br />
vor Ort unumgänglich sind, lässt sich die<br />
Einbindung mobil tätiger Fachleute per Tablet-<br />
PC, Kamera oder Datenbrille realisieren.<br />
Mobile <strong>Arbeit</strong> ist nicht so neu, modern <strong>und</strong><br />
innovativ, wie es oft scheint. Die Loslösung<br />
klassischer Bürotätigkeiten von den Betriebsstätten<br />
wird unter dem Stichwort Telearbeit<br />
bereits seit mehr als dreißig Jahren diskutiert.<br />
Deshalb sind auch Schwierigkeiten, die sich<br />
mit dieser Form der <strong>Arbeit</strong> etwa bezüglich des<br />
<strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes, der <strong>Arbeit</strong>sergonomie<br />
1 <strong>und</strong> ofenen Rechtsfragen verbinden,<br />
hinlänglich bekannt 2 . Neu sind hingegen<br />
die nunmehr zur Verfügung stehenden technischen<br />
Möglichkeiten. 3 Derzeit wird aber auch<br />
deutlich, dass es besondere Problemschwerpunkte<br />
zu Fragen des <strong>Arbeit</strong>szeitrechts <strong>und</strong><br />
des Datenschutzrechts gibt.<br />
darum geht es<br />
1. Der technische Fortschritt<br />
erlaubt mittlerweile<br />
auch komplexe <strong>Arbeit</strong>en<br />
mobil zu erledigen.<br />
2. Fragen zu <strong>Arbeit</strong>szeit<br />
<strong>und</strong> Datenschutz<br />
erreichen durch die neue<br />
Flexibilität eine neue<br />
Dimension.<br />
3. Die Mitbestimmung<br />
kann entscheidend dazu<br />
beitragen, einen fairen<br />
Ausgleich zwischen den<br />
vielen verschiedenen<br />
Interessen zu inden.<br />
Immer <strong>und</strong> überall<br />
Mobile <strong>Arbeit</strong> beinhaltet einen gr<strong>und</strong>legenden<br />
Vorteil: Dienstliche <strong>Arbeit</strong>saufgaben können<br />
jederzeit <strong>und</strong> von überall abgearbeitet werden,<br />
weil die notwendigen <strong>Arbeit</strong>smittel in Form<br />
tragbarer Endgeräte stets zur Hand sind. Vielen<br />
<strong>Arbeit</strong>nehmern ist das so mögliche schnelle<br />
Erledigen von E-Mails am Abend, am Wo-<br />
1 Siehe hierzu den Beitrag von Ruf, Die Stellschrauben für mobile<br />
<strong>Arbeit</strong>, in: CuA <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>, 16 f., in diesem Heft<br />
2 Vgl. etwa Wedde, »Mobile Work« – immer <strong>und</strong> überall arbeiten<br />
können, in: CuA 9/2015, 4 f. <strong>und</strong> ausführlich Wedde, Telearbeit <strong>und</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>srecht<br />
3 Dazu ausführlich Höller, in: Wedde (Hrsg.), Handbuch Datenschutz<br />
<strong>und</strong> Mitbestimmung, <strong>2016</strong>, G V<br />
9
titelthema mobile arbeit CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
Die Stellschrauben<br />
für mobile <strong>Arbeit</strong><br />
ergonomie Mobile <strong>Arbeit</strong> bietet viel Positives. Studien belegen<br />
das Potenzial dieser <strong>Arbeit</strong>sform – <strong>und</strong> die große Bedeutung ihrer<br />
Aus gestaltung. Belegschaftsvertretungen stehen dazu umfassende<br />
Möglichkeiten zur Verfügung.<br />
VON URS PETER RUF<br />
darum geht es<br />
1. Immer mehr Firmen<br />
bieten ihren Mitarbeitern<br />
ganz unterschiedliche<br />
Formen mobiler <strong>Arbeit</strong><br />
an.<br />
2. Die Belastungen können<br />
durch das <strong>Arbeit</strong>en<br />
mit mobilen IT-Geräten<br />
zu- <strong>und</strong> abnehmen.<br />
3. Mobile <strong>Arbeit</strong> ist auch<br />
im nicht-betrieblichen<br />
Umfeld ergonomisch<br />
gestaltbar.<br />
Geht es nach Microsoft, sehnen sich<br />
die Beschäftigten nach einer durch<br />
Digitalisierung gestützten umfassenden<br />
Mobilität <strong>und</strong> Flexibilität<br />
der <strong>Arbeit</strong>. Nachzulesen ist das in dem Ende<br />
2013 von dem US-Konzern veröfentlichen<br />
Manifest für ein neues <strong>Arbeit</strong>en: »Wir wollen<br />
nicht länger am Schreibtisch festgehalten werden,<br />
wenn wir doch alles, was wir zum <strong>Arbeit</strong>en<br />
brauchen, in der Hosen- oder Aktentasche<br />
mit uns rumtragen.«<br />
Interessant an dem Dokument ist, dass hier<br />
ein großer Player der IT-Welt die Produkte der<br />
Branche nicht einfach als Lösung zu anstehenden<br />
technischen <strong>und</strong> unternehmerischen<br />
Herausforderungen präsentiert. Vielmehr werden<br />
die Beschäftigten <strong>und</strong> ihre Wünsche auf<br />
Selbstverwirklichung in der <strong>Arbeit</strong> in den Mittelpunkt<br />
gestellt.<br />
Getreu dem Motto »Sie nannten es <strong>Arbeit</strong><br />
– für uns ist es unser Leben« sollen in Zukunft<br />
die Unternehmen erfolgreich sein, die ihren<br />
Mitarbeitenden umfassende Freiheiten bei der<br />
<strong>Arbeit</strong> bieten <strong>und</strong> damit die Motivation fördern.<br />
1<br />
Die Frage ist also: Was ist dran am Hype<br />
um mobile <strong>Arbeit</strong>? Was kennzeichnet diese<br />
Art zu arbeiten, was wollen die Beschäftigten<br />
wirklich <strong>und</strong> vor allem wie ist mobile <strong>Arbeit</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitsgerecht zu gestalten?<br />
Formen mobiler <strong>Arbeit</strong><br />
Mobile <strong>Arbeit</strong> ist kein neues Phänomen. Schon<br />
immer wurde zum Beispiel im Handwerk, der<br />
Landwirtschaft oder der Polizei außerhalb fester<br />
<strong>Arbeit</strong>sorte oder im Wechsel zwischen diesen<br />
gearbeitet. Neu ist, dass durch die Digitalisierung<br />
der <strong>Arbeit</strong> eine stetig wachsende Anzahl<br />
Aufgaben unabhängig vom Ort <strong>und</strong> der<br />
Zeit erledigt werden kann. Die Entgrenzung<br />
der <strong>Arbeit</strong> führt dazu, dass Beschäftigte nicht<br />
länger am selben Ort sein müssen, um eine Besprechung<br />
durchzuführen. Konstruktionsunterlagen,<br />
Dokumente <strong>und</strong> Informationen sind<br />
nicht an einen Ort geb<strong>und</strong>en, sondern können<br />
jederzeit weltweit abgerufen <strong>und</strong> bearbeitet<br />
werden. Die elektronischen Werkzeuge hierfür<br />
passen, wenn nicht in die Hosentasche, so<br />
doch immerhin in eine Aktentasche.<br />
Während Digitalnomaden in allen Regionen<br />
der Welt mit einem funktionierenden<br />
Internetanschluss die Grenzen der neuen <strong>Arbeit</strong>sformen<br />
erk<strong>und</strong>en, vollzieht sich der Wandel<br />
in den Betrieben schleichend. 2 Wir erleben<br />
die Entgrenzung von <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Freizeit. Endete<br />
die <strong>Arbeit</strong> früher am Werkstor, tragen die<br />
mobil <strong>Arbeit</strong>enden die Möglichkeit zu arbeiten<br />
heute ganztägig bei sich. Gleichermaßen sickert<br />
das Private mit dem eigenen Smartphone<br />
in den betrieblichen Alltag. Mit WhatsApp &<br />
Co. sind Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte jederzeit nur<br />
ein paar Fingergesten entfernt.<br />
Gerne werden die Facetten der wachsenden<br />
Entgrenzung von <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Privatleben<br />
bedauert <strong>und</strong> in der Tat bestehen hier vielfältige<br />
Risiken. Bei genauerer Betrachtung fällt<br />
jedoch auf, dass die strikte Trennung der <strong>Arbeit</strong><br />
vom Privatleben nicht naturgegeben ist.<br />
Sie wurde erst im Zuge der Industrialisierung<br />
1 Vgl. Microsoft, Manifest für ein neues <strong>Arbeit</strong>en, 2013, http://<br />
mb.cision.com/Public/7849/9577019/ac37a932b8f45037.pdf<br />
2 Praktische Anleitungen für den Einstieg <strong>und</strong> Alltag als digitaler<br />
Nomade inden sich zum Beispiel auf www.digitalenomaden.net<br />
16
CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
mobile arbeit<br />
titelthema<br />
Merkmale entgrenzter <strong>Arbeit</strong><br />
Digitalisierung<br />
vereinfacht die<br />
Veränderung<br />
der Betriebsorganisation<br />
z.B.<br />
durch Outsourcing<br />
<strong>und</strong> Crowdsourcing.<br />
Technikunterstützte<br />
Kommunikation<br />
konkurriert mit direkter<br />
Kommunikation<br />
von Angesicht zu<br />
Angesicht.<br />
Betriebsorganisation<br />
Soziale<br />
Beziehungen<br />
<strong>Arbeit</strong>szeit<br />
Lage, Dauer <strong>und</strong><br />
Verteilung der<br />
<strong>Arbeit</strong>szeit sind<br />
lexibel.<br />
<strong>Arbeit</strong>sorte<br />
<strong>Arbeit</strong>sinhalte<br />
<strong>und</strong> -prozesse<br />
<strong>Arbeit</strong> ist an<br />
vielen Orten<br />
möglich, sie<br />
ist nicht an<br />
den Betrieb<br />
geb<strong>und</strong>en.<br />
Digitalisierte<br />
<strong>Arbeit</strong>sinhalte <strong>und</strong><br />
-prozesse sind leicht<br />
veränderlich.<br />
Die Digitalisierung der<br />
<strong>Arbeit</strong> ist eine entscheidende<br />
Voraussetzung für<br />
eine wachsende Entgrenzung<br />
<strong>und</strong> Flexibilisierung<br />
der <strong>Arbeit</strong>. Das bedeutet,<br />
dass die <strong>Arbeit</strong> zunehmend<br />
unabhängig wird<br />
von Voraussetzungen<br />
wie zum Beispiel dem<br />
<strong>Arbeit</strong>sort, den <strong>Arbeit</strong>sgegenständen<br />
oder der<br />
direkten Kommunikation<br />
mit anderen an der <strong>Arbeit</strong><br />
beteiligten Personen.<br />
Quelle: Technologieberatungsstelle NRW<br />
<strong>und</strong> gegen viele Widerstände der Beschäftigten<br />
durchgesetzt. 3 Unter diesem Blickwinkel bietet<br />
mobile <strong>und</strong> lexible <strong>Arbeit</strong> durchaus Potenzial<br />
für eine menschengerechte <strong>und</strong> damit »ergonomische«<br />
Gestaltung. Inwieweit das gelingt,<br />
hängt entscheidend davon ab, ob am Ende der<br />
<strong>Arbeit</strong>nehmer oder der <strong>Arbeit</strong>geber bestimmt,<br />
wann gearbeitet wird <strong>und</strong> wann Freizeit ist.<br />
Die Situation:<br />
<strong>Arbeit</strong> im Homeoice <strong>und</strong> mobil<br />
Aktuell bietet knapp ein Drittel aller Betriebe<br />
Beschäftigten die Möglichkeit, von zu Hause<br />
zu arbeiten. Deutlich häuiger zu inden ist<br />
dieses Angebot in größeren Firmen mit 500<br />
<strong>und</strong> mehr Beschäftigten. Nutzen können diese<br />
Möglichkeiten fast ausschließlich Angestellte.<br />
Besteht die Möglichkeit, daheim zu arbeiten,<br />
wird dies überwiegend für st<strong>und</strong>enweise<br />
<strong>Arbeit</strong>en genutzt (65 Prozent der Beschäftigten,<br />
die von zu Hause arbeiten). Seltener ist die<br />
<strong>Arbeit</strong> im eigenen Heim sowohl st<strong>und</strong>enweise<br />
wie an ganzen Tagen (20 Prozent) oder ausschließlich<br />
an ganzen Tagen (16 Prozent). Nur<br />
in insgesamt 16 Prozent der Fälle ist die <strong>Arbeit</strong><br />
zu Hause als Telearbeit betrieblich geregelt.<br />
Die vielfach ofensichtlich geringe Regelungsdichte<br />
schlägt sich in der <strong>Arbeit</strong>szeit nieder.<br />
Mehr als die Hälfte der Beschäftigten gibt an,<br />
die <strong>Arbeit</strong> zu Hause in der eigenen Freizeit zu<br />
erledigen. Immerhin 47 Prozent geben an, nur<br />
innerhalb der <strong>Arbeit</strong>szeit daheim zu arbeiten.<br />
Gleich geblieben ist zwischen 2013 <strong>und</strong><br />
2015 der Anteil der Beschäftigten, die zu Hause<br />
arbeiten. Einen merklichen Zuwachs gibt es<br />
demgegenüber bei der Frage der Erreichbarkeit.<br />
Der Anteil derer, die in den eigenen vier<br />
Wänden in berulichen Angelegenheiten Telefonate<br />
<strong>und</strong> E-Mails abwickelt, ist im gleichen<br />
Zeitraum von 60 auf 65 Prozent gestiegen.<br />
Besonders häuig ist diese Situation bei besser<br />
Qualiizierten, Männern <strong>und</strong> Erwerbstätigen<br />
mit kleinen Kindern im Haushalt. Ofensichtlich<br />
vollzieht sich die von Microsoft beschworene<br />
digitale Trendwende derzeit vorrangig auf<br />
dem Gebiet der fortschreitenden Erreichbarkeit<br />
der Beschäftigten <strong>und</strong> bei bestimmten Beschäftigtengruppen.<br />
4<br />
Deutlich höher <strong>und</strong> in der Tendenz steigend<br />
ist demgegenüber die Anzahl <strong>Arbeit</strong>nehmer,<br />
die im Rahmen der <strong>Arbeit</strong> mobil ist. 2013<br />
gaben 57 Prozent der Angestellten einer Befragung<br />
an zumindest teilweise an wechselnden<br />
Orten zu arbeiten. 5 Ebenso steigt die Anzahl<br />
an Geschäftsreisen. Längst sind nicht nur Au-<br />
3 Vgl. Jürgens/Voß, Gesellschaftliche <strong>Arbeit</strong>steilung als Leistung<br />
der Person, 2007, in: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte (34) www.bpb.<br />
de/apuz/30287/gesellschaftliche-arbeitsteilung-als-leistung-derperson?p=all<br />
4 Vgl. BMAS, Forschungsbericht 460 – Mobiles <strong>und</strong> entgrenztes<br />
<strong>Arbeit</strong>en, 2015<br />
5 Vgl. IDC-Studie, Deutsche Unternehmen setzen auf mobile Apps<br />
zur Verbesserung der Geschäftsprozesse, 2013, http://idc.de/de/<br />
ueber-idc/press-center/56517-idc-studie-deutsche-unternehmensetzen-auf-mobile-apps-zur-verbesserung-ihrer-geschaftsprozesse<br />
17
it-mitbestimmung Was Industrie 4.0 bedeutet CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
Was Industrie 4.0<br />
bedeutet<br />
zukunft der arbeit Produktion <strong>und</strong> IT verschmelzen allmählich.<br />
Unter nehmen versprechen sich davon Produktionssteigerungen <strong>und</strong><br />
eine bessere Kontrolle von Mensch <strong>und</strong> Maschine. Betriebsräte müssen<br />
diese schleichenden Veränderungen rechtzeitig erkennen, um geeignete<br />
Strategien entwickeln zu können.<br />
VON MARCUS SCHWARZBACH<br />
Die Anfangseuphorie der Industrie<br />
4.0-Promoter lässt zunehmend<br />
nach. Das Gabler Wirtschaftslexikon<br />
bezeichnet »Industrie 4.0« als<br />
»Marketingbegrif«. 1 Sicher wird es durch die<br />
Industrie 4.0 keinen Quantensprung geben –<br />
auch wird sich nicht jede Veränderung in den<br />
Fabriken am Internet der Dinge orientieren.<br />
Aber bereits jetzt sind in den Betrieben gravierende<br />
Veränderungen sichtbar, die betriebliche<br />
Interessenvertretungen <strong>und</strong> die Gewerkschaften<br />
fordern. Was das bedeutet, wird anhand<br />
dieser drei Handlungsfelder dargestellt:<br />
· Vernetzung durch RFID-Technik<br />
· <strong>Arbeit</strong> on demand<br />
· Interaktion Mensch-Maschine<br />
Wie immer geht es beim Einsatz neuer Technik<br />
um den Abbau von <strong>Arbeit</strong>splätzen <strong>und</strong> das<br />
Umgestalten von <strong>Arbeit</strong>sstätten <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sinhalten.<br />
Ob es dann eine »Industrie 4.0« sein<br />
wird oder nur ein neues Rationalisierungsprojekt,<br />
wird für die betrofenen Beschäftigten<br />
nicht der entscheidende Faktor sein. Betriebsräte<br />
müssen diese Trends rechtzeitig erkennen,<br />
um Gegenstrategien zu entwickeln.<br />
1 Gabler, Wirtschaftslexikon online, Stichwort »Industrie 4.0«, www.<br />
wirtschaftslexikon.gabler.de<br />
22
CuA <strong>11</strong> |<strong>2016</strong><br />
Was Industrie 4.0 bedeutet<br />
it-mitbestimmung<br />
Vernetzung durch RFID-Technik<br />
Kernstück der Industrie 4.0 soll eine r<strong>und</strong>um<br />
vernetzte <strong>und</strong> in Teilen voll automatisiert gesteuerte<br />
Produktion sein. Sie beruht auf technologischer<br />
Intelligenz, die in Produkten <strong>und</strong><br />
Maschinen eingeb<strong>und</strong>en wird.<br />
Digitale Technik hat schon heute gravierende<br />
Auswirkungen. So wird ein <strong>Arbeit</strong>er bei<br />
Amazon als »Picker« mit einem Chip am Arm<br />
eingesetzt, damit er beim Zusammenstellen<br />
der Pakete ständig erreichbar ist.<br />
»Es geht nicht<br />
mehr nur um die<br />
Flexibilität in den<br />
acht St<strong>und</strong>en<br />
<strong>Arbeit</strong>, die wir so<br />
gewohnt sind,<br />
sondern darüber<br />
hinaus.«<br />
dieter spath,<br />
langjähriger leiter des fraunhofer iao<br />
In größeren Projekten wächst mit der Autonomie<br />
in der Produktion der Kommunikationsbedarf.<br />
Über RFID verknüpfte Werkstücke,<br />
Vorprodukte, Roboter <strong>und</strong> Maschinen erzeugen<br />
eine Datenmenge, die mit neuester Software<br />
ausgewertet <strong>und</strong> mit <strong>Arbeit</strong>nehmerdaten<br />
verknüpft wird.<br />
Ein betriebliches Beispiel verdeutlicht Entwicklungen<br />
am MES, dem Manufacturing Executing<br />
System. 2 Ziel ist das Zusammenwachsen<br />
von Produktionsprozessen mit der Informationstechnologie.<br />
Versprochen wird dem<br />
Unternehmen die Steigerung der Produktivität<br />
<strong>und</strong> eine lückenlose Leistungs- <strong>und</strong> Verhaltenskontrolle<br />
der Beschäftigten. Die Maschinen<br />
werden systematisch mit Software zur Steuerung<br />
<strong>und</strong> Überwachung ausgestattet <strong>und</strong> mit<br />
den IT-Planungssystemen wie SAP verknüpft.<br />
Möglich wird so ein einheitliches Berichtswesen<br />
– die Überwachung durch MES-Systeme<br />
ist hocheizient, es bestehen umfangreiche<br />
Möglichkeiten der Rückverfolgung einzelner<br />
<strong>Arbeit</strong>sschritte. Zumal jede Maschine eine eindeutige<br />
IP-Adresse erhält, damit sie im Netzwerk<br />
identiizierbar <strong>und</strong> anzusteuern ist.<br />
<strong>Arbeit</strong> on Demand<br />
Die Industrie 4.0 will diese Technik verstärkt<br />
im Betrieb zur <strong>Arbeit</strong>ssteuerung einsetzen.<br />
<strong>Arbeit</strong> »on Demand« ist dabei ein wichtiges<br />
Schlagwort. Für die Belegschaft heißt das, direkt<br />
nach K<strong>und</strong>enauftrag zu produzieren. Es<br />
wird also erhöhten Zeitdruck geben. »Mit<br />
der Gestaltung cyber-physischer Systeme eng<br />
verb<strong>und</strong>en ist das Ziel, die Flexibilität in Bezug<br />
auf K<strong>und</strong>enerwartungen <strong>und</strong> -wünsche<br />
zu erhöhen. Das setzt neben lexibler Technik<br />
voraus, dass sowohl die Betriebs- als auch die<br />
<strong>Arbeit</strong>szeit lexibel bezüglich der Kapazitätsbedarfe<br />
ist«, formuliert Klaus-Detlev Becker vom<br />
Institut für angewandte <strong>Arbeit</strong>swissenschaft. 3<br />
Ein Beispiel verdeutlicht, wie schnell diese<br />
Entwicklung Nachteile für <strong>Arbeit</strong>nehmer haben<br />
kann. Statt wie bisher der Außendienst<strong>und</strong><br />
Verwaltungsbereich wurden im Betrieb<br />
<strong>Arbeit</strong>er mit Smartphones auf Firmenkosten<br />
ausgestattet. Die Begeisterung der Beschäftigten<br />
war groß, nachdem der Werksleiter verkündete,<br />
diese Geräte könnten auch privat<br />
genutzt werden. Als dann die Meister diese<br />
jedoch öfters am Wochenende oder im Urlaub<br />
für betriebliche Kommunikation mit Mitarbeitern<br />
ihres Teams nutzten <strong>und</strong> verkündet wurde,<br />
die Mitarbeiter könnten jetzt auch über<br />
»WhatsApp-Gruppen« die Vertretung für Wochenendschichten<br />
untereinander »freiwillig«<br />
nutzen, wurden die Schwierigkeiten sichtbar.<br />
Der Betriebsrat grif in diesem Fall regelnd ein.<br />
Das Beispiel zeigt aber, dass Probleme der<br />
ständigen Erreichbarkeit zukünftig nicht auf<br />
den Dienstleistungsbereich begrenzt bleiben.<br />
Auch im Industriebereich wird es ein Handlungsfeld<br />
für die <strong>Arbeit</strong>nehmervertretung. Dabei<br />
hat eine Untersuchung der Krankenkassen<br />
die negativen Folgen der Erreichbarkeit auch<br />
im Privaten klar beschrieben 4 :<br />
· Struktur- <strong>und</strong> Kontrollverlust durch Intransparenz:<br />
Erkenntnisse der Sozialforschung<br />
zeigen, dass es für Menschen wichtig<br />
ist, eine klare Tagesstruktur zu haben.<br />
Durch ständige Erreichbarkeit geht eine solche<br />
Struktur verloren. Verschärft wird diese<br />
darum geht es<br />
1. Skeptiker bezeichnen<br />
die Industrie 4.0-Forschung<br />
als reines Marketing<br />
der B<strong>und</strong>esregierung.<br />
2. Die aktuellen Entwicklungen<br />
wie die zunehmende<br />
Vernetzung durch<br />
RFID-Technik werden<br />
noch unterschätzt.<br />
3. Assistenzsysteme führen<br />
auch in der Industrie<br />
zu einer Ausweitung der<br />
ständigen Erreichbarkeit.<br />
2 Brandt, Industrie 4.0 betrieblich gestalten, in: CuA 5/<strong>2016</strong>, 20 f.<br />
(22); siehe auch TBS NRW, Neues Produktionssystem – lexible<br />
Standards, gute <strong>Arbeit</strong>?, Heft 79, www.tbs-nrw.de<br />
3 Zitiert nach Botthof/Hartmann, Zukunft der <strong>Arbeit</strong> in Industrie 4.0,<br />
26<br />
4 iga-Report 23, Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit <strong>und</strong><br />
Präventionsmöglichkeiten, iga-Report 23, www.iga-info.de<br />
23
Für alle, die mehr wissen wollen.<br />
<strong>Computer</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
cua | it-mitbestimmung <strong>und</strong> datenschutz<br />
cua-web.de<br />
25. JAHRGANG<br />
ISSN 1863-85<strong>11</strong><br />
D <strong>11</strong>680<br />
<strong>11</strong> | <strong>2016</strong><br />
<strong>Computer</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
CuA | IT-MITBESTIMMUNG<br />
UND DATENSCHUTZ<br />
Mit Online-Archiv<br />
Neuaulage!<br />
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digitalisierung<br />
Wie mobile <strong>Arbeit</strong><br />
zum Erfolg wird<br />
industrie 4.0 Es gilt, die schleichenden Veränderungen rechtzeitig zu erkennen<br />
überwachung Beim Einsatz von Videokameras ist der Betriebsrat vor Ort zuständig<br />
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§<br />
Ihr gutes Recht:<br />
§<br />
»<strong>Computer</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>« ist erforderliches <strong>Arbeit</strong>smittel<br />
gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG bzw. § 44 Abs. 2 BPersVG<br />
sowie den entsprechenden Vorschriften der LPersVG.<br />
Ganz nah dran.<br />
Ihr Partner im <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialrecht.