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MomentMal - Vitus

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„<strong>MomentMal</strong>“<br />

„Werkstatt: Ganz nah am Arbeitsmarkt“<br />

Inklusion - Alle müssen „ver-rückt“ werden<br />

Für Eltern ein Silberstreif am Horizont,<br />

für (nicht wenige) Regeleinrichtungen<br />

ein Damoklesschwert, das über ihnen<br />

schwebt, für die Betroffenen, die täglich<br />

daran arbeiten, eigentlich nichts Neues<br />

- und doch: Was sich hinter dem Begriff<br />

„Inklusion“ verbirgt, ist nicht weniger<br />

als die „radikale Änderung eines Blickwinkels“,<br />

oft mit „Paradigmenwechsel“<br />

bezeichnet. Im Klartext: Wo sich ein<br />

Vorzeichen vom Minus in ein Plus verwandelt,<br />

eine nach innen gerichtete Bewegung<br />

nach außen wendet, der Blick<br />

vom eigenen „Teller“ dahin wandert, wo<br />

„gekocht“ wird, da eröffnen sich neue<br />

Perspektiven.<br />

Bezogen auf die Lern- und Arbeitswelt<br />

von Menschen mit Behinderungen<br />

bedeutet dies, „neue Wege zu neuer<br />

Arbeit“ zu beschreiten. Genau diesen<br />

Titel trägt auch der Abschlussbericht<br />

Leitet die Werkstatt: Johannes Münzebrock.<br />

Foto: Archiv St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

K o s t e n l o s e H a u s z e i t u n g<br />

des CaPHandy-Innovationsprojektes<br />

2010/2011, an dem Johannes Münzebrock,<br />

Werkstattleiter des St.-<strong>Vitus</strong>-<br />

Werkes, als Mitglied des Lenkungsausschusses<br />

intensiv mitgearbeitet hat.<br />

Ihre Ergebnisse hat die Projektgruppe<br />

aus der Perspektive der verschiedenen<br />

am Bildungs- und Arbeitsprozess Beteiligten<br />

formuliert und in wenigen markanten<br />

Sätzen zusammengefasst:<br />

1. Perspektive Beschäftigte: „Wer in<br />

der Werkstatt arbeitet, muss verrückt<br />

werden.“ Das heißt: Auf der Basis individueller<br />

Wünsche und Bedürfnisse und<br />

orientiert an einer „Berufsentwicklungskarte“<br />

werden innovative Arbeitsangebote<br />

geschaffen. Alle müssen sich<br />

neu ausrichten.<br />

2. Perspektive Markt: „Die Akquisitionsaktivitäten<br />

in der Werkstatt werden<br />

professionalisiert.“ Das heißt: Es müssen<br />

ausreichend Zeit, Geld und „Brain“<br />

(Kopfarbeit) für eine strukturierte und<br />

gut kommunizierte Akquisition zur Verfügung<br />

stehen.<br />

3. Perspektive Mitarbeiter: „Der Gruppenleiter<br />

als Dreh- und Angelpunkt im<br />

Werkstattgeschehen braucht u. a. mehr<br />

Eigenverantwortung, Wertschätzung<br />

und Qualifi zierung.“<br />

4. Perspektive Öffentlichkeitsarbeit:<br />

„Nur wer uns kennt, kann erkennen, was<br />

wir können!“ Das heißt: Öffentlichkeitsarbeit<br />

muss nachhaltig und regelmäßig<br />

erfolgen, sie ist eine Grundlage für die<br />

Gewinnung neuer Kunden und Arbeitsfelder.<br />

5. Perspektive Netzwerk: „Die Lösung<br />

liegt oft näher, als wir glauben!“ Das<br />

heißt: Netzwerke ermöglichen Informationsgewinn<br />

und Erfahrungsaustausch;<br />

sie gilt es aktiv mitzugestalten und zwar<br />

im Sinne eines engagierten Gebens und<br />

Nehmens.<br />

>>><br />

Ausgabe g 32 11/2011<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

„Maßarbeit“ - das beschreibt sehr gut das, was<br />

tagtäglich in den Werkstätten für behinderte<br />

Menschen geleistet wird: eine an den individuellen<br />

Ressourcen jedes einzelnen Beschäftigten<br />

anknüpfende berufl iche Bildung und eine kontinuierliche<br />

Begleitung im Erwerb oder Erhalt notwendiger<br />

Fertigkeiten zur Abwicklung von Kundenaufträgen<br />

- sei es in der Werkstatt in unseren<br />

Räumlichkeiten oder auch<br />

als ausgelagerte Arbeitsplätze,<br />

sei es beim Betrieb<br />

des „Cafés am Dom“ in<br />

Haren, in der Garten- und<br />

Landschaftspfl ege oder<br />

bei einem Logistikunternehmen<br />

in Meppen und<br />

Herzlake.<br />

„Maßarbeit“ ist auch gefragt<br />

von unserem Fachdienst<br />

für Teilhabe und<br />

Arbeitsassistenz (FTA), der<br />

sich gezielt um die Vermittlung<br />

auf den allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt kümmert und<br />

versucht, entsprechende „Nischenarbeitsplätze“<br />

zu entdecken.<br />

Ja - wir stellen uns den politischen Forderungen<br />

nach einer Intensivierung der Vermittlungsaktivitäten<br />

außerhalb der klassischen Werkstatt. Hierzu<br />

haben wir mit der Inbetriebnahme unseres<br />

Bildungszentrums auf Gut Kellerberg in Haren<br />

und der Gründung unseres Integrationsunternehmens<br />

GDA GmbH Akzente gesetzt. Ja - wir wollen<br />

uns aktiv als Marktteilnehmer um die Vergabe<br />

von Maßnahmen der Agentur für Arbeit bewerben.<br />

Ja - wir arbeiten intensiv daran, Netzwerke<br />

mit regionalen Unternehmen aufzubauen, um<br />

gerade auch unseren Schülerinnen und Schülern<br />

an der Schwelle zum Berufsleben realistische<br />

Erfahrungen in der Arbeitswelt im Rahmen von<br />

Praktika zu verschaffen. Ja - wir wollen uns ganz<br />

im Sinne des Grundgedankens der Inklusion öffnen<br />

für neue Personengruppen und auch diesen<br />

maßgeschneiderte Angebote bereitstellen.<br />

Und nein - wir wollen uns nicht nur an Vermittlungsquoten<br />

messen lassen, weil auch die Teilhabe<br />

durch Beschäftigung in der „Kernwerkstatt“<br />

großen Wert hat. Wir stellen uns ausdrücklich an<br />

die Seite der Menschen mit hohem Hilfebedarf,<br />

die bislang keine realistische Perspektive zur Teilhabe<br />

am Arbeitsleben außerhalb der Werkstatt<br />

besitzen. Und nein - wir widersprechen, wenn im<br />

Rahmen einer politisch angestrebten Öffnung<br />

des Marktes für weitere Anbieter Qualitätsstandards<br />

abgeschmolzen werden sollen.<br />

„Moment Mal“ zeigt Ihnen in der vorliegenden<br />

Ausgabe an konkreten Beispielen die Vielfalt der<br />

aktuellen Entwicklungen in unserem Kompetenzfeld<br />

„berufl iche Qualifi zierung und Teilhabe am<br />

Arbeitsleben“ auf und macht deutlich: wir werden<br />

uns auch in Zukunft für „Maßarbeit“ im Sinne<br />

umfänglicher Teilhabe am Arbeitsleben für alle<br />

engagieren.<br />

Ihr<br />

Michael Korden<br />

- Geschäftsführer -


2<br />

Arbeitswelt<br />

>>><br />

6. Perspektive Leitung: „Leitung muss<br />

die Bearbeitung aller fünf Themen initiieren.“<br />

Das heißt: Die Leitung muss die<br />

unterschiedlichen Perspektiven im Blick<br />

haben und zusammenführen, damit<br />

steht sie u. a. zwischen Mensch- und<br />

Marktorientierung, Hierarchie und Beteiligung.<br />

Erarbeitet wurden die sechs Perspektiv-<br />

Sätze auch im Rahmen eines Workshops,<br />

an dem am 28. September<br />

2010 in Köln rund 130 Menschen aus<br />

elf Werkstätten teilgenommen hatten.<br />

75 Prozent der Teilnehmer waren Menschen<br />

mit Behinderung.<br />

„Für uns ist klar: Wir sehen die Werkstatt<br />

ganz nah am Arbeitsmarkt“, sagt<br />

Johannes Münzebrock, aber er weiß<br />

auch: „Das ist ein Generationenauftrag.<br />

Es ist ja nicht so, dass wir erst heute mit<br />

dieser Arbeit beginnen und sie morgen<br />

abschließen könnten. Das ist ein sehr<br />

langer Prozess.“<br />

„Mit dem anfangen, was geht, und dann<br />

Schritt für Schritt weiter gehen“ - das ist<br />

für Johannes Münzebrock der richtige<br />

Weg. Mit der Arbeit von Tagesbildungsstätte<br />

und Berufsbildungsbereich auf<br />

Gut Kellerberg sind wichtige Etappenziele<br />

erreicht, ebenso mit den ausgelagerten<br />

Arbeitsplätzen zum Beispiel<br />

bei UV-Power und natürlich mit dem<br />

Integrationsbetrieb „GDA GmbH“ (siehe<br />

Berichte auf den Innenseiten dieser<br />

Ausgabe).<br />

Was Johannes Münzebrock Sorge bereitet:<br />

„Die Behindertenarbeit wird zu<br />

einem Markt gemacht. Dass bisherige<br />

Qualitätsstandards und Anforderungen<br />

an die Werkstätten auch für neue Marktteilnehmer<br />

gelten müssen, dafür setzen<br />

wir uns ein. Wir wollen zudem auch weiterhin<br />

für die Werkstattbeschäftigten<br />

da sein, die keine realistische Perspektive<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

besitzen und die zum Teil eben doch<br />

den geschützten Raum brauchen. Die<br />

Gesellschaft muss akzeptieren, dass<br />

ein gewisser Anteil der Bevölkerung<br />

auch dauerhaft Hilfe und Unterstützung<br />

braucht.“ Und: „Wir müssen lernen, das<br />

Scheitern zuzulassen. Im freien Spiel<br />

der Kräfte muss man auch Niederlagen<br />

einstecken. Das müssen wir alle<br />

wissen.“<br />

Ein Zwischenruf<br />

Von Johannes Münzebrock<br />

Wer kennt das Rezept der berufl ichen<br />

Qualifi zierung? Zwei Zutaten wurden<br />

den Werkstätten in den letzten Jahren<br />

serviert:<br />

Am 3. Mai 2008 trat das Übereinkommen<br />

der Vereinten Nationen über die<br />

Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

in Kraft. Damit sollen die bestehenden<br />

Menschenrechte für die<br />

Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen<br />

konkretisiert werden. Die<br />

Chancengleichheit in der Gesellschaft<br />

soll wesentlich verbessert werden. In<br />

den Artikeln 24 und 27 wird das Recht<br />

auf Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben<br />

deutlich in den Vordergrund gestellt.<br />

Ziel ist die vollständige Teilhabe<br />

durch individuell angepasste Bildungs-<br />

und Unterstützungsmaßnahmen. Im<br />

Jahr 2010 hat die Agentur für Arbeit<br />

den Werkstätten ein neues Fachkonzept<br />

vorgelegt. Die Werkstätten waren<br />

aufgefordert, daraufhin in kürzester<br />

Zeit ein Durchführungskonzept zu erarbeiten<br />

und mit den Agenturen entsprechende<br />

Zielvereinbarungen zu treffen.<br />

In diesem Zusammenhang entwickeln<br />

wir aktuell einen abgestuften Baukasten<br />

mit Modulen der berufl ichen Bildung.<br />

Diese können für die Teilnehmer<br />

inhaltlich bezogen auf Grund-, Sozial-<br />

und Fachkompetenzen unterschiedlich<br />

ausgeprägt und in unterschiedlicher<br />

organisatorischer Form - z. B. integriert<br />

in die Werkstatt, ausgelagert in<br />

unser Bildungszentrum auf Gut Kellerberg<br />

oder in Betrieben des allgemeinen<br />

Arbeitsmarktes - ausgebracht<br />

werden. Neue Rezepte haben häufi g<br />

in der Probierphase gute und motivierende<br />

Effekte. Es macht Spaß sie zu<br />

kochen und häufi g gelingt es, der eigenen<br />

Küche eine neue Geschmacksrichtung<br />

zu verleihen. Allerdings: Jede<br />

Küche muss auch darauf achten, den<br />

Geschmack ihrer Gäste zu treffen.<br />

In der Gastronomie dürfen die Gäste<br />

ihre Mahlzeit wählen. Daran sollten wir<br />

bei den vielen Rezepten, die derzeit<br />

auf dem Markt sind, denken. Bei der<br />

Vielfalt an Personen, die wir begleiten<br />

und qualifi zieren ist es uns wichtig,<br />

angemessene Fördermaßnahmen zu<br />

entwickeln. Gerade auch Menschen<br />

mit hohem Unterstützungsbedarf dürfen<br />

dabei nicht aus dem Blick geraten.<br />

Es geht nicht nur darum, innerhalb<br />

bestehender Werkstattstrukturen für<br />

Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten<br />

Raum zu schaffen, sondern<br />

darum, die Möglichkeiten der Werkstatt<br />

so zu gestalten, dass die reale<br />

Vielfalt menschlicher Lebenslagen<br />

Berücksichtigung fi ndet. Daran wollen<br />

wir gemeinsam mit unseren Beschäftigten<br />

arbeiten.<br />

Der Weg auf den „richtigen“ Arbeitsmarkt<br />

„Ich wünsche mir einen Ausbildungsplatz“<br />

Das Klingeln des Weckers zerreißt die<br />

Stille des frühen Morgens. Es ist 5 Uhr<br />

und noch stockdunkel draußen, doch<br />

für Marcel Paust startet jetzt der Arbeitstag.<br />

Pünktlich will er sein und weil er mit<br />

Bus und Bahn zum Berufsbildungsbereich<br />

im Gut Kellerberg fährt, plant er<br />

viel Zeit ein.<br />

Sehr zuverlässig sei er, lobt ihn Clemens<br />

Dickebohm, der ihn bei der zweijährigen<br />

Marcel Paust hat ein Ziel vor Augen, das er unbedingt erreichen<br />

möchte: eine Ausbildung. Darauf arbeitet er hin.<br />

Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt begleitet.<br />

Diese Verlässlichkeit sei bei anderen<br />

nicht immer selbstverständlich.<br />

Für Marcel Paust ist das wichtig, denn<br />

sein Wunsch ist eine Ausbildungsstelle<br />

auf dem Arbeitsmarkt. „In der Arbeitswelt<br />

muss sich mein Chef auch auf<br />

mich verlassen können“, erklärt Marcel<br />

Paust. Um der Ausbildung noch einen<br />

großen Schritt näher zu kommen, fehlt<br />

der Gabelstaplerführerschein - den Sehtest<br />

hat er schon mit Bravour bestanden.<br />

Einen Führerschein hat er bereits<br />

in der Tasche: Den für den Roller. „Ich<br />

hatte nur drei Fehler in der Theorieprüfung“,<br />

erinnert sich Marcel Paust stolz.<br />

Und wenn an seinem neuen Pirelli-Roller<br />

mal was kaputt ist, repariert er das<br />

ganz alleine. Dass es auf dem Arbeitsmarkt<br />

anders ist als in der Arbeitsgruppe<br />

auf Gut Kellerberg, weiß der 21-Jährige<br />

genau: „Es gibt weniger Pausen als<br />

hier, auch dort muss ich pünktlich sein<br />

>>>


und meine Arbeit ordentlich machen.“<br />

In einem vierwöchigen Praktikum hat<br />

er außerdem erfahren, dass nicht alle<br />

Arbeiten immer toll sind. Er erinnert<br />

sich an langweilige und stupide Tätigkeiten,<br />

aber trotzdem hat er „die vier<br />

Wochen durchgezogen“, sagt er stolz.<br />

In der Gruppe von Clemens Dickebohm<br />

arbeitet er mit dem Werkstoff Metall.<br />

Hier wird er gefordert, darf an die großen<br />

Maschinen, wird seinen Fähigkeiten<br />

entsprechend gefördert und wächst<br />

auch mit neuen Aufgaben. „In Mathe<br />

bin ich richtig gut, nur das Lesen, das ist<br />

meine absolute Schwäche“, gesteht er<br />

sich ein. Deshalb wird auch das geübt<br />

- mit Unterstützung vom Gruppenleiter.<br />

Immer wieder vertieft er mit der Gruppe<br />

die Arbeitsprozesse und Sicherheitsvorschriften,<br />

so weit, dass „keiner mehr<br />

ohne Schutzbrille an die Maschinen<br />

geht“, erklärt er. Und bei Fehlverhalten<br />

drohen Konsequenzen. Das zu erfahren<br />

sei wichtig für die jungen Menschen, die<br />

nur einen Wunsch haben: Endlich auf<br />

dem „richtigen“ Arbeitsmarkt Geld zu<br />

verdienen.<br />

Mein Weg zurück in den Arbeitsmarkt<br />

Arbeiten auf dem „richtigen“ Arbeitsmarkt,<br />

den Wunsch hat auch Wolfgang<br />

Jordan. Im Meppener Lohnbetrieb (MLB)<br />

ist er als Beschäftigter Lkw-Fahrer. Er<br />

fährt die Ware aus der Werkstatt in andere<br />

Unternehmen und bringt neue mit.<br />

Selber auf- und abladen, Route organisieren,<br />

Papierkram erledigen, für Wolfgang<br />

Jordan mit Unterstützung eines<br />

Werkstattmitarbeiters kein Problem.<br />

Für Wolfgang Jordan ist die Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt<br />

das oberste Ziel. Im Meppener Lohnbetrieb<br />

bereitet er sich langsam darauf vor.<br />

Das war nicht immer so. Der gelernte<br />

Tischler hielt dem Druck und Stress in<br />

der Arbeitswelt nicht stand, litt an starken<br />

Bauchschmerzen, fi el tagelang aus.<br />

Nein-Sagen, das mochte er nicht, rotierte<br />

und erkrankte. Für die Arbeitgeber<br />

unhaltbare Situationen. Arbeitslosigkeit<br />

war die Konsequenz. „Das Arbeitsamt<br />

hat mir geraten, mich doch mal im MLB<br />

zu melden“, erinnert er sich. Doch die<br />

Hemmschwelle war lange Zeit zu hoch.<br />

„Aber ich wollte doch unbedingt etwas<br />

machen, nicht rumsitzen und nichts<br />

tun“, erklärt der heute 37-Jährige. Von<br />

diesem Wunsch getrieben, nahm er seinen<br />

ganzen Mut zusammen, „nur einmal<br />

gucken“.<br />

Und nur aus diesem „Einmal-gucken“,<br />

sind gleich acht Jahre geworden. Wolfgang<br />

Jordan fühlt sich im MLB wohl.<br />

Hier wird er gebraucht, hier trägt er<br />

seinem Krankheitsbild angemessene<br />

Verantwortung, aber nur so viel, wie er<br />

schafft. Er musste seine Grenzen kennenlernen<br />

und erkennen, wann es gut<br />

ist, nein zu sagen. „Trotzdem müssen<br />

wir ihn oft genug bremsen, er mutet sich<br />

manchmal noch ein bisschen zu viel<br />

zu“, erklärt Holger Urbanek, Bereichsleiter<br />

des MLBs, in dem Menschen nach<br />

längerer psychischer Erkrankung die<br />

Möglichkeit einer berufl ichen Rehabilitation<br />

haben. Die Rückkehr in den ersten<br />

Arbeitsmarkt ist das oberste Ziel<br />

dieser Rehabilitation. Ihren Fähigkeiten<br />

entsprechend können die Menschen<br />

hier langsam den Weg zurück erlernen.<br />

Und auch, wenn Wolfgang Jordan weiß,<br />

dass die Arbeitswelt draußen für ihn<br />

Stress bedeuten kann, hält er an dem<br />

Wunsch zurückzukehren fest.<br />

Neuen Herausforderungen stellen<br />

Wie der Arbeitsmarkt da draußen tickt,<br />

weiß Nilufer Mohebbi Ahari genau. Fünf<br />

Arbeitsplätze hat die gelernte Bürokauffrau<br />

schon gehabt, Anfang Februar<br />

verlegte die junge Rollifahrerin ihren<br />

Wirkungskreis in den MLB. Deshalb ist<br />

die Tätigkeit im neu aufgebauten Büroteam<br />

nicht neu für sie. Hier kann sie<br />

ihr Können unter Beweis stellen. „Hier<br />

fühle ich mich sehr wohl. Ich habe keine<br />

Probleme mit meiner Behinderung“, betont<br />

sie. Genauso sieht es ihre Kollegin<br />

Ekaterina Richert. Auch sie ist an den<br />

Rollstuhl gebunden, aber will unbedingt<br />

etwas tun und freut sich auf die neue<br />

Herausforderung im Büroteam. Bisher<br />

hat sie an einem Computerarbeitsplatz<br />

für ein Unternehmen den Werbemittelversand<br />

organisiert. Jetzt wird sie engen<br />

Kontakt zu Menschen haben, denn das<br />

Büroteam hat die Funktion einer Anmeldung.<br />

Wer also den Meppener Lohnbetrieb<br />

besucht, kommt an Nilufer Mohebbi<br />

Ahari, Ekaterina Richert, Hendrick Rech<br />

und einer weiteren Kollegin nicht vorbei.<br />

Arbeitswelt<br />

Immer im Wechsel werden sie Anfragen<br />

von „außen“ entgegen nehmen und im<br />

Haus verteilen. Auch Hendrick Rech<br />

freut sich auf diese Aufgabe. Mit 17 Jahren<br />

wurde er krank. Er hatte gerade den<br />

Realschulabschluss gemacht und wollte<br />

ins Berufsleben starten. Starke Medikamente<br />

schränken den heute 26-Jährigen<br />

ein, aber trotzdem will er sich der<br />

neuen Aufgabe stellen. Ein Praktikum in<br />

der Anmeldung der St.-<strong>Vitus</strong> Werkstatt<br />

an der Zeissstraße hatte ihn auf die Idee<br />

gebracht, sich dem Büroteam im MLB<br />

anzuschließen.<br />

Die beiden Rollifahrerinnen Ekaterina Richert und ...<br />

Auf die neue Aufgabe bereiten die kleine<br />

Gruppe Werner Robben und Manuela<br />

Niehues vor. Sie kennen die Beschäftigten<br />

und ihre Fähigkeiten sehr gut,<br />

holen sie dort ab, wo sie stehen und<br />

konfrontieren sie auch mit neuen Aufgaben.<br />

„Wenn es einen Weg zurück in den<br />

ersten Arbeitsmarkt gibt, müssen sich<br />

die Beschäftigten hier auch mit seinen<br />

… Nilufer Mohebbi Ahari gehören zum neu gebildeten<br />

Büroteam im Meppener Lohnbetrieb.<br />

Fotos: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

Gegebenheiten auseinandersetzen“,<br />

sagt Werner Robben. Auch der Arbeitsmarkt<br />

müsse sich für die Beschäftigten<br />

mehr öffnen und auf sie einlassen, sie<br />

mit ihren Schwächen akzeptieren und<br />

mit diesen lernen umzugehen - ein gesellschaftliches<br />

Umdenken sei unabdingbar,<br />

betont Bereichsleiter Holger<br />

Urbanek.<br />

3


Mitarbeiterportrait<br />

Arbeitsmarkt<br />

4<br />

„Ein ganz normaler Arbeitstag“<br />

Ausgelagerte Arbeitsplätze beim Unternehmen UV-Power<br />

Morgens um 8.30 Uhr geht’s los. Die<br />

kleinen Flaschen mit den Kosmetikprodukten<br />

warten schon darauf, in den<br />

Faltschachteln professionell verpackt<br />

zu werden. Pünktlich startet das Team<br />

aus den Werkstätten für behinderte<br />

Menschen der St.-<strong>Vitus</strong>-Werk GmbH<br />

mit seiner Arbeit. Doch Annegret Rolfes,<br />

Ingrid Hammerla, Petra Lassahn und<br />

Martin Kahlmeier verrichten ihre Arbeit<br />

nicht im geschützten Umfeld des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes,<br />

sondern haben einen ausgelagerten<br />

Arbeitsplatz der Werkstatt<br />

für behinderte Menschen beim Meppener<br />

Unternehmen UV-Power, einem<br />

Großhändler für Solarienzubehör.<br />

„Unser erster Arbeitstag war am 29.<br />

November 2005“, an diesen Tag kann<br />

sich Martin Kahlmeier ganz genau erinnern.<br />

Denn damit begann für das Team<br />

eine Phase, in der es bis heute Verantwortung<br />

trägt und das Gefühl erfährt,<br />

gebraucht zu werden. Die Stimmung im<br />

Arbeitsraum ist gelöst und locker, das<br />

Team hat gute Laune. „Wir machen die-<br />

Ganz nah am allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten Ingrid Hammerla, ... >>><br />

sen Job wirklich gerne, es macht Spaß,<br />

dazuzugehören“, sagt Annegret Rolfes.<br />

Jeden Morgen bricht sie selbstständig<br />

zur Arbeitsstelle im Industriegebiet<br />

Meppen auf. Dass sie das kann und<br />

schafft, ist Grundvoraussetzung für diesen<br />

Arbeitsplatz. Gleichzeitig trifft auch<br />

Ingrid Hammerla bei UV-Power ein. „Ich<br />

komme mit meinem eigenen Auto“, sagt<br />

sie stolz. Genau wir ihr Ehemann verlässt<br />

sie seit fünf Jahren morgens das<br />

Haus und macht sich auf den Weg zur<br />

Arbeit. „Mein Tag bekommt damit eine<br />

Struktur“, betont sie.<br />

Fester Teil des Unternehmens<br />

Dazu gehören ein Stück „normale“ Welt<br />

erleben, in einem Leben, das aufgrund<br />

psychischer Belastungen nicht immer<br />

„normal“ ist. Auch für Martin Kahlmeier<br />

ist die Herausforderung bei UV-Power<br />

eine tolle Erfahrung. Und das Gefühl,<br />

ein Teil des Unternehmens zu sein, hat<br />

sich dank der Mitarbeitereinstellung<br />

schnell manifestiert. „Für uns gehörten<br />

sie von Anfang an dazu“, sagt Kerstin<br />

Witkabel, die sich im Unternehmen um<br />

den Einkauf der Solariumkosmetik kümmert<br />

und für Annegret Rolfes, Ingrid<br />

Hammerla, Martin Kahlmeier und Petra<br />

Lassahn, die zurzeit erkrankt ist, direkte<br />

Ansprechpartnerin und Vertrauensper-<br />

son ist. Sie erinnert sich nur noch vage<br />

an die leichten Berührungsängste zu<br />

Beginn der Zusammenarbeit, denn sehr<br />

schnell waren die auch wieder verfl ogen.<br />

„Sicherlich macht man sich am Anfang<br />

Gedanken darüber, ob Menschen mit<br />

psychischer, geistiger oder körperlicher<br />

Behinderung anders sind oder ob sie<br />

Martin Kahlmeier ... >>><br />

anders arbeiten. Aber ganz schnell wird<br />

klar: Sie sind ein Teil dieses Unternehmens<br />

und können ebenso zuverlässig<br />

arbeiten“, erklärt Kerstin Witkabel.<br />

Fähigkeiten der Menschen stehen im<br />

Mittelpunkt<br />

Auch für Waldemar Teise und Fehmi Sejdiu<br />

ist Kerstin Witkabel Ansprechpartnerin.<br />

Teise und Sejdiu waren zunächst<br />

als Werkstattbeschäftigte bei der Firma<br />

UV-Power tätig und gehören jetzt zum<br />

festen Mitarbeiterstamm der UV-Power<br />

- sind also nicht mehr Beschäftigte der<br />

Werkstatt. Waldemar Teise hat im vergangenen<br />

Jahr bei der Firma UV-Power<br />

eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik<br />

begonnen und Fehmi Sejdiu<br />

ist seit vier Jahren fester sozialversiche-<br />

rungspfl ichtiger Angestellter bei der Firma<br />

UV-Power. Dass er im Rollstuhl sitzt,<br />

ist hier kein Problem. Im Lager trägt er<br />

die Verantwortung und das funktioniert<br />

auch, wenn man an den Rolli gebunden<br />

ist. Er kontrolliert die Ware ein letztes<br />

Mal bevor sie an die Kunden rausgeht.<br />

„Ich trage gerne Verantwortung und<br />

>>>


fi nde es klasse, dass das Unternehmen<br />

mir diese überlässt“, sagt der 40-Jährige.<br />

Dass er seine Tätigkeit nur im Sitzen<br />

ausüben kann, verspürt er hier nicht als<br />

Handycap. „Wir sind an den Fähigkeiten<br />

der Menschen interessiert. Für uns<br />

spielt es keine Rolle, ob sie ein Handycap,<br />

welcher Art auch immer, haben“, erklärt<br />

Gudrun Pavic, Vertriebsleiterin von<br />

UV-Power.<br />

Selbst als die Finanzkrise über UV-Power<br />

kreiste, hielt das Unternehmen an der<br />

Zusammenarbeit mit den Beschäftigten<br />

des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes fest. Und als ein<br />

Brand im vergangenen Jahr eine Lagerhalle<br />

und somit auch den unmittelbaren<br />

Arbeitsplatz dieser sechs Beschäftigten<br />

zerstörte, bedeutete dies nicht das Ende.<br />

In den Übergangscontainern fanden sie<br />

einen neuen Arbeitsraum und sobald<br />

der Neubau der Hallen abgeschlossen<br />

ist, bekommt das Team wieder einen<br />

festen Platz - in unmittelbarer Nähe zum<br />

Büro von Kerstin Witkabel.<br />

Vertrauensperson wichtig<br />

>>> und Annegret Rolfes<br />

auf ihren ausgelagerten Arbeitsplätzen bei UV-Power, Meppen.<br />

Fotos: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

„Der enge Bezug zu einer Vertrauensperson<br />

ist für die sechs sehr wichtig.<br />

Denn sie haben Anliegen, die sensibler<br />

und intensiver betreut werden müssen“,<br />

erklärt Elisabeth Bowe vom Fachdienst<br />

für Teilhabe und Arbeitsassistenz in der<br />

Werkstatt für behinderte Menschen.<br />

Durch ihre Initiative entstand vor fünf<br />

Jahren eine Zusammenarbeit<br />

mit der<br />

Firma UV-Power - Geschäftsführer<br />

Günter<br />

Schaffron ließ sich<br />

schnell von der Idee,<br />

behinderte Menschen<br />

ins Team aufzunehmen,<br />

begeistern. In<br />

den fünf Jahren hat<br />

sich viel getan. „Jeder<br />

ist mit der Aufgabe<br />

gewachsen“, schätzt<br />

Elisabeth Bowe die<br />

Situation ein. So<br />

hat das Team mehr<br />

Selbstbewusstsein<br />

entwickelt, ist viel<br />

selbstständiger geworden.<br />

Die Mitarbeiter<br />

von UV-Power haben<br />

gelernt, die Schwächen<br />

des anderen<br />

zu respektieren und<br />

zu akzeptieren. Auch<br />

Kerstin Witkabel sieht<br />

bei sich eine Entwicklung:<br />

„Ich habe ganz<br />

schnell gelernt, dass<br />

man sich von seinen<br />

Vorbehalten trennen<br />

muss. Im Umgang mit<br />

unserem Team mache ich nur noch<br />

ganz wenige Unterschiede.“ Während<br />

sie am Anfang doch noch sehr unsicher<br />

gewesen sei, wie sie beispielsweise mit<br />

Fehlverhalten der sechs am Arbeitsplatz<br />

umgehen solle, sagt sie heute<br />

ganz klar, was geht und was nicht. „Mit<br />

einer unnötigen Schutzhaltung ist unseren<br />

Leuten nicht geholfen. Sie müssen<br />

Mitarbeiterportrait<br />

Arbeitsmarkt<br />

Infobox zum Unternehmen:<br />

UV-Power…<br />

� wurde 1989 gegründet.<br />

� vertreibt Kosmetik und Pfl ege-<br />

artikel, UV-Röhren und anderes<br />

Zubehör für Solarien.<br />

� wird geleitet vom Geschäftsführer<br />

Günter Schaffron.<br />

� startete ganz klein in der Mep-<br />

pener Innenstadt und zog 1995<br />

in das Industriegebiet Nödike.<br />

� beschäftigt heute<br />

96 Mitarbeiter.<br />

� agiert in 41 Ländern.<br />

� hat 3.000 verschiedene Artikel<br />

ständig im Lager.<br />

auch mal ihre Grenzen erfahren. Das ist<br />

überhaupt nicht schlimm. Denn daran<br />

wachsen sie“, macht Elisabeth Bowe<br />

deutlich. Eine intensive Betreuung der<br />

Unternehmer bzw. der Ansprechpartner<br />

in den Betrieben, die ausgelagerte<br />

Arbeitsplätze anbieten, ist für sie ganz<br />

wichtig, denn häufi g gebe es hier mehr<br />

Unsicherheiten als bei den Beschäftigten<br />

der Werkstätten.<br />

5


6<br />

Berufliche Bildung<br />

„Vier Stufen zum Erfolg“<br />

Berufl iche Bildung orientiert an individuellen Bedürfnissen<br />

Wer heute erfolgreich einen Beruf ausübt,<br />

hat viel gelernt - und lernt ständig<br />

dazu. Schon in der Schule beginnt die<br />

Vorbereitung auf das spätere Berufsleben<br />

mit Tagen der berufl ichen Orientierung,<br />

Maßnahmen der Agenturen für<br />

Arbeit, Ausbildungsbörsen und vielem<br />

mehr. Die berufl iche Bildung selbst<br />

fi ndet in den unterschiedlichsten Einrichtungen<br />

und Unternehmen statt: In<br />

Berufsbildungswerken und Berufsschulen,<br />

Fachschulen und natürlich in Tausenden<br />

von Unternehmen aller Branchen<br />

und Größen. Sie alle formen einen<br />

ebenso facettenreichen wie manchmal<br />

unübersichtlichen Markt an Ausbildungs-<br />

und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

- ein breites Gefl echt, in das auch<br />

das St.-<strong>Vitus</strong>-Werk eingewoben ist: In<br />

enger Kooperation mit der Agentur für<br />

Arbeit, Nordhorn, und als Mitglied der<br />

Industrie- und Handelskammer Osnabrück,<br />

Emsland, Grafschaft Bentheim<br />

sowie des Wirtschaftsverbandes Emsland<br />

ist es eng mit dem regionalen Arbeitsmarkt<br />

vernetzt.<br />

Der Einzelne im Mittelpunkt<br />

Diese Vernetzung ist nicht zufällig gewachsen,<br />

sondern wesentlicher Bestandteil<br />

des Konzeptes für Berufl iche<br />

Bildung im St.-<strong>Vitus</strong>-Werk. Im vergangenen<br />

Jahr forderten die Agenturen für<br />

Arbeit (AA) als Kostenträger die Werkstätten<br />

auf, „Durchführungskonzepte<br />

für Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich“<br />

vorzulegen. Dieser<br />

Forderung kamen die Werkstätten in<br />

kürzester Frist nach. „Ein lohnender<br />

Prozess“, sagt Maria Brüggemann, pädagogische<br />

Bereichsleiterin und zuständig<br />

für die Berufl iche Bildung geistig behinderter<br />

Menschen im St.-<strong>Vitus</strong>-Werk,<br />

rückblickend. Ziele und Maßnahmen<br />

wurden dabei strukturiert gebündelt<br />

Auf das Detail kommt es an: Der Berufsbildungsbereich im St.-<strong>Vitus</strong>-Werk führt die Jugendlichen auch an den Umgang mit<br />

Maschinen heran.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

und in ein Gesamtkonzept überführt,<br />

das die Arbeit der Werkstatt auch nach<br />

außen transparent macht. Schnell wird<br />

klar: Von grundlegender Bedeutung für<br />

die berufl iche Zukunft des Einzelnen<br />

sind eine individuelle Eignungsdiagnostik<br />

und die darauf aufbauende Bildungsmaßnahme<br />

einschließlich deren<br />

ständiger Überwachung, Fortschreibung<br />

und Anpassung an die individuellen<br />

Bedürfnisse. Das große Ziel aller Maßnahmen<br />

ist ein „größtmögliches Maß<br />

an Selbstständigkeit und Teilhabe am<br />

Arbeitsleben“.<br />

Modularer Bildungsweg<br />

Um dieses Ziel zu erreichen bzw. sich<br />

möglichst weit anzunähern, verfolgt das<br />

St.-<strong>Vitus</strong>-Werk einen „modularen Bildungsweg“<br />

mit vier Stufen:<br />

Die erste Stufe heißt „tätigkeitsorientierte<br />

Qualifi zierung“: Sie ist so gestaltet,<br />

dass Menschen mit schweren<br />

Behinderungen und unterdurchschnittlichem<br />

Kompetenzprofi l daran teilnehmen<br />

können. Sie erlernen Fertigkeiten<br />

und Kenntnisse, um einfache Tätigkeiten<br />

unter ständiger Anleitung und mit<br />

umfassender Unterstützung einer Fachkraft<br />

durchführen zu können.<br />

Auf der zweiten Stufe erfolgt eine „arbeitsplatzorientierte<br />

Qualifi zierung“,<br />

so dass Menschen mit Behinderungen<br />

und einem durchschnittlichen Kompetenzprofi<br />

l daran teilnehmen können.<br />

Sie arbeiten an einem genau defi nierten<br />

Arbeitsplatz und verstehen die Ausführung<br />

ihrer Arbeit, allerdings nicht<br />

>>>


den gesamten Arbeitsprozess. Eine<br />

Fachkraft strukturiert die Aufgaben gut<br />

vor und leitet die Beschäftigten an, damit<br />

sie stetig dazu lernen.<br />

Um „berufsfeldorientierte Qualifi zierung“<br />

geht es auf der dritten Stufe, auf<br />

der Menschen mit Behinderungen und<br />

einem überdurchschnittlichen Kompetenzprofi<br />

l eingesetzt werden können. Sie<br />

erfassen die Arbeitsprozesse innerhalb<br />

ihres Arbeitsbereiches und können sie<br />

unter Anleitung einer Fachkraft mit Hilfe<br />

verschiedener Fertigungstechniken in<br />

konkretes Handeln umsetzen. Sie arbeiten<br />

planvoll und zielgerichtet und setzen<br />

sich kritisch mit ihrer Arbeit auseinander.<br />

Die „berufsbildorientierte Qualifi zierung“<br />

(Stufe 4) ermöglicht es Menschen<br />

mit Behinderungen, sich an anerkannten<br />

Berufsbildern zu orientieren und<br />

sich weiter zu qualifi zieren. Sie können<br />

ihre Aufträge selbstständig planen, abwickeln<br />

und ausführen. Bei Bedarf fordern<br />

sie Hilfe oder beziehen das Team<br />

mit ein. Der Fachkraft obliegt hier nur<br />

die Endkontrolle.<br />

Nah am Markt<br />

In unserem Bildungszentrum auf Gut<br />

Kellerberg in Haren arbeiten die Berufsvorbereitungsstufe<br />

der Tagesbildungsstätte,<br />

ein Teil des Berufsbildungsbereichs<br />

und die Gesellschaft für Dienstleistungen<br />

und Auftragsfertigung als<br />

Integrationsbetrieb unter einem Dach.<br />

Ein wichtiger Schritt, um die jungen<br />

Menschen gezielt auf einen Einsatz auf<br />

dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten.<br />

Und genau da wollen viele von<br />

ihnen hin.<br />

„Die Entwicklung ist toll“, schwärmt Maria<br />

Brüggemann, die seit über 30 Jahren<br />

in diesem Bereich tätig ist. „Nicht nur,<br />

dass wir einen veränderten Blick auf unsere<br />

Beschäftigten haben. Die Jugendlichen<br />

selbst treten mit anderen Ansprüchen<br />

und Wünschen an uns heran. Sie<br />

haben klare Vorstellungen bzgl. ihrer<br />

Zukunft und sagen sehr deutlich, wenn<br />

sie beabsichtigen, in der Arbeitswelt<br />

Neue Medien gehören dazu. Ursula Kleinlosen führt die Schüler an die Arbeit am Computer heran.<br />

„draußen“ Fuß zu fassen.“<br />

Dennoch verweist Maria Brüggemann<br />

auch auf die Grenzen des Machbaren:<br />

„Die Menschen mit Behinderungen<br />

selbst müssen ein Gefühl für ihr Limit<br />

entwickeln und dies signalisieren. Und<br />

natürlich müssen ihnen auch die Betriebe<br />

ihre Grenzen aufzeigen.“ Offene Gespräche,<br />

eine ständige Rückmeldung,<br />

die Einbindung der gesetzlichen Betreuer<br />

- das alles begleitet schon jetzt jedes<br />

Praktikum. Dennoch: „Auch ein Scheitern<br />

ist möglich und gehört dazu.“<br />

Berufliche Bildung<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

7


8<br />

Interview<br />

„Keine Sackgasse“<br />

Werkstatt bietet Perspektiven / Elfriede Wittrock und Mara Brüggemann im Gespräch<br />

Eng kooperieren das St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

und die Agentur für Arbeit, Nordhorn,<br />

wenn es um die Berufl iche Bildung<br />

junger Menschen mit Behinderung<br />

und ihre Teilhabe am Arbeitsleben<br />

geht. Seit über 20 Jahren arbeitet Maria<br />

Brüggemann (St.-<strong>Vitus</strong>-Werk) in<br />

diesem Bereich mit Elfriede Wittrock<br />

(AA Nordhorn) zusammen, die in ihrem<br />

Haus im Team für Rehabilitanden und<br />

schwerbehinderte Menschen tätig<br />

ist. Sie ist in dieser Funktion insbesondere<br />

für die Ersteingliederung und<br />

Über Aspekte der berufl ichen Bildung im St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

sprach Maria Brüggemann vom St.-<strong>Vitus</strong>-Werk.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

damit die Erstausbildung der Jugendlichen<br />

zuständig. Elfriede Wittrock und<br />

Maria Brüggemann stellten sich den<br />

Fragen der „Moment Mal“ zur Beruflichen<br />

Bildung und ihren Wünschen.<br />

Wie kommt eigentlich ein junger<br />

Mensch in den Berufsbildungsbereich<br />

zum Beispiel des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes?<br />

Elfriede Wittrock: Entscheidend sind<br />

die persönlichen Voraussetzungen der<br />

Bewerber. Jugendliche, die sich noch<br />

nicht als ausbildungsreif erweisen, absolvieren<br />

häufi g zunächst ein Berufsvorbereitungsjahr<br />

oder eine spezielle<br />

Berufsvorbereitung durch die Berufsbildungswerke.<br />

Wenn das nicht möglich<br />

ist, wird geprüft, ob sie für eine Helfertätigkeit<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

geeignet sind. Scheidet auch das<br />

aus, ist die Werkstatt des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes<br />

die Alternative.<br />

Wer entscheidet über die Aufnahme?<br />

Elfriede Wittrock: Der zuständige<br />

Fachausschuss, in dem die Agentur für<br />

Arbeit, der Landkreis und das St.-<strong>Vitus</strong>-<br />

Werk vertreten sind. Damit sitzen Kostenträger<br />

und die durchführende Einrichtung<br />

an einem Tisch: Die Agentur für<br />

Arbeit fi nanziert die Berufl iche Bildung,<br />

der Landkreis den nachfolgenden Arbeitsbereich.<br />

Und wir alle schauen bei<br />

der Aufnahme sehr genau hin und fragen<br />

auf der Basis einer genauen Diagnostik:<br />

Geht nichts anderes?<br />

Maria Brüggemann: Das ist auch gut<br />

so. Daraus resultiert ein sehr differenziertes<br />

Arbeiten mit den Jugendlichen.<br />

Wir nutzen dazu ein diagnostisches Verfahren,<br />

mit dessen Hilfe es möglich ist,<br />

praktische und soziale Ressourcen zu<br />

erkennen. Die Jugendlichen bringen so<br />

viel mit.<br />

Wie gehen Eltern und Jugendliche mit<br />

dem Werkstatt-Eintritt um? Hat sich<br />

da in den vergangenen Jahren etwas<br />

verändert?<br />

Elfriede Wittrock: Die Anforderungen<br />

der Eltern haben sich geändert: Sie sind<br />

anspruchsvoller in Bezug auf eine optimale<br />

Förderung ihrer Kinder. Auch das<br />

Image der Werkstätten hat sich gewandelt:<br />

Früher galt der Eintritt in die Werkstatt<br />

als Sackgasse, die Aufnahme hatte<br />

etwas Endgültiges, ein Stigma. Das ist<br />

heute anders. Es lässt sich gut vermitteln,<br />

dass die Werkstatt eine Vorbereitung<br />

auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

sein kann. Das erleichtert den Eintritt.<br />

Maria Brüggemann: Und diese Sichtweise<br />

teilen auch die Jugendlichen.<br />

Auch sie haben einen höheren Anspruch,<br />

wollen nicht in der Werkstatt<br />

bleiben, sondern anschließend auf dem<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt, zum Beispiel<br />

in einem Altenheim, arbeiten.<br />

Über die Schulter geschaut: Interessiert verfolgten Elfriede Wittrock<br />

und Maria Brüggemann das Aussägen von Engelsfl ügeln.


ock<br />

Das Ausbildungsgeld, das die Jugendlichen<br />

in den 27 Monaten im Berufsbildungsbereich<br />

erhalten, erscheint<br />

äußerst niedrig. Geht da nicht mehr?<br />

Elfriede Wittrock: Jeder Jugendliche<br />

erhält im ersten Jahr monatlich 63 Euro,<br />

im zweiten Jahr 75 Euro. Das ist nicht<br />

viel, aber wir fi nanzieren ja die gesamte<br />

Maßnahme inklusive Fahrtkosten, Verpfl<br />

egung und Unterrichtsmaterial. Wenn<br />

Sie das hochrechnen, kommen Sie ganz<br />

sicher auf ein „normales“ Ausbildungsgehalt.<br />

Berufl icher Bildungsbereich und Werkstatt<br />

suchen die Nähe zum Arbeitsmarkt.<br />

Gilt das auch umgekehrt?<br />

Öffnet sich der Arbeitsmarkt für Menschen<br />

mit Behinderung?<br />

Elfriede Wittrock: Wir sind froh, wenn<br />

wir im Jahr ein bis zwei Praktikumsplätze<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

fi nden. Aber die ausgelagerten Arbeitsplätze,<br />

also Werkstattarbeitsplätze, die<br />

in Unternehmen angesiedelt sind, und<br />

die Integrationsbetriebe sind schon ein<br />

Gewinn.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

Warum ist es so schwer, geeignete<br />

Stellen zu fi nden?<br />

Elfriede Wittrock: Die Anforderungen<br />

an die berufl ichen Qualifi kationen sind<br />

permanent gestiegen. Die Kräfte, die<br />

wir gern vermitteln würden, scheitern<br />

nicht an den Aufgaben, die sie erledigen<br />

müssten, sondern an der fehlenden<br />

Qualifi kation, insbesondere den intellektuellen<br />

Anteilen und den Schulabschlüssen.<br />

Es gibt einzelne Nischenarbeitsplätze,<br />

die muss man suchen.<br />

Maria Brüggemann: Die ausgelagerten<br />

Arbeitsplätze bieten Perspektiven.<br />

Damit können wir zeigen, was unsere<br />

Menschen mit Behinderungen leisten<br />

können.<br />

Elfriede Wittrock: Ja, ich glaube, dass<br />

das gelingen kann.<br />

Ist die Zurückhaltung der Betriebe<br />

möglicherweise auch auf die Angst<br />

zurückzuführen, dass sie sich auf<br />

ewig an diese Beschäftigten binden?<br />

Elfriede Wittrock: Auf jeden Fall ist<br />

die tatsächlich geäußerte Angst, „den<br />

werde ich nicht mehr los“ vollkommen<br />

unbegründet. Umgekehrt könnten die<br />

Rahmenbedingungen, die das Schwerbehindertengesetz<br />

bietet, es für Unternehmen<br />

sogar attraktiv machen, Menschen<br />

mit Behinderung einzustellen. Wir<br />

informieren die Betriebe entsprechend.<br />

Sie können sich aber auch an das Integrationsamt<br />

des Landes wenden.<br />

Maria Brüggemann: Da gibt es offenbar<br />

viele Missverständnisse. Eine Aufklärung<br />

der Betriebe ist notwendig und<br />

daran arbeiten wir mit. Als St.-<strong>Vitus</strong>-<br />

Werk wollen wir mit Hilfe unserer Netzwerkpartner<br />

hier entsprechende Anstöße<br />

geben.<br />

Interview<br />

Wenn Sie einen Wunsch äußern dürften<br />

bzgl. der Zukunft der Berufl ichen<br />

Bildung - wie würde der lauten?<br />

Maria Brüggemann: Ich würde mir<br />

das dritte Ausbildungsjahr wünschen.<br />

Es wäre toll, wenn unsere jungen Leute<br />

mehr Zeit bekämen.<br />

Elfriede Wittrock: Eigentlich kann ich<br />

sagen: Hier ist alles im Fluss, weiter so.<br />

Aber es wäre natürlich schön, wenn wir<br />

mehr hinaus könnten auf den allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Über Aspekte der berufl ichen Bildung im St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

sprach Elfriede Wittrock von der Agentur für Arbeit.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

9


10<br />

Mitarbeiterporträt<br />

„Was er will, was er kann, was ist möglich?“<br />

Elisabeth Bowe, Leiterin des Fachdienstes Teilhabe und Arbeitsassistenz<br />

Als Elisabeth Bowe vor genau zehn Jahren<br />

ihre Arbeit in der Werkstatt für behinderte<br />

Menschen in der St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

GmbH beginnt, ticken die Uhren noch<br />

ganz anders. „Werkstatt nach außen<br />

geöffnet? Wo denken sie hin“, erinnert<br />

sie sich. Dem Motto „Einmal Werkstatt<br />

immer Werkstatt“ sollte das Projekt Qualifi<br />

zierung- und Vermittlungsdienst (QVD)<br />

zu Leibe rücken. Dass die Werkstatt<br />

sich nun für Unternehmen öffnen sollte<br />

und Beschäftigte somit die Chance<br />

haben sollten, einen Weg in den ersten<br />

Arbeitsmarkt zu fi nden, war zu Beginn<br />

von Elisabeth Bowes Arbeit kaum vorstellbar.<br />

„Werkstatt war damals dazu da,<br />

die Menschen mit Behinderungen sinnvoll<br />

zu beschäftigen. In Arbeitsgruppen<br />

gab es dann, in dem von der Außenwelt<br />

geschützten Raum, Aufgaben, die den<br />

Fähigkeiten der Beschäftigten entsprachen“,<br />

erinnert sich Elisabeth Bowe.<br />

Ausgelagerter Arbeitsplatz, Vermittlung<br />

in den ersten Arbeitsmarkt, Werkstatt<br />

als Dienstleister in anderen Unternehmen?<br />

Ein Thema mit Unsicherheitsfaktor<br />

und Zukunftsmusik.<br />

Ein Netzwerk ist entstanden<br />

Heute, zehn Jahre später, hat sich viel<br />

getan. Der Bereich, den Elisabeth Bowe<br />

leitet, heißt nicht mehr QVD sondern<br />

„Fachdienst Teilhabe und Arbeitsassistenz“<br />

(FTA). Personelle Unterstützung<br />

gibt es seit Juni 2008 vom gelernten<br />

Gärtner Thomas Beelmann und seit<br />

September dieses Jahres von der Studiumspraktikantin<br />

Lisa Schwarz. „Heute<br />

werden rund 30 Beschäftigte vom FTA<br />

in der Arbeitswelt begleitet“, sagt Bowe.<br />

Zwar haben die meisten von ihnen „nur“<br />

einen ausgelagerten Arbeitsplatz, sind<br />

somit noch Beschäftigte der Werkstatt<br />

für behinderte Menschen, aber sie sind<br />

in Firmen der Umgebung beschäftigt.<br />

Ihre Erfolgsquote: Im Durchschnitt konnte<br />

sie in jedem Jahr einen Beschäftigten<br />

im ersten Arbeitsmarkt verankern. Dafür<br />

bedarf es eines intensiven „Klinkenputzens“<br />

bei den örtlichen Unternehmen.<br />

Die Nachfrage der Beschäftigten nach<br />

Praktika und oder Arbeitsplätzen auf<br />

dem allgemeinen Arbeitsmarkt steigt<br />

stetig. Kommt jemand mit dem Wunsch<br />

in ihr Büro, werden zuerst die Voraussetzungen<br />

gemeinsam geklärt. Was will er,<br />

was kann er, was ist möglich? Danach<br />

zieht Elisabeth Bowe los, sucht das passende<br />

Unternehmen - eine der schwierigsten<br />

Aufgaben in ihrem Bereich.<br />

„Denn in einer Leistungsgesellschaft<br />

wie der unseren ist es nicht leicht, ein<br />

Unternehmen zu fi nden, das unseren<br />

Beschäftigten mit ihren Handycaps eine<br />

Chance gibt“, erklärt sie. Mit den Jahren<br />

hat sie ein enges Netz mit Unternehmen<br />

aufgebaut, die sich dieser Herausforderung<br />

gerne stellen. Auch dieses Netzwerk<br />

wächst kontinuierlich.<br />

>>>


Berufl iche Qualifi zierung für<br />

Menschen mit Behinderung<br />

Darüber hinaus wurde unter Bowes Federführung<br />

ein umfangreiches Fort- und<br />

Weiterbildungsangebot für die Werkstattbeschäftigten<br />

gestrickt. Wie viele<br />

Kurse es mittlerweile sind, ist in einer<br />

Zahl schwer zu fassen, das Kursheft ist<br />

allerdings daumendick. „Dass Beschäftigte<br />

einen Gabelstaplerführerschein<br />

machen können, daran war vor zehn<br />

Jahren nicht zu denken“, erinnert sich<br />

die Diplom Sozialpädagogin. Qualifi zierung<br />

der Werkstattbeschäftigten sei<br />

heute ein wichtiger Teil der Werkstattarbeit.<br />

Schade sei nur, dass die Teilnahmenachweise<br />

in der „normalen“ Arbeitswelt<br />

nicht anerkannt sind. „Das hat<br />

auch arbeitsschutzrechtliche Gründe“,<br />

erklärt Elisabeth Bowe. Als Qualitätsmanagementbeauftragte<br />

begleitete sie<br />

den langen und arbeitsintensiven Zertifi<br />

zierungsprozess und erntete dafür im<br />

vergangenen Jahr mit der Zertifi zierung<br />

die Lorbeeren. „Auch für die Arbeit einer<br />

Werkstatt ist eine solche Auszeichnung<br />

ein wichtiges Aushängeschild“, betont<br />

die Fachdienstleiterin.<br />

Als Sozialpädagogin im Fachdienst Teilhabe<br />

und Arbeitsassistenz der Werkstatt<br />

steht für Elisabeth Bowe der Mensch,<br />

den sie betreut, im Mittelpunkt. „Den<br />

Menschen ernst nehmen, mit seinen<br />

Stärken und Schwächen, Wünschen<br />

und Bedürfnissen sowie offen und klar<br />

im Umgang miteinander“ ist ein grundlegender<br />

Bestandteil ihrer Arbeit.<br />

Elisabeth Bowe ist die Schnittstelle zwischen dem St.-<strong>Vitus</strong>-Werk und dem allgemeinen Arbeitsmarkt.<br />

Mitarbeiterporträt<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

11


12<br />

Mitarbeiterporträt<br />

„Es ist gut, wieder eine Aufgabe zu haben“<br />

GDA-Mitarbeiter Thomas Reimann<br />

„Das Leben ist viel zu kurz für ein langes<br />

Gesicht!“ Thomas Reimann nimmt man<br />

diesen Satz ab. Vor drei Jahren riss ihn<br />

ein schwerer Arbeitsunfall aus seinem<br />

Lebens- und Arbeitsalltag heraus. Der<br />

gelernte Straßenbauer und Tischler, der<br />

sogar für einige Jahre selbstständig war,<br />

verunglückte an einer Maschine und ist<br />

seitdem stark eingeschränkt: Sein linker<br />

Arm und die linke Hand kann der<br />

Linkshänder nur wenig belasten, auch<br />

die Beweglichkeit ist begrenzt. Schnell<br />

stand für den damals 44-Jährigen fest:<br />

„Auf dem ersten Arbeitsmarkt habe ich<br />

unmittelbar keine Chance mehr.“<br />

Über langwierige Reha-Maßnahmen<br />

und verschiedene Stationen unter<br />

anderem in der Jugendwerkstatt der<br />

Volkshochschule eroberte er sich nach<br />

und nach die Arbeitswelt zurück. Seit<br />

dem 15. März steht er in Diensten der<br />

Gesellschaft für Dienstleistungen und<br />

Auftragsfertigungen (GDA GmbH), „darauf<br />

war ich über eine Zeitungsanzeige<br />

aufmerksam geworden und dachte mir,<br />

da bewirbst du dich einfach mal“.<br />

Entscheidend: Die „dritte Hand“<br />

Warum ist sich der qualifi zierte Handwerker<br />

sicher, auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />

nicht mehr Fuß fassen zu können? „Ich<br />

brauche häufi g die „dritte Hand“, also<br />

jemanden, der mir zur Hand geht, mich<br />

unterstützt, mir etwas hält. Die Montage<br />

einer zweistufi gen Rigips-Decke zum<br />

Kann heute wieder strahlen: Thomas Reimann.<br />

Ein schwerer Arbeitsunfall warf ihn aus der berufl ichen Bahn; mit der GDA hat er zurück in die Spur gefunden.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

Beispiel kann ich fachlich einwandfrei<br />

anleiten, ich schaue dem Kollegen über<br />

die Schulter und kann korrigierend eingreifen.<br />

Nur selbst montieren kann ich<br />

sie nicht oder eben nur mit der ‚dritten<br />

Hand‘.“ Das aber reicht für eine Beschäftigung<br />

in einem nicht integrativen<br />

Betrieb nicht aus: „Da gilt es, allein entsprechende<br />

Aufgaben noch dazu in engem<br />

zeitlichen Rahmen abzuarbeiten.“<br />

Heute sieht sich der fünffache Familienvater<br />

- „ja, meine Kinder haben mich<br />

gerade in der schweren Zeit gut eingespannt<br />

und damit unterstützt“ - auch in<br />

der Rolle des „Erklärers“: „Natürlich gibt<br />

es draußen viel Skepsis was die Arbeit<br />

der GDA angeht. Aber ich erkläre dann<br />

sehr genau, wie ich die jeweilige Aufgabe<br />

angehe und abarbeiten werde. Daraus<br />

können die Kunden sehr schnell meinen<br />

Fachverstand und meine Erfahrung<br />

ablesen - das schafft Vertrauen.“ Das<br />

häufi ge „Sich-erklären-müssen“ war für<br />

Thomas Reimann anfangs ungewohnt,<br />

aber er hat sich schnell in die Rolle eingefunden.<br />

„Vielleicht kam ich gleich gut<br />

mit den Menschen ins Gespräch, weil<br />

ich dies aus meiner Selbstständigkeit ja<br />

schon kannte“, vermutet er.<br />

>>>


Mitarbeiterporträt Integration<br />

>>><br />

Wesentlich: Im Team arbeiten<br />

Dass er sich zum Botschafter für die<br />

Leistungsfähigkeit der GDA macht, steht<br />

für ihn außer Frage. „Das ist ja sehr in<br />

meinem Interesse, meinen Arbeitgeber<br />

so gut wie möglich zu vertreten“, meint<br />

er und identifi ziert sich mit der neuen<br />

Aufgabe ebenso wie mit dem Integrationsbetrieb<br />

insgesamt.<br />

Unerlässlich für die Erfüllung der Aufgaben<br />

in der GDA ist für ihn Teamfähigkeit:<br />

„Man ist aufeinander angewiesen,<br />

da muss man auch im Team arbeiten<br />

können.“ Und diese Teamarbeit ist für<br />

ihn - der den Arbeitsmarkt aus den verschiedensten<br />

Perspektiven kennt - in<br />

jeder Hinsicht ein Gewinn: „Ich bin froh<br />

hier zu sein, wieder zur Arbeit fahren zu<br />

können. Es ist gut, wieder eine Aufgabe<br />

zu haben.“<br />

Privat engagiert sich Thomas Reimann<br />

natürlich für seine große Familie, pfl egt<br />

darüber hinaus aber auch noch ein Hobby:<br />

„Früher war es das Angeln, das geht<br />

jetzt nicht mehr, weil mir die nötige Sensibilität<br />

in der linken Hand fehlt. Dafür<br />

habe ich mich jetzt aufs Räuchern spezialisiert“,<br />

erzählt er und outet sich als<br />

leidenschaftlicher Fischgenießer.<br />

Wie berufl ich, so hat er also auch in<br />

Bezug auf sein Hobby die „Kurve gekriegt“.<br />

Das ist nicht selbstverständlich,<br />

aber entspricht seiner positiven Grundhaltung:<br />

„Nicht zurückschauen, sondern<br />

umdrehen nach vorne und weiter<br />

geht´s!“<br />

Bemerkenswert.<br />

„Eine Option, die sich rechnet“<br />

Integrationsbetrieb GDA GmbH<br />

„Eine Option, die sich rechnet“, wirbt<br />

die Gesellschaft für Dienstleistungen<br />

und Auftragsfertigung, kurz GDA, für<br />

sich. In der Tat: Eine Option, die sich<br />

für alle Beteiligten lohnt. Denn die<br />

GDA ist ein Integrationsbetrieb und<br />

das heißt: Sie erbringt Leistungen,<br />

die den Standards des allgemeinen<br />

Marktes entsprechen, und beschäftigt<br />

hierzu Menschen, die in anderen<br />

Unternehmen eben keine Chance hätten.<br />

40 bis 50 Prozent der Mitarbeiter<br />

gelten als „schwer behindert“ -<br />

darunter mehrfach qualifi zierte Handwerker,<br />

die zum Beispiel durch einen<br />

schweren Arbeitsunfall körperlich<br />

beeinträchtigt sind (siehe Mitarbeiterporträt<br />

Thomas Reimann).<br />

Die GDA GmbH ist eine gemeinnützige<br />

Tochter der Kinderhilfe Meppen e.V.<br />

und als Integrationsunternehmen nach<br />

§132 SGB IX anerkannt. Alle Mitarbeiter<br />

werden entsprechend branchenüblicher<br />

Tarife entlohnt. Am 1. März 2011<br />

hat die GDA ihre Dienstleistungstätigkeit<br />

aufgenommen - nach anderthalb<br />

Jahren Vorbereitung.<br />

Betriebsleiter Daniel Rolfes: „Aktuell<br />

arbeiten bei uns fünf sozialversicherungspfl<br />

ichtig beschäftigte Mitarbeiter<br />

- Handwerker unterschiedlicher<br />

Gewerke - punktuell unterstützt durch<br />

zwei geringfügig beschäftigte Mitarbeiter.<br />

Unsere Arbeitsschwerpunkte<br />

sind momentan der Renovierungs-<br />

und der Reinigungsservice. Hinzu<br />

kommen Entrümpelungen sowie ein<br />

Hof- und Heimservice mit Angeboten<br />

zur Gartenpfl ege oder der Unterstützung<br />

von Umzügen.“<br />

Fachlich einwandfreie Arbeit<br />

Der Anspruch, den Daniel Rolfes an<br />

seine Mitarbeiter stellt, erscheint<br />

hoch, muss aber erfüllt werden, wenn<br />

die GDA am Markt bestehen will:<br />

„Wir müssen produktiv arbeiten und<br />

fachlich einwandfrei“, sagt er. „Mittelfristig“,<br />

so die Zielsetzung der GDA,<br />

„wird zudem erwartet, dass sich das<br />

Unternehmen wirtschaftlich selbst<br />

trägt.“<br />

So weit ist es zwar noch nicht ganz,<br />

aber der Anfang ist gemacht. Noch<br />

erhält die GDA ihre Aufträge zu einem<br />

großen Teil aus den Einrichtungen des<br />

St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes, grundsätzlich kann<br />

aber jeder die Dienste der GDA in Anspruch<br />

nehmen. Und genau da möchte<br />

Daniel Rolfes hin. „Privathaushalte<br />

>>><br />

13


14<br />

Integration<br />

>>><br />

und Firmen, Gemeinden und Pfl egeeinrichtungen<br />

wie Krankenhäuser und<br />

Altenheime - jeder kann sich an uns<br />

wenden.“ Geringere Preise kann Daniel<br />

Rolfes nicht versprechen, denn die<br />

GDA unterliegt den allgemeinen Markt-<br />

und Wettbewerbsbedingungen. Das gilt<br />

eben auch für die zu zahlenden Löhne<br />

und die sonstige Kostenstruktur. Dennoch<br />

bietet sich die GDA gerade als<br />

Dienstleister für öffentliche Auftraggeber<br />

und soziale Einrichtungen an,<br />

meint Daniel Rolfes: „Unsere Aufgabe<br />

ist es, Wirtschaftlichkeit und sozialen<br />

Auftrag in ein Gleichgewicht zu bringen<br />

und dort zu halten. Das ist nicht leicht<br />

und dazu sind wir auf das Vertrauen unserer<br />

Auftraggeber angewiesen.“<br />

Leitet das Integrationsunternehmen GDA:<br />

Sozialökonom Daniel Rolfes. Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

Kontakt: GDA GmbH, Daniel Rolfes<br />

Tel.: (0 59 32) 5 00 - 46 13<br />

Fax: (0 59 32) 5 00 - 46 19<br />

E-Mail: gda@vitus-werk.de<br />

Grenzen akzeptieren, Beschäftigte<br />

fördern<br />

Das wissen auch die Mitarbeiter, die<br />

nicht nur deshalb hoch motiviert zu<br />

Werke gehen. Sie gehören zu den wenigen<br />

Menschen, die trotz ihrer Behinderung<br />

eine Stelle auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt gefunden haben. „Dauerhafte<br />

Teilhabe am Arbeitsleben“ heißt<br />

das Ziel unter dem großen Stichwort<br />

„Inklusion“. Die GDA kommt diesem Ziel<br />

ein Stück näher.<br />

Bei alledem sind die Mitarbeiter allerdings<br />

darauf angewiesen, dass ihnen<br />

angesichts bestehender Einschränkungen<br />

und begrenzter Belastbarkeit<br />

eine höhere Akzeptanz von Seiten des<br />

Arbeitsgebers entgegengebracht wird.<br />

„Darum wissen wir und das akzeptieren<br />

wir“, so Rolfes. „Mit einer intensiven<br />

arbeitsbegleitenden Betreuung, berufl icher<br />

Weiterbildung auch in Form außerbetrieblicher<br />

Maßnahmen erhalten die<br />

Mitarbeiter unsere Unterstützung.”<br />

Die Voraussetzungen, die potenzielle<br />

GDA-Mitarbeiter mitbringen müssen,<br />

umreißt Daniel Rolfes so: „Zunächst<br />

gilt: Berufl iche Erfahrung und entsprechende<br />

Vorkenntnisse sind immer hilfreich.<br />

Im Bereich „Reinigungsservice“<br />

ist aber auch ein Quereinstieg möglich;<br />

das gilt ebenso für die Hilfskräfte in den<br />

handwerklichen Aufgabengebieten. Unsere<br />

Handwerker dagegen bringen als<br />

ausgebildete Fachkräfte notwendiges<br />

Fachwissen und Erfahrung in den Betrieb.“<br />

Im Moment beschäftigt die GDA<br />

ausschließlich Mitarbeiter, die nicht<br />

aus dem St.-<strong>Vitus</strong>-Werk kommen, also<br />

nicht aus dem Berufsbildungsbereich<br />

oder der Werkstatt übernommen wurden.<br />

„Das ist ein zweiter Schritt“, erklärt<br />

Rolfes. „Selbstverständlich wollen wir<br />

uns auch für Werkstattbeschäftigte öffnen.<br />

Schließlich wollen wir ja die Lücke<br />

zwischen den Werkstätten und dem<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt verringern.“<br />

Kostenfreie Beratung<br />

Angesiedelt ist die Gesellschaft für<br />

Dienstleistungen und Auftragsfertigungen<br />

auf dem Gut Kellerberg in Haren-<br />

Emmeln. „Tagesbildungsstätte, Berufsbildungsbereich<br />

und GDA unter einem<br />

Dach - so rücken berufl iche Bildung und<br />

Arbeitsmarkt ganz eng zusammen“,<br />

stellt der Betriebsleiter fest, obwohl er<br />

sich die GDA auch an einem zentraleren<br />

Standort vorstellen könnte. Aber genau<br />

das gehört ja auch zur Teilhabe am<br />

allgemeinen Arbeitsleben: Flexibilität<br />

und Mobilität - seinen Weg zur Arbeit<br />

meistern, auch wenn längere Strecken<br />

zu überwinden sind, und täglich neu<br />

aufbrechen, um immer neue Aufgaben<br />

zu bewältigen.<br />

Wer sich für die Dienstleistungen der<br />

GDA interessiert, kann ein entsprechendes<br />

Angebot anfordern oder zunächst<br />

ein unverbindliches Beratungsgespräch<br />

führen; die GDA geht auf individuelle<br />

Kundenwünsche ein und setzt die<br />

gewünschten Qualitätsmaßstäbe um.<br />

Bei komplexen Aufträgen - zum Beispiel<br />

Wohnungsumzügen - können die unterschiedlichen<br />

Leistungsbereiche jederzeit<br />

kombiniert werden.


„Kurz notiert“<br />

Adventsbegleiter<br />

Seit drei Jahren begleitet das kleine<br />

Heft mit dem Titel „Schritte durch den<br />

Advent“ durch die Vorweihnachtszeit.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Religion im<br />

Zentrum für Hör- und Sprachtherapie<br />

des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes hat den Adventsbegleiter<br />

entwickelt. Er bietet Heiteres,<br />

Nachdenkliches, Meditatives, Rezepte,<br />

Tipps und Anregungen für die Gestaltung<br />

der Adventszeit. Auch für diese Vorweihnachtszeit<br />

steht der Kalender für<br />

den Selbstkostenpreis von 2,50 Euro in<br />

der Geschäftsstelle des St.-<strong>Vitus</strong>-Werkes<br />

oder im Zentrum für Hör- und Sprachtherapie<br />

zum Verkauf. Vorbestellungen werden<br />

bereits jetzt vormittags im Sekretariat<br />

des Zentrums für Hör- und Sprachtherapie<br />

unter Tel. 05931 93030 oder<br />

per E-Mail: ulla.kroeger@vitus-werk.de<br />

entgegengenommen.<br />

Die „grüne Oase“ der Entspannung<br />

Als gemütliche „Kaffee Lounge“ zum<br />

Entspannen und miteinander ins Gespräch<br />

kommen öffnet die „Grüne Oase“<br />

ihre Türen. Billard, Kicker und andere<br />

Spiele sorgen im offenen Treff für Men-<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mittwochs: 17.00 - 21.00 Uhr<br />

Samstags: 14.00 - 20.00 Uhr<br />

Sonntags: 14.30 - 21.00 Uhr<br />

Grüne Oase als Treffpunkt für Menschen mit<br />

und ohne Behinderung.<br />

Foto: Archiv St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

schen mit und ohne Behinderung für<br />

unterhaltsame Stunden. Herzlich willkommen<br />

sind all diejenigen, die Spaß an<br />

gemeinsamer Freizeit und interessanten<br />

Begegnungen haben. Betreut wird das<br />

Begegnungscafé von ehrenamtlich tätigen<br />

Menschen mit Behinderung, denn<br />

wer könnte die Lebenssituationen von<br />

behinderten Menschen besser verstehen<br />

als die Betroffenen selber?<br />

Begegnung im künstlerischen Dialog<br />

Das vor einem Jahr gestartete und vom<br />

Caritasverband ausgeschriebene Kunstprojekt<br />

„b.Kunst - Kunst kennt keine Barrieren“<br />

fand am 9. September in Berlin<br />

mit einer Vernissage seinen Höhepunkt.<br />

Acht Kinder der Blumengruppe aus dem<br />

Heilpädagogischen Kindergarten und 19<br />

Schüler des ersten Schuljahres der Overbergschule<br />

präsentierten in der Galerie<br />

Schuster in Berlin ihr künstlerisches Talent.<br />

In zwei Projektwochen und mehreren<br />

Projekttagen wurden mit Unterstützung<br />

der Kunstschule Koppelschleuse,<br />

des J@m-Centers und der Künstlerin<br />

Roswitha Lammersdorf eindrucksvolle<br />

Requisiten hergestellt, Filme gedreht,<br />

Stühle und Bänke angemalt und eigene<br />

Bilder gestaltet. Weitere Fotos und Berichte<br />

gibt es im Internet unter www.bkunst.de,<br />

www.galerie-schuster.de und<br />

www.jam-line.de!<br />

Herzenswünschen den „Weg weisen“<br />

Das Projekt „Wegweisen“ erfüllt Menschen<br />

mit Behinderungen Herzenswünsche.<br />

Denn sie haben Wünsche, die nicht<br />

so ohne weiteres erfüllt werden können.<br />

Mit dem Projekt, das im November 2010<br />

bistumsweit gestartet ist, sollen diese<br />

Wünsche in Erfüllung gehen. Im Mittelpunkt<br />

des Projektes stehen Holzpfeile,<br />

die die Menschen mit Herzenswünschen<br />

mit Angaben zu ihrer Person und<br />

ihrem Herzenswunsch gestalten und ihn<br />

an die Stelle weitergeben, die diesen<br />

Herzenswunsch erfüllen soll. Und dafür<br />

brauchen wir Menschen, die sich als<br />

Vermittler solcher Herzenswünsche an<br />

ihren Wohnorten zur Verfügung stellen.<br />

Auch, wer sich einen Wunsch erfüllen<br />

möchte, kann sich bei Veronika Röttger<br />

Holzpfeile werden mit Herzenswünschen gestaltet.<br />

Foto: Archiv St.-<strong>Vitus</strong>-Werk<br />

Aktuelles<br />

in der Kontaktstelle „Gemeindenähe /<br />

Ehrenamt“ unter Tel. 05931 807-252<br />

oder bei Michael Knüpper, Seelsorge<br />

für Menschen mit Behinderungen, unter<br />

Tel. 05931 807-141 melden.<br />

Kleiner Schritt mit großer Wirkung<br />

Pfarrer Johannes Bartke und Pastor Detlef Stumpe (v.l.)<br />

segnen die neue Außenstelle des Kompetenzfeldes „Kindliche<br />

Entwicklung und Familie“ des St.-<strong>Vitus</strong>-Werks.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

Mit einer Einsegung durch Pfarrer Johannes<br />

Bartke und Pastor Detlef Stumpe<br />

wurde nun auf dem städtischen<br />

Grundstück in Haselünne eine weitere<br />

Außenstelle des Kompetenzfeldes<br />

„Kindliche Entwicklung und Familie“<br />

des St.-<strong>Vitus</strong>-Werks offi ziell in Betrieb<br />

genommen. Nach nur dreimonatiger<br />

Bauzeit kann das St.-<strong>Vitus</strong>-Werk einen<br />

weiteren großen Schritt in Richtung Dezentralisierung<br />

und Teilhabe gehen. Koordinatorin<br />

für Haselünne und Leiterin<br />

des Heilpädagogischen Kindergartens<br />

Petra Overkamp freut sich über eine<br />

Die Kinder der Kindertagesstätte St. Ursula, des Sprachheilkindergartens<br />

und des Heilpädagogischen Kindergartens<br />

singen den Gästen der Eröffnungsfeier ein Lied.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

enge Kooperation zwischen der Kindertagesstätte<br />

St. Ursula sowie dem<br />

Sprachheilkindergarten und dem Heilpädagogischen<br />

Kindergarten. Angebote<br />

der heilpädagogischen Arbeit und des<br />

Sprachheilkindergartens können nun<br />

direkt vor Ort in Anspruch genommen<br />

werden. Kinder können zusammen<br />

spielen und lernen und Eltern fi nden<br />

Bildungs-, Beratungs-, Förder- und Therapieangebote<br />

eines interdisziplinären<br />

Teams für sich und ihre Kinder - alles<br />

unter einem Dach.<br />

15


Kontakt Besondere Wünsche<br />

Geschäftsstelle:<br />

Zeissstraße 5<br />

49716 Meppen<br />

Telefon 0 59 31 - 807 - 0<br />

Telefax 0 59 31 - 807-170<br />

email info@vitus-werk.de<br />

www.vitus-werk.de<br />

Impressum:<br />

V.i.s.d.P.:<br />

Michael Korden<br />

Geschäftsführer St.-<strong>Vitus</strong>-Werk GmbH<br />

Redaktion:<br />

A. Becker, M. Becker, M. Backs,<br />

St.-<strong>Vitus</strong>-Werk GmbH<br />

K. Mehring,<br />

Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

www.pro-t-in.de<br />

Schön! Gestalten und werben GmbH<br />

www.schoen-gestalten.de<br />

Layout, Satz und Produktion:<br />

CHRISTOFFERS<br />

agentur für mediengestaltung & -produktion e.K.<br />

www.christoffers-medien.de<br />

Fotos:<br />

Archiv St.-<strong>Vitus</strong>-Werk GmbH, Meppen<br />

Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

DCV/Anke Jacob<br />

Bilddatenbank CHRISTOFFERS, Meppen<br />

„Wir haben einen Traum“<br />

Wir gehören auch dazu - Werkstattrat lässt Träume wahr werden<br />

Wegen einer Behinderung nicht ausgegrenzt<br />

und sogar im Gegenteil<br />

ernst genommen zu werden, das<br />

sind nur einige der Wunschträume<br />

auf der langen Liste des Werkstattrates<br />

der Werkstatt für behinderte<br />

Menschen in der Zeissstraße. Dass<br />

sich Politiker mehr für Menschen<br />

mit Behinderungen interessieren<br />

statt bloß leere Versprechungen zu<br />

machen, gehört ebenfalls auf diese<br />

Liste. „Wir haben jede Menge Träume“,<br />

sagt Perdita von Wedelstädt,<br />

erste Vorsitzende des Werkstattrates<br />

und mit Hilfe der vier anderen Ratsmitglieder<br />

will sie den Großteil dieser<br />

Träume wahr werden lassen. Sie<br />

sind Ansprechpartner und Vertreter<br />

für die Werkstattbeschäftigten, haben<br />

Informations- und Beratungsanspruch<br />

und werden von den Arbeitskollegen<br />

für vier Amtsjahre gewählt.<br />

Sie haben ein Auge auf den Arbeitsschutz,<br />

setzen sich für die Gleichberechtigung<br />

der Geschlechter und für<br />

bessere Arbeitsbedingungen ein -<br />

genau, wie eine Mitarbeitervertretung<br />

in anderen Unternehmen.<br />

Einmal einen Radiosender besuchen<br />

und den Moderatoren bei ihrer Arbeit<br />

über die Schulter schauen, auf einem<br />

Bauernhof arbeiten oder mehr Geld<br />

verdienen, mit Träumen und Wünschen<br />

sind die Werkstattbeschäftigten<br />

bei ihrer Mitarbeitervertretung an<br />

der richtigen Adresse. „Ich will den<br />

Beschäftigten die Arbeit erleichtern“,<br />

beschreibt Frank Maneke den Grund<br />

für seine Kandidatur im vergangenen<br />

Jahr. Gleiches treibt auch Perdita von<br />

Wedelstädt an. Dass sie seit 27 Jahren<br />

gewählt werde, spreche doch für<br />

den Erfolg ihrer Arbeit, wirft sie stolz<br />

ein. Direkt vor der eigenen Werkstatttür<br />

sieht sogar jeder ein Ergebnis<br />

der aktuellen Vertretungsarbeit: In<br />

st.-vitus-werk meppen · Postfach 21 08 · 49711 Meppen<br />

diesem Sommer wurde auf Anregung des fünfköpfi<br />

gen Rates die Bordsteinkante abgesenkt. „Wir haben<br />

viele Rollstuhlfahrer, die Schwierigkeiten hatten,<br />

in die Werkstatt zu kommen. Eine hohe Bordsteinkante<br />

direkt vor der Werkstatttür war für manche<br />

ein unüberwindbares Hindernis“, erklärt Perdita von<br />

Wedelstädt kopfschüttelnd. Jetzt ist sie stolz, dass<br />

mit Einsatz von Frank Maneke, Christiane Tijman,<br />

Andreas Pöttker und Svenja Overkamp der Weg in<br />

die Werkstatt barrierefrei ist.<br />

Barrierefrei müsse aber auch das Leben hinter den<br />

Werkstattmauern werden. „Wir haben den Kiosk un-<br />

Einer für Alle, alle für Einen: Gemeinsam Ziele setzen und sich über das<br />

Erreichte freuen - das treibt die Mitglieder des Werkstattrates an.<br />

Foto: Projektbüro pro-t-in GmbH<br />

ter die Lupe genommen und festgestellt, dass Menschen<br />

mit einer Leseschwäche die Preise nicht lesen<br />

können“, erklärt Frank Maneke. Nun soll der Preis<br />

mit Hilfe von fotografi ertem Geld, das die Kioskkunden<br />

abzählen können, dargestellt werden. Welche<br />

Träume Träume bleiben und welche Wirklichkeit werden<br />

können, wägen die Vertreter mit Unterstützung<br />

der Vertrauenspersonen Matthias Jansen und Vera<br />

Backhaus ab. Aber ein enger und guter Dialog mit<br />

dem Werkstattleiter Johannes Münzebrock und Geschäftsführer<br />

Michael Korden hat schon so einige<br />

Träume wahr werden lassen.

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