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Kredite für das Volk!

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<strong>Kredite</strong> für <strong>das</strong> <strong>Volk</strong> hermann ens dez 2016<br />

<strong>Kredite</strong> für <strong>das</strong> <strong>Volk</strong>!<br />

„Kauft Leute! Kauft! Ihr habt gerade mal kein<br />

Geld? Das macht doch nichts... Wir haben<br />

Geld – und wir geben es euch ganz billig!!<br />

Kauft Leute! Kauft einfach ein. Das Leben ist<br />

schön und ihr habt es euch doch verdient,<br />

jetzt wieder einmal groß einzukaufen.<br />

Außerdem ist jetzt alles ganz billig. Euer<br />

Nachbar hat es schon getan. Und ihr wollt es<br />

doch auch..! Drum kauft Leute! Kauft! Das<br />

Leben ist schön. Das Leben ist jetzt.“<br />

So oder so ähnlich liest sich <strong>das</strong> jeden Tag in<br />

der Zeitung, im Magazin, im Flugblatt, in der<br />

Beilage, im Reklameblock der<br />

Abendsendungen im Fernsehen und so weiter.<br />

Kauft Leute, wird hier geworben. Ihr habt<br />

euch doch <strong>das</strong> alles verdient. Gönnt es euch.<br />

Das Leben ist kurz, <strong>das</strong> Leben ist schön, ihr<br />

müsst nur alles, was euer Herz begehrt<br />

einkaufen und dann geht es euch gut. Drum,<br />

kauft jetzt, sofort, wartet nicht.<br />

Mit den niedrigsten Zinsraten wird dabei<br />

geworben. Einfachste Beantragung ist sowieso<br />

versprochen. Am besten füllt man sofort den<br />

beiliegenden Gratis-Rückumschlag aus oder<br />

klickt den kleinen Haken im Online-Formular<br />

und schon ist <strong>das</strong> Geld quasi da. Habe ich<br />

schon die allerlängsten Laufzeiten erwähnt?<br />

Und die niedrigsten Raten? Und natürlich ist<br />

jedermann kreditwürdig. Hier wird niemand<br />

diskriminiert.<br />

Seit Jahren schon frage ich mich, warum<br />

solche Kreditfängerei nicht verboten werden<br />

kann. Die Zahl der nicht bedienten <strong>Kredite</strong><br />

steigt. Die Zahl der Menschen mit<br />

Kreditproblemen steigt. Das Schlagwort<br />

Schuldenfalle hat jeder schon mal gehört.<br />

Aber es ist in unserer freien Welt wohl einfach<br />

nicht verbietbar, <strong>das</strong>s den Menschen die<br />

wunderschönsten <strong>Kredite</strong> und <strong>das</strong><br />

wunderschönste Leben versprochen werden<br />

darf, wenn sie nur gleich schnell den Haken<br />

auf dem Antragsformular machen.<br />

Unsere große Freiheit. Trotz aller<br />

dagewesenen Immobilienkreditdebakel in der<br />

Welt, die zugegebenermaßen zu mehr<br />

Vorsicht bei Hauskrediten geführt haben,<br />

werden die sogenannten Kleinkredite (manche<br />

gehen auch hier jedoch in beträchtliche<br />

Höhen) nach wie vor munter mit den rosigsten<br />

Fantasiebildern einer heilen Welt an den<br />

Mann und die Frau gebracht. Der Mensch ist<br />

doch immerhin mündig und erwachsen und<br />

kann doch bitte selbst entscheiden. Und<br />

außerdem hat sich jeder ein gutes und<br />

schönes Leben verdient. Jetzt. Ersparen ist<br />

doch total out.<br />

So manches Mal habe ich mich schon gefragt,<br />

was denn wohl passieren würde, wenn man<br />

die Werbung für solche <strong>Kredite</strong> verbieten<br />

würde? Werbung für Zigaretten ist ja nun auch<br />

verboten. Und diese <strong>Kredite</strong> sind für viele<br />

Menschen sicher genauso gefährlich, wie<br />

Zigaretten.<br />

Nun, am Ende meiner Gedanken dazu, steht<br />

leider immer <strong>das</strong> selbe Ergebnis. Erstens: Die<br />

Finanzindustrie würde aufschreien. Nicht aber<br />

darüber, <strong>das</strong>s sie eine lukrative,<br />

gewinnbringende Einkommensquelle riskieren<br />

würde. Das wäre viel zu vordergründig. Nein.<br />

Natürlich darüber, <strong>das</strong>s man doch bitte<br />

keinem Menschen verbieten kann sich <strong>das</strong><br />

wunderschöne Leben zu erfüllen, <strong>das</strong> all die<br />

anderen doch andauernd im Fernsehen<br />

vorführen. Die Finanzindustrie ist doch nur der<br />

willige Helfer, der sich bereitstellt. Und damit<br />

sind wir schon beim Zweitens: Viele Menschen<br />

würden sich darüber beschweren, <strong>das</strong>s man<br />

ihnen offenbar nicht <strong>das</strong> gleiche Leben gönnt,<br />

<strong>das</strong> alle anderen doch dauernd genießen und<br />

<strong>das</strong> sie ständig überall vorgeführt bekommen.<br />

Das ist einfach nicht gerecht. Und zu einem<br />

gewissen Grad haben sie damit natürlich<br />

Recht. Wenn man den Menschen gegenüber,<br />

die sich über ihre Grenzen hinaus verführen<br />

lassen und irgendwann die Hilfe der<br />

Gemeinschaft brauchen wieder aus der<br />

Schuldenfalle zu kommen, die Vorsicht<br />

vergisst, dann ist es nur gut, so weiter zu<br />

machen. Der Mensch ist schließlich frei. Und<br />

die Finanzwirtschaft braucht Umsatz.<br />

Billigkredite sind halt keine Zigaretten. Und<br />

nicht einmal Zigaretten sind verboten. Nur <strong>das</strong><br />

bisschen Werbung dafür. Aber Werbung für<br />

die Unterstützung der Menschen für ihr gutes<br />

Leben kann man doch nicht verbieten. Das<br />

würden nur Nichtsgönner machen.<br />

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<strong>Kredite</strong> für <strong>das</strong> <strong>Volk</strong> hermann ens dez 2016<br />

„Kauft Leute! Kauft!“<br />

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