Defense #6
Das Magazin der Telekom Baskets Bonn. Ausgabe 6, Saison 2016/17
Das Magazin der Telekom Baskets Bonn. Ausgabe 6, Saison 2016/17
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<strong>Defense</strong><br />
einer niederklassigen Liga aufgrund<br />
seiner körperlichen Überlegenheit zwar<br />
eine gewisse Aufmerksamkeit generieren,<br />
aber niemanden nachhaltig beeindrucken.<br />
Dafür sorgen seine schnellen<br />
Hände, mit denen er in der Verteidigung<br />
zum X-Faktor wird. Allabendlich werden<br />
1,5 gegnerische Würfe teils brachialst<br />
zurück an den Absender geschickt, hinzu<br />
kommen 1,2 Ballgewinne – und das<br />
mit 2,08 Metern Körperlänge.<br />
Die folgenden zwei Spielzeiten verbringt<br />
der Amerikaner in Brüssel (1. Liga) auf<br />
sportlich gehobenerem Niveau und beweist,<br />
dass er auf diesem Level mithalten<br />
kann. Mehr noch: Gamble wird für<br />
die Mannschaft zum offensiven und defensiven<br />
Anker in Brettnähe. „Für mich<br />
war der einzige Haken daran, dass ich<br />
zu oft allein wegen meiner körperlichen<br />
Vorteile ein Spiel dominieren konnte“,<br />
so der Familienvater. „Kaum jemand<br />
konnte mich wegschieben, wenn ich<br />
meine Position eingenommen hatte,<br />
und vor allem im Angriff habe ich fast<br />
immer über meine starke linke Hand gehen<br />
können – das hat sich hier in Bonn<br />
gehörig geändert.“<br />
Ich glaub’s ja nicht,<br />
was wird hier aufgetischt?<br />
Plötzlich sind es Schwergewichte wie<br />
Brian Qvale oder Kenny Frease, ausgebuffte<br />
Veteranen wie Kresimir Loncar<br />
oder Elmedin Kikanovic, hungrige<br />
Youngster wie Mahir Agva oder Johannes<br />
Thiemann, mit denen Gamble es zu<br />
tun bekommt. So sehr sich das Gerücht<br />
auch halten mag, dass die BBL eine von<br />
Guards dominierte Liga sei, die Qualität<br />
auf den großen Positionen ist alles<br />
andere als zu verachten. Gamble: „Das<br />
merkst du schnell, wenn die Leute nicht<br />
nur physisch stärker sind, sondern auch<br />
extrem gut vorbereitet in ein Spiel gehen.<br />
Da weiß jeder um deine Stärken,<br />
versucht dich entsprechend zu verteidigen<br />
und hat noch vier Mitspieler in der<br />
Hinterhand, die ihm helfen. Ich habe<br />
früh festgestellt, dass ich mein Repertoire<br />
erweitern muss, um in dieser Liga<br />
nicht nur bestehen zu können, sondern<br />
vor allem um meinem Team zu helfen.“<br />
Die ersten Wochen in good ol‘ Germany<br />
werden zur Geduldsprobe. Schwer<br />
zu schluckenden Pillen wie gegen Berlin<br />
(4pts, 4pf) und Göttingen (8pts, 5pf)<br />
stehen individuelle Leckerbissen wie<br />
gegen Ludwigsburg (11pts, 8reb) sowie<br />
Tübingen (10pts, 14reb) gegenüber,<br />
welche Lust auf mehr machen. Die aber<br />
auch verdeutlichen, wie schwer der Anpassungsprozess<br />
sein kann, wenn der<br />
Ball nicht immer automatisch durch<br />
die Hände des Big Man läuft. „Das ist<br />
etwas, das mir gleich zu Beginn der Vorbereitung<br />
aufgefallen ist und für mich<br />
eine enorme Umstellung bedeutet hat:<br />
Meine Mitspieler sind allesamt so gut,<br />
dass ich im Vergleich zu früher weniger<br />
Verantwortung schultern muss“, analysiert<br />
Gamble. „Aber wenn du es drei<br />
Jahre lang gewöhnt bist, auf dem Feld<br />
gefühlt alles machen zu müssen, dann<br />
ist es eine echte Herausforderung, das<br />
Spiel wieder mehr auf dich zukommen<br />
zu lassen.“<br />
Vier Viertel Takt,<br />
jetzt wird mitgemacht<br />
Die bereits genannte Bandbreite an<br />
unterschiedlichen Center-Typen in der<br />
Foto: Sebastian Dorbrietz<br />
Bundesliga macht es umso kniffliger,<br />
sich als Neuling in der deutschen Beletage<br />
zu orientieren. Doch es ist ganz<br />
offensichtlich, dass Julian Gamble langsam<br />
aber sicher im Oberhaus angekommen<br />
ist und seinen Platz gefunden hat.<br />
„So richtig eingewöhnt haben werde<br />
ich mich wahrscheinlich erst, wenn wir<br />
jedes Team einmal gespielt haben. Du<br />
kannst noch so viele Spiele im Fernsehen<br />
gesehen oder mit den Coaches<br />
Videoanalyse betrieben haben … erst<br />
wenn du jemanden auf dem Feld erlebt<br />
hast, kannst du ihn einschätzen.“<br />
Und doch ist schon im November erkennbar<br />
gewesen, wie wertvoll ein erstarkender<br />
Gamble im Konstrukt der<br />
Telekom Baskets Bonn für das Team<br />
und dessen Erfolg ist. Nach einem<br />
kurzen mannschaftlichen Durchhänger<br />
von drei Niederlagen in Folge setzt<br />
der Freund von großflächigen Tätowierungen<br />
in Würzburg mit 18 Punkten<br />
und zehn Rebounds ein statistisches<br />
Ausrufezeichen, welches die Basis für<br />
Story: Julian Gamble<br />
Holte sich unter anderem bei Ex-Quakenbrücker Anthony King Informationen ein,<br />
als im Sommer das Angebot aus Bonn auf den Tisch flatterte: Julian Gamble<br />
den 85:81-Erfolg darstellt. Dabei verrät<br />
erst der tiefergehende Blick in den<br />
Zahlenwald den wahren Wert Gambles<br />
für die Rheinländer. Er ist zur einer<br />
steten Gefahr für den Gegner gereift,<br />
sorgt am Brett regelmäßig mit seinen<br />
durchschnittlich 10,2 Punkten und 6,5<br />
Rebounds für so viel Alarm, dass die defensiven<br />
Eingreiftruppen ihn nur noch<br />
per Foul stoppen können – sowohl in<br />
Würzburg als auch gegen Braunschweig<br />
und Ulm steht er gleich sechsmal an der<br />
Freiwurflinie.<br />
Und jetzt? „Ich freue mich auf alles,<br />
was die Saison noch für uns bereithält“,<br />
sagt Gamble. „Das fängt mit dem Duell<br />
gegen Devin Booker, der wie ich seine<br />
Profikarriere in der französischen ProB<br />
begonnen hat, an, und geht bis hin zu<br />
den Herausforderungen im FIBA Europe<br />
Cup.“ Es warten noch genügend Chancen,<br />
um das vorhandene basketballerische<br />
Potenzial auszutesten und die<br />
vermeintliche Obergrenze der eigenen<br />
Leistungsfähigkeit anzuheben. jb<br />
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