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Konstruktion der Stille

Stahlplastik von Christiane Pott-Schlager

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Fünfklee-Kreisel, 2001<br />

Stahlobjekt 120 x 120 x 210 cm, Bodenzeichnung ca. 7m DM<br />

mit roter Farbe, Gipslagerhalle Rie<strong>der</strong>sbach<br />

Liegeobjekt, 2004<br />

70 x 175 x 60 cm<br />

„Große Kunstausstellung“ im Haus <strong>der</strong> Kunst,<br />

München 2005<br />

Gegenständliche<br />

Bewegungsformen<br />

Zu den neuen Stahlobjekten von Christiane Pott-Schlager<br />

Moving - Object, 2005<br />

110 x 260 x 86 cm<br />

Stahlsymposion 2005,<br />

Gipslagerhalle Rie<strong>der</strong>sbach<br />

Vorwort<br />

Um es nochmals zu betonen: Keine<br />

an<strong>der</strong>e künstlerische Gattung ist im<br />

Laufe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts so in Frage<br />

gestellt worden wie die klassische<br />

Skulptur. Aus <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Figur, vor allem orientiert am<br />

menschlichen Körper, ist ein künstlerisches<br />

Erörterungsfeld des Volumens,<br />

des Materials, des Wachstums, <strong>der</strong> Ballung,<br />

vor allem jedoch eine prozessorientierte<br />

Kunstarbeit an den zwischen<br />

den großen Bereichen des Raumes und<br />

<strong>der</strong> Fläche angesiedelten „Gegen-ständen“<br />

geworden.<br />

Nicht zuletzt auf Grund ihrer ausgreifenden<br />

Studien agiert die Skulpturkünstlerin<br />

Christiane Pott-Schlager im<br />

absoluten Bewusstsein dieser großen<br />

Entwicklungsbewegungen <strong>der</strong> Kunst.<br />

Die Künstlerin stellt ihre Stahlobjekte<br />

als individuelle, zeichenhafte Weiterentwicklung<br />

dieser umfassenden Entwicklungsfel<strong>der</strong><br />

vor: einerseits aufs<br />

intensivste verbunden mit <strong>der</strong> Kunstgeschichte<br />

<strong>der</strong> Skulptur, an<strong>der</strong>erseits<br />

im Sinne persönlicher Schwerpunktsetzungen<br />

mit dem erkennbaren Bemühen,<br />

hier eine individuelle Position zu<br />

bestimmen.<br />

In diesem Sinne agieren die von ihr<br />

entwickelten Körperformen dezidiert<br />

zwischen <strong>der</strong> Suche nach einer permanenten<br />

Verbindung zum Grundlegenden<br />

jedes Erscheinungsphänomens des<br />

Körperlichen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

aber als individuelle Überraschung im<br />

Sinne einer durchaus auch intellektuellen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung in diesem<br />

Körpererörterungsfeld.<br />

Zentrales Moment <strong>der</strong> künstlerischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung ist hier die Bewegung:<br />

die Frage nach Wachstumsstrukturen,<br />

nach Entwicklungsgestaltungen,<br />

nach Formungsprozessen, die zwar zu<br />

einem Produkt führen, dennoch aber<br />

als Prozessspuren erhalten bleiben.<br />

Beson<strong>der</strong>s bemerkenswert in diesem<br />

Zusammenhang sind die linsen- und<br />

mandelförmigen Skulpturelemente <strong>der</strong><br />

Künstlerin mit ihren vielfach bewusst<br />

gesetzten Oberflächenspuren, die einen<br />

Naturprozess des Geschiebes aufgreifen<br />

und präzisieren. Es ist nicht alles abgeflacht,<br />

abgerundet, son<strong>der</strong>n in gleicher<br />

Weise auch zu präzisen, strategisch<br />

gesetzten, linearen Formen geführt.<br />

Der Gegenstand zeigt sich durchaus<br />

als menschlich geformter Wi<strong>der</strong>stand,<br />

als ein Wi<strong>der</strong>standsobjekt gegen die<br />

große Bewegung <strong>der</strong> Abnützung, <strong>der</strong><br />

Abformung. Er bekennt sich zur großen<br />

Verän<strong>der</strong>ungsbewegung, behauptet<br />

aber seinen individuellen Platz in dieser<br />

Bewegung.<br />

Markante Bewegungszusammenhänge<br />

6 7<br />

werden insbeson<strong>der</strong>e auch in den<br />

Kreiselskulpturen <strong>der</strong> Künstlerin deutlich<br />

gemacht. Gleichsam an Stelle eines<br />

Sockels befindet sich eine Bodenzeichnung,<br />

welche die mögliche Bewegungsabfolge<br />

des in Stahl geformten dynamischen<br />

Körpers vorstellt. Bewegungsspur<br />

und Bewegungskörper verbinden sich<br />

solchermaßen zu einem faszinierenden<br />

permanent zwischen Körper, Raum und<br />

Fläche changierenden Wahrnehmungskonzept.<br />

Ursache und Wirkung werden<br />

hier konsequent miteinan<strong>der</strong> verschränkt,<br />

sodass <strong>der</strong> Betrachter in einer<br />

speziell ausgreifenden Formulierung<br />

mit dem Phänomen des Körperlichen<br />

konfrontiert ist: einem Körperlichen, das<br />

nicht nur aus einer Materialballung heraus<br />

entstehbar gemacht wird, son<strong>der</strong>n<br />

in gleicher Weise aus <strong>der</strong> Ballung von<br />

Bewegungsenergie.<br />

Eine so prominent von Albert Einstein<br />

vorgestellte Energiegleichung <strong>der</strong> Relation<br />

aus Masse und Geschwindigkeit<br />

wird hier in prägnantester künstlerischer<br />

Form diskutiert. Immer wie<strong>der</strong><br />

bekennt sich die Künstlerin aber auch<br />

zu einem analytisch sezierenden Blick<br />

in diese vorgestellten Wachstumsbzw.<br />

allgemein gesprochen Körperformungsentwicklungen.<br />

Sie schneidet die<br />

pflanzliche Urform des Schachtelhalms<br />

auf. Sie lässt den Betrachterblick in<br />

Positiv/negativ-Entwicklungen<br />

ihrer<br />

Körperformen gleichsam Eingriff und<br />

Ausgriff mitdenken, sie zeigt sich fasziniert<br />

von den großen synthetisch<br />

zusammenfassenden Möglichkeiten und<br />

möchte doch - dem Forschergeist des<br />

Menschen entsprechend - hier möglichst<br />

tief in die analytischen Strukturfragen<br />

eindringen.<br />

Und schließlich gibt sie die Objekte<br />

selbst dem Betrachter zur Bewegung.<br />

Der Betrachter greift sie an, betastet<br />

die Gegenstände, wie sich jede gute<br />

Skulptur ja erst durch den Tastsinn<br />

vollständig erschließt, und <strong>der</strong> Betrachter<br />

setzt die Skulptur in Bewegung. Er<br />

schaukelt gleichsam sich und den von<br />

<strong>der</strong> Künstlerin gestalteten Gegenstand<br />

zu einer gemeinsamen Erkenntnisbewegung<br />

- durchaus im Sinne eines Zitates<br />

hermeneutischer Erkenntnisgewinnung.<br />

Und es ist einmal mehr die Bewegung,<br />

die diesen Körpern schließlich ihre Körperlichkeit<br />

gibt.<br />

Kein Körper existiert (heute) für sich<br />

alleine. Je<strong>der</strong> ist Teil intensivster<br />

Bewegungen, und die Skulpturen von<br />

Christiane Pott-Schlager helfen dem<br />

Betrachter, mehr von diesen großen<br />

Bewegungen - wie auch mehr vom Phänomen<br />

des Körperlichen insgesamt - zu<br />

verstehen.<br />

Dr. Peter Assmann<br />

Balance-Akt<br />

(Kinetische Klangskulptur), 2006<br />

192 x 302 x 152 cm<br />

Standort Stahlpark Rie<strong>der</strong>sbach<br />

Omega, 2011<br />

300 x 150 x 40 cm<br />

Bodenplatte 100 x 100 cm<br />

Freies Zeichen, 2011<br />

280 x 82 x 40 cm (ohne Bodenplatte)<br />

Ausstellung in <strong>der</strong> Galerie <strong>der</strong> Künstler,<br />

München 2012<br />

Loop, 2008<br />

90 x 250 x 130 cm<br />

Standort Stahlpark Rie<strong>der</strong>sbach

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