5 Fragen an Frau Gabriel-Kusche
5 Fragen an Frau Gabriel-Kusche
5 Fragen an Frau Gabriel-Kusche
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
5 <strong>Fragen</strong> <strong>an</strong> <strong>Frau</strong> <strong>Gabriel</strong>-<strong>Kusche</strong><br />
Viele Erl<strong>an</strong>ger kennen Wendelin <strong>Kusche</strong>s Werke und sind sich dessen kaum bewusst. Ob das<br />
Steinrelief am Bahnhof, W<strong>an</strong>dmosaike in der Michael-Poeschke-Schule, das Metallrelief in der<br />
Sparkasse am Hugenottenplatz oder die Rektorenbilder im Schloss - die Arbeiten des 2003<br />
verstorbenen Künstlers sind in Erl<strong>an</strong>gen allgegenwärtig. Dennoch fehlt sein Name in einschlägigen<br />
Publikationen über Kunst in Erl<strong>an</strong>gen. Seit Oktober 2011 bereitet eine Gruppe von Studenten um<br />
Professor H<strong>an</strong>s Dickel eine Ausstellung mit Werken von Wendelin <strong>Kusche</strong> vor. Die <strong>an</strong>gehenden<br />
KunsthistorikerInnen erhielten Unterstützung von Sonja <strong>Gabriel</strong>-<strong>Kusche</strong> (S. G-K.), der Witwe des<br />
Künstlers, die das Ausstellungsprojekt von Beginn <strong>an</strong> begleitete.<br />
1. Sie st<strong>an</strong>den Wendelin <strong>Kusche</strong> als Ehefrau am nächsten und engagieren sich für seinen<br />
künstlerischen Nachlass. Was zeichnet ihn als Künstler aus?<br />
S. G-K: Als Künstler steht er für die konsequente Weiterentwicklung der Malerei nach 1945. Die von<br />
Céz<strong>an</strong>ne und später vom Expressionismus <strong>an</strong>gestoßenen Innovationen hat er in einer völlig<br />
eigenständigen, höchst eigenwilligen und unverwechselbaren künstlerischen H<strong>an</strong>dschrift<br />
fortgeschrieben. Unbeirrbar verweigerte sich <strong>Kusche</strong> dabei dem seit den Sechzigerjahren<br />
vorherrschenden Postulat der totalen Abstraktion und blieb gegen alle modischen Trends der<br />
Gegenständlichkeit treu. Das zeugt von bemerkenswerter geistiger Unabhängigkeit und<br />
Un<strong>an</strong>gepasstheit, war es zu jener Zeit doch gleichbedeutend mit weitgehendem Ignoriert-Werden<br />
durch den offiziellen „Kunstbetrieb“, mit dem Verzicht auf kommerziellen Erfolg auf dem<br />
internationalen Kunstmarkt.<br />
Aber obwohl <strong>Kusche</strong>s Werke immer am Gegenst<strong>an</strong>d als Ausg<strong>an</strong>gspunkt orientiert sind, bleiben sie<br />
niemals einer einfältig „naturalistischen“ Sehweise verhaftet: Seine streng durchkomponierten,<br />
äußerst formstarken Arbeiten bestechen durch hohes Abstraktionsniveau. Und oft leuchten sie<br />
farbstark, ja dramatisch farbig. Doch bei aller farblichen Differenziertheit ordnet sich der sinnliche<br />
Reiz stets formalen Gestaltungsprinzipien unter.<br />
Charakteristisch für <strong>Kusche</strong>s Werke ist schließlich deren hohe Malkultur und sorgfältige,<br />
hochprofessionelle H<strong>an</strong>dwerklichkeit. Er malte L<strong>an</strong>dschaften, Menschen und Städte, er malte in Öl, in<br />
Pastell, zeichnete, aquarellierte und radierte. Er beherrschte alle malerischen und graphischen<br />
Techniken und hinterlässt ein thematisch wie technisch vielseitiges, vielschichtiges Werk.
Abbildung 1: Sonja <strong>Gabriel</strong>-<strong>Kusche</strong> Abbildung 2: Wendelin <strong>Kusche</strong> über einem Portrait<br />
2. Wendelin <strong>Kusche</strong>s Werk ist äußerst vielseitig. Er benutzt unterschiedliche Techniken und<br />
Motive. Fühlte er sich einem Material oder einer Technik besonders verbunden?<br />
S. G-K: Zunächst einmal war er ein unermüdlicher Zeichner. Zeichnen hielt er für absolut<br />
unverzichtbar. Er legte es auch seinen Studenten und allen <strong>an</strong>gehenden Malern als ein unerlässliches,<br />
möglichst tägliches „Basistraining“ <strong>an</strong>s Herz, damit sie sich ständig im Sehen übten und sich einen<br />
möglichst großen Formenschatz erarbeiteten.<br />
Es stimmt, dass er technisch sehr vielseitig und experimentierfreudig war, es gab wohl keine<br />
bildnerische Technik, die er nicht irgendw<strong>an</strong>n ausprobiert hätte, in seinen späten Jahren sogar noch<br />
die Bildhauerei. Aber dennoch waren es vor allem die Aquarellmalerei und die Ölmalerei, die ihn als<br />
Grundkonst<strong>an</strong>ten durch sein gesamtes Schaffen hindurch begleitet haben. Besonders die Öltechnik<br />
war ihm so etwas wie die „Königs-Disziplin“ der Malerei, weil sie durch den im Malmaterial<br />
begründeten technischen Schwierigkeitsgrad von allen Techniken die allerhöchsten gestalterischen<br />
Anforderungen <strong>an</strong> den Künstler stellt.<br />
Und schließlich ist es im Bereich der Angew<strong>an</strong>dten Kunst die Mosaiktechnik, der er sich auffallend<br />
häufig und gerne bediente – obwohl das eher spröde, schwer zu verarbeitende Glasmaterial dem<br />
Ausführenden ziemlich viel Geduld abverl<strong>an</strong>gt. Als ursprünglich im Süden beheimatete Technik war<br />
das Mosaik im Nachkriegs-Deutschl<strong>an</strong>d eine vollkommen unübliche Darstellungsart. Es ist sicher nicht<br />
übertrieben zu sagen, dass erst <strong>Kusche</strong> das Mosaik in Fr<strong>an</strong>ken im großen Stil etabliert hat.
Abbildung 3: W<strong>an</strong>dmosaik in der Grund- und Mittelschule Eberm<strong>an</strong>nstadt, 13 geschützte Pfl<strong>an</strong>zenarten der<br />
Fränkischen Schweiz, 1966.<br />
3. Gab es Persönlichkeiten oder Künstler, die sein Werk beeinflussten?<br />
S. G-K: Künstlerisch war es vor allem Paul Céz<strong>an</strong>nes Sehweise des „reinen Schauens“, die ihn stark<br />
geprägt hat. Auch zu Malern wie v<strong>an</strong> Gogh und Gauguin gab es große Affinitäten in der Art ihrer<br />
Befindlichkeit in der Welt. Ein wichtiger Anreger war schließlich sein Lehrer Fr<strong>an</strong>z Xaver Fuhr, von<br />
dem <strong>Kusche</strong> sich allerdings deutlich durch eine weniger „kopflastige“, mit mehr Empfindungswerten<br />
<strong>an</strong>gereicherte Malweise, unterscheidet.<br />
Als junger M<strong>an</strong>n waren die Begegnungen mit dem Erl<strong>an</strong>ger Schriftsteller Ernst Penzoldt und mit dem<br />
Schauspieler H<strong>an</strong>s-Christi<strong>an</strong> Blech wichtig. Mit Joseph E. Drexel, dem Gründer der „Nürnberger<br />
Nachrichten“ verb<strong>an</strong>d ihn später, in seiner Zeit in Fr<strong>an</strong>ken, eine l<strong>an</strong>gjährige intensive Freundschaft.<br />
Drexel war zugleich ein enorm wichtiger Förderer seiner Kunst. Gleiches gilt für Drexels Nachfolger,<br />
H<strong>an</strong>s G. Merkel, und vor allem für den heutigen NN-Herausgeber, Bruno Schnell, dessen kritisches<br />
und unabhängiges Kunsturteil <strong>Kusche</strong> über alle Maßen schätzte.<br />
4. Die Ausrichtung einer Retrospektive durch Studierende ist eher ungewöhnlich. Wie bewerten<br />
Sie den Prozess und das Ergebnis?<br />
S. G-K: Ich hatte zu keiner Zeit Bedenken, zumal die studentischen AutorInnen in dem Kurator des<br />
Ausstellungsprojekts, Prof. Dr. H<strong>an</strong>s Dickel, einen hochprofessionellen, engagierten und<br />
renommierten Kunsthistoriker zur Seite hatten, wie ich ihn mir kompetenter nicht hätte wünschen<br />
können. Das war ein echter Glücksfall. Und das gelungene Ergebnis gibt mir im Nachhinein recht.<br />
Was diese hoch motivierten StudentInnen geleistet haben, ist in gewisser Weise „Pionierarbeit“,<br />
denn über <strong>Kusche</strong>s Werk war bisher zwar etliches Material aus Zeitungsarchiven, aber noch<br />
überhaupt keine wissenschaftliche Sekundärliteratur vorh<strong>an</strong>den. Sie mussten also fast bei „Null“<br />
<strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen und waren bei ihrer Annäherung <strong>an</strong> den Künstler <strong>Kusche</strong> fast ausschließlich <strong>an</strong>gewiesen auf<br />
ihre eigene unbef<strong>an</strong>gene Wahrnehmungsfähigkeit, auf ihren Instinkt für künstlerische Qualität und
auf ihre geistige Neugierde. Von all dem hatten sie vielleicht mehr als m<strong>an</strong>ch einer, der bereits voll<br />
im Kunstbetrieb etabliert und darin „betriebsblind“ geworden ist. Was ihnen fehlte, waren eigentlich<br />
nur die Sach-Informationen, die ich ihnen in zahlreichen Gesprächen und Briefwechseln zusätzlich<br />
geben konnte. Die Zusammenarbeit war für mich ein sehr sp<strong>an</strong>nender Prozess und ihn zu begleiten,<br />
hat mir viel Freude gemacht.<br />
Abbildung 4: W<strong>an</strong>dmosaik in St. Kunigunde in Uttenreuth: Das Abendmahl, 1963.<br />
Im Laufe des Entstehungsprozesses hat sich dabei das Themenspektrum erheblich erweitert: Sollten<br />
ursprünglich nur <strong>Kusche</strong>s Arbeiten im Zusammenh<strong>an</strong>g der Universität im Fokus stehen, kamen nach<br />
und nach immer mehr zusätzliche Aspekte hinzu: <strong>Kusche</strong>s kunsttheoretische Schriften, die Asiatika,<br />
die Arbeiten aus seiner Zeit in Italien und die Werke der Angew<strong>an</strong>dten Kunst in g<strong>an</strong>z Fr<strong>an</strong>ken. Einzig<br />
das breite (druck-)graphische Werk musste aus Platzgründen weitgehend ausgespart bleiben – das<br />
könnte ich mir gut als Thema einer künftigen Werkschau vorstellen.<br />
Im Ergebnis sind ein richtig schönes Buch und eine klug konzipierte Ausstellung entst<strong>an</strong>den, die die<br />
vielfältigen Aspekte von <strong>Kusche</strong>s Lebenswerk auf hohem Niveau reflektieren. Ich würde mir<br />
wünschen, dass dies erst der Anf<strong>an</strong>g einer weiteren gründlichen Erforschung seines Gesamtwerks ist.<br />
5. Die Ausstellung bietet dem Betrachter eine Fülle von Einblicken in <strong>Kusche</strong>s Œuvre. Können<br />
Sie uns ein Werk näher bringen?<br />
S. G-K: Meine persönlichen Lieblingsbilder in dieser Ausstellung sind die vier Aquarelle aus dem Sri-<br />
L<strong>an</strong>ka-Zyklus, und da besonders die Menschen-Darstellungen: „Sitzendes Paar“ und „Alter M<strong>an</strong>n mit<br />
Turb<strong>an</strong>“. Sie bilden einen sp<strong>an</strong>nenden Kontrast zu den beiden <strong>an</strong>deren Menschen-Bildnissen der<br />
Ausstellung, den Portraits von Rektoren der Universität, die <strong>Kusche</strong> in deren Auftrag <strong>an</strong>fertigte.<br />
Sicher ging es ihm auch bei den Rektoren-Portraits letztlich darum, den jeweiligen Menschen hinter<br />
dem „Amtsträger“ sichtbar zu machen. Aber die Aufgabenstellung war doch eine <strong>an</strong>dere: Es sind<br />
„offizielle“ Portraits, in gewisser Weise Inszenierungen.
Abbildung 6: Alter M<strong>an</strong>n mit Turb<strong>an</strong>, 1980/81 Abbildung 5: Sitzendes Paar, um 1980/81<br />
G<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders bei diesen großformatigen Aquarellen aus einer Gruppe von 22 Blättern, auf denen<br />
<strong>Kusche</strong> 1980 die Eindrücke einer Reise in das fernöstliche Inselreich verarbeitete.<br />
Hier sind es ausschließlich die Menschen und ihre alltäglichen Bel<strong>an</strong>ge, die für den Künstler im Fokus<br />
seines Interesses stehen: „Ich kenne nicht die L<strong>an</strong>dessprache, aber die menschliche Seite des<br />
Daseins. (…) Hier und <strong>an</strong>derswo werde ich nur den Menschen sehen und malen“, notierte <strong>Kusche</strong><br />
damals in sein Reisetagebuch. So gel<strong>an</strong>gen ihm neben L<strong>an</strong>dschaften und Städtebildern facettenreiche<br />
Darstellungen von Individuen und Alltagsszenen dieser fremden Kultur, wie beispielsweise die<br />
Menschen vor ihren Hütten, die <strong>Frau</strong>en im Sari und die Männer beim Netzeknüpfen. Es sind im<br />
Grunde triviale Szenen, aber in der Art, wie sie gestaltet sind, entgeht <strong>Kusche</strong> dennoch der Gefahr<br />
des Klischeehaften. Für mich kommt in diesen Arbeiten etwas von der starken Verinnerlichung jener<br />
Menschen, von ihrer Menschlichkeit, auch von ihrer übergroßen Armut herüber. Das Blatt „Sitzendes<br />
Paar“, auf dem eine <strong>Frau</strong> zu sehen ist, die sich liebevoll <strong>an</strong> ihren M<strong>an</strong>n <strong>an</strong>schmiegt, ist vielleicht ein<br />
besonders schönes Beispiel dafür. Es vermittelt etwas von dem friedlichen Umg<strong>an</strong>g der Menschen<br />
mitein<strong>an</strong>der, der <strong>Kusche</strong> <strong>an</strong> der asiatischen Kultur so faszinierte.<br />
Vielen D<strong>an</strong>k für das Interview!<br />
Const<strong>an</strong>ze Hofm<strong>an</strong>n für das Team der StudentInnen<br />
Wendelin <strong>Kusche</strong> – Die Moderne in Fr<strong>an</strong>ken<br />
Ausstellung vom 21. Juni bis 8. Juli 2012<br />
Öffnungszeiten: Mo–Fr von 16–20 Uhr, Sa und So von 11–16 Uhr<br />
Führungen: Sa und So jeweils um 14 Uhr. Der Eintritt ist frei.<br />
Ort: Or<strong>an</strong>gerie, Schlossgarten 1, Erl<strong>an</strong>gen