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STREITKRÄFTE

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[...]. Eine dritte mögliche Aufgabe besteht für die<br />

Militärpolizei darin, dass man für vorübergehende<br />

Aufgaben rasch eine Truppe zur Verfügung hat,<br />

die zu der einen oder anderen Bewachungsaufgabe<br />

eingesetzt wird.“<br />

Vergleicht man die mit diesen Äußerungen nur<br />

kursorisch umrissenen Aufgaben und Befugnisse,<br />

die für die Militärpolizei der Bundeswehr vorgesehen<br />

worden waren, mit denen, die die Militärpolizei<br />

der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

hätte erhalten sollen, so fällt die starke Restriktion<br />

auf, die in dieser Hinsicht in den Planungen eingetreten<br />

ist und die sich am ehesten mit dem Schlagwort<br />

„Entpolizeilichung" 22 umschreiben lässt.<br />

Jegliche über den Bereich der eigenen Streitkräfteorganisation<br />

hinausreichende polizeiliche Funktion<br />

und Kompetenz, die noch für die Militärpolizei der<br />

Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vorgesehen<br />

war, ist der Militärpolizei der Bundeswehr in<br />

diesem Stadium der Vorbereitung für die Aufstellung<br />

der bundesdeutschen Streitkräfte genommen<br />

worden. Es handelte sich bei der Militärpolizei<br />

jetzt nicht mehr um eine Polizeitruppe in dem<br />

Sinne, dass ihr auch allgemeinpolizeiliche Aufgaben<br />

und Befugnisse übertragen waren, sondern<br />

vielmehr nur noch um ein Instrument der Stäbe<br />

und Kommandobehörden zur Truppenführung. 23<br />

fugnisse der Länder nicht zu besorgen war, wollte<br />

er schon im Ansatz das Aufkommen des Verdachts<br />

verhindern, die Bundesrepublik schaffe sich<br />

auf dem Umweg über die Bundeswehr nach dem<br />

durch das Gesetz vom 16. März 1951 27 gegründeten<br />

Bundesgrenzschutz eine weitere Bundespolizei<br />

und umgehe damit die im Grundgesetz verankerte<br />

föderative Struktur der Polizei. 28<br />

Dieser kritischen Argumentation des Ausschusses<br />

für Fragen der europäischen Sicherheit schloss sich<br />

nunmehr auch das Verteidigungsministerium an:<br />

im Textband des Tagebuchs des Referats IV V Min<br />

(Bl) 2 des Bundesverteidigungsministeriums findet<br />

sich folgerichtig am 17. Januar 1956 auch folgender<br />

Eintrag:<br />

"Besprechung IV A:<br />

[...]. Der Verteidigungsausschuss hat sich gegen<br />

den Begriff der Militärpolizei gewandt. Nun wird<br />

dafür die Bezeichnung 'Feldjäger' verwendet". 29<br />

Die Entwicklung der Namensgebung der Feldjägertruppe<br />

endet dann schließlich offiziell mit der<br />

Anordnung des Staatssekretärs Dr. Josef Rust vom<br />

30. Januar 1956, wonach der bisher angewandte<br />

Begriff "Militärpolizei" ab sofort durch die Bezeichnung<br />

"Feldjägertruppe" zu ersetzen war. 30<br />

Die Entwicklung der Namensgebung der Feldjägertruppe in den Jahren 1955/56<br />

Dessen ungeachtet wurde die Bezeichnung der<br />

neuen Ordnungstruppe der Bundeswehr als „Militärpolizei“<br />

zunächst unverändert beibehalten. Eine<br />

Hinterfragung dieser Namensgebung durch die<br />

verantwortlichen Planer im Verteidigungsministerium<br />

lässt sich in den überlieferten Akten für diesen<br />

Zeitpunkt nicht nachweisen.<br />

Im Gegensatz dazu gab sich der Ausschuss für<br />

Fragen der europäischen Sicherheit in seiner schon<br />

erwähnten 52. Sitzung am 13. Oktober 1955 mit<br />

dem Begriff der „Militärpolizei“ nicht mehr zufrieden<br />

und sprach sich ausdrücklich dagegen aus.<br />

Abgesehen davon, dass die Bezeichnung als Militärpolizei<br />

für eine Truppengattung, die überhaupt<br />

keine polizeilichen Aufgaben wahrnehmen sollte,<br />

den Ausschussmitgliedern widersinnig vorkam, 24<br />

22 Der Begriff „Entpolizeilichung“ wird im allgemeinen in einem<br />

anderen Zusammenhang verwendet. Danach kennzeichnet er die<br />

aufgrund besatzungsrechtlicher Anordnungen in der amerikanischen<br />

und britischen Besatzungszone seit 1946 vollzogene Abtrennung<br />

zahlreicher Verwaltungsaufgaben der gefahrenabwehrenden<br />

Verwaltung von der Zuständigkeit der Polizeibehörden. Hier wird<br />

der Begriff hingegen umgekehrt dazu verwendet zu verdeutlichen,<br />

dass der Militärpolizei nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

Aufgaben und Befugnisse entzogen wurden,<br />

die auch nach der heute gültigen Definition des Polizeibegriffs noch<br />

als „polizeilich“ bezeichnet werden.<br />

23 Vgl. Hommer, Dieter: „Die Führungstruppen des Heeres“, in:<br />

„Kampftruppen“, Jahrgang 1977, Heft 6, S. 201; Wagner, P./<br />

Gutsfeld, Wolfgang: „Freunde und Helfer. Feldjägertruppe im<br />

Porträt“, in: „Truppenmagazin - Heer“, Jahrgang 1974, Heft 10, S.<br />

16; vgl. dazu auch die Nr. 422 und 436 der früheren HDv 100/100<br />

„Truppenführung“.<br />

24 Sitzungsprotokoll, a.a.O. (s. o. Fn. 16), S. 32.<br />

waren für dieses Votum auch Gründe der deutschen<br />

Militärtradition ausschlaggebend, denn eine<br />

als Militärpolizei bezeichnete Truppe stellte ein<br />

Novum in der deutschen Heeresgeschichte dar.<br />

Dementsprechend führte ein Abgeordneter auch<br />

aus, er halte den Ausdruck „Militärpolizei“ nicht<br />

für glücklich, „weil die Bezeichnung ‚Militärpolizei‘<br />

uns überhaupt fremd ist - sie klingt so amerikanisch<br />

[...]“. 25<br />

Schließlich fürchteten die Ausschussmitglieder<br />

noch, dass die Bezeichnung „Militärpolizei“ zur<br />

Begriffsverwirrung beitragen könne, da nach der<br />

Verfassung der Bundesrepublik die Polizei nun<br />

einmal reine Hoheitsaufgabe der Länder sei. 26<br />

Obwohl der Ausschuss sich darüber im Klaren<br />

war, dass nach der geplanten Ausgestaltung der<br />

Rechtsstellung der Militärpolizei ein Eingriff in Be-<br />

25 A. a. O. (s.o. Fn. 16), S. 28.<br />

26 A. a. O. (s.o. Fn. 16), S. 28; die hier vom Ausschuss geäußerte Ansicht,<br />

das Grundgesetz behalte die Polizeihoheit ausschließlich den<br />

Ländern vor, ist in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zutreffend,<br />

da der Bund eine ganze Reihe spezieller polizeilicher Zuständigkeiten<br />

besitzt. Neben einzelnen im Grundgesetz ausdrücklich aufgeführten<br />

Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes im Bereich der<br />

ausschließlichen ebenso wie auf dem Gebiet der konkurrierenden<br />

und der Rahmen-Gesetzgebungskompetenz ist insoweit insbesondere<br />

darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des<br />

Bundesverfassungsgerichts (seit BVerfGE 3, 407, 433 und 8, 143,<br />

149 f.) jede Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz zugleich<br />

als Annex- Kompetenz auch die Befugnis mit einschließt, innerhalb<br />

des betreffenden Sachgebietes auch polizeiliche Fragen zu regeln.<br />

Schließlich gibt es auch - wenngleich in weit geringerem Umfang<br />

- Bundeskompetenzen zur Errichtung von Polizeibehörden (z. B. in<br />

Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG).<br />

27 BGBl. I 1951, S. 201.<br />

28 Diese rücksichtsvolle Haltung gegenüber potentiellen Empfindlichkeiten<br />

der Länder in Bezug auf ihre Polizeihoheit musste dem Ausschuss schon<br />

deshalb angezeigt erscheinen, weil der Widerstand der Länder gegen<br />

die Errichtung des Bundesgrenzschutzes in den Jahren 1950 und 1951<br />

zeitweise nahezu unüberwindlich gewesen war, vgl. Ehlert, Hans /<br />

Greiner, Christian / Meyer, Georg / Thoß, Bruno: „Die NATO-Option",<br />

in: „Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956", hrsg.<br />

vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Band 3, München, 1993, S.<br />

476 m.w.N. in Fn. 210, sowie den im Bundeskanzleramt zum internen<br />

Gebrauch erstellten "Abriss über die Geschichte des Bundesgrenzschutzes",<br />

Bundesarchiv, Signatur B 136/1929, Bl. 167. Noch im Jahre 1956,<br />

als mit dem "Zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz" vom 30.<br />

Mai 1956 (BGBl. I 1956, S. 436) die weitgehende Heranziehung der<br />

Grenzschutzangehörigen zum Zwecke eines beschleunigten Aufbaus<br />

der Streitkräfte angestrebt wurde, der Bundesgrenzschutz gemäß § 4<br />

des Gesetzes aber dennoch weiter bestehen und personell wieder aufgefüllt<br />

werden sollte, gab es Versuche einzelner Länder, die ungeliebte<br />

Bundespolizei wieder abzuschaffen (Ehlert/Greiner/Meyer/Thoß, a.a.O.,<br />

S. 479; "Abriss über die Geschichte des Bundesgrenzschutzes", a.a.O.,<br />

Bl. 170 f.). So führte der Vertreter des Landes Hessen, unterstützt durch<br />

die Vertreter der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern, schon in der<br />

137. Sitzung des Bundesratsausschusses für Innere Angelegenheiten<br />

am 14./15. Dezember 1955 aus, die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

"einschließlich der Passnachschau könnten künftig auch von der<br />

Landespolizei wahrgenommen werden, was eine Verstärkung der<br />

Bereitschaftspolizeien der Länder bedingen würde". Er schlug daher<br />

vor, den Bundesgrenzschutz aufzuheben und seine bei Aufstellung der<br />

Streitkräfte noch verbleibenden Angehörigen in die Bereitschaftspolizeien<br />

der Länder zu überführen (Niederschrift über die 137. Sitzung des<br />

Ausschusses für Innere Angelegenheiten am 14./15. Dezember 1955,<br />

S. 26, in: Gesetzesdokumentation Nr. 392/55, Archiv des Bundesrats).<br />

Im Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit begründete das<br />

Land Hessen diesen Vorschlag dann ausdrücklich damit, dass "die<br />

bisherige Durchlöcherung der Polizeihoheit der Länder" bedenklich<br />

genug erscheine (Niederschrift über die 9. Sitzung des Ausschusses für<br />

Fragen der europäischen Sicherheit des Bundesrats am 16. Dezember<br />

1955, S. 3, a.a.O.). Indessen wurde der Vorschlag des Landes Hessen<br />

schon vom Innenausschuss des Bundesrats in der zuvor erwähnten<br />

Sitzung gegen die Stimmen der Vertreter von Bayern, Hessen und<br />

Nordrhein-Westfalen bei Stimmenenthaltung der Vertreter von Berlin<br />

und Baden-Württemberg abgelehnt (Sitzungsniederschrift, a.a.O., S.<br />

29). Auch im Plenum des Bundesrats fand der Antrag des Landes Hessen<br />

(BR-Drucks. 392/2/55, a.a.O.) in erster Lesung am 21. Dezember<br />

1955 keine Mehrheit (Stenographische Berichte der Verhandlungen des<br />

Bundesrates, 151. Sitzung am 21. Dezember 1955, S. 385 (D)). Obwohl<br />

sich in der Folgezeit auch die Bundestagsabgeordneten der SPD sowohl<br />

in den Beratungen des Bundestagsausschusses für Angelegenheiten<br />

der inneren Verwaltung am 11. April 1956 als auch im Plenum des<br />

Bundestags (vgl. z.B. die Rede des Abgeordneten Eschmann, Stenographische<br />

Berichte der Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2.<br />

Wahlperiode, 145. Sitzung, S. 7657 (B)) der Auffassung anschlossen,<br />

dass der Bundesgrenzschutz aufgelöst werden müsse, weil ihm nach<br />

der Gründung der Bundeswehr nur noch polizeiliche Aufgaben verblieben,<br />

für deren Wahrnehmung der Bund aber nicht zuständig sei (so die<br />

in der 22. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren<br />

Verwaltung des Bundestags am 11. April 1956 unter Zustimmung der<br />

SPD gewählte Formulierung des anwesenden Vertreters des Landes<br />

Bayern, vgl. das Stenographische Protokoll dieser Sitzung, S. 9, a.a.O.),<br />

blieb der Bundesrat auch in letzter Lesung bei seiner Ablehnung des<br />

nochmals gestellten hessischen Antrags (BR-Drucks. 188/1/56, a.a.O.)<br />

und beschloss dementsprechend, den Antrag gem. Art. 77 Abs. 2 Satz<br />

1 GG nicht zu stellen und damit auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses<br />

zu verzichten (Stenographische Berichte der Verhandlungen<br />

des Bundesrates, 159. Sitzung am 18. Mai 1956, S. 164 (A)).<br />

Auch der Bundestag verabschiedete das Gesetz mit den Stimmen der<br />

Mehrheitsfraktionen (Stenographische Berichte der Verhandlungen<br />

des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode, 145. Sitzung, S. 7660<br />

(D)). Zwar blieb damit der Bundesgrenzschutz erhalten, doch zeigt der<br />

erhebliche Widerstand einiger Länder gegen die Existenz einer Bundespolizei,<br />

dass der Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit<br />

zu Recht befürchtete, die Bezeichnung "Militärpolizei" könne zu einer<br />

Beunruhigung der Länder führen. Raap, a.a.O. (s.o. Fn. 1), S. 202, hat<br />

sogar noch im Jahre 1997 die Ansicht vertreten, dass auch heute noch<br />

eine etwaige Umbenennung der Feldjägertruppe der Bundeswehr in<br />

"Militärpolizei" ablehnende Reaktionen der Länder hervorrufen könnte.<br />

29 BA-MA, Signatur BW 9/2527-8, Bl. 16.<br />

30 BA-MA, Signatur BW 1/1040, Bl. 10. Damit hatte man indessen ebenfalls<br />

einen Begriff gewählt, der der deutschen Polizeigeschichte nicht<br />

völlig fremd war. So waren beispielsweise bereits kurz nach Beginn des<br />

Ersten Weltkrieges zahlreiche Unteroffiziere und Mannschaften aller<br />

Truppengattungen des Heeres unter der Bezeichnung "Hilfsfeldjäger",<br />

die in einer in den Kriegs-Korps- Verordnungsblättern Ende 1917<br />

erschienenen Dienstanweisung offiziell übernommen wurde, zur Bekämpfung<br />

des Lebensmittel-Schleichhandels auf das Land abkommandiert<br />

worden. Obgleich demnach auch der Name "Feldjäger" schon<br />

früher polizeiliche Bezüge aufgewiesen hatte, waren diese doch nur<br />

sehr schwach ausgeprägt und fanden sich lediglich an so versteckten<br />

Stellen der deutschen Polizeigeschichte, dass eine Beunruhigung der<br />

Länder im Hinblick auf eine etwaige Beschneidung ihrer Polizeihoheit<br />

keinesfalls im gleichen Maße zu besorgen war, wie es bei der Wahl der<br />

Bezeichnung "Militärpolizei" der Fall gewesen wäre.<br />

<strong>STREITKRÄFTE</strong><br />

BASIS<br />

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