mieter-echo - Berliner MieterGemeinschaft eV
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T I T E l<br />
es fehlen wohnungspolitische und soziale Ziele<br />
leitsätze zu stadterneuerung bieten keinen verbindlichen<br />
orientierungsrahmen mehr Philipp Mattern<br />
die Änderungen der <strong>Berliner</strong> sanierungspolitik lassen sich sehr deutlich anhand des Wandels der stadterneuerungsleitlinien nachvollziehen.<br />
diese leitlinien wurden 1984 als „12 grundsätze der stadterneuerung“ im rahmen der internationalen Bauausstellung<br />
(iBa) in Kreuzberg geschaffen und in den folgejahren auf weitere sanierungsgebiete übertragen.<br />
Die Grundsätze leiteten den Beginn der „behutsamen<br />
Stadterneuerung“ ein und sind<br />
dem Widerstand von Mieter/innen gegen die<br />
früheren „Abrisssanierungen“ zu verdanken.<br />
Das Kernthema bei der behutsamen Stadterneuerung<br />
war die auf Erhaltung der baulichen<br />
und sozialen Strukturen ausgerichtete Sanierung<br />
unter starker Beteiligung der betroffenen<br />
Mieter/innen. Um die sozialen Ziele zu erreichen,<br />
wurden ver<strong>mieter</strong>unabhängige Mieterberatungen<br />
eingesetzt und öffentliche Fördergelder<br />
bereit gestellt.<br />
Wandel der leitsätze<br />
Als „12 Leitsätze zur Stadterneuerung in<br />
Berlin“ wurden die Grundsätze 1993 neu<br />
formuliert und dienten als Orientierungsrahmen<br />
vor allem für die Sanierungen im Ostteil<br />
der Stadt. Auch wenn sie häufig nicht konsequent<br />
angewandt wurden, finden sich in<br />
dieser Version noch recht klare wohnungsund<br />
sozialpolitische Prämissen. Diese Prämis-<br />
Mieter<strong>echo</strong><br />
im Kiez<br />
sen wurden in einer Neufassung von 2005<br />
weitgehend getilgt. Vergleicht man die zentralen<br />
Sätze, wird die geänderte Ausrichtung<br />
der Stadterneuerung klar. So sagte der dritte<br />
Leitsatz 1993 noch: „Die Erneuerung ist an<br />
den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren.<br />
Die Erneuerungsmaßnahmen und -verfahren<br />
werden sozialverträglich gestaltet.“<br />
2005 hieß es an derselben Stelle: „Die Ziele<br />
und die Durchführung der Sanierung haben<br />
sich an den Belangen und Interessen der<br />
Betroffenen zu orientieren. Nachteilige Wirkungen,<br />
auch die Verdrängung der ansässigen<br />
Wohnbevölkerung in Folge städtebaulicher<br />
Planungen und Maßnahmen sollen auf der<br />
Grundlage eines Gebietsplans möglichst vermieden<br />
oder gemildert werden.“<br />
Die Verbindlichkeit sozialer Ziele und auf sie<br />
ausgerichteter politischer Steuerung wird<br />
grundlegend aufgeweicht: Aus „ist“ wird<br />
„sollen“, aus „werden“ wird „möglichst“.<br />
Ferner heißt es in den neuen Leitsätzen: „Die<br />
Qualität der Quartiere ist auch auf den Zuzug<br />
stabilisierend wirkender Bevölkerungsgruppen<br />
(insbesondere junge Familien) auszurichten.“<br />
Der Zuzug neuer Gruppen und Schichten<br />
wurde damit ein explizites Ziel der Stadterneuerung<br />
und das vormalige „Bleibegebot“<br />
gegenüber der Bestands<strong>mieter</strong>schaft endgültig<br />
verabschiedet.<br />
sozialverträglichkeit<br />
nicht konkretisiert<br />
In dieser Version haben die Leitsätze noch<br />
heute Gültigkeit. Die vage Forderung der<br />
Leitsätze nach Sozialverträglichkeit wird zwar<br />
auch bei den Zielsetzungen der neuen Sanierungsgebiete<br />
berücksichtigt, aber wie die<br />
Sozialverträglichkeit tatsächlich erreicht werden<br />
soll, bleibt unklar. Die schwammigen<br />
Leitsätze bieten kaum mehr als einen Steinbruch<br />
für nett klingende Zitate. Ein verbindlicher<br />
Orientierungsrahmen für soziale Ziele<br />
und wohnungspolitische Steuerung fehlt der<br />
heutigen Stadterneuerung gänzlich.<br />
die Mieter<strong>echo</strong>-redaktion lädt ein zur diskussion:<br />
sanierungsgebiet – Wo bleiben die interessen der Mieter/innen?<br />
Eins von 7 neuen Sanierungsgebieten Berlins<br />
liegt rund um Sonnenallee und Karl-Marx-<br />
Straße. Ziel ist die Gebietsaufwertung durch<br />
Infrastrukturprojekte, während die Sanierung<br />
der Wohngebäude dem Ermessen der<br />
Eigentümer überlassen bleibt.<br />
Welche Folgen hat das für den Kiez und für<br />
die Mieter/innen? Werden sich die problematischen<br />
Wohnungsmarktentwicklungen der<br />
letzten Jahre verschärfen? Und wie lassen<br />
sich in diesem Prozess wirkungsvoll die Interessen<br />
der Mieter/innen geltend machen?<br />
Darüber möchten wir mit Ihnen diskutieren!<br />
Eingeladen sind:<br />
- Christian Schmidt-Hermsdorf, Stadtplaner<br />
--in früheren Sanierungsgebieten<br />
- Mieterinitiativen aus Neukölln<br />
donnerstag, 11. oktober 2012<br />
19 uhr<br />
sonnenallee 101, 12045 Berlin<br />
In der Beratungsstelle der<br />
<strong>Berliner</strong> Mietergemeinschaft<br />
U 7 – U-Bahnhof Rathaus Neukölln<br />
Bus M41, 104, 167 – Haltestelle Erkstraße<br />
ME 356 / September 2012