09.12.2012 Aufrufe

mieter-echo - Berliner MieterGemeinschaft eV

mieter-echo - Berliner MieterGemeinschaft eV

mieter-echo - Berliner MieterGemeinschaft eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

6<br />

T I T E l<br />

„aufwertung ohne verdrängung<br />

wäre wieder möglich.“<br />

sanierungsgebiete verfolgen das Ziel der aufwertung –<br />

früher zugunsten der Mieter/innen Interview mit dem Stadtplaner Christian Schmidt-Hermsdorf<br />

sanierung für und mit den Betroffenen – das war einmal. die früheren leitsätze der behutsamen stadterneuerung sind längst<br />

aufgegeben. den neuen sanierungsgebieten liegt kein umfassendes Konzept mehr zugrunde. ihr Ziel ist lediglich die punktuelle<br />

gebietsaufwertung, während die sanierung von Wohnungen den eigentümern überlassen bleibt. eine politische regulierung der<br />

Mietenentwicklung wäre auch heute noch möglich, ist aber kaum zu erwarten, meint der stadtplaner christian schmidt-hermsdorf.<br />

Christian Schmidt-Hermsdorf war Stadtplaner<br />

in ehemaligen Sanierungsgebieten in Kreuzberg<br />

und Prenzlauer Berg und ist Mitglied der<br />

Bürgerinitiative „Kreuzberger Horn“.<br />

MieterEcho: In Berlin gibt es 7 neue Sanierungsgebiete.<br />

Was haben sie mit ihren Vorgängern<br />

gemein?<br />

Christian Schmidt-Hermsdorf: Außer dem<br />

Namen leider nicht viel. Im Unterschied zu den<br />

Sanierungsgebieten der 80er und 90er Jahre<br />

wird keine umfassende städtebauliche Sanierung<br />

mehr durchgeführt. Früher ging man in<br />

einem Sanierungsgebiet grundstücksweise<br />

vor. Die Sanierung orientierte sich an den<br />

Missständen der jeweiligen Häuser, mit dem<br />

Ziel, die Wohnqualität zu verbessern. Heute<br />

beschränken sich die Planungsziele auf punktuelle<br />

Maßnahmen in definierten „Aktionsräumen“.<br />

Vornehmlich geht es dabei um kleinere<br />

Infrastrukturprojekte mit dem Ziel der Gebiets-<br />

aufwertung. Die Wohnhäuser selbst werden<br />

den privaten Eigentümern überlassen. Sie<br />

können natürlich sanieren, werden das aber<br />

nur tun, wenn es sich für sie lohnt.<br />

Welche Rolle spielen die Mieter/innen in<br />

diesem Prozess?<br />

Die Mieter/innen werden kaum mehr als<br />

Beteiligte in diesem Prozess wahrgenommen,<br />

sondern den Interessen der Hauseigentümer<br />

untergeordnet. Es ist bezeichnend,<br />

dass im Zusammenhang mit den neuen Sanierungsgebieten<br />

kaum noch wie früher von<br />

„Betroffenen“ die Rede ist, deren Interessen<br />

legitimerweise Gehör finden müssen, sondern<br />

vornehmlich von „Gebietsakteuren“,<br />

die in die Planung einbezogen werden sollen.<br />

Die „Gebietsakteure“ sind in erster Linie<br />

nicht Mieter/innen, sondern Geschäftsleute<br />

und Investoren, die über Geld und Macht<br />

verfügen und deshalb für ein Viertel „wichtig“<br />

sind. Der ursprüngliche Grundsatz der<br />

hochgelobten „behutsamen Stadterneuerung“<br />

wird damit zugunsten einseitiger Aufwertung<br />

und vorrangiger Förderung von Investoreninteressen<br />

faktisch aufgegeben.<br />

Welche Grundsätze gab es früher und wie<br />

haben sie sich verändert?<br />

Der spezifische Ansatz der früheren behutsamen<br />

Stadtentwicklung in Berlin ging über<br />

die Forderungen des Baugesetzbuchs hinaus.<br />

Sanierung für und mit den Bewohner/innen,<br />

lautete die Devise und an zentraler Stelle stand<br />

das Bleibe- und Mitwirkungsgebot. Davon hat<br />

man sich verabschiedet. Sehr deutlich wird das<br />

anhand des Wandels der „Leitsätze zur Stadterneuerung“<br />

(siehe Seite 14). Die heutigen Sa-<br />

nierungsziele greifen lediglich allgemeine gesetzliche<br />

Vorgaben auf, wie die Sozialplanverfahren<br />

für Mieter/innen, soweit sie direkt von<br />

Sanierungen betroffen sind. Dafür müssen<br />

sogenannte Ordnungsmaßnahmengelder bereitgestellt<br />

werden, etwa für Umzugsentschädigungen<br />

oder zur Beschaffung von Ersatzwohnraum.<br />

Darüber hinaus werden die Rechte<br />

der Betroffenen heute nicht näher spezifiziert<br />

und damit bleibt reichlich unklar, wie sie<br />

in der Praxis gewahrt und materiell ausgefüllt<br />

werden sollen. Außerdem konzentrieren sich<br />

die heutigen Zielsetzungen ja im Wesentlichen<br />

auf die Infrastruktur und die Aufwertung des<br />

öffentlichen Raums, während die Gebäudesanierung<br />

den Eigentümern überlassen bleibt.<br />

Der Senat redet davon, dass über 200<br />

Millionen Euro städtebauliche Mittel für<br />

die Sanierungsgebiete bereit stehen sollen.<br />

Das stimmt zwar, aber hier ist eine andere<br />

Sache hervorzuheben. Nämlich dass für die<br />

neu ausgewiesenen Sanierungsgebiete bereits<br />

andere Förderprogramme bestehen. Die Summe,<br />

die immer genannt wird, setzt sich aus<br />

Bundes-, Landes- und Europamitteln zusammen,<br />

die im Rahmen eben jener bestehenden<br />

Förderprogramme vermutlich ohnehin in die<br />

Gebiete geflossen wären. Durch die Ausrufung<br />

der Sanierungsgebiete stellt der Senat keine<br />

zusätzlichen Eigenmittel bereit. Somit gibt es<br />

auch keine Möglichkeit, die Warmmieten mithilfe<br />

öffentlicher Mittel bei einer energetischen<br />

Sanierung neutral zu halten, während in<br />

früheren Zeiten eine umfassende Förderung<br />

mit Mietpreisbindung die Regel war. Und wenn<br />

man bedenkt, dass die genannte Summe für 7<br />

Gebiete mit einer Laufzeit von bis zu 15 Jahren<br />

gedacht ist, ist das nicht besonders viel Geld.<br />

ME 356 / September 2012

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!