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Bozzetto - Der Fluch

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HERMANNALEXANDERBEYELER<br />

GERD j. SCHNEEWEIS<br />

<strong>Der</strong> <strong>Fluch</strong>


Michelangelo, »Jüngstes Gericht«, in der Mitte: Jesus u. Maria,<br />

links und rechts die Apostel Johannes der Täufer und Petrus<br />

(mit den Schlüsseln)


Die Autoren der <strong>Bozzetto</strong>-Trilogie<br />

Hermann Alexander Beyeler,<br />

geboren 1952 in der Nähe von Luzern (Schweiz). Kunstsammler,<br />

Galerist, Mäzen, Autor. Verfolgt seit vielen Jahren das Projekt<br />

»<strong>Bozzetto</strong>«, das er hier, zusammen mit Gerd J. Schneeweis, zu einem<br />

Roman verdichtet hat. Beyeler lebt in und bei Luzern.<br />

Gerd J. Schneeweis,<br />

geboren 1947 in Bad Orb, Jurist, viele Jahre als Rechtsanwalt tätig,<br />

lebt heute als freier Schriftsteller in Linz (Oberösterreich).<br />

<strong>Der</strong> <strong>Bozzetto</strong> ist sein »Lebensthema«, nachdem er vor mehr als<br />

25 Jahren den Entwurf des Michelangelo gesehen hat, der ihn<br />

bis heute gefangen hält.


Impressum:<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2016 Hermann Alexander Beyeler, Basel/Luzern;<br />

Gerd J. Schneeweis, Linz<br />

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur München<br />

Foto Autoren: Marcel Osztrowski<br />

Umschlagmotiv: Composing unter Verwendung mehrerer Motive:<br />

© Study of a man shouting (charcoal on paper), Buonarroti,<br />

Michelangelo (1475–1564) / Gabinetto dei Disegni e Stampe,<br />

Galleria Degli Uffizi, Florence, Italy / Giraudon / Bridgeman Images;<br />

© Hendrick van Somer, der Heilige Hieronymus (Ausschnitt),<br />

Beyeler Collection; Fine Pic®, München<br />

Lektorat: Arnold Klaffenböck<br />

Druck: CPI, Ulm<br />

ISBN 978-3-7245-2178-5<br />

www.reinhardt.ch<br />

www.bozzetto-dasbuch.de


Hermann Alexander Beyeler<br />

Gerd J. Schneeweis<br />

<strong>Bozzetto</strong><br />

Roman<br />

Friedrich Reinhardt Verlag


Gott hat uns nicht geschaffen,<br />

um uns in der Not zu verlassen.<br />

Michelangelo


Vorwort<br />

Soweit in unserem Roman Persönlichkeiten der Geschichte zwischen<br />

1534 und 1945 eine Rolle spielen, haben wir ihre Namen weitgehend<br />

beibehalten, um deren historischer Bedeutung möglichst gerecht zu<br />

werden – im positiven wie im negativen Sinne. Allen Behauptungen liegen<br />

sorgsame Recherchen zugrunde, wobei natürlich unsere persönliche<br />

Einschätzung der Dinge immer auch »abgefärbt« haben dürfte.<br />

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind weder<br />

zufällig noch gewollt – aber damit auch nicht auszuschließen. Dennoch:<br />

Persönlichkeitsrechte zu wahren, war und ist uns ein vorrangiges Anliegen.<br />

Aber: Wer kann in Zeiten wie diesen, angesichts einer rasanten Entwicklung<br />

der unerträglichen globalen Nachrichtenschwemme, schon<br />

sagen, wo genau die Grenze zwischen tatsächlichen Ereignissen und der<br />

Phantasie von Autoren zu ziehen ist?<br />

Tag für Tag – und manchmal sogar im Stunden- oder Minutentakt –<br />

werden überall auf der Welt plötzlich Behauptungen zu Tatsachen erhoben<br />

und Tatsachen ebenso plötzlich wieder zu bloßen Behauptungen<br />

degradiert. Wahrheit, so scheint es uns, ist mittlerweile beliebig geworden.<br />

Jeder glaubt, dass er sie nach eigenem Gutdünken für sich selbst<br />

vereinnahmen und gestalten kann. Uns verursacht diese Entwicklung<br />

Bauchschmerzen, wissen wir doch: Auch die so oft zitierte »halbe Wahrheit«<br />

gibt es nicht. Denn<br />

… die einen sind im Dunkeln<br />

Und die andern sind im Licht.<br />

Und man siehet die im Lichte<br />

Die im Dunkeln sieht man nicht.<br />

Bertolt Brecht


Prolog


Rom, Sixtinische Kapelle, 31. Oktober 1541<br />

Michelangelo hatte bei der Entstehung des Freskos zum<br />

»Jüngsten Gericht« auf jede Hilfe verzichtet. Ein heftiger<br />

Streit mit einem besserwisserischen und hochnäsigen Handwerker<br />

war der Auslöser dafür, dass er schon wenige Tage<br />

nach Beginn der Arbeiten sämtliche Helfer und Helfershelfer<br />

auf der Stelle hinausgeworfen, danach den Eingang zur<br />

Sixtinischen Kapelle verbarrikadiert und unter strengem<br />

Verschluss gehalten hatte. Niemand wusste, was er dort erschaffen<br />

würde.<br />

Selbst der Papst hatte nur eine vage Vorstellung davon. Er<br />

kannte zwar den Entwurf auf der Holztafel, die ihm Michelangelo<br />

vor mehr als sieben Jahren präsentiert und die er als<br />

Vorlage für die Ausmalung persönlich in Auftrag gegeben<br />

hatte. Aber auch dieser Entwurf, der »<strong>Bozzetto</strong>« Michelangelos,<br />

war seitdem nicht mehr öffentlich zugänglich gewesen.<br />

Mit ungeheurer Spannung erwarteten jetzt alle, die sich in<br />

der Sixtinischen Kapelle versammelt hatten, die Enthüllung<br />

des Freskos auf der Altarwand durch Papst Paul III.<br />

15


Michelangelo, zu dessen Ehren die Feierlichkeiten am heutigen<br />

31. Oktober 1541 ausgerichtet waren, hielt sich bescheiden<br />

im Hintergrund und ließ der gaffenden Menge, die sich<br />

dicht vor dem hoch über den Altar ragenden Fresko drängte,<br />

gerne den Vortritt. Er verfolgte das gesamte Szenario eher wie<br />

ein Zuschauer im Theater. Deshalb auch war er wohl der Erste,<br />

der das rasch lauter werdende Getrampel fester, fast kriegerisch<br />

anmutender Schritte bemerkte, die sich beunruhigend<br />

schnell dem Eingang der Sixtina näherten, deren Türen plötzlich<br />

mit voller Wucht aufgestoßen wurden.<br />

Wer war dieser Mann, der plötzlich, von Wächtern der<br />

Schweizergarde nicht gehindert, schwitzend und außer Atem,<br />

nur ein paar Gefolgsleute hinter sich, in der Kapelle stand?<br />

<strong>Der</strong> an seinen Insignien erkennbare Gesandte des kaiserlichen<br />

Hofes hatte keine Zeit zu verlieren. Abrupt unterbrach<br />

er die Feierlichkeiten. Während die große Menge der zu diesem<br />

Ereignis eingeladenen Honoratioren noch in erschrockenem<br />

Gemurmel verharrte, forderte ein Posaunenstoß absolutes<br />

Stillschweigen ein.<br />

<strong>Der</strong> Anführer der kaiserlichen Gesandtschaft fixierte den<br />

Papst mit bohrendem Blick. Dann erst sprach er seine Worte<br />

mit lauter Stimme in die unheimliche Stille der Sixtinischen<br />

Kapelle hinein:<br />

»Summus Pontifex Ecclesiae Universalis! Vicarius Jesu<br />

Christi! Episcopus Romanus!« <strong>Der</strong> Gesandte, der sich damit<br />

ausschließlich an Papst Paul III. gewandt hatte, legte eine<br />

kurze Pause ein, ehe er fortfuhr: »Bürger von Rom! Mit einer<br />

schrecklichen Botschaft stehe ich heute hier. Unser großes<br />

christliches Heer, das unter der Führung des erlauchten Kaisers<br />

Karl V. zu einem heiligen Kreuzzug aufgebrochen war, ist<br />

zerstört. Vernichtet.«<br />

Obwohl der Überbringer der italienischen Sprache offenbar<br />

nicht mächtig schien und ein Gemisch aus Spanisch und Ita-<br />

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lienisch gesprochen hatte, verstand die von Entsetzen ergriffene<br />

Menge den Inhalt der Botschaft genau.<br />

Alle wussten, dass Kaiser Karl V. mit christlichen Gefolgsleuten<br />

aus ganz Europa zu einem Kreuzzug gegen den räuberischen<br />

osmanischen Herrscher Khair ad-Din aufgebrochen war.<br />

Und jetzt erfuhren sie geschockt, dass in der Nacht auf den 24.<br />

Oktober 1541 mehr als 150 Schiffe zerstört worden waren. Ein<br />

gewaltiger Sturm hatte sie hinweggefegt. Fast die gesamte Flotte<br />

war zerschmettert und lag zusammen mit Tausenden von Männern<br />

auf dem Meeresboden. <strong>Der</strong> Kaiser selbst hatte sich nur<br />

unter größten Anstrengungen und bei ständiger Todesgefahr<br />

mit den traurigen Resten der schwer beschädigten, einst so<br />

stolzen Armada nach Spanien retten können.<br />

Michelangelo schauderte. Noch nie in seinem langen Leben<br />

hatte eine Botschaft ihn so sehr in Panik versetzt wie diese.<br />

Was er eben gehört hatte, war schrecklich, aber nur er brachte<br />

die Botschaft sofort in direkten Zusammenhang mit der brisanten<br />

Absprache, die ihm Clemens VII. bei einem konspirativen<br />

Treffen im September 1533 in San Miniato al Tedesco<br />

aufgezwungen hatte.<br />

Was der kurz danach verstorbene Papst damals von ihm<br />

verlangt hatte, war ungeheuerlich gewesen. Aber da Michelangelo<br />

dabei seinen eigenen Vorteil gesehen hatte, hatte er<br />

diesem unheiligen Pakt vorbehaltlos zugestimmt. Und kurze<br />

Zeit später hatte er ihn bei der Gestaltung des Wandfreskos<br />

zum Jüngsten Gericht konsequent umgesetzt.<br />

In diesem Augenblick fühlte sich Michelangelo allein in der<br />

Sixtinischen Kapelle. Ihn machte jetzt weniger die Tatsache<br />

betroffen, dass Kaiser Karl V. in eine vernichtende Katastrophe<br />

geraten war. Diese Schmach vergönnte er dem Initiator<br />

des »Sacco di Roma« von Herzen. Auch wenn es nicht der osmanische<br />

Feind gewesen war, der die christlichen Kreuzritterschiffe<br />

vernichtet hatte, sondern ein gewaltiger Sturm, der<br />

17


sie gewissermaßen hinweggefegt und damit die Niederlage<br />

noch vor dem Kampf besiegelt hatte.<br />

<strong>Der</strong> Gesandte des Kaisers hatte die Hiobsbotschaft direkt in<br />

die Feierlichkeiten zur Enthüllung des monumentalen Wandfreskos<br />

Michelangelos hineinposaunt. Auf den Moment genau,<br />

an dem Papst Paul III. damit beginnen wollte, den Segen<br />

für das soeben enthüllte »Jüngste Gericht« zu sprechen. Verweigerte<br />

Gott ihm jetzt seinen Segen? Wie anders hätte Michelangelo<br />

die deutliche Botschaft des kaiserlichen Gesandten<br />

interpretieren sollen?<br />

Das, was ihm gerade zu Ohren gekommen war, als Folge<br />

von bloßen Zufällen zu sehen, widersprach seinem tiefen<br />

Glauben. Für Michelangelo stand fest, dass Gott selbst in<br />

diesen unheiligen Krieg eingegriffen hatte. Das grausame Fanal<br />

konnte nur Gott allein gesetzt haben. Als martialische<br />

alttestamentarische Strafe. Als warnendes Zeichen göttlicher<br />

Macht.<br />

Aber warum war der Tag der Enthüllung des »Jüngsten Gerichts«<br />

zu einem »dies irae«, einem Tag des Zorns, geworden?<br />

Sollte der Zorn Gottes ihn, den Schöpfer des »Jüngsten Gerichts«,<br />

treffen? Oder richtete sich Gottes Zorn gar direkt gegen<br />

den Vatikan oder gegen die weltliche Herrschaft Karls V.?<br />

Bereits zuvor hatte es solche Zeichen göttlichen Zorns gegeben:<br />

die Zerstörung und Plünderung Roms durch Karl V.,<br />

den »Sacco di Roma«, die Pest, die große Überschwemmung<br />

durch den Tiber und einiges mehr.<br />

Michelangelo erinnerte sich plötzlich auch an das schreckliche<br />

Unglück, das einen braven Gardisten der Schweizergarde<br />

das Leben gekostet hatte. Genau in dem Moment, als Papst<br />

Hadrian VI. 1522 zur Weihnachtsmesse in die Sixtinische Kapelle<br />

eingezogen war, war der tonnenschwere marmorne Türrahmen<br />

eingestürzt. Wer – außer Gott – hätte es wagen können,<br />

damit zwei der drei Fresken Peruginos zu zerstören, die<br />

18


genau jenen Platz zierten, auf dem sich heute Michelangelos<br />

monumentale neue Interpretation des »Jüngsten Gerichts«<br />

befand!<br />

Kein Zweifel, der Untergang der kaiserlichen Flotte war<br />

ein Zeichen Gottes – und seines Zorns. Aber wie war es zu<br />

deuten?<br />

Michelangelo wurde schwindelig. Als letzter Gedanke<br />

schoss ihm Hiobs wahre Botschaft durch den Kopf: Verflucht<br />

sei der Tag, an dem ich geboren wurde. <strong>Der</strong> Tag, an dem meine<br />

Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet!<br />

Tommaso de’ Cavalieri hatte dafür gesorgt, dass der ohnmächtige<br />

Michelangelo sofort in sein Haus gebracht und von<br />

den herbeigerufenen Ärzten sorgsam gebettet wurde. Von<br />

hohem Fieber gepackt, phantasierte er dort vier Tage und vier<br />

Nächte vom Tod. Am fünften Tag dann erwachte er endlich<br />

aus seinen qualvollen Träumen.<br />

Die Tatsache, dass er als erstem Menschen seinem in enger<br />

Freundschaft verbundenen Gefährten Tommaso ins Gesicht<br />

sehen konnte, half ihm außerordentlich auf seinem Weg zurück<br />

ins Leben. <strong>Der</strong> ehemalige Schüler Michelangelos war ein<br />

Zeichner mit einem außergewöhnlichen Talent, das in jeder<br />

Weise durch seinen großen Meister gefördert wurde. Tommaso<br />

war der einzige Mensch, dem er gestattet hatte, ihm bei<br />

der Entwicklung der Figuren für das »Jüngste Gericht« hilfreich<br />

zur Seite zu stehen. Wenn es jemanden gab, dem er<br />

seine leidvolle Geschichte erzählen konnte, die ihn zu einer<br />

gänzlich neuen Interpretation des »Jüngsten Gerichts« führte,<br />

dann war er das: Tommaso de’ Cavalieri – die große Liebe seines<br />

Lebens.<br />

Einen Teil der Geschichte Michelangelos kannte dieser bereits.<br />

Als sein Schüler war Tommaso 1533 als 23-jähriger junger<br />

Mann zusammen mit seinem Meister nach San Miniato<br />

19


al Tedesco in der Nähe von Florenz gereist. Dort begegneten<br />

die beiden Clemens VII., der seine Großnichte, Caterina de’<br />

Medici, zu ihrer Hochzeit mit dem Sohn des französischen<br />

Königs, Franz I., begleitete, die im Oktober 1533 stattfinden<br />

sollte. <strong>Der</strong> in San Miniato eingeplante Zwischenstopp auf<br />

dieser beschwerlichen Reise von Rom nach Nizza bot dem<br />

Papst eine gute Gelegenheit, unter vier Augen ein vertrauliches<br />

Gespräch mit Michelangelo zu führen. Tommaso hatte<br />

seinen Maestro nach diesem konspirativen Treffen nie über<br />

dessen Ergebnis befragt, obwohl er ahnte, dass dort der Auftrag<br />

für die Schaffung des Wandfreskos in der Sixtina besprochen<br />

worden war. Jetzt wollte Michelangelo ihm die<br />

ganze Wahrheit über jenes Gespräch erzählen, um seine<br />

Seele von diesem alten Ballast zu befreien, den er niemandem<br />

sonst je hätte beichten können. Tommaso freute sich auf<br />

diese Offenbarung, die er schon so lange erwartet hatte, und<br />

hörte dem Maestro gebannt zu.<br />

Michelangelo war auf einen alternden, verzweifelten Papst<br />

Clemens VII. gestoßen, der sich innerlich verzehrte in der<br />

Angst vor dem weltlichen und dem göttlichen Herrscher –<br />

Gott und dem Kaiser: denn beide hatte er schwer getäuscht.<br />

<strong>Der</strong> Strafe Karls V. konnte er vielleicht noch entgehen. <strong>Der</strong><br />

Macht und dem Zorn Gottes am Tage seines Todes, der, wie er<br />

spürte, bald kommen würde, in keinem Fall.<br />

Am Ende seines langen Pontifikats hatte ihn die traurige Erkenntnis<br />

seiner eigenen Fehler und seiner Unzulänglichkeit<br />

als Papst eingeholt. Endlich hatte er erkannt, dass ihm die Fähigkeit,<br />

die Geschicke des Vatikans im christlichen Sinne zu<br />

lenken, völlig fehlte.<br />

Schon seine Wahl zum Papst war auf einem Lügengebäude<br />

aufgebaut gewesen. Nur den »Bankiersmethoden« der Medici<br />

hatte er es zu verdanken, dass Giulio de’ Medici im Oktober<br />

1523 vom Konklave zum Papst gewählt worden war. Die mäch-<br />

20


tigen Medici hatten sich ihren eigenen Papst, der sich den Namen<br />

Clemens VII. gab, erkauft. Tausend Dukaten waren jedem<br />

Kardinal versprochen worden, damit er »im Namen des<br />

Herrn« seine Stimme Giulio de’ Medici gab.<br />

Für die Medici war das eine lächerliche Summe. Aber selbst<br />

Michelangelo war erstaunt zu hören, dass die widerborstigen<br />

Colonna sogar einen prunkvollen Palast in Rom erhielten,<br />

den Kardinal Colonna als Geschenk für seine Stimme gefordert<br />

hatte.<br />

<strong>Der</strong> verzweifelte Clemens offenbarte sich Michelangelo gegenüber<br />

als Zauderer zwischen den Fronten, beherrscht von<br />

seiner Wankelmütigkeit und Unfähigkeit, Entscheidungen zu<br />

treffen und konsequent zu Ende zu führen. Es war dies eine<br />

späte, zu späte Erkenntnis …<br />

Clemens wusste längst, dass er die Auswirkungen der lutherischen<br />

Reformation völlig unterschätzt hatte. Mittlerweile<br />

war diese Bewegung schon lange kein deutsches Problem<br />

mehr. Sie war inzwischen in Italien angekommen – und damit<br />

im Vatikan.<br />

Völlige Zerrissenheit empfand er jetzt aber vor allem angesichts<br />

seiner Entscheidung, Caterina mit dem Sohn des<br />

französischen Königs zu verheiraten. Er wusste nur zu genau,<br />

dass Karl V. strikt gegen diese Hochzeit war. Aus purer Angst<br />

vor ihm hatte der ständig zwischen den Fronten jonglierende<br />

Papst dem Kaiser die in Kürze stattfindende Hochzeit verschwiegen.<br />

Mittlerweile war ihm auch klar, dass es falsch<br />

war, dem Kaiser vorzugaukeln, er verhandele immer noch<br />

mit dem Herzog von Mailand über dessen Vermählung mit<br />

Caterina.<br />

Immer wieder quälten ihn deshalb ausufernde Albträume.<br />

Er hatte jetzt die schreckliche Rache von Karl V. zu fürchten,<br />

den er erneut getäuscht und hintergangen hatte. Wenn diese<br />

Rache sich gegen Rom richtete, würde ein deutlicher Zusam-<br />

21


menhang mit dieser aus rein persönlichen Machtgründen<br />

getroffenen Fehlentscheidung klar erkennbar werden.<br />

Clemens VII. hatte Angst vor dem Tod und vor dem Urteil<br />

Gottes. Michelangelo sollte ihm helfen, dieser Angst Herr zu<br />

werden. Zumindest der Nachwelt gegenüber sollte der Künstler<br />

ihn rehabilitieren. Und so verlangte er von Michelangelo<br />

nichts Geringeres, als dass er ihn, den Pontifex maximus, in<br />

der Darstellung des Jüngsten Gerichts als erkennbare Person<br />

verewigen solle!<br />

Im Gegenzug hatte er Michelangelo geschickt ein verlockendes<br />

Angebot unterbreitet und ihm »völlig freie Hand«<br />

bei der weiteren Gestaltung des Freskos, eine feste Anstellung<br />

im Vatikan mit hohem monatlichen Salär und eine eigene<br />

Wohnung in Rom versprochen.<br />

Michelangelo unterbrach plötzlich seine Schilderung der<br />

Ereignisse, da er prüfen wollte, ob er Tommaso mit seiner<br />

Erzählung nicht zu sehr langweilte. Als er feststellte, dass<br />

dieser ihm immer noch – völlig gebannt von der bildhaften<br />

Erzählweise seines Meisters – zuhörte und fast erschrocken<br />

auf die unerwartete Unterbrechung reagierte, fuhr er beruhigt<br />

fort.<br />

»Geliebter Tommaso. Wie sehr es meine gequälte Seele befreit,<br />

dass du mir gestattest, diese Geschichte zu erzählen,<br />

wirst du in deinen jungen Jahren kaum ermessen können.<br />

Aber ich bin dir zu ewigem Dank verpflichtet.«<br />

Tommaso schüttelte leicht den Kopf. Er verehrte Michelangelo<br />

mehr als jeden anderen Menschen. Ohne dessen unermüdliche<br />

Hilfe wäre er ein Niemand. Für ihn würde er durchs<br />

Feuer gehen – oder in die Hölle.<br />

»Nein, Maestro, den Dank schulde ich dir, und ich werde<br />

immer für dich da sein. Aber erzähle bitte weiter, ich weiß,<br />

dass du es getan hast. Das Abbild von Clemens ist für mich<br />

deutlich zu erkennen. Ich weiß, er ist es! Erzähle bitte deine<br />

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Geschichte zu Ende, damit ich den Entschluss eines weisen<br />

Mannes besser verstehen kann.«<br />

»Lieber Freund, ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob es<br />

ein wirklich weiser Entschluss war, dieser Bitte zu folgen. Du<br />

warst dabei, als die schreckliche Nachricht vom Untergang<br />

der Flotte Kaiser Karls im Vatikan eintraf. Das war ein Zeichen<br />

Gottes.«<br />

Tommaso blickte erstaunt auf: »Ja, das war es bestimmt –<br />

aber gewiss für den Kaiser gedacht, der es gewagt hatte, Rom<br />

zu zerstören.«<br />

Michelangelos Gesicht hellte sich auf. Diese Möglichkeit<br />

hatte auch er ins Kalkül gezogen, aber dann in Anbetracht der<br />

Ereignisse von San Miniato wieder verworfen. Jetzt war nicht<br />

die Zeit, darüber zu diskutieren, und er überging Tommasos<br />

Einwand und fuhr in seinem Bericht fort.<br />

»Danach haben wir lange gestritten, die ganze Nacht. Zunächst<br />

habe ich auf das Ansinnen von Clemens gereizt reagiert<br />

– wenn auch mit größtmöglicher Zurückhaltung. Es war<br />

ja der Heilige Vater, der zu mir gesprochen hatte. Einerseits<br />

empörte mich das unredliche Ansinnen des Papstes enorm. Er<br />

hat es zwar als Bitte formuliert, aber für mich war es wie eine<br />

Erpressung. Andererseits wollte er der Nachwelt ein deutlich<br />

sichtbares Zeichen seiner ehrlichen Reue hinterlassen. Es war<br />

dies ein redlicher Wunsch gewesen, und sich ihm zu verweigern,<br />

wäre nicht leichtgefallen. Du magst dir den Zwiespalt<br />

vorstellen können, in dem ich mich damals befand!«<br />

Wieder nickte Tommaso zustimmend.<br />

»Ich wollte mir das nicht so einfach vorschreiben lassen. Ich<br />

bin kein junger Mann mehr, du kennst mich ja. Ich kann ein<br />

sehr störrischer Esel sein. Also habe ich sein Ansinnen abgelehnt,<br />

ihm dann aber einen neuen Vorschlag gemacht.«<br />

Tommaso bewunderte Michelangelo zutiefst: Auch Moses<br />

hatte die Steintafel mit den Zehn Geboten zerschlagen und<br />

23


war anschließend wieder zu Gott den Berg hinaufgestiegen,<br />

um erneut mit ihm zu verhandeln.<br />

»Clemens wollte sich in der Figur des Petrus verewigt sehen.<br />

Das war gar nicht so abwegig. Er war der Stellvertreter Gottes<br />

auf Erden – aber eben nicht Petrus. Dennoch habe ich versprochen,<br />

ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Da er mir jedoch<br />

bei der übrigen Gestaltung freie Hand zugesichert hatte, war<br />

er gezwungen, mir im Gegenzug zu gestatten, eine zweite<br />

weltliche Figur in die Szene einzufügen.«<br />

Tommaso überlegte eine Weile, ehe er antwortete: »Auch<br />

hier gebe ich dir vor dem Hintergrund der tatsächlichen<br />

Ereignisse durchaus recht. Das fragile Gleichgewicht zwischen<br />

christlicher Kirche und weltlichem Machtanspruch<br />

drohte zu scheitern. Das hätte beiden Seiten gleichermaßen<br />

geschadet. Clemens selbst hat darauf bestanden, das Profane<br />

in das geistliche Geschehen hineinzutragen. Mir<br />

scheint es vor diesem Hintergrund unumgänglich, diese<br />

gefährliche Situation, in der sich Kirche und kaiserliche<br />

Machthaber als die beiden Säulen der Kirche befanden, in<br />

ihrer Gesamtheit darzustellen. Du konntest das nicht anders<br />

bewerkstelligen, als Kaiser Karl direkt dem Papst gegenüberzustellen.«<br />

Diese logische Interpretation Tommasos kam aus seiner<br />

tiefsten Seele und beruhigte Michelangelo sehr. Und er fuhr<br />

fort: »Mit dieser Darstellung stand ich schließlich auch nicht<br />

allein da. Clemens selbst hatte bereits zuvor sein eigenes Abbild<br />

auf der Vorderseite einer Münze gewünscht, auf der<br />

Rückseite aber auch damals schon Karl V. abbilden lassen.<br />

Zusammen mit ihm, dem weltlichen Kaiser, stützt er das<br />

Kreuz Jesu. Schon diese Münze war ein deutliches Signal an<br />

die Mächtigen dieser Zeit: Nur beide gemeinsam – christliche<br />

und weltliche Macht – können die große Aufgabe, den Erhalt<br />

des Christentums, erfüllen. Diese Botschaft habe ich in das<br />

24


›Jüngste Gericht‹ eingebracht: in der Darstellung Kaiser<br />

Karls V. als direktem Gegenpart zu Clemens VII.!«<br />

Tommasos Bewunderung für Michelangelo war grenzenlos.<br />

Deutlicher konnte man der Welt die Wandlung Clemens’ VII.<br />

vom Saulus zum Paulus nicht zeigen. Wenn auch nur posthum.<br />

Dann aber in aller Bescheidenheit und Demut.<br />

»Lieber Michelangelo, eine weisere Entscheidung hättest du<br />

nicht treffen können. Was kann dich daran noch betrüben?«<br />

Michelangelo sah seinem jungen Freund ins Gesicht und<br />

schwieg eine ganze Weile.<br />

»Weil ich mit der Fertigstellung des ›Jüngsten Gerichts‹ gegen<br />

jede Regel der traditionellen christlichen Ikonographie<br />

verstoßen habe. Diese hatte es als unabänderlich vorgegeben,<br />

dass die zentrale oberste Figur bei der Darstellung der letzten<br />

Stunde der Menschheit nur Gott sein durfte. Umgeben von<br />

seinen Aposteln – und von Maria, der Gottesmutter, als Fürbitterin<br />

der verdammten Menschheit. Darunter sollte sich<br />

diesen Regeln zufolge nur noch der Erzengel Michael mit der<br />

Waage des Lebens befinden. Alle anderen Personen waren<br />

immer nur Namenlose – die Verdammten wie die Geretteten.<br />

Ich jedoch habe in meinem ›Jüngsten Gericht‹ die beiden<br />

mächtigsten Oberhäupter, einmal weltlicher, einmal kirchlicher<br />

Macht, in personam dargestellt und ihnen ihre realen<br />

Gesichter gegeben: Kaiser Karl V. und Papst Clemens VII. in<br />

zentraler Position, links und rechts neben Christus und in direktem<br />

Dialog mit ihm. Es sind die beiden einzigen Figuren<br />

im Fresko, denen ich sogar die gleiche gewaltige Körpergröße<br />

gegeben habe wie Christus, dem Weltenrichter. Aus Johannes<br />

dem Täufer ist Karl V. geworden und aus Petrus Papst Clemens<br />

VII. Damit habe ich sie beide in frevelhafter Weise mit<br />

Gott gleichgestellt.«<br />

Tommaso dachte kurz über das Gesagte nach. Sein Kommentar<br />

fiel knapp und einfach aus: »Michelangelo, du bist<br />

25


der größte Künstler, den Italien je hervorgebracht hat. Neue<br />

Wege in der Kunst als Erster zu beschreiten, ist – auch und<br />

gerade in dieser unruhigen Zeit – immer nur den Besten<br />

vorbehalten. Ja, du hast eine neue, revolutionäre Darstellung<br />

des ›Jüngsten Gerichts‹ geschaffen. Die Leute bejubeln<br />

deine Arbeit und preisen sie als größtes Meisterwerk,<br />

das Rom je gesehen hat. Jeden Tag drängen sich Hunderte<br />

von Menschen vor der Altarwand. Sie können gar nicht<br />

genug davon bekommen, so sehr faszinierst du sie mit<br />

deiner Endzeitvision. Schon am ersten Tag nach der Enthüllung<br />

saßen bereits viele Kopisten vor dem Fresko. Sie<br />

bekommen Aufträge aus aller Welt und können sich vor<br />

Angeboten nicht retten. Jeder will dich haben, jeder will<br />

einen ›Michelangelo‹.«<br />

Jetzt holte Tommaso tief Luft: »Maestro, du bist nur der<br />

Beschreiter eines neuen Weges! Es kann nicht falsch sein,<br />

was du getan hast.«<br />

Michelangelo widersprach Tommaso nachdenklich: »Leider<br />

habe ich weit mehr getan, als nur ein profanes Zeichen zu setzen.<br />

Ich habe an den Grundfesten unseres christlichen Glaubens<br />

gerüttelt. Heute loben und preisen sie mich. Morgen<br />

werden sie sich vielleicht über die Nacktheit meiner Figuren<br />

lustig machen oder sich beschweren. Und irgendwann werden<br />

sie erkennen, wie viel ketzerisches Gedankengut in ihnen<br />

wirklich steckt. Ich habe ein heiliges Gesetz verletzt. Nicht vor<br />

den Menschen, die mich dafür bestrafen können, fürchte ich<br />

mich, sondern vor der Strafe Gottes.«<br />

Tommaso war fassungslos. Was hatte das zu bedeuten?<br />

Michelangelo fuhr fort: »Morgen … morgen, mein lieber<br />

Freund, werde ich dir von dem Kampf der Geister berichten,<br />

die ich damit in mir geweckt habe. An ein schrecklicheres Erlebnis<br />

kann ich mich nicht erinnern. Es hat mich nahezu in<br />

den Wahnsinn getrieben!«<br />

26


Tommaso war am anderen Morgen schon früh aufgestanden<br />

und hatte Obst, Oliven, Käse, Brot und frisches Wasser<br />

zur ersten Vesper angerichtet. <strong>Der</strong> Schlaf hatte Michelangelo<br />

gutgetan. Er war zu neuen Kräften gelangt und genoss sichtlich<br />

die Köstlichkeiten, die Tommaso zubereitet hatte.<br />

»Weißt du, mein Freund, die Zeit nach dem Tod von Clemens<br />

war für mich von der enormen Arbeit gekennzeichnet,<br />

die ich in Florenz für die Medici ausführen musste. Sein<br />

Nachfolger, Papst Paul III., hatte mich jedoch zusätzlich unter<br />

starken Druck gesetzt. Er wollte unbedingt, dass ich mit dem<br />

Fresko in der Sixtina beginne, und vorher wollte er meinen<br />

fertigen Entwurf, einen <strong>Bozzetto</strong> des ›Jüngsten Gerichts‹, sehen.<br />

Also habe ich angefangen, Tag und Nacht daran zu arbeiten.<br />

Zwei wertvolle Holztafeln zerschlug ich dann in meiner<br />

Verzweiflung und meinem Zorn. Nichts wollte mir<br />

gelingen. Nie war ich mit dem Ergebnis zufrieden.<br />

Schließlich habe ich begonnen, eine dritte Holztafel zu bemalen.<br />

Unter mich quälenden Gedanken hatte ich entschieden,<br />

nicht das ›Jüngste Gericht‹ selbst, den Urteilsspruch<br />

Christi über die gesamte Menschheit, darzustellen. Nur den<br />

Moment davor wollte ich festhalten. Genau den entscheidenden<br />

Moment, in dem die Menschen selbst nichts mehr für die<br />

Rettung ihrer Seele tun können. Denn in diesem Moment unterliegt<br />

alles ganz allein der Gnade Gottes. Das und nichts anderes<br />

sollte meine Botschaft sein!<br />

Als ich spät in der Nacht schweißgebadet dabei war, meinen<br />

Entwurf zu beenden, überfielen mich erneut Zweifel. Mit einem<br />

Mal begannen sich die Figuren auf der Holztafel zu bewegen.<br />

Zuerst veränderten sie meine Farben, dann traten sie<br />

schließlich völlig aus der Tafel heraus und zogen mich in eine<br />

furchtbare Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hinein.<br />

Ihre Stimmen schwirrten um mich herum. Mal flüsterten<br />

sie, mal brüllten sie auf mich ein. Es waren gute und böse<br />

27


Geister, aber ich selbst konnte nicht mehr unterscheiden, welcher<br />

Natur welcher Geist war. Mein Gehirn war überflutet<br />

mit Argumenten für Gott und gegen den Teufel – und umgekehrt.<br />

Bis ich es vor körperlichen und geistigen Schmerzen<br />

kaum mehr ertragen konnte. Es war, als ob man mir einen<br />

Trichter auf den Kopf gesetzt, die Schädeldecke durchstoßen<br />

und Hunderte von Stimmen hineingeflutet hätte. Und sie ließen<br />

nicht von mir ab.<br />

Mit den Gedanken Dantes hatte ich die Geister der Hölle<br />

beschworen, um auf die unterste Stufe der Unterwelt hinabsteigen<br />

zu können. Aber dort habe ich sie getäuscht und Brutus,<br />

den legitimen Tyrannenmörder, für alle Zeiten aus Luzifers<br />

Maul herausgerissen. Jetzt wollten seine Teufel ihn<br />

wieder haben.<br />

Mit der Verkündung, dass alles von Gottes Gnade abhängt<br />

und niemand vorher die Schwere der Seelen abwiegt, habe ich<br />

den Ablasshandel ad absurdum geführt. Das wollte mir die<br />

Kirche nie verzeihen.«<br />

Michelangelo atmete tief. Die Erinnerung an das Geschehene<br />

machte ihm offenkundig erneut schwer zu schaffen.<br />

Tommaso versuchte, ihm seine wieder aufkeimende Angst zu<br />

nehmen: »Du warst vollkommen überanstrengt und damit<br />

völlig der Magie deiner eigenen Gedankenwelt ausgeliefert.<br />

Du bist Phantasien begegnet, die sonst nur in Albträumen erscheinen.<br />

Sie waren nicht real.«<br />

»Nein, mein Freund. Die Geister, die ich rief, waren bei mir.<br />

Und sie waren nicht von dieser Welt. Ich habe die Hölle geschaut,<br />

nicht den Himmel.«<br />

Tommaso erstarrte: »Verzeih mir, es fällt mir wirklich<br />

schwer, das zu glauben. Aber wenn es so war, muss es wirklich<br />

das grausamste Erlebnis gewesen sein, das dir je widerfahren<br />

ist. Wie bist du denn der peinigenden Geisterschar<br />

entkommen?«<br />

28


»Als sie mich fast um den Verstand gebracht hatten – und<br />

zwar die guten wie die bösen Geister –, habe ich in meiner<br />

Not die schwere Holztafel mit beiden Händen gepackt und<br />

den gütigen Gott, den ich darauf abgebildet habe, gegen mein<br />

Herz gepresst. So fest, wie ich nur konnte. So fest, dass es mir<br />

fast den Atem nahm. So etwas wie ein riesiger Sog setzte ein,<br />

und alle Geister verschwanden wieder im <strong>Bozzetto</strong>. <strong>Der</strong> Spuk<br />

war damit beendet.«<br />

Michelangelo schaute Tommaso hilfesuchend an: »Jetzt<br />

aber leben alle diese Geister im Fresko weiter. Auch das wirklich<br />

Böse ist in der Sixtina angekommen. Ich selbst habe es<br />

hineingebracht!«<br />

Tommaso überlegte sehr lange, ehe er Michelangelo antwortete:<br />

»Nein, da muss ich dir heftig widersprechen. Das<br />

kann nicht sein! Du ziehst einen völlig falschen Schluss aus<br />

deinem Handeln. Zügle beruhigt deine Sorgen: Dein grandioses<br />

Wandfresko ist unbefleckt davon. Es vermittelt natürlich<br />

den Eindruck eines verzweifelten Kampfes zwischen Gut und<br />

Böse. Aber wenn du mit Gottes Hilfe die Geister aus dem<br />

<strong>Bozzetto</strong> wieder in diesen hinein verbannt hast, dann sind sie<br />

auch heute noch dort gefangen. Und nur in ihm.«<br />

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Wichtige Personen des Romans<br />

Hinweise zu Abkürzungen


Hans Albert Bilgrin, genannt HAB, Schweizer Galerist und Mäzen<br />

Maximilian »Max« Prückner, ehemaliger Rechtsanwalt, guter Freund<br />

von HAB<br />

Sophie Freise, eine außergewöhnliche Frau mit außergewöhnlichen<br />

Fähigkeiten<br />

Alois Fuchs, Kunsthistoriker<br />

Hannibal Hansen, Urgestein des investigativen Journalismus<br />

Heinz Krakow, Journalist, recherchiert im Geheimen seit Jahren »in<br />

Sachen NAD«<br />

Bruno Luger, heute: angesehener Kunsthändler, früher: »Görings Mann<br />

in Paris«<br />

Martin Seeger, Galerist, auch ihn hat der <strong>Bozzetto</strong> in den Ruin getrieben<br />

Artur Süler, genannt »der Stellvertreter«, führender Kopf des NAD<br />

Adrian von Stetten, Gruppenleiter des NAD<br />

Lieselotte »Lotte« Müller, extreme Kampfsportlerin, lebt für die Ziele<br />

des NAD<br />

Martin Schuhmann, IT-Spezialist, bildet mit Lotte das schlagkräftigste<br />

Team des NAD<br />

Friedrich Sandvoss, Kunsthändler. Er »findet« den <strong>Bozzetto</strong> 1949 in Paris<br />

Dr. Lukas Amann, Kunsthistoriker, er beweist: Michelangelo hat den<br />

<strong>Bozzetto</strong> geschaffen<br />

Edgar Allan Brugg, er hat die böse Kraft des <strong>Bozzetto</strong>s hautnah erlebt<br />

Bernadette Vosserau, heimliche Geliebte von Artur Süler<br />

Graf Mario Dellamonte, »verdient« sein Geld mit dem <strong>Bozzetto</strong><br />

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NAD bedeutet: Nationalsozialismus Adolf (Hitler) Deutschland<br />

BdF, Vorläuferorganisation des NAD, Abkürzung für: Bewahrer<br />

des Führers<br />

CIC, Counter Intelligence Corps, ehemaliger amerikanischer Geheimdienst<br />

CIA, Central Intelligence Agency, heutiger amerikanischer Geheimdienst<br />

HIAG, Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen<br />

der Waffen-SS<br />

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DER »BOZZETTO«<br />

MICHELANGELOS,<br />

der 1534 auf einer Holztafel geschaffene Entwurf für die Gestaltung des<br />

Wandfreskos zum »Jüngsten Gericht« in der Sixtinischen Kapelle, wird 1546<br />

von einem liebesblinden Kardinal seinem angestammten Platz im Vatikan<br />

entrissen. <strong>Der</strong> Schweizer Galerist Hans Albert Bilgrin sowie der ehemalige<br />

Rechtsanwalt Maximilian Prückner finden mithilfe der wundersam begabten<br />

Sophie heraus, welch blutige Spur der <strong>Bozzetto</strong> auf seinem Weg quer durch die<br />

europäische Geschichte hinterlassen hat. In der Holztafel verborgen, kämpft<br />

das Gute mit dem Bösen – bis heute. Bei dem Versuch, den <strong>Fluch</strong><br />

des <strong>Bozzetto</strong>s zu bannen, sieht sich das Trio plötzlich einer<br />

unerwarteten tödlichen Bedrohung gegenüber.<br />

€ 14.40 [D] € 14.80 [A]<br />

€ 14.40 [D] € 14.80 [A]<br />

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