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Der steile Weg ins Rampenlicht

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Stephan Anliker<br />

Thierry Carrel<br />

Patrick Fischer<br />

Uli Forte<br />

Steve Guerdat<br />

Werner Günthör<br />

Bernhard Heusler<br />

Patrick Küng<br />

Freddy Nock<br />

Vladimir Petkovic<br />

Rainer Maria Salzgeber<br />

Reto Scherrer<br />

Didi Schmidle<br />

Vreni Schneider<br />

Susanne Siegenthaler-Schürmann<br />

Marc A. Trauffer<br />

Peach Weber<br />

Pater Martin Werlen<br />

Peter Zahner<br />

<strong>Der</strong><br />

<strong>steile</strong><br />

<strong>Weg</strong> <strong>ins</strong><br />

RAMPEN-<br />

LICHT<br />

Christina Boss | Christian Boss


Impressum<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2016 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel<br />

ISBN 978-3-7245-2170-9<br />

www.reinhardt.ch


INHALT<br />

08 VORWORT<br />

BENI THURNHEER<br />

10 STEPHAN<br />

ANLIKER<br />

30 THIERRY<br />

CARREL<br />

48 PATRICK<br />

FISCHER<br />

64 ULI<br />

FORTE<br />

84 STEVE<br />

GUERDAT<br />

5


104 WERNER<br />

GÜNTHÖR<br />

122 BERNHARD<br />

HEUSLER<br />

138 PATRICK<br />

KÜNG<br />

158 NOCK<br />

FREDDY<br />

180 MARTIN<br />

WERLEN<br />

198 VLADIMIR<br />

PETKOVIC<br />

214<br />

RAINER MARIA<br />

SALZGEBER<br />

230 RETO<br />

SCHERRER<br />

6


248 DIDI<br />

SCHMIDLE<br />

264 VRENI<br />

SCHNEIDER<br />

282 SUSANNE SIEGENTHALER –<br />

SCHÜRMANN<br />

300<br />

MARC A.<br />

TRAUFFER<br />

320 PEACH<br />

WEBER<br />

338 PETER<br />

ZAHNER<br />

356 AUTOREN<br />

358 BILDNACHWEIS<br />

359 PARTNER<br />

7


MARC A.<br />

TRAUFFER<br />

Dä mit de Chüeh<br />

Geburtsdatum: 4. Juni 1979<br />

Zivilstand: geschieden und glücklich<br />

Kinder: Lars Yann (2002),<br />

Lani Noelle (2004)<br />

Beruf: Fabrikant und Mundartsänger<br />

Erlernter Beruf: Maurer<br />

Lebensmotto<br />

Geit nid – gits nid!<br />

Jede macht nume das, won er cha!<br />

Lebenstraum<br />

Meinen Lebenstraum lebe ich im<br />

Moment!


DAS SOMMER-<br />

GEWITTER<br />

IM URBACHTAL<br />

Im Berner Oberland, und zwar ganz weit, weit oben, gibt es verschiedene<br />

idyllische Täler. Beispielsweise das Urbachtal, ein zehn Kilometer langes<br />

Seitental des Haslitals. Damit genug der Täler. Aber da gibt es ja noch die<br />

Geschichte mit dem Sommergewitter im Urbachtal. Wenn es dort einmal<br />

so richtig losgeht, dann donnert und rumpelt es, dass man es in der weit<br />

entfernten Hauptstadt Bern hören kann. Laut und deutlich!<br />

Auch im August 2005 öffnete der Herrgott die Schleusen und liess ein<br />

Unwetter vom Gröbsten vonstatten. Nicht nur im Urbachtal. Auch die<br />

Dörfer Schwanden, Hofstetten und Brienz, knapp zwanzig Kilometer unterhalb<br />

des Urbachtals, wurden schwer getroffen – erlebten eine Art Sintflut<br />

und es kam zu einer schlimmen Katastrophe. Das Unwetter führte<br />

dazu, dass Bäche über die Ufer traten, zwei<br />

Menschen für immer von ihrem Dorf Brienz und<br />

Als Gemeinderat<br />

von Hofstetten gibt<br />

Marc A. Trauffer<br />

elf Jahre lang sein<br />

«letztes Hemd».<br />

von der schönen Welt Abschied nehmen mussten<br />

und gut hundert Personen ihr Heim vorübergehend<br />

oder für immer verloren. In dieser<br />

Unglücksnacht wurde das Gesicht des Dorfes<br />

Brienz massiv verändert. Feuerwehr, Zivilschutz,<br />

Militär und freiwillige Helfer erbrachten<br />

gewaltige Leistungen. Und inmitten dieses<br />

Dramas spielte der 26-jährige Gemeinderat<br />

Marc A. Trauffer eine wichtige Rolle. Schon von<br />

Amtes wegen, als Schwellenkorporationspräsident,<br />

welcher die Verantwortung der Wildbäche des Gemeindegebietes<br />

Hofstetten trägt, hatte er in dieser erschütternden Zeit eine ganz schwere<br />

Bürde auf seinen breiten Schultern. Aber auch als Mitmensch, als Mitleidender<br />

setzte er sich bis zum Geht-nicht-Mehr ein! Holte dafür seine<br />

letzten Reserven hervor. Ob diese dramatischen Tage bei ihm als unauslöschliche<br />

Erinnerung zurückbleiben? Und vielleicht ist genau dieses Unwetter<br />

schuld daran, dass in einem seiner Songs das Sommergewitter im<br />

Urbachtal erwähnt wird und es Sekunden später aus den Lautsprechern<br />

kracht und «chlepft»!<br />

302


«Ich kenne kaum<br />

einen Hofstetter, der<br />

so viel Engagement<br />

und Herzblut für sein<br />

Dorf gab!»<br />

Als Gemeinderat von Hofstetten gibt Marc A. Trauffer<br />

elf Jahre lang sein «letztes Hemd», gibt für das<br />

Dorf, welches immer seine Heimat ist und bleibt,<br />

alles, was in seiner Macht steht. Dann wird er im<br />

Juni 2014, nach seinem Rücktritt aus der Kommunalpolitik,<br />

an einer denkwürdigen Gemeindeversammlung<br />

aus seinem Amt verabschiedet. Nicht<br />

etwa mit Pauken und Trompeten, sondern mit<br />

Schulklassen, welche Lieder von ihm zum Besten<br />

geben. Eine unglaublich tolle Idee. In diesem würdigen<br />

Rahmen sprach selbstverständlich auch der Gemeindepräsident<br />

Paul Fuchs zu Marc und zur ganzen Bevölkerung. Mit den nachfolgenden<br />

Worten traf das Dorfoberhaupt den Nagel wahrlich auf den Kopf:<br />

«Ich kenne kaum einen Hofstetter, der so viel Engagement und Herzblut<br />

für sein Dorf gab!»<br />

Gibt es ein schöneres Abschiedsgeschenk und ein wertvolleres Zeugnis?<br />

Wohl kaum! Im Nachgang zu dieser Versammlung fand zu Ehren von<br />

Marc auch noch ein Dorffest statt. Natürlich spielte seine dritte wichtige<br />

Seite, die Musik, dabei eine tragende Rolle!<br />

Aber … da haben wir ja noch die zweite Leidenschaft und Herzensangelegenheit<br />

von Marc A. Trauffer übersprungen – nur übersprungen, nicht<br />

vergessen! Über den Musiker Trauffer sagt man ja auch: «Dä mit de<br />

Chüeh.» In einem seiner superschönen Lieder singt er, dass sein Schwiegervater<br />

lieber einen Arzt zum Schwiegersohn hätte als einen Bauern.<br />

Marc A. Trauffer ist keines von beidem. Nicht Arzt und auch nicht Bauer.<br />

Er ist mit Leib und Seele Fabrikant! Im Jahr 2008 übernimmt er die Geschäftsführung<br />

der Trauffer Holzspielwaren AG und leitet umgehend innovative<br />

Schritte ein. 2011 kauft er die Anteile von seinem Vater Kurt und<br />

ein Jahr später auch diejenigen von seinem Onkel Franz. Heute ist er Alleinaktionär<br />

und Geschäftsführer der Firma. Im Moment wird sogar die<br />

dritte grosse Bauetappe in der Firmengeschichte realisiert. Ja, wenn er<br />

losgelassen! Marc A. Trauffer, der fleissige Macher vom Dorf mit dem<br />

Blick auf den Brienzersee und mit seinem Hauptprodukt: den roten,<br />

schwarzen oder grünen Holzkühen, welche um den halben Globus als<br />

Inbegriff für die Schweiz gelten.<br />

Kurz zurück auf das Sommergewitter im Urbachtal. Ein Gewitter ist immer<br />

von Blitz und Donner begleitet. Zutreffend auch auf das Energiebündel<br />

aus dem Berner Oberland. Nur schon seine relativ kurze Tätigkeit als<br />

Stiftungsrat im Freilichtmuseum Ballenberg hat gezeigt, wie man eine<br />

Unternehmung innert Jahresfrist aufmischen kann. Als Vertreter der Gemeinderäte<br />

Brienzwiler und Hofstetten hat er tatkräftig mitgeholfen,<br />

auch unpopuläre Entscheide zu fällen und diese auch nach aussen hin zu<br />

vertreten. Mit einer grossen Portion Zivilcourage und immer mit dem Ziel<br />

vor Augen, dem Unternehmen nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen.<br />

Hie und da auch hart und kompromisslos!<br />

303


Unglaublich, aber es gibt ja noch ein weiteres Standbein. Die Musik. Mit<br />

seinem neuen Album «Heiterefahne» stürmt er 2016 die Hitparade. Unfassbare<br />

sieben Wochen steht er auf Platz e<strong>ins</strong> der Album-Charts. Auszeichnungen<br />

in Gold und Platin erhält er innert weniger Wochen. Mit diesem<br />

erfolgreichen Album ist er auf Tournee.<br />

Die meisten seiner Konzerte sind ausverkauft.<br />

Längstens ist er auch in die Gilde der anerkannten<br />

und umworbenen Promis mit Leistungsausweis<br />

aufgestiegen. Verpflichtungen<br />

hier und Termine da! Langsam und sicher kommen<br />

wir ernsthaft <strong>ins</strong> Studieren. Haben die<br />

Jahre, die Monate oder die Tage für Marc A.<br />

Trauffer mehr Stunden zur Verfügung als für<br />

Normalsterbliche? Wie kann man so viel auf<br />

Mit seinem neuen<br />

Album «Heiterefahne»<br />

stürmt er 2016 die<br />

Hitparade.<br />

einmal machen und an allen Fronten auch noch perfekt? Eine Antwort<br />

finden wir im Moment nicht. Aber wir suchen nach einer Antwort und<br />

beginnen zu recherchieren – ganz früh schon – in seiner Kinder- und Jugendzeit.<br />

Versprochen!<br />

Das Wunder von Interlaken – ein Minimalist in der Schule<br />

Es ist Pfingstmontag und wir schreiben das Jahr 1979. Bilderbuchwetter<br />

in Interlaken im Berner Oberland. <strong>Der</strong> strahlend blaue Himmel ist nicht<br />

immer gut sichtbar. Ein ganzes Heer von Deltaseglern tummelt sich in der<br />

Atmosphäre, gibt ein farbenfrohes Bild ab und verdeckt zwischenzeitlich<br />

den Blick in den wolkenfreien Himmel. Aber einen lässt dieses muntere<br />

Treiben völlig kalt. Er behält den Überblick und findet seinen Zielort auf<br />

Anhieb: der Storch! Ruth Trauffer und ihr Ehemann Kurt werden mit einem<br />

gesunden Buben beschenkt. Ein freudiges Wunder! <strong>Der</strong> kleine Erdenbürger<br />

hört auf den Namen Marc und zeigt sich von seiner besten<br />

Seite. Es ist eine Geburt wie das pfingstmontägliche Wetter – bilderbuchmässig!<br />

Schon im Kindergartenalter beginnt bei Marc die Erziehung zur Selbstständigkeit.<br />

Den <strong>Weg</strong> von Hofstetten bis zum Kindergarten in Schwanden<br />

muss er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Ohne elterliche<br />

Begleitung. Mit einem Leuchtgurt markiert und seinem Kindergartentäschli<br />

umgehängt. Nicht genug. Er ist auch noch selbst dafür zuständig,<br />

dass er den Bus nicht verpasst. Wahrlich eine prägende Lebensphase<br />

und das als Fünfjähriger. Einmal im Bus, ist es wie auf einer Konzertbühne.<br />

Marc und die anderen Kids singen schöne Lieder und erfreuen die<br />

Mitreisenden. Speziell die älteren Leute schätzen die täglichen Gratisdarbietungen<br />

ungemein. Marc, der Entertainer im Linienbus! Das fängt ja<br />

gut an.<br />

Ob er seine Singkunst auch zu Hause in seinem Zimmer den Mitbewohnern<br />

zum Besten gab? Jedenfalls wurde er vom Goldhamster, von den<br />

zwei Zwerghamstern und vom Meerschweinchen immer herzhaft begrüsst.<br />

Vermutlich hatten die Tiere viel mehr Freude daran, dass Marc sie<br />

304


zuverlässig fütterte und ihnen «ihr Haus» sauber machte. Er pflegte mit<br />

seinen Zimmergenossen eine enge Beziehung, ohne aber diese zu «vermenschlichen».<br />

Ein guter Zug.<br />

Marc entwickelt sich prächtig. Erziehungsmässig sind seine Eltern nicht<br />

zu streng, legen aber grossen Wert auf Pünktlichkeit und Konsequenz.<br />

Speziell beim Nachtessen kennt Mutter Ruth, sie ist ausgebildete Kindergärtnerin,<br />

kein Pardon. Um 18 Uhr wird gegessen. Basta. Wer verspätet<br />

auftaucht, muss sich selbst um das leibliche Wohl bemühen. Die Mutter<br />

ist für solche Extradienste nicht mehr zuständig. Und Vater Kurt, von Beruf<br />

Modellschreiner, lebt vor, dass man freundlich grüsst, und wenn man<br />

etwas erhält, sich artig bedankt. Beide Elternteile ergänzen sich prima<br />

und Marc lernt die vorteilhafte Lektion bestens.<br />

Überhaupt ist er bis zur Aufnahmeprüfung für die Sekundarschule ein<br />

unbescholtener und guter Schüler. Mit ganz wenig Aufwand bringt er es<br />

immer fertig, locker über die Schulrunden zu kommen. Ein Minimalist auf<br />

der Schulbank! Das ändert sich jeweils schlagartig, wenn die Pausenglocke<br />

lärmt. Auf dem Pausenplatz ist das Minimalistentum wie weggefegt.<br />

Als Leader glänzt er beim Fussball und beim Unihockey. Auch in den<br />

Turnstunden lässt er seine Muskeln spielen und geht praktisch nie als<br />

Loser vom Feld. Auf Kriegsfuss steht er dafür mit dem Rechnen. Da trifft<br />

er mit seinen Resultaten weit weniger <strong>ins</strong> Schwarze. Ein richtiges Ass ist<br />

er in einer anderen Disziplin. Marc ist beileibe nicht auf<br />

den Mund gefallen und spielt im Theater am Schulexamen<br />

immer eine wichtige Rolle. In der vollbesetzten<br />

Turnhalle in Hofstetten überzeugt er beispielsweise<br />

als Hofnarr und spürt, dass das Bühnenleben in seinem<br />

Innern mehr als nur schlummert. Aber zuerst ist<br />

er noch in einem ganz anderen Theaterstück der<br />

Hauptakteur …<br />

Marc zeigt sich als hochgradig sturer Bursche. Oder<br />

positiv formuliert: Er weiss haargenau, was er will oder<br />

eben nicht will. Seinen Schulweg legt er, wenn er es<br />

gemütlich nimmt, in gut einer Minute zurück. Und nun<br />

soll er nach Brienz in die Sekundarschule und das mit<br />

dem Velo und erst noch bei Wind und Wetter. Dazu<br />

müsste er auch viel früher aus den Bettfedern steigen.<br />

Keine gute Vorstellung. Seine schulische Leistungskurve<br />

zeigt aber unweigerlich in diese Richtung. Doch Marc sieht in dieser<br />

Beförderung keinen Sinn. Er ist davon überzeugt, dass er in der Realschule<br />

in Hofstetten nicht weniger Brauchbares lernt als in der Sekundarschule<br />

in Brienz. So überrascht er die gestrengen Prüfungsexperten an der<br />

Aufnahmeprüfung mit seinen Resultaten sehr. Auf dem abgegebenen<br />

Blatt des zu prüfenden Aufsatzes ist einzig und alleine eine Zeichnung zu<br />

sehen. Vom Blatt grüsst das grün-rot-weisse Maskottchen der Fussball-Weltmeisterschaft<br />

in Italien. Italia novanta und sonst nichts! Niente!<br />

Marc zeigt sich<br />

als hochgradig<br />

sturer Bursche.<br />

Oder positiv<br />

formuliert: Er<br />

weiss haargenau,<br />

was er will oder<br />

eben nicht will.<br />

305


Als stolzer<br />

Fussball-Fan<br />

Fröhlichen Mutes<br />

vor dem Holzspielwarenbetrieb<br />

Marc am ersten Schultag<br />

und … es kann noch<br />

heiter werden!<br />

306


Marc beschäftigt<br />

sich früh schon<br />

mit de Chüeh!<br />

Die Brienzer<br />

Rockband Airbäg –<br />

der Start Richtung<br />

<strong>Rampenlicht</strong><br />

Selbst ist der<br />

Mann – Marc plant<br />

sein Eigenheim<br />

307


Das Verdikt ist schnell klar. Marc darf am Morgen länger schlafen, muss<br />

nicht bei jedem Wetter Velo fahren und bleibt der Realschule in Hofstetten<br />

treu. Und da lacht ihm noch «das Glück des Tüchtigen» zu. Er kommt<br />

zu einem strengen, aber kompetenten Lehrer.<br />

Die pubertäre Ausschweifung und die kalkulierte Berufswahl<br />

Lange bevor sich Marc in die Obhut von Bergführer und Oberstufenlehrer<br />

Kurt Sterchi begibt, hat er erste Kontakte zur Musik. Quasi als Pflicht<br />

muss er in die Blockflötenstunde. Heute sagt er zu diesem musikalischen<br />

E<strong>ins</strong>tieg kurz und bündig: «Das isch für d’Füchs gsi!» Und er wäre ja so<br />

gerne stolzer Besitzer eines Schwyzerörgeli. Bei den samstäglichen Fernsehsendungen<br />

mit Jürg Randegger nimmt er sich regelmässig ein Kissen<br />

auf seinen Schoss und dann wird «görgelet». Dieses imaginäre Spielen<br />

auf dem so gewünschten Instrument bleibt auch dem Brienzer Grosi Gritli<br />

nicht verborgen. Das liebe Grossmuetti<br />

erfüllt ihm seinen Herzenswunsch und so<br />

geht Marc zusammen mit Cousin Nils und<br />

Kollege Stefan in den Musikunterricht.<br />

Sechs ganze Jahre lang. Mit viel Freude,<br />

mit viel Engagement und mit einer vorbildlichen<br />

Begeisterung.<br />

«Ich wünschte mir als<br />

Schüler immer eine Verletzung.<br />

Mindestens so,<br />

dass ich mit Krücken<br />

herum humpeln müsste.<br />

In dieser Zeit gibt es auch den Fussballer<br />

Marc. Seine Stürmer-Laufbahn beginnt er<br />

bei den E-Junioren des FC Rothorn Brienz<br />

und bleibt der Jagd nach dem runden Leder<br />

bis in die Aktivzeit erhalten. Als Stürmer<br />

weiss er genau, wo das Tor steht, und er entwickelt sich zu einem<br />

richtigen «Knipser» – zu einer Tormaschine. Seine agile Schnelligkeit<br />

macht den gegnerischen Verteidigern viel Mühe. Aber dem nicht so trainingsfleissigen<br />

Marc macht seine nicht sehr ausgeprägte Ausdauer auch<br />

viel Mühe. So steigt er zum wertvollen Edeljoker auf!<br />

Die Oberstufe und Lehrer Sterchi bringen Marc einige unglaubliche und<br />

unvergessliche Highlights. So erlebt er abenteuerliche Bergtouren, kann<br />

seinen Mut beim Abseilen über eine Staumauer im Tessin testen oder<br />

erkundet den Nationalpark im Bündnerland. Den Schulunterricht führt<br />

Lehrer Sterchi mit harter Hand, zeigt klar an, wer der Chef im Schulzimmer<br />

ist. Marc ist immer präsent. Nie krank und auch nie verletzt oder angeschlagen.<br />

Marc A. Trauffer zu diesem Thema: «Ich wünschte mir als<br />

Schüler immer eine Verletzung. Mindestens so, dass ich mit Krücken herumhumpeln<br />

müsste. Und alle hätten nach meinem Befinden gefragt, vielleicht<br />

hätten mich die Mitschüler sogar bedauert. Zuwendung wäre mir<br />

sicher gewesen. Aber ich war immer stabil und dadurch auf der anderen<br />

Seite der Medaille. Ich musste die ‹Krückenbesitzer› bewundern und ich<br />

gebe es heute unumwunden zu: Ich war mittelmässig neidisch!»<br />

308


Ein Jahr vor dem Schulabgang verabschiedete sich Lehrer Kurt Sterchi in<br />

den Ruhestand. Und dadurch begann ein Jahr des Grauens! Die Zeit des<br />

Hardliners ist passé, es lebe die Zeit der Softies. <strong>Der</strong> junge Lehrer hatte<br />

schlicht keinen Plan und fragte seine Schüler, ob sie lieber rechnen oder<br />

turnen wollen. Antiautoritäre Führung sagt man zu diesem Stil. Die Klasse<br />

wollte weder rechnen noch turnen. Sie veranstaltete einen Dauerkrawall<br />

und liess den Lehrer nonstop <strong>ins</strong> Offside laufen. Die pubertäre Phase<br />

und keine harte Hand – das konnte nicht gut gehen. <strong>Der</strong> Lehrer war nach<br />

wenigen Wochen nervlich ein Wrack und musste seine Gesundheit in der<br />

Abgeschiedenheit einer Klinik neu aufbauen. Und der Pädagogen-Verschleiss<br />

kannte kein Ende. Man höre und staune! In diesem Jahr versuchten<br />

neun (in Zahlen: 9) Lehrkräfte und Stellvertreter, die ausser Rand und<br />

Band geratenen Schüler zu bändigen. Aussichtslos! Sogar die höchsten<br />

Behörden schalteten sich ein. So mussten Marc und sein Cousin, als wohlbekannte<br />

Leaderfiguren, nicht etwa vor die Schulpflege. Oh nein. Sie<br />

mussten direkt vor den Gemeinderat. Auch diese Hirnwäsche zeigte<br />

wenig Wirkung. Und genau in diese trostlose Schulphase fiel noch die<br />

wichtige Entscheidung über die Zukunft. Die Berufswahl!<br />

Eigentlich war der berufliche <strong>Weg</strong> von Marc vorgezeichnet. Schliesslich<br />

war er in einem «hölzernen Gewerbe» gross geworden. Und genau aus<br />

diesem Grund war das für ihn keine Option. Jahrelang musste er sich alle<br />

von ihm geplanten Anschaffungen selber verdienen. Es wurde ihm fast<br />

gar nichts geschenkt. Wollte er sich eine Stereoanlage kaufen, hiess es:<br />

«Du weisch, wo Bude isch.» Marc hatte fast immer den gleichen Auftrag.<br />

Er musste <strong>ins</strong> Hinterteil der Holzkühe ein Loch bohren, damit der Schwanz<br />

eingesetzt werden konnte. Ausser dem Lohn stimmte für<br />

ihn bei dieser Tätigkeit rein gar nichts. <strong>Der</strong> Stundenlohn<br />

Er sass nun<br />

beim Berufs -<br />

berater und<br />

war wunschlos<br />

ratlos.<br />

war abgestuft. In der ersten Klasse gab es einen Franken<br />

pro Stunde und das Gehalt stieg analog der Schulklasse.<br />

In der neunten Klasse waren die neun Franken pro Stunde<br />

echt spitze.<br />

Kurz und gut. Marc hatte genug im Holz gebohrt und eigentlich<br />

die Nase voll. Er sass nun beim Berufsberater<br />

und war wunschlos ratlos. Da kam ihm ein Blitzgedanke.<br />

Er verlangte von seinem Gegenüber eine Tabelle mit den<br />

Lehrlingslöhnen. Für den bestbezahlten Lehrlingsjob gab<br />

es in der Umgebung keine Lehrstellen. Und der am zweitbesten<br />

bezahlte Lehrling war unter den Maurern zu finden. Damit war<br />

das Gespräch beendet und Marc entschlossen, Maurer zu werden. Bei der<br />

Grossmann AG in Brienz fand er die geeignete Lehrstelle. Dank diesem<br />

hohen Einkommen war die Anschaffung von Instrumenten sichergestellt.<br />

Es sei an dieser Stelle doch noch erwähnt, dass die Mutter eher der Ansicht<br />

war, dass er eine Lehre in einem Büro machen sollte. Schliesslich sei<br />

er doch so ein Feiner …<br />

309


<strong>Der</strong> erste Kontakt mit dem Scheinwerferlicht!<br />

Mit 14 Jahren sah sich Marc in seinen Träumen als Musiker oder als Reporter.<br />

Wir wissen es, daraus wurde vorerst nichts. Die Eltern bestanden<br />

darauf, dass er zuerst eine Lehre abschliessen musste, und nachher könne<br />

er machen, was er wolle. Wir schweifen ganz kurz ab. Ein Zwischenblick<br />

auf den Namen Marc A. Trauffer. Was bedeutet überhaupt das zusätzliche<br />

A? Vermutlich ein zweiter Vorname? Nein, es ist ganz einfach.<br />

In Brienz und Umgebung gibt es zwei Marc Trauffer. Das führte dazu,<br />

dass es Verwechslungen bei Bankbezügen oder bei Postzustellungen<br />

gab. Für den Pöstler in Brienz und Umgebung unhaltbar. Also tauft dieser<br />

den einen Marc eben Marc A. Trauffer. A wie Airbäg. Und der andere<br />

Marc erhält den Zusatz B. So sind unangenehme Verwechslungen nicht<br />

mehr möglich. Aber mit 14 Jahren startete Marc gleichwohl in seine eigene<br />

Welt. Sein Örgeli hatte er durch ein Schlagzeug ausgetauscht. Dazu<br />

kamen Matthias Flühmann mit seiner elektrischen<br />

Gitarre und Roger Bühler als Bassist.<br />

Und die Musikgruppe Airbäg war geboren.<br />

Später kam auch noch Mike Santschi<br />

dazu. Für ihn wurde ebenfalls eine elektrische<br />

Gitarre organisiert. Die vier Jungs<br />

hatten nur ein Ziel: Sie wollten miteinander<br />

Spass haben! Als Übungslokal stand ihnen<br />

ein Raum im Turnhallengebäude in<br />

Hofstetten zur Verfügung. Da war es auch<br />

logisch und klar, dass der erste öffentliche<br />

Speziell hochwertig<br />

war der Gewinn des<br />

Prix Walo für die beste<br />

Nachwuchsband.<br />

Auftritt in dieser Turnhalle über die Bühne ging. Und … sie kamen auf<br />

Anhieb gut an! Ihre Art, Musik zu machen, gefiel dem Publikum. Es war<br />

dann im Jahr 1997, als Marc seine Airbägs an allen Talentwettbewerben<br />

<strong>ins</strong> Gespräch brachte. Und drei Mal stiegen sie als Sieger von der Bühne.<br />

Speziell hochwertig war der Gewinn des Prix Walo für die beste Nachwuchsband.<br />

Ein Sprungbrett mit dem allerbesten Gütesiegel!<br />

Airbäg hatte es geschafft. Die Gruppe wurde engagiert und das nicht zu<br />

knapp. Und die beiden Bandmitglieder Marc A. Trauffer und Roger Bühler<br />

spielten auch noch in der 4.-Liga-Mannschaft des FC Rothorn. <strong>Der</strong> Konflikt!<br />

<strong>Der</strong> ehrgeizige Fussballtrainer gab das Vorbereitungsprogramm auf<br />

die neue Saison bekannt. Zwei Testspiele fanden exakt zu den gleichen<br />

Zeiten statt, an welchen Airbäg für Auftritte gebucht war. So war es klar,<br />

dass Marc und Roger die beiden Fussballspiele nicht bestreiten werden.<br />

Da gab der Trainer seinem Unmut freien Lauf und akzeptierte das <strong>Weg</strong>bleiben<br />

seiner beiden Spieler nicht. Marc, der Konsequente, zog in der<br />

gleichen Minute seine Fussballschuhe aus und hängte sie an den berühmten<br />

Nagel. Sein Kollege Roger folgte ihm, nachdem er noch das begonnene<br />

Training absolviert hatte. So endete der fussballerische <strong>Weg</strong><br />

von Marc mit etwas Wehmut zwar, aber zur Freude der gegnerischen<br />

Abwehrreihen.<br />

310


In der Sendung «Risiko» zur besten Sendezeit im Schweizer Fernsehen,<br />

moderiert von Gabriela Amgarten, steht Marc zum ersten Mal im <strong>Rampenlicht</strong>.<br />

Mit dem Song «Himmelbett» macht er nachhaltig auf sich aufmerksam.<br />

Logisch, dass er seine Karriere nun als Fulltime-Musiker sieht<br />

und die Maurerlehre abbrechen will. Und erneut tritt eine Vertrauensperson<br />

aufs Parkett. Baumeister Christian Hulliger, sein Chef bei der Firma<br />

Grossmann AG, überzeugt ihn davon, die Lehre erfolgreich zu Ende zu<br />

bringen. Mit viel Feingefühl führt er Marc über die letzten Monate und<br />

drückt ab und zu bei seinen Abwesenheiten beide Augen zu. Im Nachhinein<br />

ist Marc seinem Lehrmeister zu grossem Dank verpflichtet. Auch<br />

seine Mutter spricht heute noch anerkennende Worte über Christian Hulliger<br />

aus.<br />

Es wäre ja ein kleines Wunder, wenn die Lehrabschlussprüfung ohne<br />

«Nebenwirkung» vonstatten gegangen wäre. Marc muss an einem Freitagmorgen<br />

in der Maurerhalle in Thun zu seiner Prüfung antreten. Er arbeitet<br />

an seiner gestellten Aufgabe bis um 17 Uhr. Am gleichen Abend<br />

hat er mit seiner Band noch einen wichtigen Auftritt am «Techfest» in<br />

Biel. Bis um 2 Uhr bietet er dem Publikum alles, was zu einem tollen Musikprogramm<br />

gehört. Schont sich in keiner Weise. Kurz legt er sich in der<br />

Wohnung von Bassist Roger nieder, schläft wenige Stunden und ist um 8<br />

Uhr wieder mit seiner Prüfungsarbeit beschäftigt.<br />

Zeitgerecht beendet er am Mittag<br />

«Ich gratuliere Euch zu<br />

Eurem Sohn, welcher<br />

in die Hitparade stürmte<br />

und teile Euch gleichzeitig<br />

mit, dass ich<br />

meine Lehre gestern<br />

abgebrochen habe!»<br />

sein Werk und kassiert, trotz dem intensiven<br />

nächtlichen E<strong>ins</strong>atz, eine Prüfungsnote von<br />

5,2. Chapeau!<br />

Noch hat Marc von seinem beruflichen Aufstieg<br />

nicht genug. Bei der Firma Peter Ofenbau<br />

AG, einem Hafner- und Plattengeschäft<br />

in Aeschau, beginnt er eine zusätzliche Lehre.<br />

Dann überrollt ihn einmal mehr der musikalische<br />

Erfolg. Die CD kommt in die Hitparade<br />

und nach einer Lehrzeit von gut einem<br />

Jahr sagt er zu seinem Lehrmeister: «Ich<br />

werde Rockstar und chumme nümme!» Genau<br />

in diesen Tagen der Entscheidung sind<br />

seine Eltern in der Karibik. Marc schickt ihnen ein Fax mit ungefähr folgendem<br />

Inhalt: «Ich gratuliere euch zu eurem Sohn, welcher in die Hitparade<br />

stürmte, und teile euch gleichzeitig mit, dass ich meine Lehre gestern<br />

abgebrochen habe!» Marc weiss noch heute, dass sich die Eltern<br />

furchtbar aufgeregt haben – natürlich nur über den zweiten Teil der Message!<br />

Die erfolgreiche Zeit der Brienzer Rockband Airbäg geht am 13. Mai 2006<br />

zu Ende. Gegen den Willen von Marc A. Trauffer. <strong>Der</strong> letzte Auftritt findet<br />

311


in der «alten Moschti» in Mühlethurnen statt. Roger Bühler und Mike<br />

Santschi sehen sich nicht als Berufsmusiker mit Zukunft und wollen sich<br />

neu orientieren. Eine interessante, herausfordernde und auch abenteuerliche<br />

Lebensphase geht für Marc zu Ende. Und während dieser Zeit ist<br />

noch sehr viel Spannendes, Verrücktes und Trauriges geschehen. Wir erzählen<br />

weiter …<br />

Die Schweizer Armee und der Hausbau mit Konsequenzen<br />

Rekrut Trauffer, ein strammer Bursche, steht in Reih und Glied auf dem<br />

Waffenplatz in Brugg. Voll ausgerüstet und militärisch herausgeputzt. Er<br />

wurde in Interlaken als Baumaschinenführer ausgehoben und verbindet<br />

als gelernter Maurer das Nützliche mit dem Überflüssigen. Beispielsweise<br />

wird er zu einem absoluten Könner im Umgang mit Trax und Bagger.<br />

Zudem kann er von einer Ausbildung als Menzi-Muck-Spezialist profitieren<br />

und für dieses «Training» unendlich viel<br />

Zeit aufwenden. Sein Bildungsrucksack wird<br />

Er marschiert zum<br />

Waffenplatzkommando<br />

und gibt sein Gewehr<br />

wieder ab.<br />

auf eine sinnvolle Weise weiter gefüllt.<br />

Bevor es so weit ist, kommt es jedoch zu einem<br />

mittleren Eklat. Marc spürt die Überzeugung<br />

in sich, dass er niemals auf die menschenförmigen<br />

Zielscheiben schiessen wird. Überhaupt<br />

will er seine Rekrutenschule waffenlos hinter<br />

sich bringen. So trifft er am dritten Tag seiner<br />

militärischen Bürgerpflicht den Entscheid, das<br />

erst eben gefasste Gewehr wieder loszuwerden.<br />

Gedacht und getan! Er marschiert zum Waffenplatzkommando und<br />

gibt sein Gewehr wieder ab. Logisch, dass dieser mutige Akt nicht ohne<br />

Nebengeräusche über die Bühne geht. Marc muss seine Beweggründe<br />

einem Psychiater beibringen und es klappt. Wenn die anderen Rekruten<br />

aus allen Rohren knallen, übt er mit seinem Menzi Muck den zentimetergenauen<br />

Umgang mit dieser nicht leicht zu bedienenden Baumaschine.<br />

Immer vorausgesetzt, dass er überhaupt anwesend ist. <strong>Weg</strong>en seiner vielen<br />

musikalischen Auftritte sucht man ihn oftmals in Brugg vergebens.<br />

Das zeigt auch seine Schlussbilanz. Um die Rekrutenschule als erfüllt zu<br />

verlassen und in den Stand eines Soldaten gehoben zu werden, sind 71<br />

Tage Präsenz ein Muss. Marc erfüllt diese Vorgabe mit 72 Tagen locker.<br />

Die weitere Militärkarriere ist schnell zusammengefasst. Seine Tätigkeit<br />

als Moderator bei der grossen SRG führt dazu, dass er zur Radio- und<br />

Fernsehtruppe umgeteilt wird. Aber auch da sind die Glücksmomente an<br />

einem kleinen Ort. Seine Truppeneinheit fällt nach nur einem WK der Militärreform<br />

zum Opfer und wird aufgelöst. Und Marc? Dieser hört ganze<br />

sechs Jahre lang von der Armee nichts mehr. Wird offenbar einfach vergessen.<br />

Dann taucht seine Fiche wohl wieder auf und das Militär will ihn<br />

neu aktivieren. Er wird Betriebssoldat in einem Ausbildungszentrum in<br />

Luzern. Im Kurszentrum muss er die Räume mit Mineralwasser und Oran-<br />

312


«Soldat Marc A. Trauffers<br />

psychosomatische<br />

Grundlage ist für einen<br />

Kriegse<strong>ins</strong>atz nicht<br />

gegeben!»<br />

gen bestücken. Dann ist sein Tagwerk mehr oder weniger vollbracht.<br />

Nicht ganz. Ein Vorgesetzter gibt ihm noch den wichtigen Auftrag, die<br />

schönsten sechs Orangen auf sein persönliches Pult zu legen, damit er<br />

diese am Abend nach Hause nehmen könne. Das war für Marc definitiv<br />

des Schlechten zu viel. Er sitzt eh schon wie<br />

auf heissen Kohlen. Daheim wartet viel Arbeit<br />

auf ihn und er ist praktisch zum militärischen<br />

Nichtstun verdammt. Diese Situation<br />

setzt ihm arg zu. Marc will endgültig nicht<br />

mehr. Wieder einmal nimmt er die Hilfe eines<br />

Psychiaters in Anspruch und dessen Gutachten<br />

beinhaltet folgenden Wortlaut: «Soldat<br />

Marc A. Trauffers psychosomatische Grundlage<br />

ist für einen Kriegse<strong>ins</strong>atz nicht gegeben!»<br />

Ein militärisches Ende mit Schrecken?<br />

Wohl kaum.<br />

Szenenwechsel. Marc ist 20 Jahre alt, mit der Gruppe Airbäg erfolgreich<br />

und oft auf Achse. Er heiratet seine Jugendliebe, mit welcher er seit sechs<br />

Jahren eng liiert ist. An einem denkwürdigen Sonntagmorgen erkundigt<br />

er sich bei seinem Vater, was es braucht, um zu einem Eigenheim zu kommen.<br />

Vater Kurt erklärt ihm das ganze Prozedere. Nach dieser Lehrstunde<br />

gibt es für Marc kein Halten mehr. Er hat blitzschnell realisiert, dass er<br />

sich ein eigenes Haus leisten kann. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />

eine hohe Eigenleistung. Selber planen und zeichnen und selber Maurerleistungen<br />

erbringen. Seine Frau unterstützt das ehrgeizige Vorhaben<br />

und die Bank gibt mit der Zusage einer Hypothek den Startschuss!<br />

Und dann wird es hart. Im Februar 2001 erfolgt der Spatenstich und ab<br />

diesem Zeitpunkt arbeitet Marc von Montag bis Samstag jeweils von 8<br />

Uhr morgens bis 8 Uhr abends ununterbrochen an seinem Hausbau.<br />

Im November des gleichen Jahres kann das schmucke Heim bezogen werden.<br />

Die extreme Parforce-Leistung hat sich gelohnt. <strong>Der</strong> Traum von einer<br />

intakten und glücklichen Familie, wie es die Eltern von Marc eindrücklich<br />

vorleben, ist auf dem besten <strong>Weg</strong>, in Erfüllung zu gehen. Für das junge<br />

Ehepaar ist schnell auch klar, dass Leben in die heimeligen Kinderzimmer<br />

gebracht werden soll. 2002 kommt Lars Yann zur Welt und 2004 folgt ihm<br />

Lani Noelle. Fast wie in einer Märchenwelt stimmt einfach alles. Familie,<br />

zwei gesunde Kinder, ein schönes Haus, sorgenfrei im Job und erfolgreich<br />

im Musikbusiness. Herz, was willst du mehr?<br />

Die Berge wachsen nicht in den Himmel – die Landung in Pallanza<br />

Im Jahr 2006 wird die Brienzer Rockband Airbäg aufgelöst. Keineswegs<br />

zur Freude von Marc A. Trauffer. Das ist aber längst noch nicht alles.<br />

Auch in der Ehe stellen sich Marc und seine Ehefrau gleichzeitig die Sinnesfrage.<br />

Und beide wissen die Antwort darauf schon bald. Ein geme<strong>ins</strong>ames<br />

Miteinander ist wie ein Marschieren ohne Ausweg. Marc verlässt<br />

313


Ausverkaufte<br />

Konzerte dank<br />

perfekter<br />

Unterhaltung


315


das schöne Haus und bezieht eine 2-Zimmer-Wohnung. In einem freundschaftlichen<br />

Gespräch sichern sich die beiden zu, dass sie immer eine<br />

geme<strong>ins</strong>ame Lebensaufgabe haben. Das Wohl und die Erziehung ihrer<br />

beiden Kinder. Und da bleibt es nicht bei einer theoretischen Abhandlung<br />

oder bei leeren Worten. Noch viele Jahre lang, auch nach der Scheidung,<br />

pflegen sie einen geme<strong>ins</strong>amen Mittagstisch und besuchen bis heute zusammen<br />

die Elternabende in der Schule. Kurz, die Auflösung ihrer Ehe<br />

basiert auf viel Anstand und Niveau und mit dem absoluten Ziel, dass es<br />

die Kinder gut haben.<br />

Für Marc A. Trauffer, den Macher, den Ehrgeizigen, den Winnertyp und<br />

den Erfolgreichen, bricht eine Phase des Durchwanderns eines tiefen Tales<br />

an. <strong>Der</strong> Traum der glücklichen Ehe ist zerronnen, er hat keine Band<br />

mehr und er fährt statt mit dem Auto mit einer Vespa in der Welt herum.<br />

Sehr viel Negatives auf einmal! Gründe genug, um an der Unglücksballung<br />

zu zerbrechen, abzutauchen und – böse gesagt – in der Gosse zu<br />

landen.<br />

<strong>Der</strong> Rettungsanker war sicher darin zu finden, dass Marc immer einen<br />

Job und somit sein Einkommen hatte. Trotzdem musste er aus seinem<br />

bisher so behüteten Leben ausbrechen und neue Ufer ausloten. In dieser<br />

Findungsphase reiste er immer wieder tage- oder wochenweise nach Pallanza<br />

an den Lago Maggiore. Sinnierte über sein bisheriges musikalisches<br />

Schaffen und kam zum Schluss, dass er mit Airbäg oftmals auch belächelt<br />

wurde und nur selten gute Kritiken entgegennehmen durfte. Aber die<br />

Musik gefiel! Punkt!<br />

In Pallanza entschied er sich tatsächlich für einen anderen <strong>Weg</strong>. Er<br />

schrieb Lieder mit poetischen Texten, welche selbstverständlich seine<br />

damalige mentale Verfassung und die Rebellenphase wiedergaben. Eine<br />

Spiegelung von Marc A. Trauffer, welcher in dieser Zeit weit weg von sich<br />

selbst war. So entstand im Jahr 2008 das Album «Pallanza». <strong>Der</strong> erste<br />

Schritt in die uneingeschränkte Selbstständigkeit.<br />

Und der Erfolg? Marc A. Trauffer heute dazu: «Das Album ‹Pallanza› war<br />

ein Flop – der absolute Tiefpunkt. Als in einem Konzert im Aargau nur<br />

zwölf Personen die Zuschauerränge belebten, war mir klar, dass es so<br />

nicht weitergehen kann. Auch mein Umfeld gab mir den Ratschlag, mit<br />

der Musik aufzuhören und alle meine Kräfte in die Firma zu investieren.<br />

Aber in meinem Inneren brannte noch ein gewaltiges Musikfeuer. Ich war<br />

überzeugt davon, dass ich die Leute erfolgreich unterhalten und fesseln<br />

kann. <strong>Der</strong> ‹sture, harte Grind› sagte immer wieder zu mir: Marc, dein musikalischer<br />

<strong>Weg</strong> ist noch nicht zu Ende! Und ich hörte auf meinen harten<br />

Schädel!»<br />

Und plötzlich wachsen die Berge doch in den Himmel<br />

Marc A. Trauffer hat den unerwarteten und unliebsamen Tiefflug dazu<br />

ausgenützt, um Anlauf zu nehmen für einen Raketenstart in Richtung<br />

Sterne. Auf seinem Flug dorthin hat er die Chance gepackt, die Leute<br />

316


estens zu unterhalten und in seinen Bann zu ziehen. Seine Fangemeinde<br />

ist heute sein Antrieb und Marc und seine Band sorgen dafür, dass die<br />

Unterhaltungsmaschine sich immer weiterdreht. Geschenkt wird ihm<br />

aber gar nichts. Seine Erfolge sind mit harter Arbeit verbunden und nicht<br />

selten muss er <strong>Weg</strong>e finden, um seinen beiden Seelen, als Fabrikant und<br />

als Musiker, optimal zu dienen. So war es auch im Jahr 2013.<br />

In Bern findet die Ornaris, die Schweizer Fachmesse für Konsumgüter,<br />

statt. Facheinkäufer und Aussteller nutzen diese Plattform, um <strong>ins</strong> wertvolle<br />

Gespräch zu kommen. Da ist es für Marc ein absolutes Muss, dass er<br />

am Sonntagmorgen, der wichtigsten Zeit, präsent ist. Aber fast gleichzeitig<br />

hat er auch noch einen Auftritt am Heitere Open Air in Zofingen. Dieses<br />

prestigeträchtige Konzert ist für ihn von grosser Bedeutung. Marc<br />

schafft beide Events. Mit Organisationskunst, mit viel Wille und dem<br />

Bündeln seiner ganzen Kraftressourcen.<br />

Bis zum heutigen Tag hat er auch noch nie ein Konzert abgesagt. Sobald<br />

er auf der Bühne steht, gibt er mehr als alles, richtig Vollgas. Egal, wie<br />

gross sein Zuschauerkreis ist. Auch beim historischen Tiefpunktkonzert<br />

im Aargau bot er den zwölf Unentwegten eine Topleistung. Schliesslich<br />

konnten diese Zuschauer nichts dafür, dass die abwesenden zweihundert<br />

etwas verpassten. In Solothurn stieg er mit 40 Grad Fieber <strong>ins</strong> Scheinwerferlicht<br />

und liess sich nichts anmerken. Trauffer – wie er leibt und lebt!<br />

Sein Temperament hat ihm aber auch schon Schmerzen eingebracht. Einmal,<br />

es war in Düdingen, kam er derart im Karacho auf die Bühne gestürmt,<br />

dass er den Bodenmonitor übersah und wegkatapultierte und zu<br />

allem Elend noch selbst über die Bühnenkante schrammte. Dabei brach<br />

er sich das Steissbein und hätte während seines Auftritts eigentlich wegen<br />

der starken Schmerzen auf die Zähne beissen müssen … aber das<br />

ging ja beim Singen nicht. Das Fazit: Die Heimreise im Bus und die darauf<br />

folgenden Tage verbrachte er im Stehen.<br />

Marc dazu: «Das ist alles Nebensache, die Hauptsache ist, dass die Leute<br />

begeistert waren!» Nochmals: Trauffer – wie er leibt und lebt!<br />

Das Leben ist in der Tat ein Würfelspiel<br />

Marc A. Trauffer ist ein nicht besonders gläubiger Mensch. In seinen jungen<br />

Jahren hätte er zwar beinahe das Konfirmandenlager auf der Griesalp<br />

verpasst. Die Lehrerverschleissstory war gerade akut, Marc wieder einmal<br />

nicht der Bravste und so sagte der Vater zu ihm: «Zur Strafe gehst du<br />

nicht <strong>ins</strong> Konf-Lager!» Das wiederum sah der Herr Pfarrer ganz anders.<br />

Im kirchlich geprägten Freizeitvergnügen könne Marc sehr viel lernen<br />

und sein unflätiges Verhalten bändigen. <strong>Der</strong> Vater liess sich missionieren<br />

und Marc war in der Alpenwelt ob dem Kiental zahm wie ein Lamm! Sein<br />

gelbes Sakko, welches er an der Konfirmation stolz trug, begleitete ihn an<br />

seinen Auftritten mit der Band Airbäg.<br />

<strong>Der</strong> Gipfelstürmer weiss genau, wem er seinen <strong>steile</strong>n <strong>Weg</strong> an die Spitze<br />

zu verdanken hat. Bestimmt seinem Brienzer Grosi Gritli, welches ihm<br />

317


das legendäre Örgeli geschenkt hatte. Und wenn in der Seelandhalle alle<br />

Fans seine Lieder kennen, mitsingen, hüpfen und glücklich tanzen, sind<br />

seine Gedanken beim Brienzer Grosi. Und Marc, der Realist, sagt heute:<br />

«Bei mir ist planbar, dass nichts planbar ist!»<br />

Noch einige Abschlussfragen an Marc A. Trauffer.<br />

Künstler werden oft mit Alkohol und Drogen in Verbindung gebracht. Ein<br />

Problem für Sie?<br />

«Mein Vater sagte schon früh und immer wieder: Es wird nicht geraucht,<br />

nicht getrunken und es werden keine Drogen genommen. Als junge Burschen,<br />

wir hatten eine tolle Waldhütte gebaut, haben wir sicher geraucht<br />

und auch Bier getrunken. Das ist Fakt. Später wurde ich zum Kettenraucher.<br />

Zwei Pakete pro Tag waren die ungefähre Ration. Dann wurde ich<br />

Vater, wollte meinen Kindern Vorbild sein und hörte von einer Sekunde<br />

auf die andere mit dem Rauchen auf! Heute bin ich Nichtraucher und habe<br />

noch nie Drogen konsumiert. Beim Alkohol bin ich nicht ganz so absolut.<br />

Aber ich kenne den Massstab bestens.<br />

Ob als Unterhalter, ich sehe mich nicht als Künstler, oder als Unternehmer<br />

bin ich mir bewusst, dass ich gut zu meinem Körper, zu meiner Gesundheit<br />

und zu meinen verfügbaren Ressourcen schauen muss! Wie heisst es<br />

doch so treffend: Gesundheit ist alles – ohne Gesundheit ist alles nichts!»<br />

Sie sind Musiker und Fabrikant und in beiden Gebieten erfolgreich. Wie<br />

ist das zu schaffen?<br />

«Die Trauffer Holzspielwaren AG hat immer Priorität. Am Montagmorgen<br />

um 6 Uhr beginnt dort mein Arbeitstag. Ich bin mir meiner grossen Verantwortung<br />

für den Betrieb und für die Menschen, welche da ihr täglich<br />

Brot verdienen, bewusst. Es ist aber so, dass ich mich gerne dieser Herausforderung<br />

stelle. Manchmal sehe ich auch Sorgenfalten auf meiner<br />

Stirn. Das gehört dazu. Aber das Leben hat mir noch nie Angst eingeflösst,<br />

ich lasse mich nie e<strong>ins</strong>chüchtern und gehe immer meinen <strong>Weg</strong>.»<br />

Und die Musik? Weichen Sie der Frage bewusst aus?<br />

«Es ist schön, auf der Erfolgswelle zu reiten. Zweifellos. Aber ich weiss<br />

genau, dass ich mich in einer Art Scheinwelt bewege. Vor meinen Auftritten<br />

werde ich zu Hause abgeholt, für mein leibliches Wohl wird gesorgt<br />

und die Kleider sind auch schon fein säuberlich parat. Nach den Konzerten<br />

bin ich regelmässig für meine Fans da. Schreibe Autogramme und bin<br />

für Selfies bereit. Aber am Montagmorgen interessiert das alles niemanden<br />

mehr. Meine Kunden nicht und meine Angestellten auch nicht. Heute<br />

kann ich meine Situation gut einordnen und bin auch froh und dankbar,<br />

dass sich der Erfolg jetzt e<strong>ins</strong>tellt und nicht, als ich 20 Jahre alt war.»<br />

318


«Die Hauptsache ist,<br />

dass die Leute<br />

begeistert sind!»<br />

319


In diesem Buch des Autorenpaars Christina und Christian Boss<br />

werden berühmte Personen, die uns aus den Medien bestens<br />

bekannt scheinen, von einer unbekannten Seite gezeigt. Es sind<br />

spannende Geschichten aus früheren Zeiten – etwa diejenige<br />

von Freddy Nock, als sein Kopf bereits im Mund eines Bären<br />

war und er wie durch ein Wunder überlebte, oder der <strong>Weg</strong> des<br />

«Verding buben» Stephan Anliker an die Spitze des Grasshopper<br />

Clubs Zürich. Das Werk ist mit zahlreichen Fotos bebildert, die<br />

ebenfalls zum ersten Mal gezeigt werden.<br />

Porträtiert werden im Weiteren:<br />

Professor Dr. Thierry Carrel, Herzchirurg; Stephan Anliker,<br />

Präsident GC und SC Langen thal; Pater Martin Werlen, Kloster<br />

E<strong>ins</strong>iedeln; Patrick Fischer, Schweizer Nationaltrainer Eishockey;<br />

Uli Forte, Fussballtrainer; Patrick Küng, Abfahrtsweltmeister;<br />

Vladimir Petkovic, Trainer der Schweizer Fussballnationalmannschaft;<br />

Rainer Maria Salz geber, Fernsehmoderator SRF;<br />

Marc A. Trauffer, Fabrikant und Mundartsänger.<br />

ISBN - - - -

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