Drogenkurier Nr. 92 (PDF - 2,6 MB) - VISION eV
Drogenkurier Nr. 92 (PDF - 2,6 MB) - VISION eV
Drogenkurier Nr. 92 (PDF - 2,6 MB) - VISION eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
www.jes-bundesverband.de aus den regionen<br />
21<br />
Gut gelaunt Wiltrud und Jürgen Heimchen beim Festakt Jürgen Heimchen (links)und Manuel Izdebski<br />
pe verlassen. Mit ihnen zusammen gründete<br />
Jürgen Heimchen 1993 die Elterninitiative<br />
für akzeptierende Drogenarbeit und humane<br />
Drogenpolitik in Wuppertal.<br />
Was dann folgte, betrachtet Jürgen<br />
Heimchen als seine Art der Trauerbewältigung<br />
und als Vermächtnis seines Sohnes.<br />
Der Bahnbeamte hatte nicht nur schon 30<br />
Jahre Erfahrung in der Gewerkschafts- und<br />
Personalrat-Arbeit. Er hatte auch eine Botschaft,<br />
die da lautete: Wir können es uns<br />
nicht leisten, den Tod und das Elend unserer<br />
Kinder und Angehörigen in Schweigen<br />
und Demut hinzunehmen. Er ging mit seinem<br />
Verein vier Jahre lang gegen die Barrikaden<br />
in der Bürgerschaft, der lokalen<br />
Politik und bei der Polizei an. Unter anderem<br />
waren er und seine Frau mit dem<br />
„Sozialmobil“ unterwegs, um die Drogenkonsumenten<br />
in Wuppertal zu versorgen,<br />
und allmählich verschaffte sich die Initiative<br />
im engen Schulterschluss mit der Aidshilfe<br />
Gehör.<br />
Seinen bis dahin größten Erfolg konnte<br />
Jürgen Heimchen am 15. Juni 2001 feiern:<br />
An dem Tag öffnete der Drogenkonsumraum<br />
in Wuppertal seine Türen. Es ist wohl einmalig,<br />
dass alle Fraktionen im Rat der Stadt<br />
einvernehmlich für die Einrichtung stimmten;<br />
selbst die der Abstinenz verschriebenen<br />
Guttempler und das Blaue Kreuz hatten<br />
sich beim Ministerium für den Konsumraum<br />
verwendet. Jürgen Heimchen hatte sie<br />
alle mit seinen überzeugenden Argumenten<br />
weichgekocht. In Wuppertal moderiert<br />
der inzwischen 70-Jährige noch heute die<br />
vierzehntägigen Treffen der Elterninitiative<br />
und leitet die Untergruppe Substitution<br />
in der städtischen Fachgruppe Sucht. Nebenbei<br />
hat er den Gedenktag für verstorbene<br />
Drogenabhängige am 21. Juli ins Leben<br />
gerufen, der mittlerweile bundesweit in 60<br />
Städten und auf fast allen Kontinenten begangen<br />
wird.<br />
Aber Jürgen Heimchen wäre nicht Jürgen<br />
Heimchen, wenn er sich nicht auch in<br />
die „große“ Politik eingemischt hätte. Dass<br />
Drogengebraucher/innen und ihre Organisationen<br />
für flächendeckende Spritzenvergabe,<br />
Substitution und Heroin auf Krankenschein<br />
kämpfen, war zu erwarten. Dass aber<br />
auch Eltern und Angehörige für die Strategie<br />
der Schadensminimierung Partei ergriffen,<br />
konnte die Politik nicht so leicht<br />
vom Tisch wischen. Für die DAH und JES<br />
war und ist es von unschätzbarem Wert,<br />
die im Bundesverband organisierten Mütter,<br />
Väter, Geschwister, Partner/innen und<br />
Freund(inn)en von Drogen gebrauchenden<br />
Menschen an ihrer Seite zu haben. Sie haben<br />
wesentlichen Anteil daran, dass der<br />
Bundestag schließlich im Mai 2009 die Dia-<br />
morphinvergabe an Schwerstabhängige beschloss.<br />
Durch die schadensminimierenden<br />
Maßnahmen konnte die Zahl der Drogentodesfälle<br />
in Deutschland um die Hälfte von<br />
2.000 auf 1.000 im Jahr gesenkt werden.<br />
Wer im Internet einen Blick ins Gästebuch<br />
des Bundesverbands wirft, findet dort<br />
viele sehr berührende Einträge von Eltern,<br />
die sich für die Unterstützung bedanken,<br />
aber gerade auch von Junkies, Substituierten<br />
und ehemaligen Drogengebrauchenden,<br />
die sich hier verstanden und angenommen<br />
fühlen. Ein Kommentar ist bei mir besonders<br />
hängengeblieben:<br />
„Hi. Bin durch ein Plakat an unserem<br />
Bong-Laden auf euch aufmerksam geworden.<br />
Ich finde, ihr habt einen fetten Respekt<br />
verdient und ich bin auch echt stolz,<br />
dass endlich mal jemand öffentlich seine<br />
Meinung gegen die gesellschaftliche Norm<br />
sagt. Ich bin auch eine Mama und bin vollkommen<br />
eurer Meinung. Wie gesagt, fetten<br />
Respekt.“<br />
Dem können wir uns nur anschließen.<br />
Ohne diesen Menschen mit dieser Geschichte<br />
und diesem herausragenden Engagement<br />
stünden wir in der Drogenpolitik nicht da,<br />
wo wir heute stehen. Wir als Deutsche AIDS-<br />
Hilfe sind Jürgen Heimchen zu tiefstem<br />
Dank verpflichtet und tragen ihm hiermit<br />
die Ehrenmitgliedschaft an. l