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Magazin 2017_03

Eine Anthologie zum 5. Jubiläum. Kuratiert von Lissan, Leralya, Nederlandfreak und welcome home.

Eine Anthologie zum 5. Jubiläum. Kuratiert von Lissan, Leralya, Nederlandfreak und welcome home.

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Eine<br />

Anthologie<br />

zum<br />

5. Jubiläum<br />

Kuratiert von<br />

Lissan • Leralya • Nederlandfreak • welcome home


Inhalt<br />

Lesen, was andere geschrieben haben.<br />

Selbst schreiben, damit andere lesen.<br />

Darüber reden. Diskutieren. An Kritik<br />

wachsen. Sich über Lob freuen. Besser<br />

werden. Sich frei schreiben.<br />

Alle Texte dieser Anthologie sind so publiziert,<br />

wie sie von den Jugendlichen auf<br />

schreibdichfrei.net freigegeben wurden.<br />

<br />

Lunacat • Der Untergang jeglicher Badekultur 04<br />

Lily • Herbstträume 08<br />

Lissan • Der Keramik-Pingu 14<br />

heihouu • Barbie Girl 18<br />

Redhead999 • Katz und Hund 24<br />

Crazycookie • Warum laufen, wenn du fliegen kannst? 26<br />

Leralya • Und die schwarzen Schatten tanzen 30<br />

day_dreamer • Der Mann, der sein Glück fand 32<br />

Welcome home • Eine Frage der Perspektive 36<br />

Starlight • Ein ganz besonderes Interview 38<br />

Theresbeautyineverything • Anders 44<br />

V.A.L.I__22 • Die Regentropfen 48<br />

Guinevere • Melancholie der Stille 52<br />

Schreibengelchen Mimi • Kerze 54<br />

Sophus • Seine Erinnerungen 56<br />

Eywlïnn • Tintenwahrheit 58<br />

Viola • Anders? 60<br />

Nederlandfreak • Ich sitze an meinem Pult... 64<br />

Meret • Grüne Fahrräder sprechen nicht 68<br />

blacklemon • ich bin zurück… 72<br />

peed • Das Entdecken der Freiheit 74<br />

MirSelber • Der Brief 76<br />

XredX • Schmerz 82<br />

coolcat • Hoffnungen 84<br />

Thomas • Die Bruderschaft der Schatten 88<br />

R&R • Ramingo 94<br />

Gioia • Die unberührte Wunschliste 98


Text<br />

© Lunacat (*2001)<br />

D E R<br />

U N T E R -<br />

G A N G<br />

J E G -<br />

L I C H E R<br />

B A D E -<br />

K U L T U R<br />

• veröffentlicht • 26. August 2015 •<br />

4 5<br />

Der Untergang jeglicher Badekultur www.schreibdichfrei.net/texte/text/2596<br />

Die Badesaison hat begonnen und damit auch die Zeit der<br />

knappen Bikinis und Waschbrettbäuche, der genervten<br />

Mütter, der brunftigen Halbstarken und sonnenverbrannten<br />

100-Kilo-Männern.<br />

Der Untergang jeglicher Kultur beginnt bereits beim Eingang<br />

des Freibades.<br />

„Entschuldigen Sie?“, tönt die plärrende Stimme eines<br />

Mitfünfzigers, welcher eindeutig zu der Marke „Sonnencrème-vergessen“<br />

gehört. Sein rotes, sich schälendes<br />

Gesicht nimmt in der glühenden Hitze unter dem Blechdach<br />

einen ungesund-violetten Farbton an.<br />

„Entschuldigen Sie? Ich hab mein Abi vergessen, könnten<br />

Sie nicht vielleicht…“<br />

Die genervte Dame hinter der Kasse verdreht die Augen,<br />

während das Thermometer weiter steigt und die Warteschlange<br />

sich um eine Gruppe Halbstarker verlängert, welche<br />

auf dem Bildungsniveau handelsüblicher Angelwürmer über<br />

Energydrink-Hersteller philosophiert. Ihre äusserst intelligenten<br />

Äusserungen vermischen sich mit dem „Aber<br />

die Sonnencrème hast du nicht vergessen, ne?“, einer<br />

deutschen Touristin, welche ihrem Mann, der zwar zwei<br />

Köpfe kleiner, aber doppelt so breit wie sie ist, ständig in<br />

den Haaren herumnestelt.<br />

Wenn man sich dann endlich an der Kassiererin vorbei ins<br />

Bad gedrängt hat, sieht man als erstes den grotesken


Text<br />

© Lunacat (*2001)<br />

Text<br />

© Lunacat (*2001)<br />

Hindernislauf einer Gruppe Männer Marke „Meine-Alte-<br />

schmeisst-den-ganzen-Haushalt-und-ich-sitze-auf-der-<br />

Couch-und-lasse-mich-bedienen“, welche ihre Bierbäuche<br />

in Walking-Technik über das Mosaik von bunten Badetüchern<br />

schwingen, welche wahlweise mit Waschmittel- oder<br />

Zahnpasta-Werbung oder antifeministischen Disneyfiguren<br />

bedruckt sind.<br />

Drängt sich der wohl schon ziemlich genervte Badibesucher<br />

nun auf der Suche nach einem freien Fleckchen Gras für<br />

sein Badetuch zwischen eben jenen fremden, mit alten,<br />

Solarium-verbrannten Schachteln bestückten Liegeplätzen<br />

hindurch, so erfährt er unfreiwillig sämtlichen Klatsch und<br />

Tratsch, welchen die Damen entweder in den Boulevard-<br />

Zeitschriften beim Friseur gelesen, oder von der ebenso<br />

geschwätzigen Nachbarin beim Kaffeeklatsch erfahren<br />

haben.<br />

<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2596<br />

Der Untergang jeglicher Badekultur<br />

6 7<br />

Der Untergang jeglicher Badekultur www.schreibdichfrei.net/texte/text/2596


Text<br />

© Lily (*1988)<br />

H E R B S T<br />

T R Ä U -<br />

M<br />

E<br />

• veröffentlicht • 16. April 2012 •<br />

8 9<br />

Herbstträume www.schreibdichfrei.net/texte/text/17<br />

Ich sitze an meinem Schreibtisch und schaue zum Fenster<br />

hinaus. Draussen ist alles grau in grau und es regnet, wie das<br />

im Herbst so üblich ist. Ich beobachte den grauen Himmel und<br />

die bunten Blätter der Bäume davor. Hoch am Himmel sehe<br />

ich Krähen und einen Milan kreisen. Die Vögel scheinen sich zu<br />

streiten. Ich lasse meine Gedanken schweifen, erinnere mich<br />

an gestern und träume von morgen.<br />

In meinem Zimmer ist es gemütlich. Es ist voll von Büchern,<br />

Spielen, Kleidern, Musikinstrumenten und Stofftieren, noch<br />

ein richtiges Kinderzimmer. Alles, was man sich wünschen<br />

kann, findet man darin. Und doch…<br />

Gestern dachte ich an unser Patenkind in den Philippinen,<br />

dort wo es immer wieder Stürme, Überschwemmungen und<br />

Hungersnöte gibt. Ich dachte daran, wie sich Camilo wohl<br />

über ein Zimmer wie meines freuen würde. Aber er wird<br />

niemals die Chance haben, in solchem Luxus zu leben wie ich.<br />

Traurig… Ich wünschte mir nichts mehr, als daran etwas ändern<br />

zu können!<br />

Doch ich kann nichts tun. Ausser ihm meine Liebe mit auf den<br />

Weg zu geben. Ich blicke kurz hinunter auf den Schreibtisch.<br />

Dort liegen ein englisches Wörterbuch und mein angefangener<br />

Brief, geschrieben auf dem buntesten Briefpapier, dass ich<br />

finden konnte. „Dear Camilo, I’m so glad…“ Glücklich, Kontakt<br />

zu diesem Kind zu haben.<br />

Mein Blick wandert wieder zum Fenster und den Krähen, die<br />

immer noch den stolzen Milan ärgern. Seine Schönheit und


Text<br />

Text<br />

© Lily (*1988)<br />

© Lily (*1988)<br />

Grösse nützt ihm nichts. Trotzdem - er scheint so gelassen zu<br />

sein, er verliert nichts von seiner Würde. Ich schaue dem König<br />

der Lüfte oft zu, ich mag ihn. Ich mag seine Art frei zu sein<br />

und die Welt weise von oben zu betrachten.<br />

Was er wohl sieht, hier unten bei uns Menschen? Langsam<br />

stehe ich auf, mache das Fenster auf und klettere hinaus. Der<br />

kürzeste Weg auf den Balkon. Ich lehne über die Brüstung und<br />

schaue in den Garten und auf die Strasse hinunter.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/17<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/17<br />

Erdenbewohner. Ich wünsche mir, dass wir lernen, das „Geben<br />

seliger ist als Nehmen“, wie es schon ein altes Sprichwort<br />

sagt. Wenn jemand lacht, gibt er der Welt ein bisschen Licht,<br />

Wärme und Freude zurück. Aber streiten ist nehmen.<br />

Ich schaue hinauf zu meinem Milan. Ich träume davon, genau<br />

so frei zu sein und fliegen zu können. Befreit, so zu sein wie ich<br />

bin und wie ich es mir wünsche. Mir nichts daraus zu machen,<br />

was die anderen sagen.<br />

Im Garten spielen Kinder in Regenjacken Fussball, einige kenne<br />

ich. Eine Weile schaue ich ihnen zu. Dann schaue ich wieder<br />

hoch zum Himmel und lasse mir Regentropfen ins Gesicht<br />

fallen. Ich geniesse das kühle Nass auf meiner Haut. Ich höre<br />

Schreien, Kindergebrüll. Schnell schaue ich hinunter, wo die<br />

Kinder es den Vögeln in der Luft nachmachen.<br />

Sie streiten, alle stürzen sich auf einen Jungen. Francesco, ein<br />

kleiner Italiener. Er fällt hin und weint, rennt weg, verschwindet<br />

aus meinem Blickfeld. Die Tränen passen zu dem Wetter,<br />

denke ich. Aber wie schön wäre doch eine Welt ohne Tränen.<br />

Wir Menschen nehmen immer alles so ernst, wir vergessen,<br />

dass leben Spass macht.<br />

Träumend stehe ich auf dem Balkon, während der Regen auf<br />

meinen Kopf prasselt und der Wind an meinen Haaren zupft.<br />

Ich träume von Camilo, Francesco und meinen eigenen Brüdern.<br />

Wie sie gross werden in einer Welt, in der die Menschen lachen<br />

statt zu streiten. Wir haben so viel geschenkt bekommen, wir<br />

Herbstträume<br />

10 11<br />

Herbstträume<br />

Die Krähen lassen den Milan in Ruhe, sie stürzen hinunter und<br />

landen unter dem Apfelbaum im Garten des Nachbarn. Der<br />

Milan blickt kurz hinunter, dann zieht er einen Kreis über den<br />

Garten und fliegt über das Hausdach davon. Ich schaue ihm<br />

nach bis er verschwunden ist.<br />

Plötzlich spüre ich die Kälte, bemerke die nassen Haare in<br />

meinem Nacken und wie klamm meine Finger sind. Ich klettere<br />

durch das Fenster ins Haus zurück. Wasser rinnt hinunter auf<br />

den Boden und bildet kleine Flüsse und Seen auf dem Parkett.<br />

Ich trockne mich ab, ziehe mein Pyjama an.<br />

Ich setze mich wieder an den Schreibtisch. Vor dem Fenster<br />

sehe ich nun nichts mehr ausser dem Grau des Himmels und<br />

den bunten Blättern in den Wipfeln der Bäume, die sich im Wind<br />

bewegen. Noch einige Momente lasse ich meine Gedanken<br />

ungehindert ziehen. Dann setze ich mich aufrecht und beuge<br />

mich über das bunte Papier auf der weissen Tischplatte. Bunt<br />

auf Grau draussen, bunt auf Weiss hier drinnen.


Text<br />

© Lily (*1988)<br />

Text<br />

© Lily (*1988)<br />

Ich nehme meinen Fülli in die Hand und schreibe. Ab und zu<br />

blättere ich durch das gelbe Buch vor mir, auf der Suche nach<br />

passenden Worten. Worten, die beschreiben können, was ich<br />

fühle.<br />

Einige Zeit später lege ich den Stift zur Seite, falte das Papier<br />

sorgfältig zusammen und stecke es in einen Briefumschlag.<br />

Aus der Schublade angle ich meine Farbstifte hervor. Ich male<br />

für Camilo ein Bild mit lachenden Menschen, ihn, mich, unsere<br />

Familien und unsere besten Freunde. Oben drüber ein bunter<br />

Regenbogen im sonnigen Himmel und ein Smiley-Ballon mit<br />

der Aufschrift: „My Dream…“<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/17<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/17<br />

<br />

Herbstträume<br />

12 13<br />

Herbstträume


Text<br />

© Lissan (*1998)<br />

D E R<br />

K E R A -<br />

M I K -<br />

P I N G U<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2856<br />

Ein Pingu aus Keramik, er fällt. Nun liegt er am Boden. Sein<br />

linker Flügel ist abgebrochen. Mein Herz, es rast. Ich muss<br />

ihm helfen! Eilig hole ich Sekundenkleber herbei. Ob es ihm<br />

sehr weh tut? Ich frage ihn, ohne dabei eine Antwort zu<br />

erwarten. Doch was sehe ich denn da? Eine Träne läuft über<br />

seine rechte Backe. Oder habe ich mir das nur eingebildet?<br />

Nein da, noch eine kullert über seine Wange. Die schwarze,<br />

anscheinend wasserlösliche Farbe wird verwischt.<br />

Ich bin sprachlos. Mit weit aufgerissenen Augen stehe ich<br />

nun starr vor ihm, als er unbeirrt fragt: „Willst du mir nun<br />

helfen oder nicht?“ Habe ich da gerade richtig gehört? Der<br />

Keramik-Pingu kann sprechen? Was hat er soeben gefragt?<br />

Ob ich ihm nun helfen wolle? Stimmt, das wollte ich ja. Rasch<br />

nehme ich wieder den Sekundenkleber zur Hand und verarzte<br />

ihn behutsam.<br />

„Besser?“, frage ich nach, sobald ich fertig bin. Seufzend<br />

meint er: „Ja, viel besser sogar. Danke sehr!“ Noch bevor ich<br />

etwas erwidern kann, spricht der Keramik-Pingu auch schon<br />

weiter: „Magst du Geschichten? Ich kann dir als kleines<br />

Dankeschön eine über eine seltsame Begegnung berichten.“<br />

„Klar mag ich Geschichten“, antworte ich ihm, wobei ich<br />

diese Begegnung mit ihm schon etwas schräg finde. Doch ich<br />

bin neugierig. Was er mir wohl zu erzählen hat? „Ich bin<br />

übrigens Lisa. Hast du auch einen Namen?“, frage ich nach.<br />

„Na klar, ich heisse Milo.“<br />

• veröffentlicht • 28. April 2016 •<br />

14 15<br />

Der Keramik-Pingu<br />

„Aber jetzt zur Geschichte. Das war so“, beginnt er nun gemächlich,<br />

„Einmal als es mir in deinem Zimmer so schrecklich


Text<br />

© Lissan (*1998)<br />

Text<br />

© Lissan (*1998)<br />

langweilig war, da hüpfte ich hier etwas herum.“ Ein hüpfender<br />

Keramik-Pingu in meinem Zimmer. Bei dieser Vorstellung<br />

muss ich mir ein Lachen verkneifen. Milo scheint das hingegen<br />

ganz normal zu finden, denn er erzählt gemütlich weiter:<br />

„Als ich auf dein Pult hüpfte, sah ich dort ein Heft. Von aussen<br />

sah das ganz normal aus. Doch als ich mit ihm etwas<br />

plaudern wollte, gab es nur Zahlen von sich. Komisch, nicht?“<br />

Der Keramik-Pingu plauderte mit meinem Heft? Also ich<br />

finde eher das merkwürdig…<br />

„Ich hatte Mitleid mit ihm“, erklärt Milo wie selbstverständlich<br />

weiter, „Da nahm ich einen Stift zur Flosse und begann<br />

schliesslich zu schreiben. Ich bin nämlich der Meinung, dass<br />

jedes Blatt, sei es in einem Heft, einem Buch oder gar lose,<br />

eine Geschichte verdient hat. Meinst du nicht auch?“<br />

„Du warst das?!“, frage ich ganz verdutzt, „Ich habe mich<br />

schon gewundert, weshalb in meinem Mathematik-Heft eine<br />

Geschichte steht. Du hättest den Gesichtsausdruck meines<br />

Mathematiklehrers sehen sollen. Dieser hat zuerst die Stirn<br />

gerunzelt, was bei ihm normalerweise einen Wutanfall<br />

ankündigt. Ich hatte schon Bedenken, dass er nun meine<br />

Eltern informieren würde. Dann wären sie auch noch wütend<br />

auf mich gewesen und ich hätte wohl für den Rest meines<br />

Lebens Hausarrest bekommen… Deine Geschichte war<br />

jedoch so witzig, dass mein Lehrer einen Lachanfall bekam<br />

und mir sogar gratulierte. Zwar gestand ich ihm, dass ich<br />

diese Geschichte nicht geschrieben habe, was ihm allerdings<br />

vollkommen egal war. Seither komme ich viel besser mit<br />

ihm aus. Tja, nun weiss ich, wem ich das zu verdanken habe.“<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2856<br />

Der Keramik-Pingu<br />

16 17<br />

Der Keramik-Pingu www.schreibdichfrei.net/texte/text/2856<br />

„Lisa, Abendessen ist fertig“, höre ich meine Mutter rufen.<br />

Wie Schade…, ich muss gehen. Mein Magen kündigt aber auch<br />

knurrend an, dass er Hunger hat. Also verabschiede ich mich<br />

von Milo und bedanke mich herzlichst für seine Geschichte.<br />

Auf dem Weg ins Esszimmer lass ich mir nochmals alles durch<br />

den Kopf gehen. Mein Lachen kann ich mir nun nicht mehr<br />

verkneifen. So etwas Aussergewöhnliches ist mir ja noch nie<br />

passiert. Und das alles geschah nur, da mein Keramik-Pingu<br />

gestürzt ist. Echt seltsam, aber irgendwie auch lustig.


Text<br />

© heihouu (*1999)<br />

B A R B I E<br />

G I R L<br />

• veröffentlicht • 9. September 2013 •<br />

18 19<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/1292<br />

Barbie Girl<br />

Drei Personen fahren in einem Lift zum 32. Stockwerk. Während der Fahrt hängt<br />

jeder seinen Gedanken nach...<br />

Jürg Hohmeister, 48, erfolgreicher Geschäftsleiter<br />

Herr Hohmeister steigt aus seinem silbernen Audi rs7,<br />

nimmt seine schwarze Aktentasche und hastet quer durchs<br />

Parkhaus zum Lift. Er hat eine wichtige Sitzung im 32. Stock<br />

des Prime Towers in Zürich und hat nur noch drei Minuten Zeit.<br />

„Wieso geht denn diese ver****** Türe nicht auf?<br />

Hat sie die Putzfrau etwa noch nicht geöffnet? Ach, ich muss<br />

ziehen! Hoffentlich hat das niemand gesehen. Das wäre<br />

ziemlich peinlich. Wo ist der „Rauf“-Knopf? Aha, das ist so<br />

ein neues Touch-System. Hoffentlich kommt der Lift bald.<br />

Der muss jetzt sicher das ganze Haus runterfahren, dann hält<br />

er noch fünfmal an und lädt solche Leute ein, die nicht wissen,<br />

in welchen Stock sie müssen. Herrgott, wann kommt der Lift<br />

endlich? Wie viel Zeit habe ich noch? Hm, acht Uhr, drei vor<br />

acht, noch drei Minuten! Soll ich etwa die Treppe nehmen?<br />

Wäre das schneller? Nein, so schnell bin ich auch nicht. Ich<br />

habe zwar mal beim Pfüderirennen gewonnen, aber das ist<br />

doch schon ein paar Jahre her. Ach, endlich! Ähm, welchen<br />

Stock muss ich schon wieder wählen? War es der 23. Stock?<br />

Oder der 32.? Ach ich drücke mal den auf die 26, das ist in<br />

der Mitte. Geht die Türe von alleine zu? Ah, ja. Habe ich<br />

meine Krawatte richtig gebunden? Sitzt sie nicht schief?<br />

Habe ich etwa zu viel Gel in die Haare gestrichen? Das soll<br />

ja 24 Stunden Halt geben. Merkt die junge Sekretärin wohl,<br />

dass ich meine angegrauten Haare braun gefärbt habe? Die<br />

Blonde ist ziemlich hübsch. Mit dem kurzen Rock und den<br />

schwarzen Strümpfen sieht sie ziemlich sexy aus.


Text<br />

© heihouu (*1999)<br />

Text<br />

© heihouu (*1999)<br />

Hoppla, wer steigt denn jetzt ein? Ist sie das etwa? Nein, das<br />

ist nur eine Putzfrau. Halt, Jürg! Schau sie bloss nicht so an!<br />

Sonst denkt sie noch was falsches, erzählt es ihrem Chef und<br />

ich bin gefeuert! Also, einen bestimmten Punkt an der Wand<br />

fixieren, Kopf ein bisschen nach oben. Das strahlt Autorität<br />

aus...“<br />

Tanja Sutter, 33, bis vor kurzem arbeitslose alleinerziehende Mutter,<br />

jetzt Putzfrau im Prime Tower<br />

Tanja kontrolliert noch mal, ob sie die richtigen Putzmittel<br />

im Putzwagen hat und tippt dann auf das „Rauf“ Zeichen.<br />

„Hoffentlich lässt der Lift ein bisschen auf sich warten. Ich<br />

bin noch so müde. Warum musste auch der Kleine mitten<br />

in der Nacht plötzlich aufwachen? Das Milchpulver habe ich<br />

auch noch so lange suchen müssen. Ach nein, der Lift ist<br />

heute aber schnell. Steht schon jemand drin? Aha, so ein<br />

‚superwichtiger‘ Geschäftsmann, der einem zuerst nur kurz<br />

einen abschätzigen Blick zuwirft und dann entweder die<br />

ganze Zeit die Wand anstarrt oder auf seinem neuen<br />

iPhone herumtippt. Hoffentlich stört er sich nicht an<br />

meinem sperrigen Putzwagen. Sonst reklamiert er noch<br />

beim Hauswart und motzt über nerviges Putzpersonal und<br />

ich bin schon wieder arbeitslos. Wohin muss er wohl? Er sieht<br />

gestresster aus als ich. Wahrscheinlich an eine Sitzung. Die<br />

Geschäftsleute müssen doch immer zu Sitzungen gehen.<br />

Am Morgen, am Mittag und am Abend haben sie bestimmt<br />

auch noch eine. Seine Lederschuhe waren sicher teuer und<br />

erst recht seine Aktentasche! Hat er die selber gekauft oder<br />

bekommt er die vom Geschäft? Seine Hände gefallen mir.<br />

Nicht so ungebrauchte viel zu feine Informatiker-Hände.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/1292<br />

Barbie Girl<br />

20 21<br />

Barbie Girl www.schreibdichfrei.net/texte/text/1292<br />

Sondern braun und sehnig. Aber trotzdem stark. Vielleicht<br />

hat er bei sich zu Hause einen Garten. Gärtnern baut Stress<br />

ab. Schade, dass ich keinen Garten habe. Aber ich habe ja<br />

auch keine Zeit. Zuhause muss ich noch waschen, kochen,<br />

auf die Kleinen aufpassen. Hm, habe ich die Waschmaschine<br />

überhaupt eingestellt?“<br />

Peter Häberlin, 52, Chefkoch des „Restaurants Clouds“ im Prime Tower<br />

Herr Häberlin betritt fröhlich summend den Lift. Vorher war er<br />

noch im 12. Stock und druckte in seinem Büro die Menü-Bestellungen<br />

aus. „I‘m a Barbie girl, in a Barbie wohorld, life in<br />

plastic, it‘s fantastic! Hmhm hm hm hmm... Ach dieses Lied!<br />

Dieser Ohrwurm verfolgt mich jetzt schon ewig! Eigentlich<br />

ist es ja so kitschig. Ups, habe ich etwa vorher laut gesummt?<br />

Na, ist ja egal, der Mann sah mich wohl sowieso nicht reinkommen<br />

und der Frau macht das sicher nichts aus. You can<br />

brush my hair, undress me everywhere... hmhm hm hmm...<br />

Komisch, der Lift steht jetzt aber schon lange still. Geht die<br />

Türe denn nicht auf? Wahrscheinlich hat der Lift wieder Störungen.<br />

Come on Barbie, let‘s go Party! Hm hm hmm.“<br />

Jürg Hohmeister wird schon wieder nervös. „Herrgottnochmal!<br />

Warum bleibt denn plötzlich der Lift stehen? Gibt es hier<br />

nirgends einen Notfallknopf? Ach nein, ist ja alles touch! Hier<br />

leuchtet ein SOS-Symbol. Was muss ich jetzt machen? Ist es<br />

ein Sensor, muss ich nur winken? Vielleicht näher ran, oder<br />

weiter weg? Huch, jetzt habe ich eine Putzflasche umgestossen.<br />

Sie kann es ja aufheben. Wie spät ist es jetzt? Mein Gott,<br />

schon zwei vor! Ich schaff‘s nicht rechtzeitig zur Sitzung!<br />

Summt der kleine Mann etwa die Melodie von ‚Barbie Girl‘?


Text<br />

© heihouu (*1999)<br />

Text<br />

© heihouu (*1999)<br />

Bin ich jetzt etwa unter Verrückten? Die Putzfrau starrt mich<br />

die ganze Zeit so komisch an und der Mann summt‚ Barbie<br />

Girl‘. Das Lied ist doch von Aqua oder? Wie alt sind die jetzt<br />

etwa? Mann, noch eine Minute! Ich dreh gleich durch!“<br />

Tanja Sutter überlegt, ob sie dem gestressten Geschäftsmann<br />

einen Kaugummi anbieten soll. „War der etwa noch<br />

nie in diesem Lift? Vielleicht weiss er ja gar nicht, dass dieser<br />

Lift ab und zu spinnt. Aber das ist ja nach etwa zehn Minuten<br />

schon wieder vorbei. Hat er gerne Kaugummi mit Melonengeschmack?<br />

Seine Hände würden bestimmt ganz zittrig das<br />

Papierchen aufreissen und dann den Kaugummi in den Mund<br />

stopfen. Oh, sein Mund! Er hat so volle Lippen. Er hat sicher<br />

ganz glatte Wangen, weil er sich jeden Tag rasiert. Hihi, vor<br />

lauter Aufregung hat er eine rote Nase bekommen. Süss!<br />

Ups, liegt die Putzflasche schon lange am Boden? Soll ich sie<br />

etwa aufheben? Nein, dann denkt er vielleicht, ich flirte mit<br />

ihm. Und wenn ich ihn gar nicht anschaue, wenn ich die<br />

Flasche aufhebe? Nein, das wäre unhöflich. Wenn es ihn nicht<br />

stört, lasse ich sie liegen und warte, bis er aussteigt. Aber<br />

nein! Dann schaut er nicht, wo er hintritt, rutscht auf der<br />

Flasche auf und fällt in den Putzwagen. Und dabei stösst er<br />

auch noch den Mann um, der vorher eingestiegen ist. Der<br />

sieht ziemlich glücklich aus. Heiratet er etwa? Ach endlich,<br />

der Lift fährt weiter.“<br />

Peter Häberlin hat auch bemerkt, dass die Putzflasche am<br />

Boden liegt. „Soll ich sie aufheben? Nein, der Mann hat sie ja<br />

umgestossen und die Flasche gehört schliesslich der Frau.<br />

I‘m a Barbie Girl, in a Barbie world. Life in plastic, it‘s fantastic!<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/1292<br />

Barbie Girl<br />

22 23<br />

Barbie Girl www.schreibdichfrei.net/texte/text/1292<br />

Hmhm hm hm hmm. Hoppla, der Lift fährt weiter. Come on<br />

Barbie, let‘s go Party!“<br />

Jürg Hohmeister bemerkt plötzlich, das er gar nicht weiss,<br />

wo er aussteigen muss. „Muss ich jetzt im 32. Stock raus<br />

oder im 23.? Soll ich den Mann fragen? Oh nein, lieber nicht.<br />

Sonst trällert er mir das kitschige Lied vor. Oh nein, jetzt<br />

verfolgt mich das Lied auch noch! I‘m a Barbie girl, in a Barbie<br />

world. Hmhm hm hmm. Oh Gott! Habe ich das jetzt etwa<br />

laut gesummt? Ich überspiele es einfach und frage halt die<br />

Putzfrau.“ „Entschuldigung, wissen Sie, in welchem Stock das<br />

Konferenzzimmer von Herrn Bühler ist?“<br />

Tanja Sutter staunt. „Hat der Mann etwa mit mir gesprochen?<br />

Ich glaube schon! Und wieso hat er dann vorhin die<br />

Melodie von „Barbie Girl“ gesummt? Der hat ja eine tolle<br />

Stimme! Er schaut mich an! Was hat er für eine Augenfarbe?<br />

Ist das blau? Ehm, was hat er gefragt? Wo das Konferenzzimmer<br />

von Herrn Bühler ist? Phh, als ob ich das weiss!<br />

Aber ich muss ihm ja antworten, sonst denkt der ja, ich sei<br />

so eine dumme Stumme.“ „Ehm, das Konferenzzimmer ist<br />

im 24. Stock“ „Keine Ahnung, ob das stimmt! Aber egal.<br />

Wow, ich habe mit ihm gesprochen! I‘m a Barbie girl, in a<br />

Barbie world! Hmhm hm hmm. You can brush my hair...“<br />

Im 24. Stock steigen Herr Hohmeister und Frau Sutter aus. Im<br />

35. Stock steigt Herr Häberlin aus. Ihr letzter Gedanke beim<br />

Verlassen des Liftes: „Come on Barbie, let’s go Party!“


Text<br />

© Redhead999 (*1994)<br />

K A T Z<br />

U N D<br />

H U N D<br />

• veröffentlicht • 5. Oktober 2015 •<br />

24 25<br />

Katz und Hund www.schreibdichfrei.net/texte/text/2647<br />

Als wir das erste Mal aufeinander trafen<br />

Befanden wir uns gerade beim Hafen<br />

Du warst mir sympathisch<br />

Doch befand mich in einer Beziehung, ganz frisch<br />

Monate später begegneten wir uns wieder<br />

Nahmen uns Zeit und setzten uns auf eine Bank nieder<br />

Ich fand dich interessant<br />

Doch sah kein gemeinsames Land<br />

Trotzdem unterbrachen wir unser Sehen nicht<br />

Etwas verband uns, vergassen die unterschiedliche Sicht<br />

Irgendwann kam die Beziehung<br />

Und somit die Prüfung<br />

Ob es wohl halten wird<br />

Oder bald das Glas klirrt<br />

Hätten es beide nicht geglaubt<br />

Dass unsere Liebe nicht so schnell verstaubt<br />

Gegenteilige Ansichten<br />

Anderes Betrachten von Pflichten<br />

Für den anderen unverständliche Angewohnheiten<br />

Über die wir wohl noch in 100 Jahren streiten<br />

Sich beissende Charakteren<br />

Die dennoch immer wieder zueinander kehren<br />

Nun sind es schon drei Jahre<br />

Die ich mit dir trage<br />

Mich ab und zu frage<br />

Wie es kam zu dieser Lage<br />

Egal, wie schwierig es manchmal ist<br />

Weiss ich, dass du der Richtige an meiner Seite bist<br />

Dass wir auch mit all unseren Marotten<br />

Alt und grau nebeneinander trotten<br />

Dass keine Trennung<br />

Bringt eine Heilung<br />

Dass ich mich bei dir geborgen fühle<br />

Und ich dir auch mit Fehlern genüge


Text<br />

© Crazycookie (*1998)<br />

W A R U M<br />

L A U F E N ,<br />

W E N N<br />

D<br />

U<br />

F L I E G E N<br />

K A N N S T<br />

?<br />

• veröffentlicht • 30. Mai 2013 •<br />

26 27<br />

Warum laufen, wenn du fliegen kannst? www.schreibdichfrei.net/texte/text/992<br />

Nun stehe ich da. Allein. Ich stehe da, wo du sonst immer<br />

gestanden bist und auf mich gewartet hast. Ich war noch<br />

ca. 30 Meter von dir entfernt und musste schon so Lächeln<br />

wie ein Eichhörnchen auf Crack. Ich konnte mich nicht<br />

entscheiden, ob ich jetzt los laufe, oder normal…<br />

„Hey was soll der Kitsch, du bist doch sonst nicht so.<br />

Was ist los?“<br />

„Ich weiss nicht, ich war heute wieder an unserer Stelle…“<br />

„Du musst damit aufhören, Nina. Das tut dir nicht gut.<br />

Du musst anfangen zu vergessen!“<br />

„Aber es sind doch so viele schöne Erinnerungen?“<br />

„Es macht dich nur Kaputt. Hör auf daran zu denken wie<br />

es jetzt wäre wenn nicht… du weisst schon.“<br />

„Aber es macht mich glücklich, daran zu denken.“<br />

„Aber doch nur für einen kurzen Moment, und danach<br />

blutet unser Herz.“<br />

„Wieso ist es so schwer, ich kann doch sonst immer<br />

ganz klar entscheiden?“<br />

„Das werden wir wohl nie erfahren.“<br />

„Ich werde Ihn ganz sicher niemals vergessen, dass<br />

kann mir niemand einreden!“<br />

„Es verlangt ja auch keiner von dir, sie machen sich nur<br />

Sorgen um dich.“<br />

„Ja, schön für sie. Es heisst immer, sie wollen nicht,<br />

dass ich gehe, weil sie dann niemanden mehr zum<br />

Reden hätten, oder sonst was, ob ich glücklich bin, ist<br />

ihnen völlig egal! Wenn sie jemanden anderes finden<br />

mit dem sie so reden und Spass haben können, dann<br />

’darf‘ ich gehen oder was?“


Text<br />

© Crazycookie (*1998)<br />

Text<br />

© Crazycookie (*1998)<br />

„Bitte, tu es nicht. Er hätte das nicht gewollt. Erinnerst du<br />

dich, als du ihm von deiner Krankheit erzählt hast, wie er<br />

reagiert hat? Wie er dir sagte, dass er bei deinen letzten<br />

Worten dabei sein will? Dass du dir was antust, nur wegen<br />

ihm, dass hätte er nie zugelassen.“<br />

„Aber ich kann nicht mehr, es zieht mich zu sehr runter.<br />

Wieso auch ausgerechnet Er? Ich weiss er war nicht<br />

perfekt, aber er hat immer versucht es zu sein. Ich hasse<br />

Autos. Und Alkohol. Wer hat diesen Scheiss erfunden?<br />

Wenn ich den erwische..“<br />

„Ich glaube ich lass dich jetzt lieber wieder allein.<br />

Das brauchst du jetzt.<br />

Mach die Musik an und setz dich auf die Wiese.“<br />

„Tut mir leid, dass ich so rummotze, du kennst mich<br />

einfach zu gut.“<br />

„Wer kann dich auch besser kennen, als du selbst?“<br />

„Er…“<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/992<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/992<br />

<br />

Warum laufen, wenn du fliegen kannst?<br />

28 29<br />

Warum laufen, wenn du fliegen kannst?


Text<br />

© Leralya (*2001)<br />

U N D<br />

D I E<br />

S C H W A R -<br />

Z E N<br />

S C H A T T E N<br />

T A N Z E N<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2913<br />

Lass mich rennen, lass mich schreien,<br />

dass die dunkle Nacht vergeht!<br />

Lass die alten Sünden ruhen<br />

und befreie dich vom Schmerz.<br />

Diese Nacht soll man vergessen,<br />

was passiert‘, das soll nicht sein<br />

und die schwarzen Schatten tanzen,<br />

lassen Ewigkeit nicht frei.<br />

Lass mich atmen, lass mich leben,<br />

dass die Nacht mich gehen lässt!<br />

Lass die alten Worte hallen<br />

und erlöse dich von Schuld.<br />

Diese Zeit soll nun vergehen,<br />

was passiert‘, das war nicht fein<br />

und die schwarzen Schatten tanzen,<br />

schwerelos durch Zeit und Raum.<br />

• veröffentlicht • 17. Juli 2016 •<br />

30 31<br />

Und die schwarzen Schatten tanzen<br />

Lass mich gehen, lass mich springen,<br />

dass die Zeit sich ändern mag!<br />

Lass die Ewigkeit verschallen<br />

und belasse diese Welt.<br />

Diese Macht war nichts als böse,<br />

was sie tat‘, das war nicht recht<br />

und die schwarzen Schatten tanzen,<br />

dass die Hölle ewig tobt.


Text<br />

© day_dreamer (*2001)<br />

D E R<br />

M A N N ,<br />

D E R<br />

S E I N<br />

G L Ü C K<br />

F A N D<br />

• veröffentlicht • 14. September 2015 •<br />

32 33<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2633<br />

Der Mann, der sein Glück fand<br />

Es war einmal ein Mann, nennen wir ihn mal Stefan, der<br />

eigentlich alles gehabt hätte, um glücklich zu sein:<br />

Er wohnte mit seiner Frau und mit seinen beiden Töchtern<br />

in einem grossen Haus in einer grossen Stadt und war<br />

Angestellter in einer Bank. Stefan war ein sehr unfreundlicher<br />

Mensch, der nur Zeit für seine Arbeit hatte. Wenn ihm zum<br />

Beispiel seine Mitarbeiter am Morgen freundlich grüssten,<br />

so hörte er gar nicht richtig hin und lief so schnell er konnte<br />

zu seinem Arbeitsplatz, um ja keine Zeit zu verlieren.<br />

Oder, wenn ihm zu Hause seine Frau ein leckeres Gericht<br />

gekocht hatte und die beiden Mädchen schon gespannt auf<br />

ihren Vater warteten, um ihm von der Schule zu erzählen,<br />

so hatte er weder ein gutes Wort für seine Frau, die sich so<br />

viel Mühe mit ihrem Gericht gegeben hatte, noch hatte er<br />

ein offenes Ohr für seine Töchter, die ihm doch so gerne<br />

alles erzählt hätten. Es gaben sich alle wirklich immer sehr<br />

viel Mühe, Stefan glücklich zu machen, doch er blieb weiterhin<br />

unfreundlich und abweisend.<br />

In den Schulferien der beiden Mädchen wollte er nicht in<br />

die Ferien, er hatte Angst, zu viel Geld auszugeben und<br />

ging weiterhin arbeiten. Selbst am Wochenende, wenn die<br />

Mädchen gerne etwas mit dem Vater unternommen hätten,<br />

hatte er keine Zeit: „Lasst mich in Ruhe, ihr wisst doch, dass<br />

ich arbeiten gehen muss, sonst macht es ja keiner!“, sagte<br />

er jedes Mal.<br />

Nach ungefähr sieben Jahren verliess ihn dann seine Frau<br />

mit den Töchtern. Sie wollte zurück in ihre Heimat Spanien<br />

und wollte ein neues Leben beginnen. Stefan zog alleine, mit<br />

seinem Geld, in ein Mehrfamilienhaus in den vierten Stock<br />

ein. Anfangs war er noch etwas traurig, da er jetzt alleine


Text<br />

© day_dreamer (*2001)<br />

Text<br />

© day_dreamer (*2001)<br />

war und es keinen mehr gab, der ihm sein Essen kochte, doch<br />

irgendwann gewöhnte er sich an die Einsamkeit. „Ich hab ja<br />

noch mein Geld und meine Arbeit“, sagte er zu sich selbst und<br />

arbeitete noch härter als je zuvor. Mit seinen Mitarbeitern<br />

hatte sich nicht viel geändert, er war weiterhin unhöflich und<br />

abweisend.<br />

Ungefähr zwei Monate später, musste die Bank geschlossen<br />

werden. Und so hatte Stefan weder eine Arbeit noch eine<br />

Familie. Wegen seiner unhöflichen Art, fand er auch keine<br />

neue Arbeit mehr und so sass er jetzt Tag für Tag auf seinem<br />

Balkon und beobachtete die Menschen, die täglich in den<br />

Supermarkt ein und aus gingen. Geld hatte er nun zwar<br />

genug, doch glücklich war er nicht.<br />

Als er da so auf dem Balkon sass und über sich selbst nachdachte,<br />

da wurde ihm klar, dass er vieles falsch gemacht<br />

hatte. Plötzlich kam ein kleiner Spatz und setzte sich auf<br />

seinen Teller, auf dem noch Brotkrümel lagen und begann<br />

eifrig diese aufzupicken. „Hey mein Kleiner“, sagte er und<br />

beobachtete lächelnd den kleinen Spatz, der sich die Krümel<br />

schmecken liess. „Komisch“, dachte er, „ich hätte nie<br />

gedacht dass mich so etwas Kleines glücklich machen kann.“<br />

Und plötzlich fiel ihm auf, wie schön es auf dem Balkon doch<br />

eigentlich war: Die Sonne schien, die Blumen der Nachbarin<br />

blühten und wenn man ganz genau hinhörte, hörte man ein<br />

kleines Vögelchen zwitschern. Stefan schloss die Augen,<br />

genoss die Sonnenstrahlen und dieses glückliche und<br />

zufriedene Gefühl.<br />

Von diesem Tag an, sass Stefan jeden Tag mit einem Teller<br />

Brotkrümel auf dem Balkon und wartete auf seinen Spatz, der<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2633<br />

Der Mann, der sein Glück fand<br />

34 35<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2633<br />

Der Mann, der sein Glück fand<br />

ihm damals gezeigt hatte, dass auch kleine Dinge<br />

glücklich machen können... Heute ist Stefan schon<br />

sehr alt, doch manchmal sehe ich ihn noch auf seinem<br />

Balkon sitzen, alleine und mit seinem Teller in der Hand.


Text<br />

© Welcome home (*1998)<br />

E I N E<br />

F R A G E<br />

D E R<br />

P E R S -<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2909<br />

Die Perspektive.<br />

Sie entscheidet ob ein Haus hoch, ein Mensch schön, eine<br />

Arbeit gut, ein Film spannend oder eine Schulnote gut ist.<br />

Manchmal scheint etwas unlösbar, mit der Änderung der<br />

Perspektive wird es plötzlich ganz leicht.<br />

Ist ein Glas halb voll oder halb leer?<br />

Ist man schlecht drauf, weil man nur noch ein Prozent Akku<br />

hat oder freut man sich darüber, dass man überhaupt noch<br />

Akku hat?<br />

Die Perspektive beeinflusst unsere Einstellung.<br />

Sie entscheidet, ob wir an einem Tag gut gelaunt sind oder<br />

nicht. Und sie entscheidet, worüber wir uns freuen können.<br />

P E K -<br />

T I V E<br />

So kam eines Tages, es war ein Montag, der erste im Monat,<br />

meine Arbeitskollegin zu mir, sah mich an und seufzte:<br />

„Es ist erst Montag und wir haben noch eine ganze Woche<br />

vor uns! Oh je - und ausserdem ist erst Anfang Monat.“<br />

Verzweifelt setzte sie sich auf die Treppe.<br />

Etwas verwundert sah ich sie an.<br />

War denn Montag ein anderer Tag als der Dienstag?<br />

Und spielte es eine Rolle, welche Woche es war? Unsere<br />

Wochen und Monate vergehen immer gleich schnell, jeder<br />

Tag hat gleich viele Stunden wie der nächste. Es sind alle<br />

Stunden gleich lang, so die Minuten und Sekunden.<br />

• veröffentlicht • 9. Juli 2016 •<br />

36 37<br />

Eine Frage der Perspektive<br />

Wieso also beklagen wir uns, wenn ein neuer Tag oder ein<br />

neuer Monat beginnt? Sollten wir uns nicht lieber über jeden<br />

einzelnen freuen? Und jeden einzelnen Tag geniessen?<br />

Inspiriert von Julien bam


Text<br />

© Starlight (*2002)<br />

E I N<br />

G A N Z<br />

B E S O N -<br />

D E R E S<br />

I N T E R -<br />

V I E W<br />

Ein Interview zwischen einem<br />

Journalist und einem Passanten,<br />

das anders als geplant verläuft<br />

• veröffentlicht • 17. Januar 2016 •<br />

38 39<br />

Ein ganz besonderes Interview www.schreibdichfrei.net/texte/text/2775<br />

„Hallo? Dürfte kurz ich um ihre Aufmerksamkeit bitten?“<br />

(Seufz) „Dauert’s lange?“<br />

„Ich bitte Sie! Man muss sich doch heutzutage Zeit<br />

füreinander nehmen!“<br />

„Ich kenne Sie doch nicht mal!“<br />

„Das müssen sie auch nicht. Ich bin schliesslich Journalist.“<br />

(Seufz, seufz) „Was muss ich denn tun?“<br />

„Mir nur ein paar Fragen beantworten.“<br />

„Ach so. Das Übliche.“<br />

„Ts, ts, ts. Meine Interviews sind nie üblich.“<br />

„Aha. Für welche Zeitung arbeiten sie denn?“<br />

„Mister! Ich arbeite doch für niemanden. Ich lasse<br />

mich nicht behandeln wie ein Diener. Ich bin ein freier<br />

Mensch.“<br />

(Augenbrauhochzieh) „Also...verstehe ich das jetzt richtig?<br />

Sie sind gar kein richtiger Journalist?“<br />

„Was bedeutet schon richtig oder falsch? Ich bin einfach<br />

da und journalistiere.“


Text<br />

Text<br />

© Starlight (*2002)<br />

© Starlight (*2002)<br />

„Was?“<br />

„Das sagt man nicht so.“<br />

„Journalistiere. Das ist falsch. Man sagt, ich interviewe<br />

Sie oder stelle Ihnen Fragen.“<br />

„Wie ich schon gesagt habe, was ist schon richtig oder<br />

falsch? Ich habe meine eigenen Regeln. Du musst dich<br />

nach mir richten.“<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2775<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2775<br />

(Verwirrblick) „Äh...wie bitte?“<br />

„Ich hatte mal eine Schildkröte. Die hiess auch Mario.“<br />

„Okay, okay, kommen sie zur Sache. Was wollen Sie<br />

von mir?“<br />

„Er frass am liebsten Salat. Und manchmal auch Karotten.“<br />

„Hä? Wer?“<br />

(Zweitaugenbrauhochzieh) „Du?“<br />

„Oft ist er ausgebüxt, kam aber nie weit.“<br />

„Was?“<br />

„Hallo? Was reden sie da?“<br />

(Aufreg) „Seit wann sind wir per du?“<br />

„Aber Jochen! Erkennst du mich nicht? Wir haben doch<br />

vor dreissig Jahren zusammen die Schulbank gedrückt.<br />

Weisst du das etwa nicht mehr?“<br />

„Er war einfach zu langsam. Aber einen schönen Panzer<br />

hatte er. Ja, ja, wunderschön.“<br />

„Hören Sie, falls sie immer noch von diesem Hamster<br />

sprechen, dann... dann!“ (Grunz)<br />

(Bösblick) „Erstens heisse ich nicht Jochen, sondern Mario<br />

und Zweitens ist es unmöglich, dass wir vor dreissig<br />

Jahren zusammen in der Schule waren, da ich noch nicht<br />

mal dreissig Jahre lebe.“<br />

„Ein schöner Name.“<br />

„Mario.“<br />

„Was?“<br />

Ein ganz besonderes Interview<br />

40 41<br />

Ein ganz besonderes Interview<br />

„Schildkröte.“<br />

„Wie bitte?“<br />

„Mario war eine Schildkröte.“<br />

„(Grrr) Was wollen sie nun von mir? Wenn Sie mir hier nur<br />

die Zeit stehlen wollen, dann herzlichen Glückwunsch.<br />

Jetzt haben Sie mir schon siebeneinhalb Minuten geklaut.“


Text<br />

Text<br />

© Starlight (*2002)<br />

© Starlight (*2002)<br />

„Zeit kann man nicht klauen.“<br />

„Was wissen Sie denn schon!“<br />

„Hmm...Also ganz viel. Beispielsweise, dass wir nicht<br />

mehr per Sie sind.<br />

„Vergessen Sies! Ich muss jetzt sowieso nach Hause.“<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2775<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2775<br />

„Okay, okay. Meine einzige Interviewfrage lautet... kannst<br />

du es dir denken?“<br />

„Nein! Sagen Sies mir einfach.“<br />

„Gut, gut.“<br />

„Na?“<br />

„Nein! Warte! Meine Interviewfrage!“<br />

(Umdreh) „Genau eine Frage, nicht mehr und nicht weniger.“<br />

„Danke, Marius.“<br />

„Ich heisse Mario.“<br />

„Da fällt mir ein, ich hatte mal eine Schildkröte, die –...“<br />

„Soll ich mir eine neue Schildkröte anschaffen oder eine<br />

neue, blaue Hose im Secondhandshop kaufen?“<br />

<br />

(Verblüffblick) (Verblüffblick) (Verblüffblick) „Ich glaube, Sie sollten,<br />

das tun, was Sie schon immer tun wollten: Ihren Job auf<br />

geben und sich ganz den Schildkröten im Zoo zuwenden...“<br />

„Ich weiss! Eine Schildkröte, die Mario hiess, am liebsten<br />

Salat, manchmal auch Karotten ass, die oft ausgebüxt<br />

war und die einen schönen Panzer hatte.“<br />

(Verblüffblick) „Woher weisst du das?“<br />

„Sie haben es mir vor zwei Minuten erzählt.“<br />

„Aha, kann sein.“<br />

„So! Jetzt ihre Frage und dann auf Wiedersehen!“<br />

Ein ganz besonderes Interview<br />

42 43<br />

Ein ganz besonderes Interview


Text<br />

© Theresbeautyineverything (*2002)<br />

A N -<br />

D E R S<br />

• veröffentlicht • 11. September 2016 •<br />

44 45<br />

Anders www.schreibdichfrei.net/texte/text/2960<br />

Es ist das Jahr 2400. Es gibt keine Farben mehr. Alles ist schwarz, weiss oder grau.<br />

Das Mädchen sitzt einem Arzt gegenüber. Er beäugt ihre bunte Kleidung und ihre<br />

blauen Augen.<br />

„Du bist anders“, stellt er fest und rümpft die Nase.<br />

„Nein. Ich bin Katy“, erwidert das Mädchen und schenkt<br />

dem Arzt ein Lächeln.<br />

„Ich habe nicht nach deinem Namen gefragt.“ Der Arzt<br />

schaut sie streng über den oberen Rand seiner Brille hinweg<br />

an. „Ich will wissen, was mit dir passiert ist.“<br />

„Ich war draussen und dann kamen Ihre Leute und haben<br />

mich festgenommen. Das ist passiert“, erzählt Katy und<br />

ihr Lächeln erstirbt.<br />

„Darum geht es nicht. Ich will wissen, was passiert ist,<br />

dass du anders bist“, sagt er.<br />

„Wieso bin ich anders?“, will sie wissen.<br />

„Weil du bunt bist“, erklärt der Arzt ungeduldig.<br />

Katy schaut an sich herunter, betrachtet ihre Haut und ihre<br />

Kleidung. „Stimmt. Ich bin bunt“, stellt sie fest.<br />

„Und wieso bist du bunt?“, hakt der Arzt nach und trommelt<br />

mit seinem grauen Stift auf das Blatt Papier, das vor ihm liegt.<br />

Sie zuckt mit den Schultern. „Weil ich eben bunt bin. Ich habe<br />

mir das nicht ausgesucht, genau so wenig wie sie es sich<br />

ausgesucht haben, grau zu sein.“<br />

Das bringt den Arzt einen Moment aus dem Konzept, aber<br />

er fängt sich schnell wieder. „Grau ist gut. Grau bedeutet<br />

Einigkeit. Und diese Einigkeit zerstörst du.“<br />

„Wie denn das? Es war nie meine Absicht, ihre Einigkeit zu<br />

zerstören“, widerspricht sie.


Text<br />

© Theresbeautyineverything (*2002)<br />

Text<br />

© Theresbeautyineverything (*2002)<br />

„Du zerstörst sie, indem du bunt bist. Bunt ist falsch.“<br />

„Wieso ist bunt falsch? Vielleicht ist ja grau falsch.“<br />

Der Arzt zögert. „Weil alle Menschen grau sind“, sagt er<br />

dann. „Vielleicht sind ja alle Menschen falsch“, sagt sie.<br />

Er sagt nichts mehr, sondern schaut sich im Zimmer um.<br />

Alles grau, schwarz und weiss. Bis auf den Tisch, auf den Katy<br />

eine Hand gelegt hat. An der Stelle, an der ihre Hand liegt, ist<br />

er nicht mehr grau, sondern braun. Das Braun breitet sich<br />

langsam aus, bis es den ganzen Tisch einnimmt. Katy lächelt.<br />

„Sehen Sie?“<br />

Sie verlässt das Zimmer.<br />

Der Arzt versucht nicht, sie aufzuhalten. Er bleibt einfach auf<br />

seinem Stuhl sitzen und betrachtet den Tisch.<br />

<br />

Anders www.schreibdichfrei.net/texte/text/2960<br />

46 47<br />

Anders


Text<br />

© V.A.L.I__22 (*2000)<br />

D I E<br />

R E G E N -<br />

T R O P -<br />

F E N<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/3012<br />

Ich sitze im Auto und betrachte die Regentropfen auf der<br />

Fensterscheibe. Eigentlich ist es nur Wasser. Aber ich sehe<br />

darin etwas anderes. Ich sehe Möglichkeiten, Möglichkeiten<br />

was heute Abend noch geschieht. Nur ein einziger Tropfen<br />

bleibt bestehen, die anderen verdunsten. Ich betrachte<br />

einen Tropfen. Ist es dieser welcher bestehen bleibt? Ich<br />

sehe ihn mir genau an.<br />

Man verlangt nach mir. Man ruft nach mir. Sie ruft nach mir.<br />

Und ich, ich komme. Bin bei einem Dutzend Menschen aber<br />

sehe nur sie. Um mich herum tausende Wörter aber ich höre<br />

nur sie. Warum ist sie überhaupt da? Ich weiss es nicht aber<br />

ich bin zu glücklich, um mich mit dieser Frage zu quälen. Wir<br />

gehen weiter, Seite an Seite. Ich sehe sie beinahe jeden Tag<br />

und sie erscheint mir jedes Mal noch schöner. Wir kommen<br />

an. Wir trinken, lachen und bleiben beieinander. Wir halten<br />

uns.<br />

• veröffentlicht • am 6. November 2016 •<br />

48 49<br />

Die Regentropfen<br />

Und der Tropfen ist fort. Er konnte sich nicht auf der Scheibe<br />

halten. Ich schlucke schwer, schlucke mir den Frust hinunter.<br />

Warum spiele ich mir im Kopf immer wieder Dinge durch die<br />

sowieso nie passieren werden? Sie wird nicht nach mir rufen.<br />

Sie wird nicht bei mir sein und sie wird sich nicht an mir halten.<br />

Ich werde nicht gehen. Nein, stattdessen werde ich einen<br />

Text schreiben, der vor Selbstmitleid trieft, welches ich nicht<br />

einmal verdient habe. Und sie? Nur eine von vielen. Ich fühle<br />

mich wie in einem Labyrinth und jeder Weg scheint der falsche<br />

zu sein. Ich bin verwirrt und weiss nicht einmal wieso. Vier auf<br />

einmal tauchen auf und keine wird bei mir sein. Ich werde von<br />

Gefühlen hin und her gerissen, aber werde bei keinem Ziel<br />

ankommen. Ist das Ziel noch so fern, dass ich es nicht einmal<br />

sehe?


Text<br />

© V.A.L.I__22 (*2000)<br />

Text<br />

© V.A.L.I__22 (*2000)<br />

Und ich überlege mir wieder, wieso ich das hier eigentlich<br />

schreibe. Ich bin noch jung, habe Zeit. Doch trotzdem halte<br />

ich es nicht aus. Ich brauche es, ich brauche sie. Und ich bin<br />

mir sicher, sie soll es sein, aber in meinem Traum erscheint<br />

mir wieder die andere. Und schlussendlich entscheide ich<br />

mich dafür zu Hause zu sitzen, zu fantasieren und nicht<br />

einmal den Mut aufzubringen zu handeln.<br />

Und auch wenn es gegen aussen nicht so wirkt, gibt es Zeiten,<br />

in denen ich mich innen zerbrochen fühle. Und immer, wenn<br />

ich etwas dagegen tun will, schneide ich mich an den Scherben.<br />

Deshalb wollte ich aufhören. Doch was bringt es, aufzuhören.<br />

Dadurch werde ich auch nicht repariert. Ich muss etwas tun,<br />

damit ich mich wieder ganz fühle. Sonst verblute ich an den<br />

Schnitten der Scherben.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/3012<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/3012<br />

Und leider habe ich das Jetzt in keinem Tropfen betrachtet.<br />

Denn wenn ich das hätte, dann hätte ich den Tropfen von der<br />

Scheibe gewischt.<br />

<br />

Die Regentropfen<br />

50 51<br />

Die Regentropfen


Text<br />

© Guinevere (*1988)<br />

M E L A N -<br />

C H O L I E<br />

D E R<br />

S T I L L E<br />

• veröffentlicht • 6. Juli 2012 •<br />

52 53<br />

Melancholie der Stille www.schreibdichfrei.net/texte/text/68<br />

Schneeflocken rieseln leise auf meinen Kopf nieder...<br />

Eine Träne läuft über mein Gesicht...<br />

Und plötzlich stehst du wieder vor mir wie aus dem Nichts...<br />

Du legst deine warme Hand auf meine Wange<br />

und schaust mir in die Augen...<br />

Die glühenden Schwarzen Augen finden die Grünen<br />

und versinken darin wie schon so oft...<br />

Kann es wirklich sein, dass Liebe stärker ist als der Tod?<br />

Ich kann es nicht länger leugnen...<br />

Mein wundes Herz schreit immer noch nach dir...<br />

Dein Gesicht nähert sich dem Meinen...<br />

Ich kann deinen Atem auf meinen Lippen spüren...<br />

Du legst deine Hand in meinen Nacken...<br />

und deine grünen Augen sehen mich noch immer an...<br />

Die Stille zerbricht indem du zu mir sagst:<br />

„Schliess deine Augen...“<br />

Ich schliesse meine Augen, wie mir gesagt.<br />

Sekunden später...<br />

spüre ich deine Lippen auf Meinen...<br />

Ein Moment für die Ewigkeit...


Text<br />

© Schreibengelchen Mimi (*2000)<br />

K E R Z E<br />

• veröffentlicht • 21. Februar 2015 •<br />

54 55<br />

Kerze www.schreibdichfrei.net/texte/text/2364<br />

Diese kleine Kerze,<br />

scheint nur für dich allein.<br />

Sie scheint und bringt dir Wärme,<br />

ganz selbstlos obendrein.<br />

Denk doch nur, sie gibt sich auf,<br />

um nur dir, begreif es schon,<br />

ihren Glanz zu schenken.<br />

So schenk ich dir mein Kerzelein,<br />

sollt leuchten in die Welt hinein.<br />

Ob gross, ob klein, ob arm, ob reich,<br />

der Schein, ja der ist immer gleich.<br />

Sie leuchtet hell, sie braucht sich auf,<br />

damit, nun komm begreife es,<br />

du lächeln kannst.<br />

Dies Kerzlein klein, jetzt ist es dein.<br />

Wahr ihren Schein, so wird’s bestehn.


Text<br />

© Sophus (*1996)<br />

S E I N E<br />

E R -<br />

I N N E -<br />

R U N G E N<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2699<br />

Ihr sitzt euch gegenüber.<br />

Er zeigt dir Bilder.<br />

Reisen, verflossene Liebe, scheinbar wichtige Stationen<br />

seines Lebens.<br />

Du siehst die Erinnerungen in seinen Augen aufleuchten,<br />

nicht greifbar für dich, wie sie sich in seinem Kopf noch<br />

einmal abspielen, verschwommen vielleicht. Erinnerungen<br />

sind so veränderlich.<br />

Und du weisst, dass du sie nie wirst teilen können.<br />

Du wirst sie nie selbst sehen können.<br />

Sie werden ihm immer ganz alleine gehören,<br />

seine Erinnerungen.<br />

<br />

• veröffentlicht • 16. November 2015 •<br />

56 57<br />

Seine Erinnerungen


Text<br />

© Eywlïnn (*1994)<br />

T I N T E N -<br />

W A H R -<br />

H E I T<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2111<br />

Leer liegen die Ebenen, papieren und kahl,<br />

mit keiner Nässe, keinem Licht wurden je sie bemalt.<br />

Ruhen träge und öde in vergessener Hand –<br />

ganz ohne Berge, ganz ohne Tal.<br />

Still den Blick dem Horizont zugewandt,<br />

an dem rege am Rande das Leben sich mannt.<br />

Gefangen im Blank der noch formlosen Tat,<br />

der Idee, die in Kürze die Weite erstrahlt.<br />

Da erheben die Federn, metallen den Kiel<br />

dort vom Himmel herab – seht: der Neubeginn wacht!<br />

Erst schweigend sie schweben, scheint’s gar ohne Ziel,<br />

dann rasch sich bewegend durch leer-weisse Pracht.<br />

Beschwörung von Bildern, wo erwacht nun Kontrast aus den<br />

Flüsse so schwarz wie die finsterste Nacht.<br />

Die Spur, die nun ziehet sich leise dahin, die nun<br />

bringt mir den Sinn, ja sie, schwillt ohnehin,<br />

wird zu reissendem Strom aus der Quelle, die thront<br />

über Ordnung und Möglichkeit endloser Kraft.<br />

Zurück bleiben Lande, gezeichnet, geprägt –<br />

sind auf immer geformt, sind auf immer belebt.<br />

Doch fort ist die Leere, die Weite, die Ruh –<br />

Was bleibt, der Gedanke in Form dunkler Spur.<br />

Ein Stück ferner Weisheit, ein Teil jener Last,<br />

die verändert, erfasst jeden Geist je gemacht.<br />

• veröffentlicht • 19. Juli 2014 •<br />

58 59<br />

Tintenwahrheit<br />

Kannst du spüren die Wahrheit der Tinte?


Text<br />

© Viola (*1996)<br />

A N -<br />

D E R S ?<br />

• veröffentlicht • 11. Mai 2014 •<br />

60 61<br />

Anders? www.schreibdichfrei.net/texte/text/1991<br />

Ihre Haare sind wild und beginnen sich unterhalb des Kinns<br />

bis knapp über ihrer schmalen Taille zu locken. Ihre grünen<br />

Augen, die Pupillen geweitet wie schwarze Löcher, strahlen<br />

Leidenschaft aus, wie ich sie nie zuvor bei jemandem gesehen<br />

habe. Die restlichen Menschen in diesem Raum, in diesem<br />

Gebäude, ja, in dieser Stadt, sind grau, aber sie, sie ist<br />

leuchtend pink, blassblau und waldgrün. Sie sind fade, aber<br />

Lavinja ist wie ich. Anders. Sie ist die Explosion, auf die ich<br />

schon meine gesamte Daseinszeit gewartet habe. Sie ist der<br />

Sonnenschein nach dem Regen und ich kann nicht anders als<br />

sie anzustarren. Sie widerspricht gerade unserer Lehrerin,<br />

aber nicht so, wie es alle tun, sondern so, dass Eigner denkt,<br />

sie habe gar nie Recht gehabt. Selbst widersprechen kann<br />

sie anders. Sie hat die Lippen geöffnet und ich erhasche<br />

einen Blick auf ihre Zunge, die sie gegen die weissen, geraden<br />

Schneidezähne gedrückt hat. Sie verkneift sich wohl einen<br />

Kommentar. Eigner starrt sie böse an und Lavinja starrt<br />

zurück. Ich kann meinen Blick nicht von ihren grossen<br />

mandelförmigen Augen wenden. Ihre Finger, bleich, klein<br />

und schlank, streichen über die Maserung der Tischplatte,<br />

als würden sie dort etwas lesen.<br />

„Psssst! Jared!“, mein Tischnachbar rammt mir seinen<br />

Ellenbogen in die Seite „Was tust du da, stehst du auf die?“<br />

„Nein.“, gebe ich gedämpft zurück, ich mag Melson nicht,<br />

er ist irgendwie immer so aufdringlich, wir sind keine Freunde.<br />

Das würde zumindest ich sagen.


Text<br />

© Viola (*1996)<br />

Text<br />

© Viola (*1996)<br />

„Sie ist ein Freak.“<br />

Sie ist wunderbar.<br />

„Hm.“<br />

„Denkst du nicht?“<br />

Sei still.<br />

„Sie ist hübsch.“<br />

„Nein“, gibt er gedehnt zurück „Sie ist ein Kleider<br />

tragender Zombie.“<br />

Sprich nicht weiter! Sprich nicht so von ihr.<br />

„Hast du dir schon mal ihre Augen angesehen?“<br />

„Ja, wie sonnengetrockneter Schlamm.“<br />

Er macht mich rasend. Ich schlage mit der flachen Hand<br />

auf den Tisch vor mir.<br />

„Ja, Jared?“, sagt Eigner „möchten Sie etwas beitragen<br />

zu diesem Gespräch?“<br />

Ich habe nicht zugehört, worum geht es? Melson neben<br />

mir kichert. Wie ein Kleinkind. Ich starre Eigner an. Die Tür<br />

schlägt zu, sanft, wie von einem Windstoss erfasst.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/1991<br />

Anders?<br />

62 63<br />

Anders? www.schreibdichfrei.net/texte/text/1991<br />

Ich blicke hinüber und beobachte durch das im rotgestrichenen<br />

Holz eingelassene Plexiglas wie Lavinja den Gang runtergeht.<br />

Die Schritte elegant und zielstrebig, die weichen Locken<br />

federnd. Etwas durchfährt mich und auf einmal weiss ich es:<br />

Sie ist es.<br />

Ich stehe auf und renne ihr nach. Hinter mir werden Stimmen<br />

laut, die Tür klappert wieder zu und dann sind nur noch meine<br />

Schritte auf dem leeren Flur zu hören. Ich biege nach links<br />

ab und sehe sie, geradewegs auf den Ausgang zusteuernd.<br />

Als sie mich hört, bleibt sie direkt vor der grossen, gläsernen<br />

Flügeltür stehen und blickt mich über ihre schmale Schulter<br />

hinweg an.<br />

„Wie lange weisst du es schon?“, fragt sie leise aber<br />

bestimmt.<br />

„Es ist mir eben erst aufgegangen. Deine Augen…“, ich<br />

breche mitten im Satz ab, sie hat es also schon gemerkt.<br />

Vorfreude flackert in mir auf. Ich bin nicht mehr alleine.<br />

Doch dann dreht sie sich abrupt um, stösst die Türen auf<br />

und läuft die breiten Stufen hinunter, ihr kurzes weisses<br />

Kleid weht hinter ihr her. Ich denke nicht lange nach,<br />

sondern folge ihr. Ohne uns abzusprechen steuern wir den<br />

dichten, dunkelgrünen Wald gegenüber der Schule an.<br />

Unsere weichen Schritte lautlos auf dem harten Beton.


Text<br />

© Nederlandfreak (*1999)<br />

I C H<br />

S I T Z E<br />

A<br />

N<br />

M E I N E M<br />

P U L T …<br />

• veröffentlicht • 22. Oktober 2016 •<br />

64 65<br />

Ich sitze an meinem Pult... www.schreibdichfrei.net/texte/text/2994<br />

Ich sitze an meinem Pult, starre hinaus in die weite Welt.<br />

Ich sitze an meinem Pult, in der Hand, mein Kugelschreiber,<br />

meine Waffe. Vor mir auf dem Pult, liegt ein leeres Papier,<br />

mein noch leeres Schlachtfeld. Ich sitze an meinem Pult und<br />

schreibe diese Worte in regelmässigem Takt. Ich schreibe<br />

die Buchstaben und Zeichen, schicke meine Soldaten, auf das<br />

leere Papier, auf das Schlachtfeld. Ich schreibe und schreibe,<br />

fülle das leere Papier, das Schlachtfeld, mit meinen Buchstaben,<br />

meinen Soldaten. Ich schicke meine Soldaten, in<br />

meiner zitternden Hand, den Kugelschreiber, die Waffe.<br />

Ich sitze an meinem Pult, schreibe und schreibe, kämpfe<br />

und kämpfe, schreibe und kämpfe, für und mit der Freiheit.<br />

Für und mit der Freiheit, sowie für und mit der Gerechtigkeit.<br />

Ich sitze an meinem Pult und glaube fest daran, mit meinen<br />

Buchstaben, meinen Soldaten, mit meinen Texten, meinen<br />

Armeen, irgendwann mal, zu irgendeinem Zeitpunkt, die<br />

Welt verändern zu können, die Welt verbessern zu können.<br />

Ich sitze an meinem Pult, im festen Glauben, eines Tages<br />

eine bessere Welt kennenlernen zu können. Eine Welt, voller<br />

Frieden, voller Liebe. Eine Welt, voller Freiheit, Demokratie<br />

und Menschlichkeit. Eine Welt, voller Pressefreiheit. Eine<br />

Welt, in der mein Sohn und/oder meine Tochter, mein Enkel<br />

und/oder meine Enkelin, gross werden können, ohne Angst<br />

vor Krieg, Leid, Unterdrückung oder Ungerechtigkeit. Eine<br />

Welt, in der man sagen und schreiben darf, was man will.


Text<br />

© Nederlandfreak (*1999)<br />

Text<br />

© Nederlandfreak (*1999)<br />

Eine Welt, in der man nicht gleich verurteilt, geschlagen oder<br />

sogar getötet wird, für die eigene Meinung. Eine Welt, die<br />

sich nicht mehr von Diktatoren, die sich ach so viele Male als<br />

gewöhnliche, «demokratische» Präsidenten bezeichnen,<br />

regieren lässt. Eine Welt, in der wir Schreiber, seien es Autoren<br />

oder Journalisten, zusammenstehen, um unsere wertvolle<br />

Schreibfreiheit, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit, zu<br />

garantieren, zu schützen und zu leben.<br />

Wir sitzen an unseren Pulten, schreiben mit unseren Stiften,<br />

unseren Waffen, schicken unsere Texte, unsere Armeen,<br />

schreiben und schreiben, kämpfen und kämpfen, besiegen<br />

die Feinde mit unserer Kunst, mit unseren Texten, mit<br />

unseren Worten, nicht mit Gewalt, wie sie es tun. Zeigen<br />

wir der Welt, wie frei wir sein können, wie frei wir sind. Nur<br />

zusammen, können wir eine Welt schaffen, in der man sagen,<br />

schreiben und machen kann, wie man es begehrt, in der keine<br />

brutalen Machthaber andere Völker unterdrücken. Nur wenn<br />

wir schreiben und schreiben, kämpfen und kämpfen, können<br />

wir dies schaffen, eine Welt voller Frieden und Freiheit.<br />

Ich sitze an meinem Pult, mit Tränen in den Augen.<br />

<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2994<br />

Ich sitze an meinem Pult...<br />

66 67<br />

Ich sitze an meinem Pult... www.schreibdichfrei.net/texte/text/2994


Text<br />

© Meret (*2000)<br />

G R Ü N E<br />

F A H R -<br />

R Ä D E R<br />

S P R E -<br />

C H E N<br />

N I C H T<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/727<br />

Dunkle, strubbelig frisierte Haare, dunkle Augen, markante<br />

Kinn- und Wangenknochen, eine gerade Nase und ein<br />

unheimlich cooles Lächeln.<br />

Ja, so möchte ich gerne aussehen. Stattdessen: Dicke<br />

Backen, abstehende Ohren, braunblonde Hängehaare und<br />

eine Kartoffelnase. Kein Wunder, dass ich nicht beliebt bin.<br />

Die Jungen finden mich zu wenig cool, die Mädchen zu wenig<br />

süss. Süss finden sie eh nur den Manuel. Manuel hat dunkle,<br />

strubbelig frisierte Haare, dunkle Augen, markante Kinnund<br />

Wangenknochen, eine gerade Nase und ein unheimlich<br />

cooles Lächeln. Und er ist farbenblind. Aber das hat mit<br />

seinem Aussehen gar rein nichts zu tun.<br />

Wie gesagt, ich habe keine Freunde. Und wer keine Freunde<br />

hat, sucht sich welche. Ich habe einen Freund gefunden.<br />

Einen unheimlich guten Freund. Er wohnt bei uns im Keller.<br />

Nein, keine Angst, wir halten keine Menschen in unserem<br />

Keller gefangen. Dort unten ist niemand, nur mein Fahrrad.<br />

Ja, richtig. Mein Freund ist ein Fahrrad.<br />

• veröffentlicht • 26. März 2013 •<br />

68 69<br />

Grüne Fahrräder sprechen nicht<br />

Montagmorgen. Ich hasse Montagmorgen. Dann hat man<br />

noch volle fünf Tage vor sich, an denen man immer nur<br />

gehänselt wird. Ausserdem scheint die Regenwahrscheinlichkeit<br />

an einem Montagmorgen besonders hoch zu sein.<br />

Auch heute regnet es wieder einmal Bindfäden. Stöhnend<br />

schiebe ich mein Fahrrad durch eine Pfütze. Ja, richtig. Ich<br />

nehme mein Fahrrad immer mit zur Schule, auch wenn sie<br />

nur zwei Minuten zu Fuss von zu Hause entfernt ist. Und ja,<br />

auch richtig, ich fahre nie darauf. Ich bin nämlich furchtbar<br />

unsportlich. „Ach weisst du. Die anderen sind immer so<br />

gemein zu mir. Vor allem Manuel.“ Leise erzähle ich meinem


Text<br />

© Meret (*2000)<br />

Text<br />

© Meret (*2000)<br />

besten Freund mein Leid. „Manuel denkt immer, er sei der<br />

Beste, der Tollste! Und von mir hat er das Gefühl, ich sei nur<br />

ein Fliegendreck.“ Vor meiner Wut werde ich richtig laut.<br />

„Oh, dieser böse, böse Manuel!“<br />

Erschrocken blicke ich auf und sehe ein Gesicht, umrahmt<br />

von dunklen, strubbelig frisierten Haaren, mit dunklen Augen,<br />

markanten Kinn- und Wangenknochen, einer geraden<br />

Nase und einem unheimlich coolen Lächeln.<br />

Manuel.<br />

Mein Herz bleibt vor Schreck stehen. Wie angewachsen<br />

stehe ich da. Manuel packt mein Fahrrad, schmettert es<br />

gegen eine Hauswand und kickt abermals dagegen.<br />

„Hör auf! Hör auf!“, schreie ich hysterisch, von Tränen halb<br />

erstickt, „Das ist mein Freund!“<br />

„Dein Freund“, höhnt Manuel lachend, „grüne Fahrräder<br />

sprechen nicht!“<br />

„Mein Fahrrad ist rot“, flüstere ich.<br />

<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/727<br />

Grüne Fahrräder sprechen nicht<br />

70 71<br />

Grüne Fahrräder sprechen nicht www.schreibdichfrei.net/texte/text/727


Text<br />

© blacklemon (*1996)<br />

I C H<br />

B I N<br />

Z U R Ü C K<br />

…<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/35<br />

Ich bin allein…<br />

Momentan bestimmt der Takt der Musik gerade den Schlag<br />

meines Herzens. Mein Herz schlägt zu den harten Drums von<br />

Phil Rudd. Der bittere Biergeschmack beherrscht meinen<br />

Mund und mein Körper ist, so scheint es mir, geruchlos.<br />

Meine schwarzumrandeten Augen glänzen und ich spüre<br />

etwas Salziges auf meinen trockenen Lippen. Dazu nehme ich<br />

ein leichtes Brennen wahr. Ich zittere und versuche kein<br />

Wimmern hervorzulassen. Meine Lieblingsjeans ist nun mehr<br />

grau als schwarz und das weisse Nirvana-Shirt ist schmutzig.<br />

Dass mich das alles gerade so hart getroffen hat, hätte ich<br />

nicht erwartet. Ich hatte doch meine Geheimwaffe, die<br />

bisher einwandfrei funktioniert hatte. Nun bin ich also zurück…<br />

zurück in meinem schwarzen und kalten Loch. Und wieder<br />

einmal muss ich mir überlegen, wie ich da raus komme. Oder<br />

ob ich es überhaupt will. Denn eigentlich hat dieses Loch ja<br />

auch etwas Gutes. Ich bin allein, niemand sieht mich und ich<br />

habe meine Ruhe. Einzig die Tatsache, dass ich eben doch<br />

nicht völlig allein bin, verunsichert mich. Ich bin allein, ohne<br />

andere Menschen. Jedoch sind meine Gedanken ab jetzt<br />

wieder meine ständigen Begleiter. Diese Gedanken die mir<br />

von Zeit zu Zeit beinahe die Luft zum Atmen nehmen und<br />

einfach immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit, da sind.<br />

Da, bei mir. In meinem Kopf, in meiner Haut, in meinem<br />

Herzen. Ich bin zurück in der Leere. Ohne alles, ohne nichts.<br />

Allein und eben doch nicht.<br />

• veröffentlicht • 15. Mai 2012 •<br />

72 73<br />

ich bin zurück...


Text<br />

© peed (*1999)<br />

D A S<br />

E N T -<br />

D E C K E N<br />

D E R<br />

F R E I -<br />

H E I T<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2629<br />

Ich sehe die Sterne. Sie sind so weit weg und trotzdem<br />

sind sie mir im Moment am nächsten. Sie sind immer da,<br />

warten auf mich, lassen mich nie alleine und enttäuschen<br />

mich nicht. Wie ein Zeichen für die Ewigkeit funkeln sie in<br />

der tintenschwarzen Dunkelheit der Nacht und beobachten<br />

mit jener unabwendbaren Treue, die mir schon lange nicht<br />

mehr wiederfahren ist. Sie erwarten nichts von mir, keine<br />

Gegenleistung für ihre Freundschaft, kein Danke für ihr<br />

alles überdauerndes Lächeln. Ihre zeitlose Schönheit berührt<br />

mich und lässt meine Seele flattern wie ein junger Vogel, der<br />

seine Flügel ausbreitet und zum ersten Mal zum Flug ansetzt.<br />

Mir wird plötzlich ganz leicht ums Herz, ich fühle mich frei<br />

und ohne Druck. Nur wir sind hier, die Sterne und ich, und<br />

ich brauche niemanden sonst, um mich geborgen und sicher<br />

zu fühlen. Das mächtige Sternenzelt umspannt den ganzen<br />

Himmel, es schliesst mich ein und beschützt mich. Die Nacht<br />

hüllt mich in einen schweren, dunkeln Mantel. Der Wind<br />

flüstert in den Bäumen und streichelt mein Gesicht, ich atme<br />

die kühle, glasklare Luft ein und beschliesse:<br />

Das muss Freiheit sein.<br />

<br />

• veröffentlicht • 6. September 2015 •<br />

74 75<br />

Das Entdecken der Freiheit


Text<br />

© MirSelber (*1994)<br />

D E R<br />

B R I E F<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/582<br />

Meine Finger beben, als Phil mir den Brief reicht. Einen<br />

Moment lang starre ich unverwandt auf den Umschlag, dann<br />

lege ich ihn hastig auf den Küchentisch, als hätte ich mir am<br />

Papier die Finger verbrannt. Ich schlucke. Für einen kurzen<br />

Moment habe ich meine Zukunft in Händen gehalten, nun<br />

liegt sie vor mir auf der blanken Massivholzplatte. Meine<br />

Zukunft, auf einem DIN A4 zusammengefasst, in wenigen<br />

Worten formuliert.<br />

• veröffentlicht • am 12. Februar 2013 •<br />

Neben mir zieht Phil einen Hocker heran und lässt sich darauf<br />

sinken. „Und?“, fragt er und tippt den Brief an. Ich schüttle<br />

den Kopf. „Möchtest du ihn nicht aufmachen?“ Wieder<br />

schüttle ich den Kopf. Er lacht leise und schiebt mir den<br />

Umschlag zu. „Nun komm‘ schon. Mach ihn auf! Was kann<br />

schon passieren?“<br />

Ich hebe ruckartig den Kopf und starre Phil an. „Was kann<br />

schon passieren?“, wiederhole ich fast tonlos seine Worte.<br />

„Ich könnte die Prüfung nicht bestanden haben, das könnte<br />

passieren!“<br />

Ich schiebe den Brief wieder von mir weg. „Dann habe ich das<br />

ganze Jahr umsonst gebüffelt, habe umsonst stundenlang<br />

Seite um Seite zusammengefasst! Umsonst! Hörst du?<br />

Umsonst!“<br />

Phil antwortet nicht, sondern schiebt mir den Umschlag<br />

wieder zu. „Da“, sagt er und legt mir meinen Brieföffner in<br />

die Hand. „Wenn du ihn nicht öffnest, erfährst du es nie!“<br />

„Was, wenn ich nicht bestanden habe?“, frage ich bange.<br />

„Dann finde ich keinen Job! Dann verarme ich und lande<br />

irgendwann in der Gosse!“<br />

76 77<br />

Der Brief


Text<br />

© MirSelber (*1994)<br />

Text<br />

© MirSelber (*1994)<br />

„Bleib auf dem Boden!“, ruft Phil lachend aus und legt mir die<br />

Hand auf den Arm. Die Geste hätte wohl beruhigend wirken<br />

sollen, doch mich macht sie nur wütend. „Du nimmst das<br />

alles nicht ernst, oder?“, fahre ich ihn an und ziehe meinen<br />

Arm weg. Phil mustert mich unsicher. „Natürlich nehme ich<br />

es ernst, Hannah“, gibt er etwas irritiert zurück. „Aber es ist<br />

nur ein Brief. Ein simpler Brief.“<br />

„Für dich ist es vielleicht nur ein Brief, aber für mich entscheidet<br />

er darüber, was später einmal aus mir wird“, erkläre ich ihm<br />

mit sich überschlagender Stimme.<br />

Phil stöhnt resigniert auf und fährt sich mit den Händen<br />

übers Gesicht. „Dann erklär‘ mir mal: Warum solltest du denn<br />

nicht bestanden haben?“, fragt er betont ruhig und sieht<br />

mich eindringlich an. Ich kann es nicht ausstehen, wenn er<br />

das macht. Dann komme ich mir immer wie ein Kleinkind vor.<br />

„Hör auf damit!“, gebe ich statt einer Antwort zurück.<br />

„Womit?“<br />

„Ach egal!“ Ich mache ein unwilliges Geräusch. „Du hältst<br />

es also für selbstverständlich, dass ich bestanden habe?“,<br />

frage ich spitz und sehe ihn mit hochgezogenen Brauen an.<br />

Phil mustert mich erstaunt. „Ja – ja, natürlich.“<br />

„Du ziehst es also gar nicht in Betracht, dass ich möglicherweise<br />

durchgefallen bin?“<br />

„Nein, natürlich nicht! Warum sollte ich?“<br />

„Nein, warum solltest du auch.“ Ich lache bitter auf. „Bei<br />

Hannah ist ja auch immer alles selbstverständlich! Hannah<br />

macht dies, Hannah macht das! Hannah macht es sowieso!<br />

Hannah wird es schon wieder gerade biegen!“ Ich atme<br />

wütend durch die Nase aus.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/582<br />

Der Brief<br />

78 79<br />

Der Brief www.schreibdichfrei.net/texte/text/582<br />

„Ja, willst du denn durchfallen?“, unterbricht mich Phil<br />

unwirsch.<br />

„Nein, natürlich nicht! Wer will das schon?!“<br />

Phil verwirft die Hände. „Ja, eben!“<br />

„Nichts ‚Ja eben‘! Du verstehst mein Problem einfach nicht!“,<br />

gebe ich aufgebracht zurück.<br />

„Nein, ich verstehe es nicht!“<br />

Einige Sekunden lang starre ich Phil stumm an, dann platzt es<br />

aus mir heraus: „Du siehst mich als selbstverständlich an!“<br />

Jetzt ist Phil so überrascht, dass er gar nichts erwidert.<br />

„Siehst du, es stimmt! Deshalb hast du gestern auch nicht<br />

den Abwasch gemacht!“, zische ich ihn stattdessen giftig an<br />

und fuchtle in Richtung Küche. Phil blinzelt entgeistert. Ja,<br />

jetzt habe ich ihn auf dem falschen Fuss erwischt. „Nein,<br />

der feine Herr musste sich zuerst das Tennis-Match ansehen!<br />

Das dreckige Geschirr einfach mal stehen lassen. Die Hannah<br />

macht‘s dann schon, wenn sie sich daran stört! - Ach ja, und<br />

du hast ja nicht mal daran gedacht, zu kochen!“, gerate ich<br />

immer mehr in Fahrt. Ich sitze nun auf der Vorderkante<br />

meines Stuhles und deute anklagend mit dem Finger auf ihn.<br />

„Was hast du dazu zu sagen, he?“<br />

Nun wird auch Phil zusehends wütend. „Was soll das jetzt<br />

plötzlich, Hannah? Ich hab dir gestern gesagt, dass ich den<br />

Abwasch nach dem Match mache!“<br />

„Ja, das sagst du immer! Im Nachhinein hast du immer eine<br />

gute Ausrede auf Lager!“<br />

Phil steht genervt auf. „Hannah, auf diesem Niveau müssen<br />

wir gar nicht erst anfangen.“


Text<br />

© MirSelber (*1994)<br />

Text<br />

© MirSelber (*1994)<br />

„Nein, jetzt lauf nicht wieder weg! Das machst du immer,<br />

wenn wir diskutieren!“, rufe ich ihm wütend hinterher, als er<br />

in die Küche geht.<br />

„Das ist keine Diskussion, das ist einfach nur kindisch!“,<br />

meint Phil nur, als wäre die Sache damit erledigt.<br />

„Kindisch?! Jetzt hältst du mich also auch noch für kindisch?“<br />

Von Phil kommt einzig ein resigniertes Seufzen. Oh, wie ich<br />

dieses Geräusch hasse!<br />

„Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“, entrüste ich<br />

mich und folge ihm in die Küche. Er steht ans Waschbecken<br />

gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Als er spricht,<br />

ist er sichtlich bemüht, mich nicht anzuschreien.<br />

„Hannah, mach endlich diesen verdammten Brief auf und<br />

dann komm‘ mal wieder runter!“<br />

Ich schüttle aufgebracht den Kopf. „Jetzt versuch‘ nicht<br />

wieder abzulenken! Ich will das hier und jetzt ausdiskutieren!“<br />

„Es gibt nicht auszudiskutieren!“, ruft Phil schliesslich<br />

genervt aus, nimmt grob den Brieföffner, den ich noch immer<br />

wie ein Schwert in der Hand gehalten habe, geht zum Tisch<br />

und reisst den Umschlag mit einer unwirschen Bewegung auf.<br />

„Hier! Siehst du?!“ Er hält mir das Schreiben Zentimeter vors<br />

Gesicht. Bestanden, steht da in schwarzen Buchstaben.<br />

Ich schlucke, weiche einen Schritt zurück. Mein Ärger ist<br />

verpufft. „Bestanden“, sage ich mit kleinlauter Stimme.<br />

„Juhu.“<br />

Phil knallt das Blatt auf den Tisch, nimmt seine Jacke und<br />

verlässt wütend die Wohnung.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/582<br />

Der Brief<br />

80 81<br />

Der Brief www.schreibdichfrei.net/texte/text/582<br />

„Du könntest dich wenigstens ein bisschen für mich freuen.“,<br />

rufe ich ihm beleidigt hinterher, doch die Tür ist schon ins<br />

Schloss gefallen.


Text<br />

© XredX (*1998)<br />

S C H M E R Z<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2478<br />

Ein Schritt daneben ich falle,<br />

stechender Schmerz durchfährt mich<br />

und treibt mir Tränen in die Augen.<br />

Kurz vor der Verzweiflung breitet sich<br />

eine angenehme Wärme über meinen Körper<br />

zum stechenden Schmerz aus.<br />

Ein Schwall Endorphine durchflutet mich<br />

mit Glück von Kopf bis Fuss.<br />

Alle Probleme gehen vergessen<br />

und ich fühle nichts als Freude.<br />

Doch schnell ist es vorbei und ich<br />

fühle mich einsamer als je zu vor.<br />

<br />

• veröffentlicht • 9. Mai 2015 •<br />

82 83<br />

Schmerz


Text<br />

© coolcat (*2005)<br />

H O F F -<br />

N U N G E N<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2344<br />

08.00: Aufstehen<br />

Vergiss es, du bescheuerter Wecker, ich hab Ferien! Und nur<br />

weil heute Valentinstag ist, werde ich sicher nicht um acht<br />

Uhr morgens aufstehen, Blumen kaufen gehen und dann<br />

einem Jungen, der mich sowieso nicht liebt, in den Hintern<br />

kriechen! Ausserdem würde der sich sicher mehr über<br />

Schokolade freuen. Ich bekomme übrigens auch lieber<br />

Schokolade geschenkt. (Ha-ha, als ob mir irgendein Junge<br />

heute was schenken würde)<br />

08.15: Nachsehen, ob etwas für mich im Briefkasten<br />

oder vor der Tür liegt.<br />

Ich schlafe noch und mir schenkt eh keiner was!<br />

08.30: Blumen kaufen<br />

Ich gebe kein Geld für Jungs aus!<br />

(Und ausserdem schlafe ich noch)<br />

08.45: Blumen zusammen mit einer Karte in seinen Briefkasten legen. Zuhause<br />

nochmals in den Briefkasten schauen.<br />

• veröffentlicht • 14. Februar 2015 •<br />

84 85<br />

Hoffnungen<br />

Als ich diesen Tagesplan geschrieben habe, hatte ich wohl<br />

viel zu viel Hoffnung, er könnte mich mögen. Wahrscheinlich<br />

hatte er mich wieder mal angelächelt, was bei mir genau<br />

diese Wirkung hat. Aber in den Briefkasten könnte ich tatsächlich<br />

mal schauen, schlafen kann ich sowieso nicht mehr.<br />

Nichts. War ja klar. Ich dachte auch nicht, jemand würde mir<br />

was schenken... Aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben..


Text<br />

© coolcat (*2005)<br />

Text<br />

© coolcat (*2005)<br />

Eine rote Rose wäre so romantisch. Es muss auch keine<br />

Blume sein, Schokolade wäre genauso toll. Oder eine Karte.<br />

Einfach irgendwas!<br />

Den Rest des Tages: Immer wieder mal in den Briefkasten schauen<br />

Diesen Teil werde ich tatsächlich befolgen...<br />

09.15: Nichts. Na ja, es bleibt ja auch noch Zeit, jemand der<br />

mir am ersten Ferientag so früh etwas schenkt, ist eh völlig<br />

durchgeknallt. Der müsste ja beinahe meinen Tagesplan<br />

befolgen. Nicht, dass ich denken würde, jemand würde mir<br />

was schenken...<br />

10.00: Nichts. Die meisten Jungs sind ja bekanntlich Langschläfer.<br />

10.40: Nichts. Ab wann hat der Supermarkt überhaupt<br />

offen? Nicht, dass ich erwarten würde, dass mir jemand was<br />

schenkt...<br />

11.10: Nichts. Vielleicht muss er Hausaufgaben oder so<br />

machen und hatte bisher noch keine Zeit... Falls er vorhaben<br />

würde, mir etwas zu schenken, was ich nicht glaube!<br />

11.20: Nichts. Wahrscheinlich schickt er es mit der Post, damit<br />

ich ihn nicht erwische, und die kommt erst am Nachmittag.<br />

Bis dahin werde ich nicht mehr schauen! Eigentlich muss ich<br />

überhaupt nicht schauen! Wieso sollte er mir was schenken?<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2344<br />

Hoffnungen<br />

86 87<br />

Hoffnungen www.schreibdichfrei.net/texte/text/2344<br />

14.00: Nichts. Ich glaube, er hat es einfach vergessen. Den<br />

meisten Jungs ist der Valentinstag ja egal. Mir auch! Völlig<br />

egal! Na ja, nicht ganz egal... Vielleicht ein bisschen egal...<br />

Sicher denkt er noch dran!<br />

20.00: Okay, er schenkt mir nichts! Ich bin ihm egal! Ich hab‘s<br />

kapiert! Er hat sicher eine Freundin, von der ich nichts weiss.<br />

Dann wird es eben nichts mit uns... Ich hasse den Valentinstag!!!<br />

21.00: Ein letztes Mal schau ich noch...<br />

21.02: KREEEEEEIIIIISCH!!!!! Er hat mir Pralinen geschenkt!<br />

Und eine Karte!!! Ich glaube, ich war noch nie so glücklich!!!<br />

Wie ich den Valentinstag liebe!


Text<br />

© Thomas (*2000)<br />

D I E<br />

B R U D E R -<br />

S C H A F T<br />

D E R<br />

S C H A T -<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2966<br />

Alexandra beobachtete wie der riesige Dreimaster in See<br />

stach während am Horizont langsam die blutrote Sonne sich<br />

ihren Weg zur Erde bahnte. Sie sah verträumt zum Bug des<br />

Schiffes, wo ein Mann mit stolz erhobenem Haupt stand und<br />

das weite Meer herausfordernd anstarrte, als wenn es ihm<br />

gehöre. Dieses Schiff wird nach Indien fahren, wo es viele<br />

wunderbare Gewürze laden wird. Das hatte Alexandra mitbekommen,<br />

als sie für sich und ihren Bruder Daniel Äpfel bei<br />

einem dicken Händler geklaut hatte. Aber war das wirklich<br />

geklaut? Sie hatte doch einen schönen Stein, den sie auf der<br />

Strasse gefunden hatte, liegen lassen. Wie immer, wenn<br />

Alexandra sich schuldig fühlte, biss sie sich auf ihre Unterlippe.<br />

Sie scheuchte die Gefühle beiseite und sah zu ihrem<br />

kleinen Bruder hinunter, dem sie durch sein verschmutztes,<br />

blondes Haar strich, das genau den gleichen Farbton hatte,<br />

wie ihre eigenes.<br />

T E N<br />

• veröffentlicht • 22. September 2016 •<br />

88 89<br />

Die Bruderschaft der Schatten<br />

Seit ihre Eltern gestorben waren, musste Alexandra sich<br />

und ihren Bruder allein versorgen. Um ihr Überleben zu<br />

sichern, hatte sie gelernt zu stehlen auch, wenn sie es<br />

wirklich nicht gerne machte. Daniel wollte ihr helfen, aber<br />

sie hatte ihn schwören lassen, dass er sich immer, wenn<br />

sie etwas besorgen musste, dort versteckte, wo sie es ihm<br />

gesagt hatte. Bisher hatten die beiden sich so ganz gut<br />

durch das Stadtleben von Huelva geschlagen, falls man den<br />

Inhalten von Nachttöpfen ausweichen konnte. Man hörte nur<br />

ein Platschen, dann waren Alexandra und Daniel von einer<br />

übel riechenden Flüssigkeit durchnässt, die aus dem zweiten<br />

Stock über ihnen geschüttet wurde. Es erschallte ein lautes<br />

Lachen, dann kam ein dumpfes Geräusch, als die Fensterläden


Text<br />

© Thomas (*2000)<br />

Text<br />

© Thomas (*2000)<br />

schwungvoll geschlossen wurden. Die beiden Geschwister<br />

standen zitternd am Eingang der dunklen Gasse, die zum<br />

Hafen führte und sahen sich an. Dann gingen sie gemeinsam<br />

Richtung Meer, um sich zu waschen.<br />

Das kalte Wasser tat den beiden Kindern gut, als es den<br />

Schmutz von ihrer Haut wusch. Selbst die sonst so verstrubbelten<br />

und verschmutzten Haare wurden wieder<br />

einigermassen sauber. Doch für die Kleidung konnten sie<br />

nicht viel tun - sie war einfach viel zu dreckig und hatte zu<br />

viele Löcher. Alexandra schluckte hörbar, als sie begriff,<br />

dass sie wieder neue Sachen für sich und ihren Bruder<br />

stehlen musste.<br />

In diesen Augenblick sah Daniel sie bittend an und fragte:<br />

„Muss ich diese Sachen wirklich anziehen? Die sind so eklig!“<br />

Alexandra überwand ihren eigenen Ekel und zog sich an.<br />

Danach versprach sie ihm in einem beruhigenden Ton, dass<br />

sie neue Sachen besorgen würde. Daniel zog sich langsam an,<br />

während Alexandra besorgt beobachtete, wie sich die Sonne<br />

immer mehr dem Horizont näherte. „Wir müssen einen<br />

Unterschlupf finden, Daniel, du weisst doch, heute ist<br />

Vollmond und ich will ihnen nicht ähnlicher werden, als ich<br />

es schon bin.“, sagte Alexandra mit besorgter und zugleich<br />

befehlender Stimme. Sie sah sich langsam um. Sie standen<br />

ein Stück unterhalb des Hafens, wo es eine von Büschen<br />

geschützte Stelle gab. Hier konnte man sich waschen, ohne<br />

dass jemand etwas mitbekam, aber als Unterschlupf für die<br />

Nacht war dieser Ort nicht geeignet. Also machten sie sich<br />

wieder auf den Weg in die Stadt, um dort einen geeigneten<br />

Unterschlupf zu finden.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2966<br />

Die Bruderschaft der Schatten<br />

90 91<br />

Die Bruderschaft der Schatten www.schreibdichfrei.net/texte/text/2966<br />

Sie gingen zügig durch die immer dunkler werdenden Gassen<br />

und suchten verzweifelt einen Unterschlupf, in dem sie<br />

für diese Nacht sicher sein würden. Alexandra und Daniel<br />

hatten Angst, auch nur zu flüstern, da ging langsam der<br />

Mond auf – so voll und Rund wie es nur geht. Es war jetzt zwar<br />

etwas heller, aber es begannen auch die ersten jaulenden<br />

Rufe der dunklen Kreaturen. Für sie war die Zeit gekommen,<br />

sich zu verwandeln. Alexandra hatte Angst. Die Angst, die<br />

ie verspürte, sah sie in Daniels Augen glühen. Die beiden<br />

hatten das Verlangen zu rennen, aber sie wussten ganz<br />

genau, dass man diesem Verlangen nicht nachgeben durfte.<br />

Die Kreaturen mit ihrem furchteinflössenden, stahlgrauen<br />

Fell, strahlten eine Aura der Macht aus, die dafür sorgte,<br />

dass man in Panik davonlaufen wollte, doch wenn man diesem<br />

Verlangen nachgab, wurde man entdeckt. Sie jagen einen<br />

und … Alexandra wollte darüber lieber nicht mehr nachdenken<br />

und zog Daniel hinter eine Hausecke, wo sich ein<br />

kleines Vordach befand, das den Eingang zu einem mit dicken<br />

Eisengittern gesicherten Tunneleingang überdeckte.<br />

Alexandra hoffte, dass das als Unterschlupf reichen würde.<br />

Sie sah ihren Bruder vielsagend an. Dieser verstand sofort<br />

und legte sich direkt vor den Tunneleingang und versuchte,<br />

es sich so bequem wie möglich zu machen. Alexandra sah<br />

sich nochmal besorgt um, dann lehnte sie sich an die Metallstangen<br />

und schlief ein. In Alexandras Träumen erfüllte<br />

sich ihr grösster Wunsch: „Sie stand an Deck eines grossen<br />

Schiffes. Ein mässiger, kühler Wind straffte die Segel, die an<br />

den drei Masten befestigt waren. Auf dem grössten dieser<br />

drei befand sich ein Krähennest, in dem ein scharfsichtiger<br />

Matrose nach Land Ausschau hielt. Auf dem Deck selbst eil-


Text<br />

© Thomas (*2000)<br />

Text<br />

© Thomas (*2000)<br />

ten in einem scheinbaren Durcheinander um die zwanzig braun<br />

gebrannte Seemänner. Am Bug stand ein Mann in Uniform,<br />

der ein kompliziert aussehendes Messgerät in den Händen<br />

hielt. Diese beeindruckende Person war der Kapitän des<br />

Schiffes...“<br />

Alexandra wurde von einem leisen, aber bedrohlichen Knurren<br />

geweckt. Sie sprang sofort auf, um sich zu verteidigen, doch<br />

als sie ihre Gegner sah, wusste sie, dass sie nicht einmal<br />

gegen einen von ihnen was ausrichten konnte – es standen<br />

fünf Werwölfe vor ihr. Langsam kroch die lähmende Angst<br />

ihre Glieder hinauf bis sie sich einen Weg zu ihrem Herzen<br />

bahnte und es wie eine eiserne Faust zusammendrückte.<br />

Die Werwölfe waren ungefähr so gross wie sie und hatten<br />

kräftige Hinterbeine, mit denen sie hervorragend springen<br />

konnten. Dazu kamen die schlanken Vorderbeine, die mit<br />

kleinen aber scharfen Krallen besetzt waren. Das graue Fell,<br />

das ihre Körper ganz zu bedecken schien, schien die Quelle<br />

aller Angst zu sein. In den langen Schnauzen der Werwölfe<br />

befanden sich Zähne wie Dolche. Aus den Lefzen tropfte der<br />

Speichel, doch das Schlimmste waren die Augen – schwarze<br />

undurchdringliche Augen, dunkler und grauenvoller als der<br />

Tod selbst. Sie schienen einem in die Seele zu starren und<br />

dort alles Gute zu zerstören.<br />

Alexandra fühlte sich hilflos – so alleine und klein. Daniel<br />

schläft immer noch, aber er kann auch nicht viel mehr ausrichten<br />

als sie. Ein lautes Jaulen unterbrach die Stille, dann<br />

hörte sie, wie die Ziegel des Hausdaches hinter ihr knirschten.<br />

Es folgten ein tiefes Knurren und ein dumpfer Aufprall.<br />

Alexandra hatte so viel Angst, dass sie es nicht einmal wagte,<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2966<br />

Die Bruderschaft der Schatten<br />

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Die Bruderschaft der Schatten www.schreibdichfrei.net/texte/text/2966<br />

sich umzudrehen und zu sehen, welche Bedrohung hinter ihr<br />

mit langsamen aber kräftigen Atemzügen stand. Alexandra<br />

dachte erst, dass sie nicht richtig geschaut hatte, aber auf<br />

den zweiten Blick bestätigte sich das, was sie schon auf den<br />

ersten Blick vermutet hatte. Alle fünf Werwölfe wichen langsam<br />

zurück. Ihr fiel nur ein Grund ein, warum die Werwölfe<br />

zurückweichen sollten und der stand direkt hinter ihr.<br />

Dieses Wesen musste noch furchteinflössender sein, als<br />

die Werwölfe. Mit einmal fiel ihr wieder ihr Bruder ein, der<br />

hinter ihr bei dem Wesen lag. Sie drehte sich um, damit sie<br />

ihren kleinen Daniel beschützen konnte.<br />

Hinter ihr stand noch ein Werwolf. Er sah genauso aus,<br />

wie die fünf anderen – bis auf das Fell und die Augen. Das<br />

Fell war wie pures Silber und reflektierte das Mondlicht.<br />

Es strahlte auch keine angsteinflössende Macht aus,<br />

sondern nur beruhigende Macht und Stärke. Dazu kamen<br />

die Augen – sie waren wie flüssiges Silber und glühten um<br />

ein vielfaches heller als der Mond. Diese Augen wirkten<br />

einschläfernd. Alexandra fiel um und schlief langsam ein.<br />

Sie bekam noch mit, wie der Silberne Werwolf über sie sprang<br />

und die anderen attackierte, dann war Alexandra in einen<br />

langen, traumlosen Schlaf gefallen.


Text<br />

© R&R (*1997)<br />

R A M I N -<br />

G<br />

O<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2518<br />

Mächtig ragt der helle, in warmes Licht getauchte Palast vor<br />

mir in die Höhe und wirft seinen kühlen Schatten über mich.<br />

Ich bleibe stehen. Ehrfurcht macht sich in mir breit. Demut.<br />

Ein Stück vor mir Treppenstufen. Einhundert Schritte, die<br />

mich noch von dem Gebäude aus purem Marmor trennen.<br />

Genau einhundert. Ich schlucke, doch dadurch wird der Kloss<br />

in meinem Hals nur noch dicker. Angst.<br />

„Ramingo der Furchtlose“, spottet eine leise Stimme in mir.<br />

Ich zucke zusammen. Mein Name gehört hier nicht hin. Hier<br />

trägt keiner einen Namen. Ich spüre, wie sich meine Hand an<br />

den hölzernen Gehstock klammert und mein Herz schneller<br />

zu schlagen beginnt. Machtlosigkeit. „Na dann“, seufze ich.<br />

Meine Stimme klingt seltsam hohl und leise auf dem riesigen,<br />

leeren Platz. Schwäche. Vorsichtig gehe ich auf die Treppe<br />

zu, in der Erwartung, wie von einem wilden Tier von ihr angefallen<br />

und verschlungen zu werden. Doch nichts geschieht.<br />

Sie bleibt eine steinerne, graue Treppe. Mut. „Ihr seid also<br />

die Steine, vor denen jeder Lebende sich fürchtet? Die bisher<br />

noch jeden einzelnen verschlungen haben? Vor denen<br />

es weder Entkommen noch Rettung gibt?“, schreie ich die<br />

stumme Treppe an. „Dann werde ich euch nun zeigen, wer<br />

hier der Meister ist!“<br />

• veröffentlicht • 15. Juni 2015 •<br />

Ein fahles Lachen dringt aus meiner Kehle. Übermut. Ich<br />

setzte einen Fuss auf die erste Stufe und für den Bruchteil<br />

einer Sekunde hört die Welt auf, sich zu drehen. Ich halte<br />

den Atem an. Dunkle Gewitterwolken ziehen auf. Der Kloss<br />

in meinem Hals kehrt zurück. Furcht. Dann zuckt der erste<br />

Blitz am Himmel und mit ihm wird der Bann gebrochen.<br />

94 95<br />

Ramingo


Text<br />

© R&R (*1997)<br />

Text<br />

© R&R (*1997)<br />

„Renn, Ramingo!“, schreit die Stimme in mir und ich tue,<br />

wie mir befohlen wurde. Die ersten Stufen nehme ich noch<br />

mit Leichtigkeit, doch bereits nach einem Viertel wird jeder<br />

Schritt zur mühsamen Qual. Meine Schuhe scheinen am<br />

Boden fest zu kleben. Kraftlosigkeit. Regen setzt ein. Ich<br />

bleibe stehen. Ein steinerner, an eine Säule geketteter Mann<br />

ruft mir entgegen: „Renn, Ramingo! Renn weiter! Sonst<br />

endest du wie ich!“ Seine Stimme jagt eine Gänsehaut über<br />

meinen Rücken. Sie klingt so gequält, erfüllt von Schmerz,<br />

so leidend.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2518<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2518<br />

Panik. Ich sammle meine letzten Kräfte und erklimme weiter<br />

die Treppe. Blitze zucken vor meinen Augen, Donner grollt<br />

in meinen Ohren. Der schwarze, regennasse Mantel klebt an<br />

meiner nackten Haut. „Zu schwach“, flüstert die Stimme in<br />

mir. Ich keuche und schreie, weiss ich doch, dass sie Recht<br />

hat. Verzweiflung. Und dann, ein letzter Schritt, doch<br />

unter meinen Füssen keine steinerne Stufe mehr. Eine riesige<br />

Schlucht hat sich geöffnet und trennt mich nun vom sonnenüberfluteten<br />

Palast am oberen Ende der Treppe. Und ich falle.<br />

Ins endlose, tiefe Nichts.<br />

<br />

Ramingo<br />

96 97<br />

Ramingo


Text<br />

© Gioia (*1990)<br />

D I E<br />

U N B E -<br />

R Ü H R T E<br />

W U N S C H -<br />

L I S T E<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2287<br />

Hat nicht jeder Mensch insgeheim eine ganz persönliche Wunschliste?<br />

Doch irgendwann kommt man in ein Alter,<br />

da ist es nicht mehr angebracht,<br />

seinen Liebsten diese Liste zu präsentieren.<br />

Und doch hofft man heimlich,<br />

dass sie selbst darauf kommen könnten.<br />

Meist aber ohne Erfolg.<br />

Denn manchmal sieht man die Dinge,<br />

die ganz klar ersichtlich sind,<br />

durch eine verschwommene Brille<br />

und sucht viel zu weit nach einem passenden Geschenk.<br />

Und dabei steht es ganz klar vor dir.<br />

-<br />

Ein bisschen berührt schreibe ich jetzt meine Wunschliste auf.<br />

Und glaubt mir,<br />

es ist einfacher gesagt als getan.<br />

Denn wer sagt mir,<br />

dass auch andere meine Wünsche verstehen?<br />

-<br />

Die unberührte Wunschliste<br />

• veröffentlicht • 01.01.2015 •<br />

98 99<br />

Die unberührte Wunschliste<br />

Als kleines Kind habe ich schon von den Sternen geträumt…<br />

Die Bücher von Nicolas Sparks verzaubern mich jedes Mal.<br />

Jedes einzelne Buch ziert mein Bücherregal, was fehlt in<br />

meiner Sammlung ist eine Widmung vom Schriftsteller.


Text<br />

© Gioia (*1990)<br />

Text<br />

© Gioia (*1990)<br />

Schon immer wollte ich mal auf einem Segelschiff<br />

den Wind in den Haaren spüren.<br />

Seit Jahren schreibe ich Tag und Nacht auf ein Blatt Papier<br />

und habe mein Lieblingsschreibzeug.<br />

Wie sehr liebe ich doch den Schnee,<br />

wie wäre es mit einem Essen in einem Iglu?<br />

Oder Schneeschuhlaufen zu zweit?<br />

Es gibt so viele Sänger, Sängerinnen und Bands,<br />

die muss man einfach gesehen haben.<br />

Mein Ziel ist es Xavier Naidoo zu sehen,<br />

zu hören<br />

und zu fühlen.<br />

Welche Frau hat schon nicht Freude an Schmuck<br />

oder wunderschönen Blumen?<br />

Meine Angst vor dem ersten Flug ist riesen gross,<br />

doch was für ein Gefühl muss das sein,<br />

über den Wolken zu fliegen?<br />

Mit Mode habe ich nicht viel am Hut,<br />

leider sieht man das auch meinen Kleidern an.<br />

Eine Beratung hätte ich sicher früher oder später nötig.<br />

Die Städtereisen waren bis jetzt jedes Mal eindrucksvoll<br />

und ich möchte diese Eindrücke nicht missen.<br />

www.schreibdichfrei.net/texte/text/2287<br />

Die unberührte Wunschliste<br />

100 101<br />

Die unberührte Wunschliste www.schreibdichfrei.net/texte/text/2287<br />

Kulinarisch lasse ich mich gerne entführen.<br />

Aber das grösste Geschenk sind liebevolle<br />

und ehrliche geschriebene Wörter,<br />

die mein Herz tief berühren<br />

und mich jedes Mal zum Schmelzen bringen.


Impressum<br />

Copyright © <strong>2017</strong><br />

schreibdichfrei.net ist ein Projekt von infoklick.ch,<br />

Kinder- und Jugendförderung Schweiz.<br />

Die Urheberrechte der Texte liegen bei den jungen<br />

Autorinnen und Autoren.<br />

www.schreibdichfrei.net<br />

Grafik / Layout: Miriam Stepper


schreibdichfrei.net ist seit April 2012<br />

am Start. In den letzten fünf Jahren<br />

loggten sich unzählige Jugendliche und<br />

junge Erwachsene ein, publizierten<br />

ihre Ge danken und Geschichten und<br />

tauschten sich aus. Freundschaften<br />

entstanden. Grund genug, gemeinsam<br />

zurück zu schauen und eine kleine Auswahl<br />

von Texten zu präsentieren, die<br />

Lust auf mehr machen.<br />

Kuratiert wurde diese Anthologie von<br />

Lissan, Leralya, Netherlandfreak<br />

und welcome home, die alle selber<br />

auch Autorinnen und Autoren sind bei<br />

schreibdichfrei.net.

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