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Im politischen Berlin ist es wieder spannend – so der Titel unseres neuen Zwischenrufs vom Leipziger Platz. Dr. Richard Meng, langjähriger Korrespondent in Berlin, hat ihn für uns verfasst.

Im politischen Berlin ist es wieder spannend – so der Titel unseres neuen Zwischenrufs vom Leipziger Platz. Dr. Richard Meng, langjähriger Korrespondent in Berlin, hat ihn für uns verfasst.

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<strong>Zwischenruf</strong> vom<br />

Leipziger Platz<br />

Zum dritten Mal ist ein Sozialdemokrat zum Bundespräsidenten<br />

gewählt worden und mit dem Europapolitiker<br />

Martin Schulz verfügt die SPD über einen<br />

Kanzlerkandidaten, der eindeutig Führungsanspruch<br />

erhebt. Wie sich das auf die politische Landschaft in<br />

Deutschland auswirkt und welche Szenarien denkbar<br />

sind, darüber schreibt Dr. Richard Meng, langjähriger<br />

politischer Korrespondent und enger Beobachter<br />

der politischen Szene in Berlin in unserem<br />

zweiten „<strong>Zwischenruf</strong> vom Leipziger Platz“.<br />

Im politischen Berlin ist es wieder spannend<br />

von Dr. Richard Meng<br />

Ein Sozialdemokrat Bundespräsident, ein anderer Sozialdemokrat<br />

in Umfragen plötzlich Rivale von Bundeskanzlerin<br />

Merkel. Die Journalisten sind begeistert, endlich Dynamik<br />

im Tagesgeschäft: Und die hat vor allem mit der<br />

Person von Martin Schulz zu tun.<br />

Wird der bisherige Präsident des Europäischen Parlaments<br />

so schnell in der Innenpolitik Fuß fassen, dass die<br />

Menschen ihn bei der Wahl im September tatsächlich als<br />

attraktiven und seriösen Herausforderer der Kanzlerin betrachten?<br />

Schulz ist unverbraucht im innenpolitischen Ränkespiel,<br />

aber bisher auch ohne eigenes innenpolitisches<br />

Profil. Die wichtigste der neuen offenen Fragen ist, ob er<br />

über ein mediales Strohfeuer hinaus Erfolg haben kann.<br />

Immerhin steht jetzt fest, wie sich die Führungsalternative<br />

in Deutschland darstellt. Auf der einen Seite eine Kanzlerin,<br />

die Respekt genießt, aber nach zwölf Amtsjahren<br />

an Popularität verliert. Eine CDU, die wegen der hohen<br />

Flüchtlingszahlen erstmals nennenswerte Sympathieverluste<br />

im konservativen Lager erlebt, bis hin zur Abwanderung<br />

in Richtung Rechtspopulismus – die also kleiner zu<br />

werden droht. Auf der anderen Seite eine längst kleiner<br />

gewordene SPD, die solche Abspaltungen (nach links)<br />

mehrfach erlebt hat und kaum mehr an die eigene Führungsrolle<br />

glaubte. Die nun mit Schulz aber über einen<br />

Politiker verfügt, der Führungsanspruch erhebt.<br />

Merkel und Schulz haben wichtige Gemeinsamkeiten.<br />

Beide stehen gegen den Rechtspopulismus und für internationale<br />

Offenheit. Sie kennen die Mechanismen<br />

des Aushandelns und des Kompromisse-Schließens,<br />

ohne die in Europa nichts vorangeht. Sie stammen insofern<br />

aber auch aus den alten Verhältnissen, selbst wenn<br />

Schulz in Berlin wie ein Neueinsteiger wirkt und versuchen<br />

wird, dies herauszustellen. Die Populisten von rechts und<br />

links werden Merkel und Schulz gleichermaßen als veraltetes<br />

Establishment hinstellen.<br />

Für die SPD immerhin gibt es erstmals wieder die Hoffnung<br />

auf Augenhöhe. Parteichef Gabriel war im breiten<br />

Publikum immer unpopulär und hätte als Kanzlerkandidat<br />

keine Chance gehabt. Die SPD stand zum Zeitpunkt der<br />

Schulz-Nominierung in den Umfragen zwischen 21 und 23<br />

Prozent, die Union Merkels dagegen zwischen 35 und 37<br />

Prozent. Das hat sich deutlich verändert. Mit Schulz hat<br />

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die SPD im direkten Vergleich Schulz-Merkel binnen zwei<br />

Wochen aufgeschlossen. Sie wird dabei aber in einen<br />

neuen Spagat geraten: Einerseits muss Schulz attackieren,<br />

andererseits war er in Brüssel immer Vertreter eines<br />

großkoalitionären Handels zwischen EVP und Sozialisten.<br />

Sehr offensiv und populistisch kann Schulz sich wohl<br />

nicht dauerhaft präsentieren. Schon deshalb nicht, weil<br />

die SPD nach wie vor in hohem Maße selbst deutsche<br />

Staatspartei ist, nicht allein wegen ihrer Regierungsbeteiligung<br />

im Bund oder wegen des neuen Bundespräsidenten.<br />

Sie stellt neun der 16 Länderchefs, außerdem<br />

die Bürgermeister in fast allen größeren Städten. Ex-Parteichef<br />

Gabriel ist als neuer Außenminister zur Loyalität<br />

gegenüber der Kanzlerin verpflichtet und hat diese Loyalität<br />

zumindest versprochen. Andererseits: Es ist erstmals<br />

wieder – wie zuletzt 1998 – eine Stimmung im Land<br />

spürbar, wonach ein Wechsel nach einer langen Kanzleramtszeit<br />

vorstellbar wird. Merkel, so diese Stimmung,<br />

erscheint plötzlich als sehr verbraucht.<br />

Sicher ist: In dieser Alternative bleibt Deutschland aber<br />

unabhängig vom Wahlergebnis auf jeden Fall berechenbar<br />

proeuropäisch, international ausgerichtet und innenpolitisch<br />

liberal. Das ist für die Kräfteverhältnisse innerhalb<br />

Europas von zentraler Bedeutung. Weit weniger klar<br />

dagegen ist, welche Parteien im nächsten Bundestag die<br />

Mehrheitskoalition bilden können. Der Wahlkampf-Hit der<br />

Konservativen soll dabei die Vorhersage werden, dass<br />

Schulz beim deutschen Verhältniswahlrecht nur im Bündnis<br />

mit Grünen und Linkspartei Kanzler werden könne,<br />

während der selbstbewusste Sozialdemokrat, um diese<br />

Debatte zu vermeiden, das Ziel ausgibt, die SPD müsse<br />

stärkste Kraft werden. Was sie historisch nur extrem selten<br />

war und wovon sie auch jetzt noch ein großes Stück<br />

entfernt ist.<br />

Rot-Rot-Grün in Deutschland? Schulz würde es möglicherweise<br />

sogar versuchen, falls nur im Bündnis mit<br />

Grünen und Linkspartei eine Kanzlermehrheit machbar<br />

wäre. Doch dafür zeichnet sich schon wegen des bevorstehenden<br />

Parlamentseinzugs der rechtspopulistischen<br />

AfD kaum eine Chance ab. So bliebe nur die Fortsetzung<br />

der großen Koalition unter Merkel (oder eben Schulz) übrig<br />

– oder ein von Merkel geführtes liberalkonservatives<br />

Bündnis mit Grünen und/oder FDP.<br />

Letzteres scheint inzwischen von einigen in den Unionsparteien<br />

favorisiert zu werden, zumal die Grünen mit eher<br />

bürgerlichen Spitzenkandidaten antreten. Aber auch da<br />

gibt es viele Klippen und Animositäten. Ganz zu schweigen<br />

von der völlig offenen Frage, ob es rechnerisch reichen<br />

würde. Solche Bündnisspekulationen werden die<br />

Inhalte im beginnenden Wahlkampf stark überlagern,<br />

bei Schulz wie bei Merkel. Und das bedeutet: Wenn in<br />

Deutschlands Innenpolitik jetzt ein Hauch Spannung aufkommt,<br />

liegt das nicht nur am Duell dieser beiden, sondern<br />

auch an den Unwägbarkeiten im Hinblick auf das<br />

Abschneiden der kleinen Parteien.<br />

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