Reinigen, was andere an ihre Grenzen bringt - VIA Oberflächentechnik
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30<br />
Special<br />
<strong>Reinigen</strong> und VoRbeh<strong>an</strong>deln<br />
<strong>Reinigen</strong>, <strong>was</strong> <strong><strong>an</strong>dere</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Grenzen</strong> <strong>bringt</strong><br />
Lohnreiniger erweitert die eigene Kernkompetenz<br />
„Entfetten“ mit einem Feinreinigungszentrum<br />
Das Thema Feinreinigen wird im Automobilbereich immer wichtiger.<br />
Ein großer Lohnreinigungsbetrieb baut nun zusätzlich zu der Kernkompetenz<br />
„Entfetten“ mit einem neuen Feinreinigungszentrum<br />
Kapazitäten und Know-how in diesem Bereich auf.<br />
<strong>VIA</strong> <strong>Oberflächentechnik</strong> ist ein gutes Beispiel,<br />
wie sich ein Unternehmen von einem<br />
zunächst auf das Gleitschleifen ausgerichteten<br />
Profit-Center zu einem Lohnreiniger<br />
mit hoher Reinigungskompetenz entwickeln<br />
k<strong>an</strong>n. 2011 erzielte das Unternehmen nur<br />
durch Dienstleistungen einen Umsatz von<br />
7,5 Millionen Euro und beschäftigt je nach<br />
Auftragslage bis zu 100 Mitarbeiter.<br />
<strong>VIA</strong> wurde 1996 auf Initiative von mittelständischen<br />
Automobilzulieferern gegründet.<br />
Bald darauf zeigten die Kunden<br />
auch Interesse am Thema <strong>Reinigen</strong> und <strong>VIA</strong><br />
wurde aufgefordert, ein Konzept zu entwickeln.<br />
Nach einer eingehenden Analyse der<br />
Marktsituation holte <strong>VIA</strong> den Anlagenhersteller<br />
Dürr Ecocle<strong>an</strong> ins Boot. „Es gab zwar<br />
auch günstigere Anbieter, trotzdem sind wir<br />
mit unserer Wahl sehr zufrieden. Der Support<br />
gerade in der wichtigen Anf<strong>an</strong>gsphase<br />
war sehr gut und die ältesten Anlagen sind<br />
jetzt über zehn Jahre alt und zeigen nach<br />
rund 70.000 Tonnen Reinigungsgut keinerlei<br />
Altersschwäche. Darüber hinaus bieten<br />
die Anlagen innen genügend Platz, um die<br />
Wartung zu erleichtern“, erläutert der technische<br />
Leiter Kai Lechner.<br />
Die Idee einer wässrigen Reinigung wurde<br />
damals schnell verworfen. „Der Energieverbrauch<br />
bei wässriger Reinigung wäre viel<br />
größer als bei der Verwendung von PER“,<br />
führt Lechner aus. „Zwar wären wässrige<br />
Anlagen in der Anschaffung billiger, dafür<br />
sind bei PER die Betriebskosten deutlich<br />
niedriger. Noch dazu wäre eine Kontrolle<br />
der wässrigen Reinigung aus labortechnischer<br />
Sicht erheblich aufwändiger.“<br />
Neben einer sich stetig verändernden<br />
Reinigungsleistung müssten wässrige Bäder<br />
bei einem Öleintrag von bis zu vier Litern<br />
pro Charge wie bei <strong>VIA</strong> vermutlich alle<br />
vier Wochen verworfen werden. Der Lösemittelspezialist<br />
Safechem hat die Entwicklung<br />
der Reinigungssparte von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong><br />
Bei der Entfettung werden die Teile<br />
gitterboxweise in die Maschinen<br />
geladen und mit Perchlorethylen<br />
entfettet. Bilder: CB<br />
mitbegleitet. Safechem hat <strong>VIA</strong> nach einer<br />
Analyse des zu erwartenden Teilespektrums<br />
zum Einsatz von Perchlorethylen geraten. Je<br />
niedriger der Siedepunkt eines Lösemittels,<br />
desto besser ist das Trennvermögen beim<br />
Destillationsvorg<strong>an</strong>g. Der Siedepunkt von<br />
Ölen liegt bei etwa 250°C, Perchlorethylen<br />
(PER) bietet mit einem Siedepunkt von<br />
120°C eine große Temperaturdifferenz von<br />
130°C, wodurch die Ölmenge im Destillat<br />
gering gehalten werden k<strong>an</strong>n. Bei modifizierten<br />
Alkoholen liegt der Siedepunkt<br />
bereits bei bis zu 175°C, und Kohlen<strong>was</strong>serstoffe<br />
liegen mit bis zu 195°C noch höher.<br />
Dass PER die richtige Wahl für den<br />
Anwendungsfall war, zeigt die Tatsache,<br />
dass bei keiner der vier mit Perchlorethylen<br />
betriebenen Anlagen und Lösemittelvolumina<br />
von 8.500 Litern bisher ein Mediumwechsel<br />
nötig war. Safechem kennt kaum<br />
einen Reinigungsbetrieb, in dem das PER<br />
bei solch einer Belastung so l<strong>an</strong>ge eingesetzt<br />
werden k<strong>an</strong>n. Die Anlagen werden mit<br />
Euro-Gitterboxen mit Abmessungen von<br />
120 x 80 x 80 Zentimetern bestückt, die d<strong>an</strong>n<br />
innerhalb von 20 Minuten entfettet werden.<br />
Die Heizung der Anlagen erfolgt mit Gas,<br />
120 m 3 Wasser pro Stunde aus einem nahegelegenen<br />
Bach dienen zur energiesparenden<br />
Kühlung der Anlagen.<br />
Optimal entfetten<br />
Die Prozesse sind so abgestimmt, dass der<br />
PER-Anteil im Destillationsrückst<strong>an</strong>d zwischen<br />
fünf und zehn Prozent liegt und die<br />
Anlage in einem stationären Betriebspunkt<br />
mit konst<strong>an</strong>ter Schmutzfracht und in einem<br />
stabilen Prozess betrieben werden k<strong>an</strong>n. So<br />
müssen nur die Austragungsverluste ersetzt<br />
werden – pro Jahr betragen diese immerhin<br />
rund 40 Safe-Tainer à 200 Liter. Dabei<br />
kommt ausschließlich neues, hochstabilisiertes<br />
Perchlorethylen Dowper N zum<br />
Einsatz. „Wir könnten das PER vollständig<br />
herausdestillieren, doch es hat sich<br />
gezeigt, dass dadurch das Lösemittel stark<br />
be<strong>an</strong>sprucht wird und insgesamt daraus<br />
kein Vorteil zu ziehen ist“, erläutert Lechner.<br />
„Deshalb nehmen wir zugunsten der<br />
Prozessstabilität inzwischen einen gewissen<br />
Restlösemittelgehalt in Kauf.“<br />
Da zum Beispiel bei chlorierten Ölen die<br />
Gefahr besteht, dass Salzsäure in der Anlage<br />
gebildet wird, ist ein regelmäßiges Messen und<br />
Jahrg. 66 (2012) 5
Stabilisieren notwendig. „Hier haben sich die<br />
Testverfahren von Safechem als sehr ausgereift<br />
und zuverlässig erwiesen“, so Lechner.<br />
Gestartet ist <strong>VIA</strong> 2002 mit einer Anlage,<br />
im Abst<strong>an</strong>d von zwei bis drei Jahren folgten<br />
weitere Anlagen, sodass nun Mitte 2012<br />
insgesamt fünf Anlagen in Grevenbrück<br />
betrieben werden. Vier davon arbeiten mit<br />
PER, eine mit Dowclene 1601, einem modifiziertem<br />
Alkohol.<br />
Der Vorteil des modifizierten Alkohols<br />
liegt darin, dass polare Verschmutzungen<br />
wie Salze, Emulsionen und Partikel abgereinigt<br />
werden können, aber auch Fette und<br />
Öle. Möglich ist dies, weil die Moleküle<br />
sowohl über einen l<strong>an</strong>gen, unpolaren Arm<br />
verfügen, der fettliebend ist, als auch über<br />
einen kurzen, polaren Arm. Zum Vergleich:<br />
Die Wasserlöslichkeit in PER liegt bei 0,01<br />
Prozent, in Dowclene 1601 dagegen bei 6,3<br />
Prozent. Zwar ist PER in der Entfettungsleistung<br />
unschlagbar, dennoch k<strong>an</strong>n der<br />
modifizierte Alkohol bei kombinierten Verschmutzungen<br />
gute Dienste leisten.<br />
Inzwischen hat <strong>VIA</strong> 130 Kunden aus<br />
verschiedensten Bereichen, die allesamt<br />
unterschiedlichste, mit verschiedenen Ölen<br />
kontaminierte Artikel liefern. Viele Unternehmen<br />
schicken besonders gerne Teile zu<br />
<strong>VIA</strong> , wenn die Verschmutzung <strong>ihre</strong> eigene<br />
Anlagentechnik überfordert.<br />
Zugenommen hat laut <strong>VIA</strong> der Sektor<br />
Windenergie, hier werden teilweise bis<br />
zu 6,5 Tonnen Schrauben und Bolzen pro<br />
Windkraft<strong>an</strong>lage eingesetzt. Bei <strong>VIA</strong> liegt<br />
das Aufkommen solcher Bolzen bei etwa einer<br />
LKW-Ladung pro Tag. Insbesondere am<br />
Boden der Gewindegänge ist das Entfernen<br />
von Öl entscheidend für einen l<strong>an</strong>g<strong>an</strong>haltenden<br />
Korrosionsschutz.<br />
<strong>Reinigen</strong> und voRbeh<strong>an</strong>deln<br />
Das Feinreinigungszentrum befindet sich in einem Sauberraum, bei Bedarf können die Anlagen<br />
die gereinigten Bauteile über eine Weiche direkt in einen Reinraum der Klasse ISO 6 übergeben.<br />
Feinreinigungszentrum<br />
Erste Anfragen zum Thema Feinreinigung<br />
bekam <strong>VIA</strong> 2007, bereits ein Jahr später<br />
wurde das Thema zunehmend wichtiger<br />
und so setzte sich <strong>VIA</strong> mit Dürr Ecocle<strong>an</strong><br />
zusammen, um ein Konzept für ein Feinreinigungszentrum<br />
zu erarbeiten. In der Praxis<br />
startete das Projekt mit einer Miet<strong>an</strong>lage,<br />
die pünktlich zur Wirtschaftskrise Anf<strong>an</strong>g<br />
2009 betriebsbereit war. So konnte von<br />
„Auslastung“ zunächst keine Rede sein.<br />
Doch schon bald nach der allmählichen<br />
Erholung der Weltwirtschaft im Jahr 2010<br />
lief die Anlage im Dreischichtbetrieb. Problematisch<br />
war jedoch die ungünstige Positionierung<br />
in einer Halle mit Staplerverkehr<br />
und <strong><strong>an</strong>dere</strong>n Partikelquellen. Deshalb wurde<br />
2011 der Bau des Feinreinigungszentrums<br />
in Angriff genommen, das Anf<strong>an</strong>g 2012<br />
in Betrieb ging. „Wir sind überzeugt, dass<br />
sich der Markt für Feinreinigung bereits in<br />
den nächsten Jahren stark entwickeln wird.<br />
Vieles, <strong>was</strong> in neue Fahrzeugklassen eingebaut<br />
wird, von Kamerasystemen bis hin zu<br />
Assistenzsystemen oder Getrieben – überall<br />
gibt es nun Feinreinigungs<strong>an</strong>forderungen“,<br />
berichtet Kai Lechner. „Deshalb haben wir<br />
uns zu der Investition von 5,5 Millionen<br />
Euro entschlossen.“<br />
Ab einer zugesicherten Partikelgrenze<br />
von 1.000 µm metallisch beginnt bei<br />
<strong>VIA</strong> die Feinreinigung, da bei den St<strong>an</strong>dard-PER-Anlagen<br />
die Einhaltung nicht<br />
zu gewährleisten ist. „In unserem Feinreinigungszentrum<br />
sind Partikelgrößen<br />
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Special<br />
<strong>Reinigen</strong> und VoRbeh<strong>an</strong>deln<br />
Im Reinraum ist ein komplettes Labor mit Spülkabinett und automatisiertem Mikroskop zum<br />
Partikelzählen untergebracht.<br />
Kritisch wird es auch, wenn nichtmetallische<br />
Partikel und Fasern begrenzt werden,<br />
denn diese sind lufttragfähig. Werden Partikelgrenzen<br />
von unter 300 µm gefordert oder<br />
sind org<strong>an</strong>ische Partikel und Fasern limitiert,<br />
w<strong>an</strong>dern die Teile in einem gekapselten Tunnel<br />
von der Reinigungs<strong>an</strong>lage, die in einem<br />
Sauberraum steht, direkt in einen Reinraum<br />
der ISO-Klasse 6. Im Reinraum ist außerdem<br />
ein Labor mit Spülkabinett und automatisiertem<br />
Mikroskop zum Partikelzählen<br />
untergebracht. Dies macht serienbegleitende<br />
Restschmutz<strong>an</strong>alysen möglich.<br />
Die Luftwechselrate liegt bei 25 Luftwechseln<br />
pro Stunde. Um in dem Sauberraum,<br />
der über eine Schleuse vom Rest der<br />
Halle abgetrennt ist und unter Überdruck<br />
steht, einen Partikeleintrag von außen zu<br />
verhindern, finden fünf Luftwechsel pro<br />
Stunde statt. Bei der bestehenden Hallengröße<br />
entspricht dies 25.000 m 3 pro Stunde.<br />
Durch die starke Luftbewegung können sich<br />
die Teile elektrostatisch aufladen, deshalb<br />
ist vom Boden bis zur Palette alles geerdet.<br />
Inzwischen sind bei <strong>VIA</strong> fünf Entfettungs<strong>an</strong>lagen im Einsatz, Gabelstapler<br />
bestücken die Anlagen.<br />
Wird ein Restmagnetismus von mehr als<br />
2 A/cm festgestellt, wird Reinigungsgut<br />
außerdem entmagnetisiert, da sonst Partikel<br />
<strong>an</strong>gezogen werden.<br />
Je nach Reinigungsaufgabe stehen drei<br />
Anlagen zur Wahl: Eine arbeitet mit wässrigen<br />
Reinigern, eine <strong><strong>an</strong>dere</strong> Anlage mit<br />
Kohlen<strong>was</strong>serstoffen. Letztere verfügt über<br />
zwei Arbeitskammern, um den Durchsatz<br />
zu erhöhen. Auch die Miet<strong>an</strong>lage aus der<br />
„Gründerzeit“ ist im Einsatz – mit dem<br />
modifizierten Alkohol Dowclene 1601. Damit<br />
ist <strong>VIA</strong> im Bereich der Feinreinigung<br />
ein Vollsortimenter und k<strong>an</strong>n alle gängigen<br />
Reinigungsverfahren und Reiniger<br />
<strong>an</strong>bieten.<br />
Sehr wichtig ist auch das Thema Verpackung.<br />
„Die Sauberkeit von extern gereinigten<br />
KLT-Verpackungen und Blistern<br />
ist ein echtes Problem und k<strong>an</strong>n schon<br />
mal die Produktion bei uns ins Stocken<br />
bringen. Deshalb werden wir in eine entsprechende<br />
Reinigungs<strong>an</strong>lage investieren,<br />
denn das Reklamieren solcher Behälter und<br />
Verpackungen kostet Zeit und damit Geld.<br />
Bisher liegt nach meinen Erfahrungen die<br />
Grenze auf dem Markt bei 500 µm. Wir<br />
werden eigene Erfahrungen sammeln und<br />
hoffen, hier mehr erreichen zu können.<br />
Doch durch die Hinterschnitte und Hohlräume<br />
der Verpackungseinheiten ist dies<br />
schwierig“, erklärt Lechner. Bei sehr engen<br />
Partikelgrenzwerten kommt ein Vakuumiergerät<br />
zum Einsatz, durch das der Abrieb<br />
und die Schmutzaufnahme beim Tr<strong>an</strong>sport<br />
minimiert werden können.<br />
„In Ged<strong>an</strong>ken spielen wir durchaus auch<br />
mit dem Thema Feinstreinigung für Partikel<br />
unter 100 µm. Dafür benötigt m<strong>an</strong> aber einen<br />
Reinraum der Klasse 2 – also g<strong>an</strong>z <strong><strong>an</strong>dere</strong><br />
Dimensionen. Zwar erreichen wir solche<br />
Werte durchaus auch schon mit unserer<br />
aktuellen Ausstattung, aber sie müssen ja<br />
auch zuverlässig reproduzierbar sein,“ fügt<br />
Lechner hinzu.<br />
Vieles ist möglich, aber letztendlich<br />
stellt sich immer auch die Preisfrage. Macht<br />
laut <strong>VIA</strong> eine St<strong>an</strong>dard-PER-Reinigung<br />
etwa fünf Prozent der Fertigungskosten<br />
aus, k<strong>an</strong>n eine Feinreinigung bis zu 50<br />
Prozent betragen. Bei einer Feinstreinigung<br />
wird die Sache noch einmal massiv<br />
teurer.<br />
„Das Thema Feinreinigung erfordert<br />
extreme Sensibilität und Disziplin von den<br />
Mitarbeitern, deshalb rate ich unseren Kunden,<br />
gut zu prüfen, ob der Aufbau einer eigenen<br />
Feinreinigung tatsächlich wirtschaftlich<br />
sinnvoll ist und geeignetes Personal zur Verfügung<br />
steht, oder ob die Lohnreinigung die<br />
zuverlässigeren Ergebnisse liefern k<strong>an</strong>n“,<br />
empfiehlt Lechner.<br />
i <strong>VIA</strong><br />
<strong>Oberflächentechnik</strong> GmbH<br />
www.via-offtec.de<br />
Safechem Europe GmbH<br />
www.safechem-europe.com<br />
Im Sauberraum sind elektrostatisch ableitende Überschuhe Pflicht, die<br />
Korbgrößen wurden den Anforderungen der Feinreinigung <strong>an</strong>gepasst.<br />
Jahrg. 66 (2012) 5