Pictorial 2-17
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PICtoRial<br />
ART BUYER’S DIGEST<br />
iSSN 2366-2735<br />
2/20<strong>17</strong><br />
März/April 20<strong>17</strong><br />
Deutschland EUR 6,00<br />
Österreich: EUR 7,00<br />
Schweiz: SFR 10,50<br />
basics:<br />
Risiken und<br />
Haftungsfallen<br />
bei Gratis-Bilddatenbanken<br />
feature:<br />
Kinderbilder<br />
bildband:<br />
Dancers after<br />
dark<br />
newcomer:<br />
Karobild<br />
portfolio:<br />
Kulturelles<br />
Grenzland –<br />
Die Sorben
inhalt PICTORIAL 2/20<strong>17</strong><br />
newcomer<br />
Karobild<br />
Der Newcomer Karobild ist unterschieben mit „eine neue Marke<br />
der Bildbeschaffer“. Was haben wir also vor uns? Die hauseigene<br />
Bildagentur der Serviceagentur die Bildbeschaffer.<br />
Seite 14<br />
Foto: Walter Maas, Yannis Behrakis in Perpignan 2016<br />
basics<br />
Risiken und Haftungsfallen<br />
Gratis-Bilddatenbanken<br />
Die auf den ersten Blick „günstige“ Bildbeschaffung über Google<br />
oder Gratis-Bilddatenbanken kann böse Fallstricke aufweisen.<br />
Über Risiken und Nebenwirkungen. Seite 26<br />
feature<br />
Kinderbilder<br />
Seite 18<br />
Foto: mauritius images / Ikon Images<br />
bildbände<br />
Jordan Matter<br />
Dancers after<br />
dark<br />
Seite 32<br />
bildmarkt<br />
Ob es mich denn putzt? 6<br />
Oneworld Picture hat<br />
neuen Internetauftritt 7<br />
StockFood übernimmt<br />
Vertrieb der Strauss Gartenbildagentur<br />
Entertainment-Team der<br />
picture alliance<br />
Erickson Stock RF bei<br />
PantherMedia<br />
Ann-Catherine Gerber<br />
bei dana press 8<br />
Zeithistorische Aufnahmen<br />
von mauritius jetzt bei<br />
ullstein<br />
Out of Copyright 20<strong>17</strong><br />
und 2018<br />
laif und Matter Represents 9<br />
Fashion by ddp images – neuer<br />
Service für Bildredaktionen<br />
Brosi und Wittwer<br />
übergeben Prisma<br />
Neue Software-Tools –<br />
Shutterstock-Editor<br />
und Adobe Photoshop<br />
Mauritius feiert 100 Jahre<br />
Freistaat Bayern 12<br />
Schattentheater in China,<br />
Uhus im Dunkeln und mehr –<br />
neue Fotografen bei Okapia<br />
Donald Trump im Bild –<br />
picture alliance Themenportal<br />
HMB-Media via Imago 13<br />
newcomer<br />
Karobild<br />
Eine neue Marke der<br />
Lennart Nilsson ist gestorben 10<br />
Bildbeschaffer 14<br />
4 | PICTORIAL | 1/20<strong>17</strong>
Foto: Andreas Varnhorn, 1992<br />
portfolio<br />
Kulturelles Grenzland – Die Sorben Seite 32<br />
feature<br />
Kinderbilder 18<br />
events<br />
Joel Meyerowitz in der<br />
Leica Hall of Fame<br />
Wir haben keine Geheimnisse!<br />
– Ausstellung mit Bildern der<br />
Überwachung<br />
Seiten haftbar<br />
LG Hamburg 29<br />
Facebook darf IPTC-Daten<br />
nicht mehr löschen<br />
LG Hamburg<br />
portfolio<br />
Kulturelles Grenzland<br />
Andreas Varnhorn fotografierte<br />
die Sorben 32<br />
Rückblende 2016 – der<br />
rote Lackschuh und der<br />
fehlende Stern 22<br />
Erik Hinz: Einundzwanzig<br />
Jahre in einer Sekunde<br />
Die Schönheit ernsthafter<br />
Arbeit – Ausstellung des Fotografen<br />
Andreas Meichsner<br />
Regina Anzenberger:<br />
Durchatmen 23<br />
Anmeldung zum Kassel<br />
Dummy Award 20<strong>17</strong><br />
bildbände<br />
Jordan Matter<br />
Dancers after dark 24<br />
basics<br />
Risiken und Haftungsfallen<br />
Gratis-Bilddatenbanken 26<br />
bildrecht<br />
Das It-Piece auf dem<br />
Billig-Beutel<br />
LG Bochum 30<br />
Durch Videoüberwachung<br />
ertappte Betrügerin darf<br />
gekündigt werden<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
Schadensersatz für<br />
Bademoden-Fotos<br />
OLG München 30<br />
AfD darf nicht mit Sophie<br />
Scholls Bild werben<br />
LG Berlin<br />
vorschau 42<br />
titelbild<br />
Dead Leopard Frog with Label, Foto: Radius<br />
Images / Karobild<br />
Sony World Photography<br />
Awards 20<strong>17</strong>: Ehrenpreis für<br />
Martin Parr 41<br />
Wer eine kommerzielle Website<br />
betreibt, ist für Urheberrechtsverletzungen<br />
auf verlinkten<br />
Schornsteinfeger darf<br />
nicht gefilmt werden<br />
VG Berlin<br />
1/20<strong>17</strong> | PICTORIAL | 55
ildmarkt<br />
Ob es mich denn putzt?<br />
Ob London, New York oder Mailand, im Februar ist es wieder soweit:<br />
Man fährt auf die Fashion Weeks. „Oder lässt sich nachher berichten, wie es<br />
war“, sagt Sabine Pakulat, Chefin der Agentur culture images.<br />
Dieses „Benachrichtigen“ haben im 18. Jahrhundert die Hefte der Gallerie<br />
des Modes et Costumes Français übernommen. In bunt illustrierten Zeichnungen<br />
wurden den Damen des Adels und des adelsaffinen gehobenen<br />
Bürgertums die neuesten Kreationen à la mode gezeigt.<br />
Kulturhistorisch sind es wohl die ersten dezidierten Modepublikationen,<br />
die auch aufwändig mit Illustrationen ausgestattet waren. Die „Graveurs“,<br />
die Zeichner, waren ein eigener wichtiger Berufsstand. Herausgegeben wurden<br />
die Hefte zwischen <strong>17</strong>68 und 1804, die Gründer Esnault und Rapilly<br />
verstanden sich durchaus als Modeschöpfer, so Sabine Pakulat. Man darf<br />
sich also vorstellen, wie die feine Dame den Schneider ihres Vertrauens im<br />
Stadtpalais antrreten lässt, auf eines der Bilder zeigt und betont: „So was<br />
will ich auch! Sofort! Aber mit anderen Bordüren und gefälligst in Taubenblau.<br />
Rot macht mich so blass!“<br />
Berichtenswert waren aber nicht nur die Kleider, sondern auch die Hüte!<br />
Und die passenden Schuhe. Dass man mit vielen der Modelle eigentlich nicht<br />
laufen kann, störte damals – wie heute – niemand in der Damenwelt...<br />
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass culture images aus Gerechtigkeitsgründen<br />
auch ein wenig Herrenmode vorstellt. Aber: Welch fader Abklatsch!<br />
Im Vergleich zur Damenwelt machen die Kerle einfach nichts her!<br />
6 | PICTORIAL | 1/20<strong>17</strong>
ildmarkt<br />
Mauritius feiert<br />
100 Jahre Freistaat<br />
Bayern<br />
So sind sie, die Bayern! Feiern „100 Jahre<br />
Freistaat Bayern“. Aber wollen sie das historisch<br />
wirklich? Wollen sie daran erinnert werden,<br />
dass der Freistaat in der Nacht vom 7.<br />
auf den 8. November 1918 von Kurt Eisner,<br />
dem linksradikalen Anführer der Arbeiter und<br />
Soldaten-Räte, ausgerufen wurde? Ein weißblauer<br />
Erinnerungs-Taumel unter der Devise<br />
„Es lebe die Sowjet-Republik Bayern“? Eher<br />
nicht.<br />
Wie überschreibt mauritius images sein<br />
Porfolio? „Bilder aus dem Land des Märchenkönigs“.<br />
Die heutigen Bayern feiern lieber mit<br />
Schattentheater in China, Uhus<br />
im Dunkeln und mehr – neue<br />
Fotografen bei Okapia<br />
Foto: xxx<br />
Zwei neue Fotografen vertritt die Frankfurter Agentur Okapia. Menschen auf dem Land in China<br />
und ihre ortsspezifischen Eigenheiten und ihr exotisches Tun von Schattentheater bis zu Tai Chi hat<br />
der belgische Fotograf Kurt Vansteelant mit seiner Kamera portraitiert.<br />
Während man mit seinen Bildern virtuell nach China reist, bleibt Naturfotograf Stefan Rosengarten,<br />
der Mitglied der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen ist, überwiegend in Europa. Wenn auch<br />
Afrika sein Lieblingsreiseziel ist, wie er beteuert und man auch einen afrikanischen Leoparden unter<br />
seinen Motiven finden kann, der sich auf einem Baum in Sambia räkelt. Er zeigt Flora und Fauna –<br />
Buschwindröschen, Luchse, Gemsen. In stimmungsvolles Dämmerlicht sind seine Uhus und Getreideähren<br />
getaucht. Im Gegenlicht blinzelt man mit ihm durch das belaubte Geäst.<br />
Die Bilder beider Fotografen können jetzt bei Okapia lizenziert werden.<br />
BH<br />
Donald Trump im Bild –<br />
picture alliance Themenportal<br />
dem „Kini“, dem wahrlich etwas eigenartigen<br />
Ludwig II. Und freuen sich über seine Schlösser.<br />
Vergessen nicht zu erwähnen, dass sie<br />
auch rund 5 Kilometer Bodenseeufer besitzen,<br />
Oberschwaben – und natürlich das kulturreiche<br />
Franken! Weiß-rot. Klar, die Oberpfalz<br />
verschweigt man besser, damit kann man halt<br />
nicht angeben.<br />
All das, was überall in der bewohnten Welt<br />
als „Baierisch“ angesehen wird, findet sich nun<br />
als Postkarten-Motiv im Portfolio von mauritius.<br />
Gegründet von einem Preußen, ist die<br />
Agentur heute aber fest beheimatet im oberbayerischen<br />
Gebirg, in Mittenwald. Also: lokal<br />
kompetent.<br />
Weiß allerdings nicht, warum sich mauritius<br />
images die Pfalz entgehen ließ, die damals vor<br />
100 Jahren doch wirklich noch zu Bayern gehörte...<br />
Und wo die anderen bayerischen Könige<br />
gar die schöneren Schlösser bauten.<br />
Alles geht sehr schnell in diesem Jahr, noch bevor der neu gewählte<br />
US-Präsident sein Büro zum allerersten Mal betreten hatte,<br />
präsentierte er mit seinen Tweets und Vorankündigungen schon<br />
publikumswirksam ein Vorspiel seiner Präsidentschaft.<br />
Bilder gibt es auch – die Bildagentur picture alliance hat ihren<br />
Bestand gesichtet und ein Themenportal zu Donald Trump eingerichtet.<br />
Dort finden sich Fotografien und Karikaturen, die Trumps<br />
Leben vor seiner Wahl zum Präsidenten, die First Lady Melania<br />
Trump und seine Familie zeigen.<br />
Seine Bauprojekte und seine Besitztümer – seine Autos, alles<br />
kann in Beschau genommen werden. Ihn selber kann man auf unzähligen<br />
Portraits bewundern und seine Physiognomie studieren.<br />
Wer Humor hat, dem werden auch kuriose Aufnahmen geboten.<br />
Bildkollektionen mit Mitgliedern des zukünftigen Kabinetts, Grafiken<br />
und Symbolen zur US-Politik vervollständigen das Bildportal<br />
„Präsidentschaft Donald Trump“.<br />
Noch mehr Bilder wird es in Zukunft geben. Die Kollektionen<br />
„Die ersten 100 Tage“ und „Diplomatie“ warten darauf, mit vielen<br />
neuen Motiven bestückt zu werden. BH<br />
www.picture-alliance.com<br />
8 | PICTORIAL | 1/20<strong>17</strong>
newcomer
Newcomer<br />
Karobild<br />
Der Newcomer Karobild ist unterschrieben mit „eine neue Marke der Bildbeschaffer“.<br />
Was haben wir also vor uns? Die hauseigene Bildagentur der Serviceagentur<br />
die Bildbeschaffer.<br />
Und der Name? Nun, man residiert<br />
im Karolinen-Viertel zu St. Pauli in<br />
Hamburg und möchte das eben<br />
gerne transportieren. Was die Bildbeschaffer<br />
sind, das ergibt sich<br />
bereits aus dem Namen. Wer aber steht dahinter?<br />
In erster Linie Michaela Koch und Alexander<br />
Karst.<br />
Die Idee hinter Karobild ist, eine Kollektion zusammen<br />
zu addieren, die direkt auf den Bedarf<br />
von PR, Unternehmenskommunikation und Werbetreibenden<br />
zugeschnitten ist. Die Hamburger<br />
produzieren nicht selbst, sondern Karobild stellt<br />
voreditierte Motive bereit, die – so Alex Karst –<br />
„den Zeitgeist des kreativen Bildermarktes widerspiegeln:<br />
Wonach suchen Werbeagenturen und<br />
Unternehmen heute, welche Bildsprache funktioniert<br />
am Besten?“<br />
Dazu selektierten und editierten die Gründer das<br />
Material ganz unterschiedlicher Bildanbieter, von<br />
der skandinavischen Maskot RF, über die britischen<br />
ojo images, Westend61, able images bis<br />
in den Süden nach Spanien zu age fotostock.<br />
Der gemeinsame Nenner der Edition ist, dass „jedes<br />
Motiv von vorne herein für die werbliche Nutzung<br />
selektiert und nach hohen kreativen Ansprüchen<br />
ausgewählt wurde“, so Michaela Koch.<br />
500.000 Motive sind bereits editiert, online verfügbar<br />
sind nur wenige Tage nach dem Start im<br />
Dezember 2016 immerhin schon 450.000. Davon<br />
sind drei Viertel Royalty free. Denn, so beide<br />
unisono, es stellt sich auch immer die Frage für<br />
einen Bildkäufer: „Wieviel Lizenz ist erforderlich?“<br />
RM, RF oder gar Exklusivität? Machbar. Mit einer<br />
Kompakt-Lizenz, einem vereinfachten Lizenzmodell,<br />
soll die Abwicklung lizenzplichtiger Bilder zusätzlich<br />
erleichtert werden.<br />
Und ganz zum Schluss, nachdem wir viel über<br />
„frische Motive“, „klare, moderne Bildsprache“<br />
gesprochen haben, ruft mir Alexander Karst noch<br />
nach: „Aber schräge Motive sollen auch dabei<br />
sein!“<br />
6/2016 | PICTORIAL |<br />
00
ildbände<br />
Jordan Matter<br />
Dancers after dark<br />
Jordan Matter, Dancers<br />
after dark,<br />
Verlag Workman Publishing<br />
2016, 16,99<br />
Euro, ISBN: 978-<br />
0761189336<br />
Was haben sie diesmal nur ausgeheckt? Den sichtbaren Beweis eines Abiturientenstreiches<br />
in der Nacht vor der Abschlussfeier scheint der Bildband mit den nackt<br />
stolzierenden und verwegen durch die Luft wirbelnden Balletttänzern dem verdutzten<br />
Büchergucker liefern zu wollen.<br />
Jordan Matter fotograierte hunderte nackte Zirkusathleten<br />
und Balletttänzer auf den Straßen der Welt von New York, über<br />
Paris uns Stockholm bis nach Berlin - und auch in der freien Natur<br />
in den Cotwolds in England.<br />
Mit seinen übermutigen, glückstrunkenen Bildern setzt Matter<br />
einen leuchtenden Kontrapunkt gegen jeden verzagten Pessimismus.<br />
„Be fearless. Says yes!“ – das ist in seinen eigenen<br />
Worten seine Botschaft, die uns die hüpfenden Boten überbringen<br />
sollen.<br />
Angstfrei und wagemutig müssten gerade Tänzer sein.<br />
Furchtlos seinen Körper und sein ganzes Sein dem schauenden<br />
Publikum präsentieren und bei hohen Sprüngen und fantastischen<br />
Saltos das Risiko eines Sturzes in Kauf nehmen, ohne zu<br />
zögern. In den Augen des Fotografen, kann man aus jeder Linie<br />
der durch hartes Training geformten Körper die intensive Hingabe<br />
und Leidenschaft der Tänzer lesen.<br />
Es sind Ausnahmekörper, durch ihr deutliches, fremdes Anderssein<br />
sind die Nacktbilder fernab von Erotik. Dass in jeder<br />
vom fotograischen Blitz getroffenen Körperhaltung die Scham<br />
gerade glücklich abgewandt oder verdeckt ist, wäre zur Entschärfung<br />
deshalb vielleicht gar nicht mehr nötig gewesen.<br />
Die Fotograien zeigen auf der einen Seite die allergrößte artiizielle<br />
Künstlichkeit der gezeigten Momente – jede Tanzigur ist<br />
geplant und vom Tänzer ausgiebig geübt worden, die spezielle<br />
00 | PICTORIAL | 2/20<strong>17</strong>
Einstellungen zusammen mit dem Fotografen ausgedacht und<br />
inszeniert. Auf der anderen Seite gewinnen sie gerade ihren Witz<br />
und ihren besonderen Reiz dadurch, dass sich im Zusammenspiel<br />
mit den zufällig auftauchenden Passanten Situationen ergeben:<br />
Etwa ein Passant mit aufmerksamem Blick auf eine Nackte<br />
seinen Schritt mit der die Straße überschreitenden Frau synchronisiert,<br />
wie auf dem Titelbild.<br />
Für seine Bildkompositionen hat Matter die Formen und<br />
Strukturen auf der Straße zu den Körpern seiner Darsteller in<br />
vorher exakt geplante Relation gebracht. Unter das Gerüst der<br />
L-Bahn in Chicago etwa hat er die Artisten kopfüber aufgenommen,<br />
so dass sie die Konstruktion perfekt ergänzen. Der im eindrucksvollen<br />
Squat in vollkommener Rechtwinkligkeit vor dem<br />
Brandenburger Tor posierende Schöne scheint zwischen seinen<br />
Händen eine Torbreite zu vermessen.<br />
Ferocity, Stability, Vulnarability und Ecstasy heißen die vier<br />
Buchkapitel , die Matton in Bildsprache umgesetzt hat. Zwischen<br />
und über die Bilder liest man Zitate in großen Lettern:<br />
„What´s the good of living if you don´t try a few things?“ – fragte<br />
der Peanuts-Cartoonist Charles M. Schulz.<br />
Wenn nackte Körper als Symbole Botschaften überbringen<br />
sollen, dann können es fragwürdige sein, etwa nationalsozialistische<br />
wie bei der Fotograin Leni Riefenstahl. Wie schön, dass<br />
Matton in den Tänzerkörpern etwas anderes sieht, das er mit<br />
der Linse seines Fotoapparats einfangen und uns zeigen will -<br />
die Träume von Schönheit, von Freiheit und vom Fliegen. BH<br />
2/20<strong>17</strong> | PICTORIAL | 00
interview<br />
PICTORIAL: Herr Varnhorn, wurde<br />
Ihre Abschlussarbeit über die Sorben<br />
jemals gezeigt? Wie fühlt man<br />
sich, wenn so ein „uraltes Teil“ aus<br />
der eigenen fotograischen Vergangenheit<br />
plötzlich wieder hochgespült<br />
wird?<br />
Andreas Varnhorn: Nein, sie wurden<br />
leider nie veröffentlicht. Ich hatte die Bilder<br />
seinerzeit mal dem „Stern“ angeboten,<br />
wo man mir entgegnete: Sorry,<br />
sowas hatten wir gerade, das ist jetzt<br />
durch. Dafür bekam ich dann einen Auftrag,<br />
ein Dorf in der Niederlausitz, Horno,<br />
zu fotograieren, was dem Braunkohleabbau<br />
weichen sollte. Die Sorben-Bilder<br />
hatte ich dann im Rahmen unserer Archivaussendungen<br />
– ich arbeitete damals,<br />
noch vor Abschluss meines Studiums,<br />
ja schon mit Studienkollegen in<br />
Berlin in einer Fotografenagentur – verschiedenen<br />
Zeitungen angeboten und es<br />
kamen dann vereinzelt mal hier, mal da<br />
Bilder, aber nie als zusammenhängende<br />
Strecke.<br />
PICTORIAL: Ich persönlich, wenn ich<br />
in alten Büchern auf alte Texte von<br />
mir stoße, reagiere da sehr Tagesformabhängig.<br />
Entweder: „Ach, ja,<br />
gefällt mir!“ oder „Was für ein Driss!“<br />
Wie geht es Ihnen bei Bildern?<br />
Andreas Varnhorn: In erster Linie bemerke<br />
ich den großen zeitlichen Abstand<br />
und denke: Oha, ist das lange<br />
her! Ich inde gerade diese Schwarzweiß-Sachen<br />
aber immer noch ziemlich<br />
gut. Das betrifft im Wesentlichen die freien<br />
Arbeiten. Es bleibt natürlich auch die<br />
damalige Produktionsweise, die Dunkelkammerarbeit,<br />
in plastischer Erinnerung.<br />
Da quirlt dann etwas Nostalgie<br />
hoch, weil ein Fotoabzug das Produkt<br />
von einem handwerklichen Prozess war.<br />
Man hat dann förmlich noch den Chemikaliengeruch<br />
am Gaumen ... Das fühlte<br />
sich damals natürlich anders an als<br />
heute ein gelightroomtes Bild nach der<br />
RAW-Entwicklung. Ich trauere der Zeit<br />
von stinkenden Chemikalien aber auch<br />
nicht besonders nach.<br />
PICTORIAL: Sie haben als Fotograf ja<br />
einen weiten Entwicklungsweg hinter<br />
sich. Meine Bitte: Deuten Sie doch<br />
auf ein oder zwei Bilder unserer Strecke<br />
– und erklären uns: Das würde<br />
ich heute anders machen. Anders<br />
planen. Anders angehen. Anders aufnehmen.<br />
Andreas Varnhorn: Ihre Frage ist für<br />
mich hypothetisch, denn so wie damals<br />
arbeite ich ja nicht mehr. Die Rahmenbedingungen<br />
sind jetzt völlig anders. Ich<br />
würde heute in einer vergleichbaren Situation<br />
aber wahrscheinlich kein einziges<br />
Bild davon anders machen!<br />
Was gibt es für einen angehenden Bildjournalisten<br />
Schöneres, als vollkommen<br />
frei, ohne irgendeinem Erwartungsdruck<br />
zu entsprechen, einfach draulos zu fotograieren?<br />
Wahrscheinlich war die Studienzeit<br />
genau die Phase, in der man hier<br />
am kreativsten sein konnte. Sobald das<br />
zum Job wird, gibt es Erwartungen, die<br />
man bedienen muss. Da ist die Freiheit<br />
dahin. Was geblieben ist, ist das Gespür<br />
für das Momentum. Das hat auch etwas<br />
mit Gestaltung zu tun. Der richtige Moment<br />
gestaltet ein Foto sehr wesentlich.<br />
Wenn man das nicht beherrscht, sollte<br />
man keine Fotos machen, bei denen<br />
Menschen im Mittelpunkt stehen.<br />
PICTORIAL: Mit welcher Motivation<br />
gingen Sie damals in den beginnenden<br />
Neunzigern an die Sorbengeschichte<br />
heran? Story-Telling?<br />
Fotograische Dokumentation einer<br />
untergehenden Minderheiten-Kultur?<br />
Oder im Sinne Cartier-Bressons,<br />
mit Fotojournalismus die Welt zu verändern?<br />
Andreas Varnhorn: Letzteres ganz bestimmt<br />
nicht! Nein, ich weiß gar nicht<br />
mehr genau, wie ich darauf gekommen<br />
bin. Es hatte aber nichts mit der folkloristischen<br />
Attitüde zu tun, also Osterreiten,<br />
Fronleichnam und diese ganzen Touristenmagneten.<br />
Ich war zwar genau zu diesen Zeiten vor<br />
Ort, mich haben aber im Grunde diese<br />
Highlights selbst nicht interessiert, sondern<br />
eher die Vorbereitungen darauf oder<br />
die Momente „dazwischen“. Oder eben<br />
der Fokus auf eine bestimmte Person.<br />
Da gab es zum Beispiel den sogenannten<br />
Hochzeitsbitter, der alle Hochzeitsgäste<br />
einzeln einlud, überall einen<br />
Schnaps bekam und sich dann nur noch<br />
mit Mühe auf dem Rad halten konnte.<br />
Was mich wohl vorrangig interessierte,<br />
war die Neugier auf eine Volksgruppe in<br />
Deutschland mit eigener Kultur und Sprache.<br />
Für uns Wessies fanden die Sorben<br />
vor der Maueröffnung ja quasi nicht statt<br />
... Ich war dann drei oder vier Mal einige<br />
Tage vor Ort dort im tiefen Sachsen.<br />
Die Dörfer hatten Namen wie Crostwitz,<br />
Puschwitz, Panschwitz-Kuckau, Räckelwitz<br />
– das musste doch erforscht werden!<br />
Meine selbstgestellte Aufgabe lautete dabei,<br />
den Blick hinter das Folkloristische<br />
zu lenken. Ich glaube, es ist dabei auch<br />
ein Zeitdokument entstanden, von dem<br />
es rückblickend in dieser Art gar nicht so<br />
viel Material gibt. Insofern ist das Ganze<br />
wahrscheinlich tatsächlich eine fotograische<br />
Dokumentation einer untergehenden<br />
Minderheiten-Kultur geworden.<br />
Leider interessierte sich aber von den<br />
sorbischen Institutionen, die ich vor einigen<br />
Jahren mal angesprochen hatte, keiner<br />
dafür.<br />
PICTORIAL: Studiert haben Sie in<br />
Bielefeld. Noch zu Zeiten des Herrn<br />
Prof. Dr. Gottfried Jäger als Führungsigur.<br />
Im Rückblick betrachtet:<br />
Hat Sie das Fotograie-Studium eigentlich<br />
auf die tatsächliche Praxis<br />
ihres Berufes vorbereitet? Oder ielen<br />
Sie ins kalte Wasser?<br />
Andreas Varnhorn: Das Fotostudium<br />
in Bielefeld hat mir in erster Linie einen<br />
Freiraum verschafft, in dem ich herausinden<br />
konnte, welche Art von Fotograie<br />
mir liegt. Und: wir hatten Zeit! Ich hätte<br />
mir sonst kaum erlauben können, mein<br />
Studium mal eben für zwei Jahre zu unterbrechen,<br />
um in Berlin mit einigen Studienkollegen<br />
zusammen den Fotojournalisten-Job<br />
in der Praxis zu erlernen.<br />
Für meinen bildjournalistischen Schwer-<br />
12 | PICTORIAL | 1/20<strong>17</strong>
punkt waren die beiden Professoren Jürgen<br />
Heinemann und Jörg Boström meine<br />
Ansprechpartner. Ich weiß nicht, ob<br />
man uns überhaupt auf die Praxis des<br />
Berufsalltags sinnvoll vorbereiten konnte.<br />
Das kann man immer so einfach als Forderung<br />
aufstellen. Tatsächlich sind aber<br />
die Berufsalltage derartig unterschiedlich,<br />
dass ich mich frage, wie eine solche Vorbereitung<br />
denn aussehen sollte?<br />
Wenn ich mich jetzt in meinem damaligen<br />
Studienkollegenkreis umschaue, ist alles<br />
quer durch die Branche vertreten: erfolgreiche<br />
Fotografen, Bildchefs und Bildredakteure<br />
bei aulagenstarken Blättern,<br />
Verlagsmitarbeiter, aber auch einige, die<br />
was ganz anderes machen oder gescheitert<br />
sind. Es gab während des Studiums<br />
eine interessante Studienfahrt nach – damals<br />
noch – Leningrad und in die baltischen<br />
Republiken, als die ersten Perestroika-Demonstrationen<br />
dort stattfanden.<br />
Das war natürlich eine sehr spannende<br />
Zeit, woraus auch ein Buch entstand.<br />
Vielleicht hat mich die Reise damals angeixt<br />
und mir Mut gemacht, 1990, noch<br />
vor Abschluss des Studiums, mit einigen<br />
Kollegen in Berlin das eben erwähnte gemeinsame<br />
Büro aufzumachen. Die Zeit<br />
Anfang der 90er war ja hochinteressant<br />
und für viele fotojournalistische Themen<br />
fanden wir Abnehmer. Alle brauchten Fotos<br />
vom wiedervereinigten Deutschland.<br />
Der Nachteil war, dass Berlin die Fotojournalistenzunft<br />
anzog wie das Licht die<br />
Motten. Auf Dauer wurden wir einfach<br />
zu viele, weswegen ich dann auch nach<br />
Frankfurt am Main umgezogen bin. Dort<br />
gab es zu der Zeit noch einen größeren<br />
Bedarf und der Zeitpunkt war tatsächlich<br />
gut gewählt.<br />
PICTORIAL: Heute sind Ihre fotograischen<br />
Schwerpunkte – ich zitiere<br />
Sie – „PR-Fotos für Unternehmen,<br />
Veranstaltungsfotograie und<br />
Porträts.“ Da müssen wir nun etwas<br />
herauspicken. Sagen wir einfach:<br />
Ihre Portraits – sagen wir von<br />
Aufsichtsräten, Firmenvorständen,<br />
Mitarbeiter-in-gehobenen-Positionen-Portraits<br />
– interessieren mich.<br />
Zumal Ihre Arbeiten da auch gerne<br />
mal als Titelbild genommen werden.<br />
Macht- und einlußgewohnte Menschen<br />
unter Zeitdruck. Wie läuft das<br />
im Allgemeinen: Lassen die Sie machen?<br />
Oder haben diese Portraitierten<br />
eine klare Vorstellung, was<br />
sie wollen? Wie sie gerne „dastehen“<br />
möchten? Wie gehen Sie mit dieser<br />
Klientel um? Wird da zuerst gesprochen?<br />
Andreas Varnhorn: Das ist ganz unterschiedlich.<br />
Geredet wird natürlich immer<br />
vorher, um eine angenehme Atmosphäre<br />
und etwas Nähe zu schaffen.<br />
Einige Menschen sind auch etwas unsicher<br />
oder fühlen sich einfach unwohl vor<br />
der Kamera, müssen also da „durch“.<br />
Ich selbst kann das gut nachvollziehen,<br />
denn mir geht es vor der Kamera genauso,<br />
darum stehe ich ja auch lieber<br />
dahinter ...<br />
Die Business-Leute sind da meistens<br />
routinierter, was gut ist, denn, wie Sie<br />
richtig bemerkt haben, die Zeit ist oft sehr<br />
knapp bemessen. Auch wenn nur eine<br />
Viertelstunde zur Verfügung steht, sind<br />
die dann sehr konzentriert und gut bei<br />
der Sache. Beim Fotograieren selbst behandle<br />
ich die Kita-Mitarbeiter nicht anders<br />
als den Konzernchef oder den<br />
Fondsmanager. In allen Fällen führe ich<br />
die Regie, komponiere das Bild und gebe<br />
Anweisungen oder, milder gesagt, mache<br />
Vorschläge.<br />
Bei diesen Situationen habe ich eine<br />
künstliche und konstruierte Situation vorliegen,<br />
die meistens nicht wirklich etwas<br />
mit der Person zu tun hat. Das Shooting<br />
indet dann einfach als Shooting-Event<br />
statt, herausgelöst aus den normalen Lebensumständen<br />
oder dem Arbeitsalltag.<br />
Ich dringe in der Business-Fotograie also<br />
nicht wirklich zum Kern der Person vor,<br />
sondern versuche sie gut aussehen zu<br />
lassen. Ich kann aber auch hier das vorhin<br />
erwähnte Momentum suchen und<br />
manchmal inde ich es, auch bei konstruierten<br />
Situationen. Die Haltung, der Gesichtsausdruck,<br />
das Licht, die Komposition<br />
– alles muss passen, muss schnell<br />
erfasst werden.<br />
PICTORIAL: Kennen gelernt haben<br />
wir uns ja über das Freelens-Ausstellungs-Projekt<br />
„Slow“. Haben die<br />
Freelenser des Rhein-Main-Gebietes<br />
etwas Neues in der Pipeline? Gibt es<br />
Pläne für eine neue Ausstellung?<br />
Andreas Varnhorn: Ja. Wir haben uns<br />
bei unserem letzten Regionalgruppentreffen<br />
in Frankfurt gerade für ein neues Thema<br />
entschieden: WILD. Wir wollten nach<br />
dem Erfolg der gut besuchten SLOW-<br />
Ausstellung ein Vier-Buchstaben-Ding etablieren,<br />
quasi als Marke. Vier Buchstaben,<br />
immer Adjektive, immer großgeschrieben.<br />
Das kann deutsch oder englisch sein, es<br />
muss nur Platz für Kreativität lassen. Wir<br />
dachten zunächst an LOST für die nächste<br />
Ausstellung, haben dann aber festgestellt,<br />
dass der Begriff zu viele Gemeinsamkeiten<br />
mit SLOW hat. Also jetzt WILD.<br />
Das Haus am Dom in Frankfurt hat uns<br />
schon seine erneute Bereitschaft als Ausstellungshaus<br />
und Sponsor zu erkennen<br />
gegeben. Jetzt müssen wir mal schauen,<br />
wieviele Freelens-Mitglieder aus dem<br />
Rhein-Main-Gebiet mitmachen wollen.<br />
PICTORIAL: Natürlich renne ich mit<br />
der Frage offene Türen bei Ihnen ein:<br />
Wie wichtig ist das sich gegenseitige<br />
Vernetzen für Fotografen heute?<br />
1/20<strong>17</strong> | PICTORIAL | 13
interview<br />
Denn das Gros der Fotografen besteht<br />
ja aus Einzelkämpfern, die sich<br />
lieber abschotten als mit Kollegen –<br />
Konkurrenten – zu kooperieren.<br />
Andreas Varnhorn: Freelens tut da ja<br />
als Verband einiges, um dem entgegenzuwirken.<br />
USLOW-Ausstellung hat auf jeden<br />
Fall die teilnehmenden Rhein-Main-<br />
Fotografen etwas zusammenrücken<br />
lassen. So eine Ausstellung stärkt natürlich<br />
auch das Gemeinschaftsgefühl. Ich<br />
selbst habe häuig mit einer Handvoll Kollegen<br />
zu tun und wir stehen sehr offen<br />
miteinander in Kontakt, sprechen Probleme<br />
an oder vermitteln uns gegenseitig<br />
Jobs, wenn einer mal verhindert ist. Das<br />
läuft schon auf Vertrauensbasis und ohne<br />
befürchten zu müssen, das der Kollege<br />
oder die Kollegin einen alten Kunden<br />
wegschnappt.<br />
PICTORIAL: Sie haben just Ihre Webseite<br />
relauncht, auch, damit sie „handy-gängig“<br />
wird. Sie betonten, dass<br />
viele jüngere Bildredakteure ihre<br />
Bildauswahl oftmals am Handy treffen.<br />
Verändert das etwas für Sie als<br />
Fotograf? Wählen Sie Ihr Präsentations-Portfolio<br />
entsprechend aus, um<br />
bei diesen kleinformatigen Präsentations-Formaten<br />
zu punkten?<br />
14 | PICTORIAL | 1/20<strong>17</strong><br />
Andreas Varnhorn: Das mit den Bildredakteuren<br />
am Smartphone ist nur eine<br />
Vermutung. Mein Provider unterstützte<br />
pünktlich zum Jahreswechsel die bisherige<br />
Version meiner Webseite nicht<br />
mehr: zu alt! Da musste also zwangläuig<br />
ein Relaunch her, damit das Ding wieder<br />
läuft.<br />
Mir ist es völlig egal, ob ein potentieller<br />
Kunde sich über sein Smartphone oder<br />
am 30-Zoll-Monitor über mich informiert.<br />
Ich muss ihn aber dort abholen, wo er<br />
ist. Und wenn er morgens in der U-Bahn<br />
auf seinem iPhone meine Webseite anschaut,<br />
muss das angenehm anzuschauen<br />
sein. Diesen Service muss ich bieten.<br />
Konkret bedeutet dieser Relaunch für<br />
mich zum Beispiel, dass ich alle Hochformate<br />
rauswerfen muss, weil sich diese<br />
problematisch im Smartphone-Layout<br />
darstellen lassen. Eigentlich komisch,<br />
weil man ein Smartphone ja meistens im<br />
Hochformat hält. Aber auch auf großen<br />
Sreens und normalen Webseiten<br />
sind kaum noch Hochformate zu sehen.<br />
Schauen Sie sich mal die Webseiten von<br />
„Bild“, „Spiegel“ oder „Stern“ an: manchmal<br />
runde Bilder, Quadrate, aber so gut<br />
wie keine Hochformate. Und wenn, dann<br />
nur noch in der Werbung oder mehrere<br />
Hochformate nebenander montiert zu<br />
einem Querformat. Vielleicht sollten wir<br />
unser Ausstellungsthema noch mal ändern<br />
in HIGH oder HOCH, um dem jetzt<br />
aber mal ganz entschieden entgegenzuwirken<br />
...<br />
PICTORIAL: Fotograieren Sie vor diesem<br />
Hintergrund gar heute generell<br />
anders als noch vor 10 Jahren?<br />
Andreas Varnhorn: Nein, da sehe ich<br />
für mich keinen großen Unterschied. Ich<br />
bin allerdings perfektionistischer in der<br />
Nachbearbeitung geworden. Nicht im<br />
Sinne von Bildmanipulation, sondern ich<br />
betreibe einen aufwändigen Worklow,<br />
selbst wenn es sich zum Beispiel „nur“<br />
um Veranstaltunsgfotograie handelt. Ich<br />
fotograiere ausschließlich im RAW-Format,<br />
schaue mir jedes einzelne Motiv an,<br />
treibe viel Aufwand, um die Bilder anständig<br />
zu „entwickeln“. Der Begriff ist ja auch<br />
ganz witzig, wie so viele, dies sich aus<br />
der analogen Fotograie in die digitale<br />
Postproduction herübergerettet haben.<br />
PICTORIAL: Um den Bogen zu den<br />
Sorben zurück zu schlagen: Spielt<br />
Schwarz-Weiss-Fotograie für Ihr<br />
Schaffen heute noch eine Rolle?<br />
Oder ist das nurmehr etwas für Fotofestivals<br />
und Wettbewerbe?<br />
Andreas Varnhorn: Authentisch ist das<br />
für mich in der Analogfotograie, wenn<br />
auch Schwarzweißilme benutzt werden.<br />
Aber das ist ja mittlerweile eine kleine Nische.<br />
Ich inde es irgendwie eigenartig,<br />
eine Proi-Kamera in den Schwarzweiß-<br />
Modus zu schalten oder Farbaufnahmen<br />
in der Bildbearbeitung umzuwandeln in<br />
Schwarzweiß. Ein Schwarzweißilm kann<br />
halt nur Grautöne darstellen. Eine Digitalkamera<br />
nimmt aber in Farbe auf und reduziert<br />
dann die Informationen.<br />
Diese aufgesetzte Reduzierung ist für<br />
mich nicht glaubhaft. Man kann es machen,<br />
klar. Das ist dann eben ein Stilmittel,<br />
welches man beispielsweise gern<br />
in der Hochzeitsfotograie einsetzt, um<br />
„auf alt“ oder „authentisch“ zu machen.<br />
Es ist aber nicht echt. Vielleicht sehe ich<br />
das auch zu eng. Ich will nur sagen, es<br />
ist in Ordnung, es als Stilmittel einzusetzen,<br />
aber es ist kein echtes Genre, wenn<br />
man Schwarzweiß mit einer Digitalkamera<br />
fotograiert. Ich selbst fotograiere<br />
schon ganz lange nicht mehr analog, somit<br />
auch nicht schwarzweiß.<br />
PICTORIAL: Auch wenn Sie es – gerade<br />
– nicht realisieren können: Gibt es<br />
fotograische Themen, freie Projekte<br />
oder auch zu portraitierende Persönlichkeiten,<br />
die Sie noch reizen würden?<br />
Andreas Varnhorn: Wenn ich die vergangenen<br />
27 Jahre zurückschaue, stelle<br />
ich fest, dass die neuen Themen immer<br />
mich gefunden haben und nicht umgekehrt.<br />
Da war einiges an Zufall und Glück<br />
dabei. Wenn ein großer Kunde ging,<br />
kam ein anderer. Dadurch änderten sich<br />
auch die fotograischen Themen und alles<br />
musste erstmal neu auf die Spur gebracht<br />
werden. Da war wenig Raum für<br />
freie Projekte. Ich bewundere wirklich<br />
Kollegen, die sich da trotzdem konsequent<br />
Zeit für nehmen und ärgere mich<br />
schon manchmal, hier ein Deizit zu haben.<br />
Ich setze mich da aber auch nicht<br />
unter Druck, nach dem Motto, du musst<br />
jetzt aber auch mal kreativ sein und ein<br />
freies Projekt machen.<br />
Ich habe viel Zeit und Mühe in unser<br />
letztes Ausstellungsprojekt als Mitorganisator<br />
gesteckt. Das hat mir merkwürdigerweise<br />
mehr Spaß gemacht als meine<br />
eigenen Themen für die Ausstellung zu<br />
erstellen. Da kommt vielleicht der Dienstleister<br />
durch...<br />
PICTORIAL: Herzlichen Dank für das<br />
Gespräch.
vorschau<br />
PICtoRIal 3/20<strong>17</strong> erscheint im Mai 20<strong>17</strong><br />
bildbände<br />
Gerd Ludwig – Sleeping Cars<br />
es ist ein „leichtes“ buch von gerd ludwig. ein buch, das nicht<br />
die schwere seiner dokumentation „der lange schatten von<br />
tschernobyl“ mit sich trägt, nicht die beklemmung von „broken<br />
empire“ erzeugt. Wir sehen hier einen frei schwärmenden<br />
gerd ludwig vor uns, einen, der nachts aktiv ist, durch die<br />
stadt los angeles streift, dem dinge, Konstellationen, besonderheiten<br />
auffallen. ein bisschen wie der Jäger der blauen<br />
blume der romantik ...<br />
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Anschrift Redaktion<br />
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(stellv. Chefred.), ra david seiler<br />
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