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Patchwork- familien - marketing Deutscher Kinderschutzbund

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starke eltern<br />

starke kinder<br />

starke eltern<br />

starke kinder<br />

Beruf und Familie<br />

nicht zu vereinbaren?<br />

Vom Kindergarten<br />

in die Schule<br />

so gelingt der Übergang<br />

Familienalltag<br />

ohne StreSS<br />

LeSeLuSt<br />

Kinder brauchen Geschichten<br />

Kunterbunter Mix<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Kinderschutzbund</strong> Jahresheft 1/2011 € 6,90<br />

<strong>Patchwork</strong><strong>familien</strong>


inhalt<br />

Alles Zucker<br />

78<br />

Kleiderfragen<br />

dieS & daS<br />

6 Hier erfahren Sie das Neueste in Kürze<br />

poSitionen & projeKte<br />

14 Gut genug ist gut genug<br />

22 Was ist ein Fremder?<br />

28 Bei Anruf Hilfe<br />

34 Peter Schilling:<br />

„Musik kann Menschen sensibilisieren“<br />

36 Heaven, Hell & Paradise<br />

42 Freundschaft<br />

FaMilie & co.<br />

50 Familie (fast) ohne Grenzen<br />

58 Beruf und Familie<br />

66 Starke Großeltern – Starke Kinder<br />

72 Kein Stress!<br />

Familienalltag leichter gemacht<br />

78 Alles Zucker<br />

84 Kleiderfragen<br />

84<br />

Familie<br />

(fast) ohne<br />

Grenzen<br />

Beruf<br />

und Familie<br />

58<br />

erziehung & entwicKlung<br />

88 Lauter erste Male:<br />

Erziehung zur Selbständigkeit<br />

96 Kleine Wilde<br />

102 Mut zur Angst<br />

108 Augen zu und durch!<br />

Wenn Kinder ständig krank sind<br />

116 Taschengeld – der nachwachsende<br />

Rohstoff?<br />

50<br />

Kein Stress<br />

mit den<br />

Hausaufgaben<br />

Kindergarten & Schule<br />

122 Lisette Siek-Wattel:<br />

„Ich seh´ die Kinder, wie sie sind.“<br />

128 Ranzen, Tüte, starke Gefühle –<br />

der Übergang von Kita zur Grundschule<br />

134 Warum Lehrer gar nicht so blöd sind<br />

140 Kein Stress mit den Hausaufgaben<br />

Medien & Freizeit<br />

148 Computerspiele: Immer am Drücker?<br />

156 Leselust<br />

162 Vorlesegeschichte:<br />

Schule! schreit der Frieder, und die Oma,<br />

die kommt mit<br />

166 Urlaub wie die Cowboys<br />

174 Kinder brauchen Tiere<br />

Freundschaft<br />

182 „Papa, sind Fußballmännchen Kunst?”<br />

192 Der Deutsche <strong>Kinderschutzbund</strong><br />

4 starke eltern starke kinder starke eltern starke kinder 5<br />

140<br />

42<br />

Leselust<br />

156


Illustration: Anna Beck<br />

Familie<br />

(fast)<br />

ohne<br />

Grenzen<br />

Papa, Mama, Kind(er) – diese klassische Besetzung einer Familie<br />

galt noch bis vor wenigen Jahrzehnten als üblich und „normal“.<br />

Die Kernfamilie war Standard und festigte das Klischee von einer<br />

„richtigen“ Familie in unseren Köpfen. Doch mit der Familienrealität<br />

von heute stimmt dieses Bild längst nicht mehr überein:<br />

Rund 850.000 Kinder in Deutschland leben heute in so genannten<br />

<strong>Patchwork</strong><strong>familien</strong>.<br />

von Gabi Blum<br />

50 starke eltern starke kinder starke eltern starke kinder 51


familie & co.<br />

Damit sind zusammengewürfelte Beziehungsgeflechte<br />

gemeint, in denen Mutter und/oder Vater<br />

neue Partner haben, die wiederum Kinder aus<br />

vorherigen Beziehungen mitbringen. Nach der bei<br />

uns noch immer am häufigsten vertretenen Kernfamilie<br />

und der Ein-Elternfamilie hat es die <strong>Patchwork</strong>familie<br />

mittlerweile auf den dritten Platz der<br />

heute üblichen Familienformen geschafft.<br />

Wenn meine kleine Tochter mit ihren Freundinnen<br />

und ihren diversen Puppen spielt, dann sehr<br />

oft das altbekannte Spiel: Mutter-Vater-Kind. Dabei<br />

ist die Rollenverteilung glasklar: Die Väter müssen<br />

als Ernährer der Familie zur Arbeit, die Mütter<br />

kümmern sich derweil zu Hause rührend um die<br />

Versorgung ihrer Babys – fertig ist die Familie.<br />

Wenn ich ganz ehrlich bin – so ähnlich hatte ich<br />

mir das auch mal vorgestellt. Nicht den Teil mit<br />

der festgefahrenen Rollenverteilung freilich, denn<br />

dass ich meinen eigenen Beruf wollte und haben<br />

würde, war für mich nie eine Frage. Auch was ich<br />

werden wollte, stand für mich mit zehn Jahren<br />

fest: Journalistin. Dieses Ziel habe ich mehr oder<br />

weniger geradlinig erreicht. Die Familiengründung<br />

verlief dann allerdings anders als in meinen<br />

Lesetipps<br />

52 starke eltern starke kinder<br />

Matthias Ochs, Rainer Orban<br />

Familie geht auch anders.<br />

Wie Alleinerziehende, Scheidungskinder und<br />

<strong>Patchwork</strong><strong>familien</strong> glücklich werden<br />

Carl-Auer Verlag, ISBN 978-3-89670-655-3, Preis:14,95 €<br />

Die „Idealfamilie“ ist ein Mythos – das ist eine<br />

der zentralen Aussagen des Buchs der beiden<br />

Familientherapeuten Ochs und Orban. Diese<br />

Einsicht bietet Chancen: Wer sich vom lebensfremden<br />

Ideal verabschiedet, kann einen ganz<br />

neuen Blick auf andere Formen familiären Zusammenlebens<br />

entwickeln. Denn „Scheidung<br />

und Trennung münden nicht automatisch in<br />

eine Katastrophe“, so die Überzeugung der<br />

Autoren. Wie kann Familie aussehen, was<br />

leistet sie und wie lässt sie sich stärken? Ochs<br />

und Orban präsentieren keine Patentlösungen,<br />

sondern machen Mut, den eigenen Weg<br />

zu gehen. Ein Buch, das zum Weiterdenken<br />

anregt.<br />

mehr oder weniger romantischen Jungmädchenträumen<br />

und -vorstellungen. Denn heute lebe ich<br />

in einer <strong>Patchwork</strong>familie mit zwei eigenen Kindern<br />

und einem mittlerweile 17-jährigen Stiefsohn.<br />

Mit all den Konsequenzen, die ein solches<br />

Familienmodell nun einmal nach sich zieht.<br />

Dass mir das nicht immer leicht gefallen ist, gebe<br />

ich unumwunden zu. Dabei hatte ich riesengroßes<br />

Glück, denn der damals noch sehr kleine Sohn<br />

meines Mannes hatte mich vom ersten Augenblick<br />

an ins Herz geschlossen. Und ich hatte, im<br />

Unterschied zu vielen anderen Paaren in solchen<br />

Situationen, noch ein zweites Mal Glück: Der Junge<br />

hat eine Mutter, die ihn glücklicherweise nie<br />

gegen mich – die „Neue“ ihres Ex-Mannes – aufgestachelt<br />

hat. Dafür zolle ich ihr großen Respekt.<br />

Aufräumen, wAs mAn hinter sich<br />

gelAssen hAt<br />

Dennoch gab es viele Probleme und Schwierigkeiten,<br />

bis sich alle in dieser neuen Konstellation<br />

zurechtgefunden hatten. Natürlich hatte jeder der<br />

Beteiligten seine ganz eigene Sicht der Dinge, seine<br />

eigene „Wahrheit“, was die Lebensbedingungen<br />

für sich selbst und vor allem für das Kind anging,<br />

das plötzlich im Mittelpunkt des Interesses vieler<br />

Erwachsenen stand. Dazu kam, dass mein Mann<br />

und ich hohe Erwartungen, große Hoffnungen<br />

und viele Wünsche mit der Aussicht verbanden,<br />

künftig als Paar zusammenzuleben.<br />

Ein kinderloses, nie zuvor verheiratetes Paar hat<br />

andere Startbedingungen als Partner, die möglicherweise<br />

beide aus einer gescheiterten Ehe<br />

kommen, also schon eine erste Familiengründung<br />

hinter sich haben. Wir konnten den Blick nicht<br />

unbefangen nach vorne richten, denn wir mussten<br />

erst einmal „aufräumen“ und verarbeiten, was<br />

wir in den vorangegangenen Beziehungen hinter<br />

uns gelassen hatten. Und wir mussten uns Gedanken<br />

darüber machen, wie wir den kleinen Jungen<br />

meines Mannes so in unser neues Leben einbetten,<br />

dass er möglichst wenig unter den Lebensbrüchen<br />

der Erwachsenen leidet.<br />

In der Rückschau und mit dem Abstand, den wir<br />

heute haben, muss ich sagen, dass mein Stiefsohn<br />

die Lage damals am besten von uns allen gemeistert<br />

hat! Er zeigte eine für einen 6-jährigen Jungen<br />

erstaunliche Geduld mit den Großen, vor allem<br />

starke eltern starke kinder<br />

53


© istockphoto.com / Cruz Puga<br />

Kein<br />

StreSS!<br />

Familienalltag leichter gemacht<br />

„Hektik und Stress im Alltag“, „Streit in der Familie“ und „der Versuch, Familie<br />

und Beruf miteinander zu verbinden“ zählen laut einer Studie des Forsa Instituts<br />

zu den größten Stressfaktoren. Muss das wirklich so sein? Welche Möglichkeiten<br />

haben Mütter und Väter, den Stresspegel zu reduzieren?<br />

von Andrea Unser<br />

Wahrscheinlich kennen Sie das: Der Zeiger der Küchenuhr<br />

rückt vor auf 17 Uhr. Der Jüngste gähnt herzhaft<br />

und seine Augen werden immer kleiner. Er darf jetzt auf<br />

keinen Fall einschlafen, sonst wird es heute nichts mit<br />

einem gemütlichen Abend auf dem Sofa. Der zweijährige<br />

Bruder erntet mit seinem Traktor gerade „Kartoffeln“,<br />

dazu hat er die Kastanien auf dem Küchenfußboden<br />

verstreut. Der Größte, vier Jahre alt, schiebt sich seinen<br />

Kinderstuhl erwartungsvoll an die Küchenzeile, denn er<br />

möchte mir beim Kochen helfen. Es gibt heute gedünstetes<br />

Rotbarschfilet mit Dillsoße, Fenchel-Karotten-Gemüse<br />

und Salzkartoffeln. Mein Mann kommt nach Hause,<br />

wirft einen Blick auf die Küchenanrichte und zieht die<br />

Augenbrauen leicht hoch: „Gibt es heute Fisch und Fenchel?“<br />

Eigentlich mag er keinen Fisch. Etwas enttäuscht<br />

zieht er sich mit der Tageszeitung zurück.<br />

Sie werden sich vorstellen können, das wurde kein harmonischer<br />

Abend. Das Rotbarschfilet zerfiel und die<br />

Dillsauce schmeckte versalzen. Der Kleine schlief irgendwann<br />

doch ein und der Große kam dem Topf mit der<br />

Soße gefährlich nahe.<br />

Ich erinnere mich an diese Zeit als eine Phase der Dauererschöpfung<br />

und des Dauerstresses. Darüber klagen viele<br />

Mütter und Väter und fühlen sich den täglichen Anforderungen<br />

nicht gewachsen. Dabei ist es unwichtig, in welcher<br />

Familienphase sie sich gerade befinden. „Ich bin im<br />

Stress“ bleibt nicht nur ein oberflächlicher Ausspruch,<br />

sondern spiegelt gleichzeitig das Lebensgefühl wieder.<br />

Es ist, wie es ist<br />

Kinder, unabhängig von ihrem Alter und Entwicklungsstand,<br />

stellen uns immer wieder vor neue Aufgaben.<br />

Viele Babys schlafen nicht durch. Kleine Kinder können<br />

bockig und trotzig sein – die Liste lässt sich beliebig lange<br />

fortsetzen. Kinder fordern uns immer wieder heraus<br />

und suchen ihre Grenzen.<br />

Akzeptieren wir diese Gegebenheiten und sagen bewusst<br />

„ja“ dazu, werden wir ruhiger und gelassener. Durch das<br />

Annehmen unserer augenblicklichen Situation sinkt der<br />

Stresspegel deutlich. Der Dauerdruck lässt nach und es<br />

eröffnen sich plötzlich neue Handlungsspielräume:<br />

Jonas fällt der Abschied nicht so schwer, wenn er Mamas<br />

Halstuch in die Hosentasche steckt.<br />

Das Baby schläft am Vormittag immer mindestens zwei<br />

Stunden. In dieser Zeit kann ich mich ausruhen, so hält<br />

sich der Schlafmangel etwas in Grenzen.<br />

Das kleine Trotzköpfchen wird zugänglicher, sobald<br />

wir ihm eine Wahlmöglichkeit lassen.<br />

72 starke eltern starke kinder starke eltern starke kinder 73


© vsurkov – Fotolia.com<br />

Lauter erste Male:<br />

Erziehung<br />

selbstständigkeit<br />

88 starke eltern starke kinder starke eltern starke kinder 89<br />

zur<br />

Bei der Geburt lässt eine Mutter ihr Baby<br />

zum ersten Mal los. Von nun an wird es<br />

jeden Tag ein bisschen selbstständiger, bis<br />

es schließlich erwachsen ist. Diesen Prozess<br />

unterstützend zu begleiten ist eine der<br />

wichtigsten und schwierigsten Aufgaben in<br />

der Erziehung – für Mütter wie Väter.<br />

von Maja Roedenbeck


ErziEhung & Entwicklung<br />

90 starke eltern starke kinder<br />

Es gibt viele Momente im Leben eines Kindes, in denen seine Eltern spüren, dass es wieder<br />

ein Stück selbstständiger geworden ist: Wenn es mit ungefähr 18 Monaten plötzlich darauf<br />

besteht, alles alleine zu machen – alleine zu essen, sich alleine die Zähne zu putzen, sich alleine<br />

anzuziehen. Wenn es zum ersten Mal fröhlich in die Kindergartengruppe läuft, anstatt<br />

sich weinend an die Mama zu klammern. Wenn es zum ersten Mal bei Oma oder dem besten<br />

Freund übernachtet, zum ersten Mal allein zur Schule oder einkaufen geht, zum ersten Mal<br />

allein Bus fährt oder verreist.<br />

Diese Momente sind schön, sie machen stolz. Aber sie haben immer auch etwas von einem<br />

Abschied und sind daher mit Wehmut verbunden. Es schmerzt zu merken: Mein Kind<br />

braucht mich gar nicht mehr so sehr, es kommt alleine klar. Selbst wenn das so natürlich<br />

nicht stimmt. Es braucht seine Eltern immer noch, nur anders. Nicht mehr nur als Versorger,<br />

sondern als starken Rückhalt, als sichere Basis für die ersten selbstständigen Schritte in die<br />

Welt hinaus. Es braucht jetzt eine Mama, die ermutigt: „Toll, dass du das alleine versuchst!<br />

Du schaffst das bestimmt!“ und einen Papa, der tröstet: „Ist nicht schlimm, dass es diesmal<br />

noch nicht geklappt hat. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du das auch!“<br />

ES ScHMERZT ZU MERKEN:<br />

Mein Kind braucht mich gar<br />

nicht mehr so sehr, es kommt<br />

alleine klar.<br />

Wenn Loslassen schwerfällt<br />

Doch ihren Nachwuchs zuversichtlich loszulassen,<br />

fällt Eltern von heute besonders schwer. Prof. Dr.<br />

Dieter Spanhel, Erziehungswissenschaftler, Buchautor<br />

und Vorstandsmitglied im JFF Institut für<br />

Medienpädagogik in Forschung und Praxis in<br />

München, sieht zwei Gründe dafür: „Erstens wer-<br />

den Eltern durch die zahlreichen Medienberichte über entführte und missbrauchte Kinder<br />

verunsichert und haben Angst, dass etwas passieren könnte, wenn sie ihr Kind einfach laufen<br />

lassen. Und zweitens meinen viele, sie wüssten am besten, was gut für ihr Kind ist, und<br />

wollen seine Entwicklung im Griff behalten und nach ihren Überzeugungen gestalten und<br />

steuern.“ Aber Kinder können schon sehr früh ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche ausdrücken.<br />

„Diese“, so der Experte, „ müssen die Eltern sensibel wahrnehmen und mit berücksichtigen.“<br />

Selbstständigkeit ist ein wertvolles Gut, ein wichtiges Erziehungsziel. Die motivationspsychologische<br />

Forschung zeigt, dass ein Kind drei grundlegende Erfahrungen machen muss,<br />

damit es zu einem selbstständigen Menschen heranwächst: Die Erfahrung, selbst etwas bestimmen<br />

zu können (Autonomieerfahrung), die Erfahrung, selbst etwas bewirken zu können<br />

(Selbstwirksamkeitserfahrung), und die Erfahrung sicherer Beziehungen in der Familie, im<br />

Freundeskreis, in der Schule oder im Sportverein (soziales Eingebundensein).<br />

Eine wichtige Fähigkeit aus dem Bereich Selbstständigkeit, die früh gefördert gehört: Konflikte<br />

alleine lösen. Spätestens auf dem Schulhof können Mama und Papa nicht mehr dabei<br />

sein und eingreifen, wenn sich die Klassenkameraden um einen Fußball streiten. Bis dahin<br />

sollte das Kind gelernt haben, für sein Recht einzutreten, Kompromisse auszuhandeln und<br />

auch mal nachzugeben. Besser also, man ermutigt es schon im Sandkasten, sich die Schippe<br />

selbst zurückzuholen, die ein anderes Kind weggenommen hat, anstatt das mal eben mütterlich-resolut<br />

zu regeln. Besser, der Geschwisterstreit bekommt Raum, sich zu entfalten und<br />

selbst zu klären (solange es nicht zu gefährlichen Aggressionen kommt), anstatt dass Papa<br />

streng für Gerechtigkeit sorgt. „Es kommt darauf an, dass die Kinder Regeln für das Aushandeln<br />

von Kompromissen lernen“, erklärt Erziehungswissenschaftler Spanhel, „vor allem die<br />

wichtigste Regel: Konflikte werden grundsätzlich gewaltfrei gelöst.“<br />

Den angemessenen Rahmen<br />

finden<br />

Der Leitspruch der italienischen<br />

Reformpädagogin Maria<br />

Montessori, deren Lehren<br />

unser modernes Verständnis<br />

von Erziehung in vielen Aspekten<br />

geprägt haben, lautete<br />

nicht umsonst bereits Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts „Hilf<br />

mir, es selbst zu tun“. Man<br />

kann ein Kind beglucken<br />

und man kann es ins offene<br />

Messer rennen lassen. Beides<br />

ist wenig sinnvoll. Die Erziehung<br />

zur Selbstständigkeit<br />

versteht sich als goldener Mittelweg<br />

zwischen den beiden<br />

Extremen. „Ein Kind braucht<br />

Selbstständigkeit innerhalb<br />

eines Rahmens“, erklärt<br />

Spanhel, „Je sicherer und klarer<br />

gekennzeichnet der Rahmen<br />

ist, je konsequenter die<br />

Eltern darauf achten, dass er<br />

eingehalten wird, desto sicherer<br />

bewegt es sich innerhalb<br />

dieses Rahmens. Nur wenn<br />

das Kind das Gefühl hat, dass<br />

man ihm vertraut und ihm<br />

etwas zutraut, kann es sich<br />

innerhalb des Rahmens auf<br />

Neues einlassen und wichtige<br />

Lernschritte und Lebenserfahrungen<br />

machen.“<br />

Der Rahmen, das sind die<br />

Regeln, die die Eltern vorgeben.<br />

Die Grenzen, die sie setzen.<br />

Der Bereich, in dem sich<br />

das Kind frei bewegen kann.<br />

Die Entscheidungen, die es<br />

alleine treffen darf. In den<br />

verschiedenen Altersstufen,<br />

die das Kind durchläuft, wird<br />

dieser Rahmen unterschiedlich<br />

aussehen: So darf das<br />

Kindergartenkind noch nicht<br />

alleine im Hof oder Garten<br />

starke eltern starke kinder<br />

91


© banglds – Fotolia.com<br />

Ranzen, Tüte,<br />

starke Gefühle –<br />

der Übergang<br />

von Kita<br />

zu Grundschule<br />

Wer erinnert sich nicht an seinen ersten Schultag?<br />

An die Schultüte im Arm und den nagelneuen Ranzen<br />

auf dem Rücken? An den Stolz, die Neugier und die<br />

Aufregung schon lange vor dem großen Tag? Unvergessen<br />

aber auch die Kommentare der „Großen“:<br />

„Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“, und „Ab sofort<br />

ist es mit dem Spielen vorbei!“ Ambivalente Gefühle<br />

der Eltern und die Ungewissheit, was kommt, lösen<br />

bei Kindern starke Gefühle, auch diffuse Ängste aus.<br />

Umso wichtiger, den Nachwuchs beim Übergang in<br />

die Schule bestmöglich zu unterstützen.<br />

von Gaby Blum<br />

Tom ist kurz vor den Sommerferien sechs Jahre alt geworden.<br />

Er freut sich auf die Einschulung und fiebert schon einige<br />

Zeit dem großen Ereignis entgegen. Er kann es kaum<br />

erwarten, endlich ein Schulkind zu werden, lesen und<br />

schrei ben und rechnen zu lernen. Angst vor der Schule hat<br />

er keine, denn er kennt seine zukünftige Umgebung schon<br />

seit langem von den vielen Besuchen, die er sowohl mit seiner<br />

Mutter als auch mit seiner Kindergarten-Gruppe hier<br />

gemacht hat. Er weiß, wo sein Klassenzimmer und der Pausenhof<br />

sind, kennt den Weg zu den Toiletten und zur Turnhalle.<br />

Und vor allem: Er kennt schon seine Klassenlehrerin,<br />

Frau Meyer! Die ist sehr nett, das weiß er, weil sie ihn und<br />

die anderen künftigen Erstklässler viele Male im Kindergarten<br />

besucht, mit ihnen gesprochen und gemalt hat. Einige<br />

Male hat sie ihnen auch tolle Schulgeschichten vorgelesen,<br />

und Tom und seine Freunde aus dem „Kindi“ durften mit<br />

ihr eine Turnstunde in der Schulturnhalle erleben!<br />

Tom hat noch einen Grund, sich weder vor dem großen<br />

Schulgebäude, noch vor den vielen fremden Kindern auf<br />

dem Pausenhof zu fürchten: Er hat nämlich schon einen<br />

„großen“ Freund in der neuen Schule, den Lukas. Der geht<br />

in die dritte Klasse, kennt sich natürlich super aus und wird<br />

ihm in der Anfangszeit als „Pate“ zur Seite stehen und ihm<br />

helfen, sich hier zurechtzufinden.<br />

128 starke eltern starke kinder starke eltern starke kinder 129


© shutterstock.com / Dainis<br />

,, Papa, sind<br />

Fussballmannchen<br />

182 starke eltern starke kinder<br />

Kunst? ,,<br />

Regenwetter, schlechtgelaunte Kinder und einen Haufen<br />

Arbeit zu erledigen – manchmal kann das Leben sehr<br />

anstrengend sein. Es sei denn, man hat einen guten Einfall,<br />

wie man den ungehaltenen Nachwuchs sinnvoll beschäftigt.<br />

von Markus Hauser<br />

Es regnet. Schon seit Tagen. Mir macht das nichts aus, ich hab<br />

genug zu tun und Sonnenschein wäre motivationsmäßig hinderlich.<br />

Meine Stimmung ist also aufgeräumt im Gegensatz zu<br />

meinem Schreibtisch. Der Rest der Familie sieht das anders.<br />

Hund Paul hat Depressionen (er hasst Regen, vor allem das Pfotenwaschen<br />

und Fellfrottieren nach dem Gassigehen), Tobias,<br />

unser Ältester, ist mies gelaunt, weil er die ganze Woche nicht<br />

raus konnte, David, sein jüngerer Bruder, hat einen Mords-<br />

Schnupfen und meine Frau ist Dank unseres dauerquengelnden<br />

Nachwuchses mit ihrer Geduld am Ende:<br />

„Kannst du dich BITTE auch mal um die beiden kümmern?!“<br />

Das war keine höfliche Frage, sondern ein Befehl, ich kenne diesen<br />

Tonfall genau.<br />

„Gerne, Schatz, ich muss nur noch etwa einen Million Seiten<br />

fertig schreiben, dann stehe ich ganz und gar zu eurer Verfügung“,<br />

flöte ich, gut verschanzt hinter meinem Rechner und<br />

Bergen von Notizpapier. Jetzt nur nicht nachgeben, mein Arbeitszimmer<br />

ist eine Oase der Ruhe und des Friedens inmitten<br />

von Chaos. Die werde ich freiwillig nicht verlassen.<br />

„Sofort!!!“ Die Tür knallt. Ein größerer Papierstapel gerät ins<br />

Wanken und verabschiedet sich erdwärts. Ich ahne, was jetzt<br />

kommt. Meine Frau ist niemand, der sich so einfach abwimmeln<br />

lässt. Nicht, wenn Tobi und David sich seit Stunden lautstark<br />

in der Wolle haben und die Wohnung in Trümmern liegt.<br />

Fertig gespielt und nix zu tun<br />

Rumms, die Tür fliegt wieder auf, das Bücherregal wackelt, herein<br />

stürmt Tobi, seinen Bruder im Schlepp. „Mama hat gesagt,<br />

wir sollen jetzt dich nerven gehen.“<br />

„Genau“, pflichtet ihm David bei, „weil wir nicht raus dürfen<br />

und schon alles fertig gespielt haben.“<br />

„Man kann seine Spielsachen nicht ,fertig‘ spielen, das geht gar<br />

nicht“, belehre ich die beiden.<br />

„Doch, das geht wohl“, widerspricht Tobi verärgert. „Wenn man<br />

mit allem gespielt hat und alles aufgebaut und wieder abgebaut,<br />

dann hat man fertig gespielt.“<br />

„Genau, wir sind jetzt fertig“, schnieft David. „Und Mama sagt,<br />

du sollst dir was einfallen lassen.“<br />

Himmel, was soll mir denn noch einfallen, auf was die Jungs<br />

starke eltern starke kinder<br />

183

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