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Virtuos CNC gefräßt

Bericht im Magazin BM 4/2014

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Technik<br />

// <strong>CNC</strong>-Bearbeitung<br />

/ BM-Direkt<br />

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Diese Fotostrecke<br />

finden Sie auch<br />

in der Medien -<br />

bibliothek von<br />

www.bm-online.de<br />

/ Foto: Andreas Weinzierl<br />

/ Filigran und detailreich: Die von Weinzierl gefrästen Ornamente erforderten umfangreiches Know-how.<br />

Andreas Weinzierl fräst spektakuläre Ornamente in Rekordzeit<br />

<strong>Virtuos</strong> <strong>CNC</strong>-gefräst<br />

Gerade mal zwei Monate hatte Andreas Weinzierl Zeit, um 128 aufwendige<br />

Ornamente für eine spektakuläre Orgel zu fräsen. Dank ausgeklügeltem Zusammenspiel<br />

von moderner Software und leistungsstarker <strong>CNC</strong>-Technologie hat der<br />

pfiffige Schreinermeister diesen ungewöhnlichen Auftrag mit Bravour bewältigt.<br />

I Dieser bislang außergewöhnlichste Auftrag<br />

für Andreas Weinzierl, Geschäftsführer von<br />

3D-Holzdesign in Traunstein, hatte es in sich,<br />

die Aufgabenstellung anspruchsvoll: Das<br />

Fräsen von 128 Zierteilen in 3D, und zwar<br />

binnen gerade mal zwei Monaten. Im vergangenen<br />

September wurde die Orgel (Maße:<br />

12,5 m breit, 10,5 m hoch) eingeweiht. Auftraggeber<br />

war der russische Staat. Heute ist<br />

die Konzertsaalorgel in der Neuen Philharmonie<br />

in der Stadt Pensa im Einsatz.<br />

Erster und einziger Zusammenbau vor Ort<br />

Als der Auftrag im Februar 2013 erteilt wurde,<br />

war das Orgelgehäuse in Saarbrücken bei der<br />

Hugo Mayer Orgelbau GmbH bereits abgebaut<br />

und verpackt. Ein Anpassen und Prüfen<br />

der Ornamente war unmöglich. Hinzu kam,<br />

dass es keine Datengrundlage für die einzelnen<br />

Zierteile gab. Die in der Zeichnung angedeuteten<br />

Ornamente waren lediglich für eine<br />

Visualisierung angedacht. So musste eine<br />

komplett neue Datengrundlage geschaffen<br />

werden. „Konventionell ließen sich die Profilleisten<br />

nicht fertigen. Einzig allein ein Bildhauer<br />

hätte die konisch rund zulaufenden<br />

Profile herausschnitzen können“, so Weinzierl.<br />

Die neue Basis: Exakte Daten in 3D<br />

Mit dem Unternehmen Augenpulver – Design<br />

und Illustration GbR aus Wiesbaden fand<br />

Weinzierl einen kompetenten Partner. Das<br />

Unternehmen erstellt Highend-3D-Grafiken<br />

und Visualisierungen für die Industrie. Zum<br />

Erstellen der Daten kamen Cinema 4D und<br />

zum Teil sogenannte Sculpting-Programme<br />

wie 3D-Coat zum Einsatz. Dabei werden die<br />

3D-Daten entweder anhand von Plänen<br />

rekonstruiert oder anhand von gescannten<br />

3D-Daten wieder vervollständigt. Zur Erstellung<br />

der gewünschten Ornamente stand<br />

zunächst nur ein Rendering zur Verfügung,<br />

in dem einige Rankenelemente zu sehen,<br />

jedoch in keiner Weise verwendbar waren.<br />

Zunächst wurden die CAD-Daten der Orgel<br />

ohne die Ornamente importiert und die leeren<br />

Flächen passend mit Ranken und Stützen<br />

gefüllt. Zunächst erstellte man alle Basisran-<br />

58 BM 04/14


Geschafft! Schreinermeister Andreas Weinzierl hat<br />

das anspruchsvolle Projekt in Rekordzeit abgearbeitet.<br />

/ Die robuste Bauweise der Homag BOF 311 sorgte<br />

für die nötige Maschinenperformance.<br />

/ Die Orgel in der russischen Stadt Pensa ist<br />

beachtliche 12,5 m breit und 10,5 m hoch.<br />

/ Bei der Herstellung der Ornamente war hohe<br />

Präzi sion ein Muss. Weinzierl hat dies dank seinem …<br />

/ … langjährigen <strong>CNC</strong>-Know-how und optimierten<br />

Bearbeitungsstrategien bestens hinbekommen.<br />

kenteile, kombinierte diese zu einem Rankenwerk<br />

und passte sie an die benötigten Maße<br />

an. Paul Kramer, Technical Director von<br />

Augenpulver: „Bei einem Rankenwerk ist zum<br />

Beispiel darauf zu achten, dass bestimmte<br />

Dicken nicht unter- oder überschritten werden,<br />

sich gewisse Elemente gar nicht fräsen<br />

lassen und alle Elemente in etwa die gleiche<br />

Ausprägung haben. Letztendlich mussten die<br />

Rankenteile exakt in bestimmte vorgegebene<br />

Flächen passen. Einige Teile wurden nach dem<br />

Erstellen über ein vorgegebenes Bogenmaß<br />

dann sogar noch gebogen. Mit Cinema 4D<br />

sind diese Anpassungen kein Problem.“<br />

Beim Import wurde peinlichst darauf geachtet,<br />

dass die Orgel millimetergenau genau in<br />

Cinema 4D importiert wurde. Das war die<br />

Basis für die Erstellung der Ranken. „Die<br />

benötigten Daten in einem konventionellen<br />

CAD-Programm zu bauen, wäre fast unmöglich<br />

gewesen“, so Kramer.<br />

Die Umsetzung: Mastercam trifft Homag<br />

Die Produktion der Bauteile musste natürlich<br />

wirtschaftlich effizient realisiert werden –<br />

wofür das Homag-<strong>CNC</strong>-Bearbeitungszentrum<br />

BOF 311 und die CAD/CAM-Software sorgten.<br />

Weinzierl und seine Kollegen von 3D-Holzdesign<br />

setzen hierfür seit Jahren Mastercam<br />

ein. Der Mastercam-Händler Formtec AG aus<br />

der Schweiz entwickelte dazu eine durchgängige<br />

und durchdachte Anbindung für Homag-<br />

Maschinen.<br />

Mit der robusten Bauweise der Homag<br />

BOF 311 verfügte Weinzierl über die nötige<br />

Maschinenperformance. Hochflexibel in der<br />

Bearbeitung ist die <strong>CNC</strong>-Maschine vor allem<br />

durch die Fünfachs-Frässpindel „Drive5+“. Sie<br />

steht für ein volles Drehmoment auch bei<br />

niedrigen Drehzahlen und verfügt über eine<br />

Flüssigkeitskühlung für hohe Präzision und<br />

lange Lebensdauer.<br />

Gefräst wurden die Ornamente ausschließlich<br />

mit Stellachse. Das Feinschlichten wurde mit<br />

kleinen Kugelfräsern durchgeführt. Lediglich<br />

das Formatieren der gebogenen Bauteile fand<br />

simultan statt.<br />

Weinzierl betont: „Besonders zu erwähnen<br />

ist hier die Tatsache, dass einige Bauteile<br />

zunächst als 3D-Rohteil vorgefertigt werden<br />

mussten. Dazu wurden sie zuerst rückseitig<br />

als Einzelbrett ausgehöhlt und die Gehrungsflanken<br />

angefräst. Danach wurden die Bohlen<br />

entsprechend rund zu einer Einheit verleimt.“<br />

Das so entstandene Kreissegment wurde<br />

anschließend auf der konvexen Gegenseite<br />

mit einem 16-mm-Standard-Schruppfräser<br />

Material im Abstand von zwei Millimetern zur<br />

Originalkontur herausgearbeitet. An schlie -<br />

ßend ließ man einen 12-mm-Halbrundfräser<br />

die Ranken konturparallel abfahren.<br />

Hierfür eignet sich besonders die Werkzeugwegstrategie<br />

„Hohlkehle“. Dabei wird konturparallel<br />

zu einer Kurve gefräst, welche die<br />

04/14 BM 59


Technik<br />

// <strong>CNC</strong>-Bearbeitung<br />

/ Die BOF 311 bei der Arbeit: Die Präzision, Flexibilität<br />

und Robustheit des Bearbeitungs zentrums …<br />

/ … hat wesentlich zum Gelingen des sehr anspruchsvollen<br />

Auftrages beigetragen.<br />

/ Der 3D-Holzdesign-Azubi hat gut lachen: Aufträge<br />

wie diese hat man wirklich nicht alle Tage.<br />

/ Zum Erstellen der Daten kamen Cinema 4D und<br />

Sculpting-Programme zum Einsatz. Dabei …<br />

/ … vertraute Weinzierl auf die umfassende Kompetenz<br />

der Firma Augenpulver mit Sitz in Wiesbaden.<br />

Daten und Fakten<br />

Hauptrichtung der einzelnen Ranke vorgibt.<br />

So entsteht ein Fräsergebnis, das dem handwerklichen<br />

Schnitzen sehr nahe kommt.<br />

Im nächsten Schritt werden die Vertiefungen,<br />

die kleiner als 12 mm sind, mit einem<br />

5-mm-Halbrundfräser nachbearbeitet, da<br />

ansonsten das Schlichtwerkzeug brechen<br />

würde. Dieses erreicht auf Anhieb nämlich<br />

auch die Vertiefungen, die das Vorgängerwerkzeug<br />

aufgrund des Durchmessers nicht<br />

vorschruppen konnte. Die in Mastercam vorgesehene<br />

Strategie „Restmaterialschruppen“<br />

berechnet diese Bahnen automatisch in<br />

Abhängigkeit vom vorherigen Fräswerkzeug.<br />

Letzte Schritte, längste Schritte<br />

Nachdem die Werkzeugwege bisher alle dem<br />

Schruppen bzw. Vorfräsen gegolten haben,<br />

fehlte noch das Endschlichten: Ein Bahnversatz<br />

von 0,4 mm gewährleistete dabei eine<br />

saubere Oberfläche. Die Vorschubgeschwindigkeit<br />

lag bei 6 bis 8 m/min. Damit war<br />

Weinzierl auch bei der langwierigsten Fräsoperation<br />

angekommen: 70 % des Zeitaufwands<br />

gingen zulasten des Endschlichtens.<br />

Für die Homag BOF 311 bedeutete das:<br />

drei Tage fräsen, nonstop, rund um die Uhr.<br />

Gewusst wie: Kleben statt spannen<br />

Beim Werkstückspannen setzte Weinzierl<br />

auf eine eigene Lösung: „Ich habe einen<br />

entsprechenden Sprühkleber ausfindig<br />

gemacht. Dieser lässt sich auch nach Wochen<br />

noch rückstandsfrei lösen. Bezüglich der<br />

Auftragsmenge sollten zuvor allerdings<br />

Versuche gemacht werden. So habe ich<br />

sämtliche Rankenwerke mit Sprühkleber<br />

auf einer Opferplatte fixiert und dann im<br />

Anschluss abgelöst. Plane Flächen wurden<br />

dabei in der Furnierpresse und gebogene<br />

Rankenwerke mittels Vakuumtisch verpresst.“<br />

(cn/Quelle: Homag, Julia Weber) I<br />

Auf einen Blick<br />

·<br />

Die Bauzeit der Orgel betrug ein Jahr, die<br />

Aufbauzeit in Penza rund sechs Wochen.<br />

Die Orgel (Breite 12,5 m, Höhe 10,5 m,<br />

Tiefe 4,5 m) verfügt über 47 Register,<br />

verteilt auf drei Manuale und Pedal. ·<br />

Besonder heit: großes symphonisches<br />

Orgelwerk mit einem neoklassizistischen<br />

Orgelgehäuse.<br />

· Die Herstellung der Ornamente<br />

erfolgte auf einem Homag-Bearbeitungszentrum<br />

BOF 311 (Bearbeitungshöhe<br />

300 mm) mit Fünfachs-Frässpindel<br />

Drive 5+ (15 kW, 24 000 min -1 )<br />

· Am Projekt beteiligte Unternehmen:<br />

www.homag.com<br />

www.formtecag.ch<br />

www.augenpulver-design.de<br />

www.orgelbau-mayer.de<br />

3D-Holzdesign<br />

83278 Traunstein<br />

www.3D-holzdesign.de<br />

60 BM 04/14

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