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Technik<br />
// <strong>CNC</strong>-Bearbeitung<br />
/ BM-Direkt<br />
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www.bm-online.de<br />
/ Foto: Andreas Weinzierl<br />
/ Filigran und detailreich: Die von Weinzierl gefrästen Ornamente erforderten umfangreiches Know-how.<br />
Andreas Weinzierl fräst spektakuläre Ornamente in Rekordzeit<br />
<strong>Virtuos</strong> <strong>CNC</strong>-gefräst<br />
Gerade mal zwei Monate hatte Andreas Weinzierl Zeit, um 128 aufwendige<br />
Ornamente für eine spektakuläre Orgel zu fräsen. Dank ausgeklügeltem Zusammenspiel<br />
von moderner Software und leistungsstarker <strong>CNC</strong>-Technologie hat der<br />
pfiffige Schreinermeister diesen ungewöhnlichen Auftrag mit Bravour bewältigt.<br />
I Dieser bislang außergewöhnlichste Auftrag<br />
für Andreas Weinzierl, Geschäftsführer von<br />
3D-Holzdesign in Traunstein, hatte es in sich,<br />
die Aufgabenstellung anspruchsvoll: Das<br />
Fräsen von 128 Zierteilen in 3D, und zwar<br />
binnen gerade mal zwei Monaten. Im vergangenen<br />
September wurde die Orgel (Maße:<br />
12,5 m breit, 10,5 m hoch) eingeweiht. Auftraggeber<br />
war der russische Staat. Heute ist<br />
die Konzertsaalorgel in der Neuen Philharmonie<br />
in der Stadt Pensa im Einsatz.<br />
Erster und einziger Zusammenbau vor Ort<br />
Als der Auftrag im Februar 2013 erteilt wurde,<br />
war das Orgelgehäuse in Saarbrücken bei der<br />
Hugo Mayer Orgelbau GmbH bereits abgebaut<br />
und verpackt. Ein Anpassen und Prüfen<br />
der Ornamente war unmöglich. Hinzu kam,<br />
dass es keine Datengrundlage für die einzelnen<br />
Zierteile gab. Die in der Zeichnung angedeuteten<br />
Ornamente waren lediglich für eine<br />
Visualisierung angedacht. So musste eine<br />
komplett neue Datengrundlage geschaffen<br />
werden. „Konventionell ließen sich die Profilleisten<br />
nicht fertigen. Einzig allein ein Bildhauer<br />
hätte die konisch rund zulaufenden<br />
Profile herausschnitzen können“, so Weinzierl.<br />
Die neue Basis: Exakte Daten in 3D<br />
Mit dem Unternehmen Augenpulver – Design<br />
und Illustration GbR aus Wiesbaden fand<br />
Weinzierl einen kompetenten Partner. Das<br />
Unternehmen erstellt Highend-3D-Grafiken<br />
und Visualisierungen für die Industrie. Zum<br />
Erstellen der Daten kamen Cinema 4D und<br />
zum Teil sogenannte Sculpting-Programme<br />
wie 3D-Coat zum Einsatz. Dabei werden die<br />
3D-Daten entweder anhand von Plänen<br />
rekonstruiert oder anhand von gescannten<br />
3D-Daten wieder vervollständigt. Zur Erstellung<br />
der gewünschten Ornamente stand<br />
zunächst nur ein Rendering zur Verfügung,<br />
in dem einige Rankenelemente zu sehen,<br />
jedoch in keiner Weise verwendbar waren.<br />
Zunächst wurden die CAD-Daten der Orgel<br />
ohne die Ornamente importiert und die leeren<br />
Flächen passend mit Ranken und Stützen<br />
gefüllt. Zunächst erstellte man alle Basisran-<br />
58 BM 04/14
Geschafft! Schreinermeister Andreas Weinzierl hat<br />
das anspruchsvolle Projekt in Rekordzeit abgearbeitet.<br />
/ Die robuste Bauweise der Homag BOF 311 sorgte<br />
für die nötige Maschinenperformance.<br />
/ Die Orgel in der russischen Stadt Pensa ist<br />
beachtliche 12,5 m breit und 10,5 m hoch.<br />
/ Bei der Herstellung der Ornamente war hohe<br />
Präzi sion ein Muss. Weinzierl hat dies dank seinem …<br />
/ … langjährigen <strong>CNC</strong>-Know-how und optimierten<br />
Bearbeitungsstrategien bestens hinbekommen.<br />
kenteile, kombinierte diese zu einem Rankenwerk<br />
und passte sie an die benötigten Maße<br />
an. Paul Kramer, Technical Director von<br />
Augenpulver: „Bei einem Rankenwerk ist zum<br />
Beispiel darauf zu achten, dass bestimmte<br />
Dicken nicht unter- oder überschritten werden,<br />
sich gewisse Elemente gar nicht fräsen<br />
lassen und alle Elemente in etwa die gleiche<br />
Ausprägung haben. Letztendlich mussten die<br />
Rankenteile exakt in bestimmte vorgegebene<br />
Flächen passen. Einige Teile wurden nach dem<br />
Erstellen über ein vorgegebenes Bogenmaß<br />
dann sogar noch gebogen. Mit Cinema 4D<br />
sind diese Anpassungen kein Problem.“<br />
Beim Import wurde peinlichst darauf geachtet,<br />
dass die Orgel millimetergenau genau in<br />
Cinema 4D importiert wurde. Das war die<br />
Basis für die Erstellung der Ranken. „Die<br />
benötigten Daten in einem konventionellen<br />
CAD-Programm zu bauen, wäre fast unmöglich<br />
gewesen“, so Kramer.<br />
Die Umsetzung: Mastercam trifft Homag<br />
Die Produktion der Bauteile musste natürlich<br />
wirtschaftlich effizient realisiert werden –<br />
wofür das Homag-<strong>CNC</strong>-Bearbeitungszentrum<br />
BOF 311 und die CAD/CAM-Software sorgten.<br />
Weinzierl und seine Kollegen von 3D-Holzdesign<br />
setzen hierfür seit Jahren Mastercam<br />
ein. Der Mastercam-Händler Formtec AG aus<br />
der Schweiz entwickelte dazu eine durchgängige<br />
und durchdachte Anbindung für Homag-<br />
Maschinen.<br />
Mit der robusten Bauweise der Homag<br />
BOF 311 verfügte Weinzierl über die nötige<br />
Maschinenperformance. Hochflexibel in der<br />
Bearbeitung ist die <strong>CNC</strong>-Maschine vor allem<br />
durch die Fünfachs-Frässpindel „Drive5+“. Sie<br />
steht für ein volles Drehmoment auch bei<br />
niedrigen Drehzahlen und verfügt über eine<br />
Flüssigkeitskühlung für hohe Präzision und<br />
lange Lebensdauer.<br />
Gefräst wurden die Ornamente ausschließlich<br />
mit Stellachse. Das Feinschlichten wurde mit<br />
kleinen Kugelfräsern durchgeführt. Lediglich<br />
das Formatieren der gebogenen Bauteile fand<br />
simultan statt.<br />
Weinzierl betont: „Besonders zu erwähnen<br />
ist hier die Tatsache, dass einige Bauteile<br />
zunächst als 3D-Rohteil vorgefertigt werden<br />
mussten. Dazu wurden sie zuerst rückseitig<br />
als Einzelbrett ausgehöhlt und die Gehrungsflanken<br />
angefräst. Danach wurden die Bohlen<br />
entsprechend rund zu einer Einheit verleimt.“<br />
Das so entstandene Kreissegment wurde<br />
anschließend auf der konvexen Gegenseite<br />
mit einem 16-mm-Standard-Schruppfräser<br />
Material im Abstand von zwei Millimetern zur<br />
Originalkontur herausgearbeitet. An schlie -<br />
ßend ließ man einen 12-mm-Halbrundfräser<br />
die Ranken konturparallel abfahren.<br />
Hierfür eignet sich besonders die Werkzeugwegstrategie<br />
„Hohlkehle“. Dabei wird konturparallel<br />
zu einer Kurve gefräst, welche die<br />
04/14 BM 59
Technik<br />
// <strong>CNC</strong>-Bearbeitung<br />
/ Die BOF 311 bei der Arbeit: Die Präzision, Flexibilität<br />
und Robustheit des Bearbeitungs zentrums …<br />
/ … hat wesentlich zum Gelingen des sehr anspruchsvollen<br />
Auftrages beigetragen.<br />
/ Der 3D-Holzdesign-Azubi hat gut lachen: Aufträge<br />
wie diese hat man wirklich nicht alle Tage.<br />
/ Zum Erstellen der Daten kamen Cinema 4D und<br />
Sculpting-Programme zum Einsatz. Dabei …<br />
/ … vertraute Weinzierl auf die umfassende Kompetenz<br />
der Firma Augenpulver mit Sitz in Wiesbaden.<br />
Daten und Fakten<br />
Hauptrichtung der einzelnen Ranke vorgibt.<br />
So entsteht ein Fräsergebnis, das dem handwerklichen<br />
Schnitzen sehr nahe kommt.<br />
Im nächsten Schritt werden die Vertiefungen,<br />
die kleiner als 12 mm sind, mit einem<br />
5-mm-Halbrundfräser nachbearbeitet, da<br />
ansonsten das Schlichtwerkzeug brechen<br />
würde. Dieses erreicht auf Anhieb nämlich<br />
auch die Vertiefungen, die das Vorgängerwerkzeug<br />
aufgrund des Durchmessers nicht<br />
vorschruppen konnte. Die in Mastercam vorgesehene<br />
Strategie „Restmaterialschruppen“<br />
berechnet diese Bahnen automatisch in<br />
Abhängigkeit vom vorherigen Fräswerkzeug.<br />
Letzte Schritte, längste Schritte<br />
Nachdem die Werkzeugwege bisher alle dem<br />
Schruppen bzw. Vorfräsen gegolten haben,<br />
fehlte noch das Endschlichten: Ein Bahnversatz<br />
von 0,4 mm gewährleistete dabei eine<br />
saubere Oberfläche. Die Vorschubgeschwindigkeit<br />
lag bei 6 bis 8 m/min. Damit war<br />
Weinzierl auch bei der langwierigsten Fräsoperation<br />
angekommen: 70 % des Zeitaufwands<br />
gingen zulasten des Endschlichtens.<br />
Für die Homag BOF 311 bedeutete das:<br />
drei Tage fräsen, nonstop, rund um die Uhr.<br />
Gewusst wie: Kleben statt spannen<br />
Beim Werkstückspannen setzte Weinzierl<br />
auf eine eigene Lösung: „Ich habe einen<br />
entsprechenden Sprühkleber ausfindig<br />
gemacht. Dieser lässt sich auch nach Wochen<br />
noch rückstandsfrei lösen. Bezüglich der<br />
Auftragsmenge sollten zuvor allerdings<br />
Versuche gemacht werden. So habe ich<br />
sämtliche Rankenwerke mit Sprühkleber<br />
auf einer Opferplatte fixiert und dann im<br />
Anschluss abgelöst. Plane Flächen wurden<br />
dabei in der Furnierpresse und gebogene<br />
Rankenwerke mittels Vakuumtisch verpresst.“<br />
(cn/Quelle: Homag, Julia Weber) I<br />
Auf einen Blick<br />
·<br />
Die Bauzeit der Orgel betrug ein Jahr, die<br />
Aufbauzeit in Penza rund sechs Wochen.<br />
Die Orgel (Breite 12,5 m, Höhe 10,5 m,<br />
Tiefe 4,5 m) verfügt über 47 Register,<br />
verteilt auf drei Manuale und Pedal. ·<br />
Besonder heit: großes symphonisches<br />
Orgelwerk mit einem neoklassizistischen<br />
Orgelgehäuse.<br />
· Die Herstellung der Ornamente<br />
erfolgte auf einem Homag-Bearbeitungszentrum<br />
BOF 311 (Bearbeitungshöhe<br />
300 mm) mit Fünfachs-Frässpindel<br />
Drive 5+ (15 kW, 24 000 min -1 )<br />
· Am Projekt beteiligte Unternehmen:<br />
www.homag.com<br />
www.formtecag.ch<br />
www.augenpulver-design.de<br />
www.orgelbau-mayer.de<br />
3D-Holzdesign<br />
83278 Traunstein<br />
www.3D-holzdesign.de<br />
60 BM 04/14