BELVAL INDUSTRIELLE UND POSTINDUSTRIELLE ...
BELVAL INDUSTRIELLE UND POSTINDUSTRIELLE ...
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<strong>BELVAL</strong><br />
<strong>INDUSTRIELLE</strong> <strong>UND</strong> POST<strong>INDUSTRIELLE</strong> TRANSfORmATION<br />
ARCHITEKTURTHEORIE.EU
Leopold- Franzens- Universität Innsbruck<br />
Bart Lootsma, Panajota Panatopoulou, Jan Willman<br />
Esther Höllwart und Gregory Speck
ESCH <strong>BELVAL</strong><br />
Industrielle und postindustrielle<br />
Transformation<br />
Einführung<br />
Eine Auseinandersetzung mit dem ehemaligen<br />
Schwerindustriegebiet Esch Belval im Süden von<br />
Luxemburg hinsichtlich, industrieller und postindustrieller<br />
Auswirkungen auf das Gebiet und auf<br />
die Gesellschaft in Luxemburg, soll das Thema dieses<br />
Buches sein.<br />
Die Industriebrache Belval, löst schon beim Betreten<br />
eine Zeitreise im Kopf aus.<br />
Der Anblick der Hochöfen läßt die Betriebsamkeit<br />
von damals erahnen.<br />
Facts:<br />
Nach der Stilllegung der Hochöfen blieb das Gebiet<br />
von 1998 bis 2006 eine Industriebrache. Jedoch<br />
ist es nicht so, dass sich während dieser Zeit hier<br />
nichts abspielte. Die Stahlindustrie wurde von der<br />
Filmindustrie abgelöst.<br />
Seid 2006 entstehen in Belval konkrete städtebauliche<br />
Visionen.<br />
So unterzeichnete AGORA und das Konsortium<br />
Multiplan/SNS Property Finance , im Jänner 2006,<br />
den Entwicklungsplan für Belvalplaza. Auf einer<br />
Gesamtfläche von über 80.000m2 BGF soll ein für<br />
Luxemburg einzigartiges Urban Living Konzept<br />
mit Handel und Dienstleistungen, Bildung und<br />
Forschung ,Kultur, Wohnen und Bürofläche entstehen.<br />
Die derzeit im Bau befindliche City of Sience, wird<br />
vorerst einen Nucleus bilden, welcher schon autark<br />
funktionieren soll. Nach und nach wird sich<br />
das Gebiet dann verdichten.<br />
Untersuchungen von Kontrasten, hinsichtlich<br />
Baustrukturen des späten 19. und frühen<br />
20.Jahrhundert , veranschaulichen Transformationen<br />
die vom Industriellen bis hin zum Postindustriellen<br />
Zeitalter stattgefunden haben.<br />
Weiters wird eine gedankliche Brücke zur<br />
Hafencity Hamburg, hinsichtlich dem „Urban<br />
Reset“geschlagen.<br />
Ganz nach dem eklektizistischen Prinzip, eine<br />
Neuinterpretation von Vorhandenem Gut?<br />
Die Auseinandersetzen widmen sich nicht zuletzt<br />
den Hochöfen selbst, die Belvalplaza als Denkmal<br />
erhaltenbleiben. Im Zentrum der künftigen<br />
Stadt prägen diese deren Erscheinungsbild und<br />
wirken wie eine Kathedrale.<br />
Was soll dieses Denkmal zu denken geben?<br />
Ist es ein Mahnmal an die Arbeiter von damals<br />
oder ist es ein Symbol für „Städtebauliche<br />
Visionen“ von damals und vorallem für „morgen“?<br />
Gregory Speck und Esther Hoellwart
Inhaltsverzeichnis<br />
1....Einführung, These<br />
2.Lage von Esch Belval -Impressionen<br />
3....Chronologie und Urbanisierung von Esch sur Alzette<br />
4....Transformationen industriell- postindustriell<br />
4.1. Vom Hochofen zum Büro oder Vom Stahlarbeiter zum Laboranten<br />
4.2. Gesellschaft im Wandel- Partizipation des Wohnens<br />
4.3. Infrastruktur im Wandel- Veränderte Mobilität der Gesellschaft<br />
5....Urban Reset<br />
5.1 Neuinterpretation des Areals -Von der Stahl-zur Filmindustrie<br />
5.2 Ceci ne pas Venise<br />
5.3. Hochofen als Denkmal
Sanem<br />
Esch-sur-Alzette<br />
Luxemburg<br />
LagevonEsch-Belval<br />
Das ca. 120 ha große Gebiet ‘Belval-Ouest liegt<br />
im Süd- Westen des Großherzogtum Luxemburg,<br />
unmittelbar an der französischen Grenze<br />
zwischen den Gemeinden Esch-sur-Alzette und<br />
Sanem.<br />
Die Stadt Esch-sur-Alzette stellt das Zentrum der<br />
Stahlindustrie dar.<br />
Industriegeschichte und Industriekultur sind hier<br />
bis in die Gegenwart präsent.
Impressionen
Blick auf den Hochofen von Nord<br />
Teile der Gebläsehalle<br />
Die Bilder dieser Impressionen veranschaulichen<br />
den Stand vom Oktober 2009 in Belval.
Der Weg vom Dexia zur Rockhalle<br />
Rockhalle im Westen gelegen<br />
Abb. 1<br />
Der Kontrast zeigt wie die Geschichte der Stahlindustrie das Landschaftsbild geprägt hat. Die<br />
Metropole von damals mit Hochöfen und die Metrople von Morgen mit Skyscrapern.
ANFÄNGE DER INDUSTRIE<br />
und die damit verbundene<br />
Urbanisierung von Esch-sur-Alzette<br />
Um die Jahrhundertwende, vom 19. zum 20.<br />
Jahrhundert ging die Gesellschaft von einer<br />
Agrar- zu<br />
einer Industriegesellschaft über.<br />
Luxemburgs trat 1842 dem „Deutschen Zollverein“<br />
bei und konnte davon stark profitieren.<br />
Das Straßennetz wurde ausgebaut, zwei Eisenbahngesellschaften<br />
gegründet, neue Industrieunternehmen<br />
aufgebaut.<br />
Das Koks für die luxemburgischen Hochöfen<br />
kamen großenteils aus Deutschland und im<br />
Gegenzug gingen Stahl und Eisen zur Weiterverarbeitung<br />
ins Ruhrgebiet.<br />
1908-1912 erbaute die Gelsenkirchner Berwerks<br />
AG (Norbert Metz) die Hütte „Adolf Emil“, das erste<br />
große integrierte Hüttenwerk Luxemburgs auf<br />
dem Gebiet der Stadt Esch. Sechs Hochöfen, ein<br />
Thomas-Stahlwerk, zwei Mischer, vier Konverter,<br />
acht Walzstraßen beinhaltete dieses hochmoderne<br />
Industriezentrum.<br />
Es war das zweitgrößte Stahlunternehmen<br />
Deutschlands.<br />
1919 hat die „Societe Metallurgique des Terres<br />
Rouges“ alle Besitztümer der Gelsenkirchner<br />
Berwerks AG auf der linken Seite des Rheins<br />
übernommen und die Hütte unter dem Namen<br />
„Esch Belval“ weiter betrieben.<br />
1936 wurde die Gelsenkirchner Berwerks AG von<br />
der ARBED („Aciéries Réunies de Burbach-Eich-<br />
Dudelange )übernommen.<br />
In den Sechziger Jahren wurde die Hütte von<br />
Grund auf modernisiert. Die sechs Hochöfen<br />
abgerissen und duch drei größere ersetzt. Im<br />
Juni 1965 wurde der Hochofen A angestochen.<br />
Er lieferte eine tägliche Produktion von 2300<br />
Tonnen Stahl.<br />
Durch das Anstechen des Hochofens B, im April<br />
1970 , konnte eine Tagesproduktion von 3000<br />
Tonnen Stahl erreicht werden.<br />
Hochofen A und B wurden in der Hochkonjunktur<br />
errichtet. Hingegen viel die Errichtung des<br />
Hochofens C 1979, mitten in der Ölkrise, die eine<br />
Umstrukturierung von Stahl- und Eisenproduktion<br />
hatte.<br />
Der Hochofen C war für eine Menge von 4000<br />
Tonnen Stahl pro Tag ausgelegt.<br />
Das Ende der Hochöfen wurde eingeleitet durch<br />
den Übergang von der Stahlpoduktion in Elektroöfen.<br />
Hochofen C wurde am 31. März 1987 geschlossen<br />
und in China wieder aufgbaut.<br />
Hochofen A erlosch am 19. Jänner 1995 und<br />
wurde vom Konzern ARBED an den Luxemburger<br />
Staat verschenkt. Die ARBED fusionierte 2002<br />
mit dem Konzern Aceralia (E) und Usinor (F), und<br />
schließlich 2006 mit Mittal Steel. Heute sind diese<br />
Co-Konzerne unter dem Namen Arcelor Mittal<br />
bekannt.<br />
Die Fläche von 120 Hektar, die mit dem Erlischen<br />
der Hochofen nun brach liegt, wird nun im städtebaulichen<br />
Sinn umgenutzt, um den wirtschaftlichen<br />
Wohlstand des Großherzogtums weiterhin<br />
zu garantieren.<br />
Die Hochöfen A und B wurden am 17. Juli 2000<br />
in die provisorische Denkmalliste eingetragen.<br />
Sie werden erhalten bleiben und in das städtebauliche<br />
Konzept, der „Cite de sience“ angepasst.
Urbanisierung von Esch der „Metropole du Fer“<br />
1825<br />
1906<br />
N<br />
N<br />
Ûrbanisierung von Esch der „Metropole du Fer“<br />
1914<br />
N<br />
1956<br />
N
Platzhalter<br />
Karte<br />
2000
Ûrbanisierung von Esch<br />
der „Metropole du Fer“<br />
Esch -Sur-Alzette stellte das Zentrum der Industrie<br />
in Belval dar.<br />
Die Urbanisierung von Esch-sur-Alzette ging<br />
mit der Industriealisierung in Belval Hand in<br />
Hand und wird daher auch charmant „Metropole<br />
du fer“ genannt .<br />
Die Industrialisierung brachte zur Jahrhundertwende,<br />
aufgrund neuer Arbeitsplätze eine starke<br />
Einwanderung mit sich. Darunder befanden sich<br />
Italiener, Polen etc.<br />
Die Einwohnerzahl potenzierte sich um den Faktor<br />
20 innerhalb der Zeit von 1825 bis 1956.<br />
Heute befinden sich 29.000 Einwohner in Esch<br />
und damit ist Esch, die zweitgrößte Stadt des<br />
Landes .<br />
Im Umfeld der Stadt entstanden im 19. und 20.<br />
Jahrhundert drei Stahlwerke, die mit der dazugehörigen<br />
Infrastruktur das Landschafts- und<br />
Stadtbild tiefgreifend verändert haben.<br />
Neben etablierten kulturellen Institutionen verfügt<br />
Esch-sur-Alzette über allgemeine und berufsbezogene<br />
Ausbildungsstätten, Einrichtungen<br />
im Sozial- und Gesundheitswesen sowie Sport-<br />
und Freizeitinfrastrukturen. Die hier angesiedelten<br />
öffentlichen und privaten Einrichtungen sind<br />
von regionaler Bedeutung.
TRANSFORMATIONEN<br />
Industriell<br />
Vom Hochofen zum Büro<br />
Vom Stahlarbeiter zum Laboranten
PLATZHALTER FOTO<br />
PLATZHALTER FOTOS
WOHNEN<br />
Industrielle Arbeiterwohnungen
Der Beginn der Industrialisierung, am Ende des<br />
19. Jahrhunderts, führte im Süden von Luxemburg<br />
zu einer starken Einwanderung, aufgrund<br />
von neu entstandenen Arbeitsplätzen in der<br />
Stahlindustrie und im Bergbau.<br />
Dies führte zu einer akuten Wohnungsnot in<br />
der südlichen Minettegegend und auch in der<br />
Hauptstadt Luxemburg selbst, welche noch bis<br />
fast zum zweiten Weltkrieg andauerte.<br />
Arbeiter wohnten in Elendsbedingungen in so<br />
genannten Mietskasernen.Teilweise übernachteten<br />
die Arbeiter im Betrieb selbst ; so teilten sich<br />
gar zwei Männer ein Bett im Schichtbetrieb.<br />
Dieser Umstand blieb in Luxemburg jedoch nicht<br />
unbeachtet.<br />
Mit der Industrialisierung wird das Thema Wohnungen<br />
in Luxemburg zum Thema öffentlicher<br />
Diskurse.<br />
Nicht nur im administrativen und bürgerlichen,<br />
gutenteils zugleich Repräsentationszwecken<br />
dienenden Städtebau der Hauptstadt Luxemburg<br />
schlugen sich die vielfältigen historischen<br />
Einflüsse nieder.<br />
Angesichts der elenden Wohnbedingungen<br />
wurde der Ruf nach „Licht, Luft und Begrünung“<br />
laut. Dies wurde zum Leitmotiv von Ärzten, Wohnungsreformern,<br />
Architekten und Stadtplanern.<br />
DIe Wohnungen sollen hell, freundlich, hygienisch,<br />
nachhaltig und wirtschaftlich sein.<br />
Auch der Kleinwohnungsbau, über den in<br />
Deutschland im Kaiserreich besonders vehement<br />
debattiert wurde, wirkte auf Luxemburg ein. Das<br />
galt zunächst für das Konzept der Gartenstadt.<br />
Im britischen Verständnis, wie Ebenezer Howard<br />
es 1898 formulierte, sollten Arbeiten, Wohnen<br />
und Freizeit in einem harmonischen gesellschaftlichen<br />
Geflecht zusammengeführt werden.<br />
In Deutschland hatte das Konzept eine große<br />
Wirkung, der Vorsitzende der deutschen Gartenstadtgesellschaft<br />
Hans Kampffmeyer propagierte<br />
es unermüdlich landauf landab, 1911 auch in<br />
Luxemburg. Das ganzheitliche britische Konzept<br />
verkümmerte allerdings bald zur einer Planung<br />
bloßer Gartenvorstädte.<br />
Um 1910 wird das Reihenhaus optimiert und<br />
auch der Außenraum bekommt neue Qualitäten.<br />
Es enstehen zahlreiche Siedlungen in Esch sur<br />
Alzette, Düdelingen, Differdingen und in Luxemburg.<br />
Die Auftraggeber waren vorerst die Betreiber<br />
der Eisenhütten und Bergwerke und dann<br />
auch die „ Gemeinnützige anonyme Baugesellschaft“<br />
( „Societe Anonyme pour la Construction<br />
d`Habitations a Bon Marche“ ) und die Gemeinde<br />
Esch sur Alzette.<br />
1911 wird Dr. Hans Kampfmeyer von der luxemburgischen<br />
Regierung eingeladen um einen Vortrag<br />
über das Thema: „Die Gartenstadtbewegung<br />
und die Bedeutung von Luxemburg „ zu halten.<br />
Dmit verbunden war eine Austellung der deutschen<br />
Gartenstadtgesellschaft, die verschiedene<br />
Modelle und Pläne von Gartenstadtsiedlungen<br />
aus anderen Ländern vorstellt.<br />
Zum gleichen Zeitpunkt baut die Gelsenkirchner<br />
Bergwerks AG ihr erste Arbeitersiedlung in Esch<br />
sur Alzette.<br />
Werksbauten der Gelsenkrichner<br />
Berwerks AG<br />
Die Bauten der Gelsenkrichner Bergwerks AG<br />
zeichneten sich durch eine hohe Wohnqualität<br />
aus. Die deutsche Gesellschft führte einen neuen<br />
Typus der Arbeiter- und Beamtenwohnungen in<br />
Luxemburg ein. Die Siedlungen unterscheiden<br />
sich im Haustyp und in der Gesamtlage von den<br />
früheren Werksidlungen in Esch sur Alzette.<br />
Das Prinzip des Einfamilienhauses wird beibehalten<br />
und der schematische Charakter der früheren<br />
Siedlungen aufgehoben. Die Gruppierungen<br />
der Häuser definieren gelichzeitig die Staßenführung.<br />
Die Straßen laufen nicht alle geradlinig,<br />
sondern gebogen und dem Gelände entsprechend.<br />
Zwei größere Arbeiteresiedlungen „Auf der Acht“<br />
und an der „Ehrlingerstraße“ sind zwischen 1910<br />
und 1913 nach diesem Muster ausgeführt worden.<br />
Die Häuser sind ein bis zweigeschoßig und haben<br />
unten die Stube und Küche und oben zwei<br />
Schlafzimmer. Das WC befindet sich im Vorgarten<br />
neben dem Stall, welcher zum Anbau dient.<br />
Diese Gebäude sind wegen dem Komfort begehrte<br />
Objekte jener Zeit.<br />
Die Vermietung obliegt allerdings einer strengen<br />
Regelung. Die Hausordnung und Mietbestimmung<br />
besteht aus 34 Artikeln.<br />
Die Arbeiterkolonien in Esch waren keine Gartenstädte,<br />
eher Gartenvorstädte.<br />
Es waren keine autonomen Orte mit Infrastruktur,<br />
sondern reines Wohnvierel. Auch fehlte<br />
der sozialreformerische Aspekt im Sinne der<br />
Gartenstadtbewegung, mit der Forderung nach<br />
Gemeinbesitz an Grund und Boden. In den Siedlungen<br />
herrschte eher das Gegenteil, die soziale<br />
Segretion der Arbeiter zu bewirken und sie einer<br />
ständigen Kontrolle zu unterziehen.<br />
Abb. 2<br />
Abb. 3
1<br />
3<br />
4<br />
9<br />
5<br />
5<br />
2<br />
1 Rue Renaudin, rue des Mines<br />
2 Rue des Mineurs<br />
3 Rue Katzenberg<br />
4 „Ehleringer Kolonie“<br />
5 Kolonie „Auf der Acht“<br />
6 Avenue des Terres Rouges<br />
7 Altes Schloß<br />
8 Siedlung „Weierwues“<br />
Werksiedlungen in Esch/Alzette 1900 - 1925<br />
7<br />
8<br />
N<br />
Abb.4<br />
Eine etwas stärkere Wirkung kam den unmittelbar<br />
über den Werkswohnungsbau vermittelten<br />
Wohnformen zu. Dazu gehörten kleine Gartenstädte<br />
wie die Ehleringer Kolonie in Esch-sur-<br />
Alzette, aber<br />
auch einfachere Wohnungen. Die Luxemburger<br />
Montanbetriebe hingen großteils von deutschem,<br />
belgischem und französischem Kapital ab, und<br />
diese Firmen brachten ihre gewohnten heimischen<br />
Arbeiterwohnungsformen mit nach Luxemburg,<br />
so in Esch besonders die Gelsenkirchener Bergwerks<br />
AG. Der Arbeiterwohnungsbau blieb, gemessen<br />
an den dringenden Bedürfnissen in den fast<br />
explosionsartig von beschaulichen Dörfern zu Industriestädten<br />
anwachsenden luxemburgischen<br />
Industriezentren wie Esch-sur-Alzette oder Dudelange,<br />
zwar verschwindend klein.<br />
„Ehleringer Kolonie“ der Gelsenkrichner Berwerks AG<br />
Dennoch stellen die von Thyssen in Lothringen<br />
oder von Gelsenberg in Luxemburg gebauten<br />
Siedlungen weitere Beispiele für<br />
den grenzüberschreitenden Transfer von Bauformen<br />
dar, der in diesem Fall weniger durch<br />
Modernisierungsgefälle als durch Kapitalstruktur<br />
und unternehmerisches Interesse an der Bindung<br />
einer Arbeiterelite an den Betrieb bewirkt wurde.<br />
Auf der Ebene der Direktorenhäuser wirkten in der<br />
Zwischenkriegszeit zudem – ihrerseits international<br />
beeinflußte – Bauformen des Luxemburger<br />
Limpertsbergs auf Industriestädtchen wie Eschsur-Alzette<br />
ein. Die Interferenzen von<br />
Urbanisierungseinflüssen erfaßten, in im einzelnen<br />
unterschiedlicher Motivation und Ausprägung,<br />
die Wohnformen aller sozialen Schichten.
Abb. 5<br />
Abb. 6<br />
Beamtenwohnungen der ARBED „Am Schloß“<br />
Beamtenhäuser<br />
Weitere neue Hausformen waren die zeitgleich<br />
entstehenden, geräumigeren Häuser der Bergbeamten<br />
niedrigen, mittleren und hohen Grades –<br />
eine ganze Palette von Häusern bis hin zu Villen<br />
mit ansehnlichen Gärten, umrahmt von Zäunen<br />
oder Mauern. Diese Häuser orientierten sich an<br />
bürgerlicher städtischer Architektur. Steigerhäuser<br />
waren beispielsweise zweigeschossig mit bis<br />
zu zwei bis vier Räumen pro Geschoß, wobei ein<br />
Raum bereits anderthalb bis doppelt so groß war<br />
wie ein Raum im Arbeiterhaus. Ähnliche Hausformen<br />
und -größen gab es für die Angestellten<br />
in Hütten und anderen Unternehmen, teilweise<br />
als Kolonie gleichförmiger Zweifamilienhäuser<br />
im Falle der niedrigeren Dienstgrade wie z.B. in<br />
Esch-sur-Alzette, oder als Einzelhäuser mit Gärten<br />
im Falle mittlerer bis hoher Angestellter.<br />
Prämienhaus<br />
Auf Anregung des preußischen Bergrates Sello<br />
(Saarbrücken) entstand das Prämienhaussystem<br />
der preußischen Staatsgruben an der Saar. Mit<br />
dessen Hilfe errichteten sich die Arbeiter auf sehr<br />
kleinen Parzellen in Eigenarbeit winzige, ein-<br />
oder anderthalbgeschossige Häuschen mit zwei<br />
bis vier Räumen und einer Wohnfläche von ca.<br />
40–50 m2. Die traditionelle bäuerliche Selbstversorgung<br />
reduzierte sich unter den neuen Wohnbedingungen<br />
im besten Fall auf einen kleinen<br />
Garten, eine „Bergmannskuh“ (Ziege), Kaninchen,<br />
Tauben oder Hühner in Ställen am Haus.<br />
Ähnliche Hilfen zum Wohneigentum erhielten<br />
z.B. auch die Hüttenarbeiter bei Stumm. Diese<br />
„Prämien“ (Belohnungen), in Wirklichkeit eher<br />
eine Art Sparsystem durch Lohnabzug, verbunden<br />
mit kleinen Beihilfen, waren gekoppelt an<br />
das permanente Wohlverhalten der Arbeiter,<br />
d.h. daran, unter keinen Umständen politisch<br />
oder gewerkschaftlich tätig zu werden bzw. sich<br />
auch nur kritisch gegenüber dem Arbeitgeber zu<br />
äußern.
Abb. 7<br />
Abb. 8<br />
Der Grundriss eines Mehrfamilienhauses in<br />
Esch sur Alzette 1937/38. Diese Häuser mit zwei<br />
Wohnungen wurden nach dem Vorbild „Neues<br />
Bauen“ errichtet und sind Sozialwohnungen. Sie<br />
sind für kinderreiche Familien geplant.<br />
8 Familien Haus Esch<br />
Abb. 15<br />
Abb. 16<br />
Die Abbildung zeigt den typischen Grundriss<br />
der „Billign Wohnungen in „bassin minier“ .<br />
Stube und Küche im Erdgeschoß und zwei bis<br />
drei Zimmer oder Kammern im Obergeschoß,<br />
manchmal noch Mansardenräume. Toilette mit<br />
Wasserspülung wird seit dem frühen 20er Jahren<br />
eingeplant, das Bad kommt etwas später. Keller,<br />
Speicherräume und ein kleiner Vorgarten gehören<br />
zur Standardaustattung.<br />
Arbeiterkolonie Esch<br />
Grundrisse: Billige Wohnungen in „bassin minier“ ab 1920
Abb. 9<br />
Abb. 10<br />
Werksiedlung der Gelsenkirchner Berwerks AG, rue Leon Weyrich<br />
Häuserprojekt der “Gemeinnützigen anonymen Baugesellschaft“<br />
Aufriss und Grundriss<br />
Abb. 11<br />
Abb. 12<br />
Häuserprojekt der “Gemeinnützigen ananymen Baugesellschaft“ Aufriss<br />
Häuserprojekt der “Gemeinnützigen anonymen Baugesellschaft“Grundriss
Abb. 13<br />
Abb. 14<br />
Arbeitersiedlung der ARBED „Im gelben Bommert“ 1916<br />
Arbeitersiedlung der ARBED „Im gelben Bommert“ 1916 Grundriss
Das Diagramm „Haushalte 1900“ zeigt, dass<br />
Anfang des 20 Jahrhunderts die soziologische<br />
Landkarte von Großfamilien dominiert war. Der<br />
Wohnungsbau reagierte darauf<br />
mit dem Bau von Zweifamilienhäusern.<br />
Gefolgt werden die Großfamilien von Familien<br />
mit 2 Kindern, danach Familien mit einem Kind.<br />
Einen geringen Anteil machen Kinderlose Paare<br />
aus und noch geringer fallen Verwitwete und<br />
sogennante Außenseiter der Gesellschaft aus.<br />
Seid 1960 geht der Trend weg von der Großfamilien,<br />
hin zur Kleinfamilie.<br />
Den größtenAnateil machen Familien mit einem<br />
Kind aus , gefolgt von Familien mit 2 Kindern<br />
(dieser Anteil blieb im Vergleich mit 1900<br />
gleich).<br />
Kinderlose Familien und alleinstehende Frauen<br />
und Männer machten um 1960 einen kleinen<br />
Anteil aus.<br />
Der Wohnungsbau passte sich stetig an veränderte<br />
Lebensgewohnheiten an.
Abb. 18<br />
Abb. 19<br />
Häufig waren Arbeiterhäuser in Backstein ausgeführt.<br />
Der Landhausstil Englands war häufiges Vorbild.<br />
Dudelange<br />
Abb. 17<br />
Die Arbeitersiedlungen von damals sind auch heute noch begehrte Wohnviertel<br />
Heute werden, die Fassaden individuell neugestaltet.<br />
Esch
Abb. 20<br />
Abb. 21<br />
Petange<br />
Abb. 22<br />
Abb. 23<br />
Esch Neudorf
WOHNEN<br />
Postindustrielles Wohnen
Philosophien Post- und Spätindustriellen<br />
Wohnens<br />
Das Wohen kann als Spiegel der Kultur einer<br />
Gesellschaft und der darin lebenden Menschen<br />
gesehen werden.<br />
In der Industriellen Gesellschaft gab es übersichtliche<br />
Strukturen und reativ geringe Mobilitätsgrade.<br />
Die soziologische Landkarte war um<br />
1900 von der Vollberufstätigkeit des Mannes ,<br />
Berufstätigkeit von Frauen und Kindern geprägt.<br />
Zudem war , wie schon erwähnt,die Großfamilie<br />
dominierend.<br />
1960 war durch eine Volberufstätigkeit des<br />
Mannes und durch standartisierte Kleinfamilien<br />
geprägt. Beruf, Erwerbseinkommen, Geschlecht<br />
und Schichenzugehörigkeit , ließen eine relativ<br />
verlässliche, „lineare“ Aussage über den Menschen<br />
und sein Verhalten in der Gesellschaft zu.<br />
Die veränderte Lebensgestaltung im 21 Jahrhundert<br />
und die zunehmenden Mobilität zeigen<br />
nun eine Individualisierung der spätindustriellen<br />
Gesellschaft.<br />
Auch wenn sich der Mensch auch heute noch<br />
über Familienbindungen und Haushalt definiert,<br />
löst er sich in seinem Alltag mehr und mehr von<br />
Haus, Herd und<br />
genealogischen Bindungen ab.<br />
Es entsteht eine Individualitäts Gesellschaft mit<br />
mehr Eigenmächtigkeit und Eigensinn.<br />
Weite Teile der Mittelschicht partizipieren mit<br />
dem “ Megatrend Individualisierung“. Ihre MItglieder<br />
entwicklen sich zu aktiven aber kooperierenden<br />
Individualisten.<br />
Der spätindustrielle Mensch reist mehr, hält sich<br />
mehr außerhalb seiner Wohnung auf, hat zweit-<br />
und dritt Jobs und führt diese nicht mehrein<br />
Leben lang aus, er besitzt zweit- und Drittwohnungen.<br />
Der Lebenssinn zeichnet sich in einer zentralen<br />
Steuerung und Planung, einer bewußten Gestaltung<br />
der eigenen Lebensphasen aus.<br />
Diese Umstände führen zu einer, oder müssen<br />
zu einer Anpassung und Partizipation zwischen<br />
Wohntypus und Mensch führen.<br />
Der Trend zeigt kleineren Haushalte und eine<br />
städtischen Mixtät.<br />
Greift Belval Plaza diese Trends auf?<br />
Die Abbildung „2000 Individualisierte Haushalte<br />
zeigt neue Familienstrukturen, wie zum Beispiel<br />
die „Patchwork Familien“. Einen großen Prozentsatz<br />
machen Familien mit einem Kind oder Kinderlose<br />
Paare aus. Gefolgt von Alleinerziehenden<br />
Elternteilen und Restfamilien. Der Prozentanteil<br />
von Familien mit 2 Kindern bleibt seit 1900 stetig<br />
gleich.<br />
Die Großfamilie hält sich mit einem kleinen<br />
Prozenansatz. Singlehaushalte sind im kommen.<br />
Auch Nomadische Familien tauchen auf. Der<br />
Anteil an Homosexuellen steigt laut der Graphik<br />
en. Dies könnte auch mit einer Enttabuisierung<br />
diese Themas zusammenhängen.<br />
Das Zukunftsszenario 2010 zeigt den Anstieg<br />
von Singlehaushalten, nomadischen Familien<br />
und Familien mit einem Kind.
Abb. 25 Verändertes Freizeitverhalten Abb. 28 Verändertes Freizeitverhalten
1Individualisierung<br />
Spätestens seit den sechziger Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts ist die Individualisierung ein<br />
implizites, heimliches Movens des achitektonischen<br />
Diskurses. Die Herangehensweise an<br />
dieses Phänomen hat sich jedoch im Laufe der<br />
Zeit entscheidend verändert. In den Sechzigern,<br />
Siebzigern und Achtzigern betrachtete<br />
man Individualisierung als ein Ziel, das bewußt<br />
angestrebt werden mußte – und viele sehen<br />
das auch heute noch so. Die Hauptaufgabe der<br />
progressiven Architektur bestand also darin,<br />
ästhetische und organisatorische Unterschiede<br />
zu finden und zu erzeugen, ja sogar darin, solche<br />
Unterschiede bewußt zu provozieren. In Zukunft,<br />
und diese Zukunft hat bereits begonnen, wird<br />
Individualisierung etwas sein, mit dem man sich<br />
auseinandersetzen muß, dem man Rechnung zu<br />
tragen hat. Dies ist ein völlig anderes Programm,<br />
und wir schlagen uns bereits damit herum. Einige<br />
der größten Probleme in der Architektur und<br />
im Urbanismus, etwa der städtische Wildwuchs<br />
oder die Ungewißheit darüber, was öffentlicher<br />
Raum sei, hängen unmittelbar mit der Individualisierung<br />
zusammen. Die Individualisierung geht<br />
jedoch weit darüber hinaus: Sie bedroht den<br />
Wesenskern unseres heutigen Verständnisses<br />
von Architektur und Stadtplanung. Dies mag, für<br />
sich genommen, kein Problem sein, doch es gibt<br />
in der Gesellschaft einige grundlegende Verantwortungen<br />
und Aufgaben, die neu gemischt<br />
werden müßten, vor allem auf dem Gebiet des<br />
Urbanismus und der Stadtplanung. Diese vor uns<br />
liegende Aufgabe ist immens, wird aber noch immer<br />
nicht richtig ernst genommen, vor allem von<br />
Architekten. Es ist heute eine so immense Aufgabe,<br />
weil jeder Versuch mit einem neuen Konzept<br />
sozialen Zusammenhalt zu erzeugen, von dem<br />
Wissen ausgehen muss, dass Individualismus,<br />
Vielfalt und Skeptizismus tief in der westlichen<br />
Kultur verankert sind’.<br />
Was ist Individualisierung?<br />
Laut Ulrich Beck zählt das Phänomen der Individualisierung,<br />
zusammen mit der Globalisierung,<br />
zu den bedeutsamsten Veränderungen, die während<br />
der letzten Jahrzehnte in den Gesellschaften<br />
der westlichen Welt vonstatten gegangen<br />
sind – eine Veränderung, die sich in absehbarer<br />
Zukunft noch deutlicher herauskristallisieren<br />
dürfte. Globalisierung und Individualisierung<br />
sind eng miteinander verwoben. Bis zu einem<br />
gewissen Punkt sind sie zwei Seiten derselben<br />
Münze. Beide sind sie Prozesse. Pauschal formuliert,<br />
bedeutet Individualisierung, daß die Menschen<br />
individueller werden – aber das wird man<br />
bereits geahnt haben. So verstanden, scheint Individualisierung<br />
eine prima Sache zu sein, etwas,<br />
das richtig ist, etwas, das mit Freiheit zu tun hat.<br />
In der westlichen Welt sind wir alle dazu erzogen<br />
worden, die Menschen auf diese Weise zu sehen:<br />
als Individuen, mit gleichen Rechten<br />
möglicherweise, aber mit ihren jeweiligen<br />
persönlichen Besonderheiten. Sie erklärt zum<br />
Beispiel die Faszination, die Portraits auf uns<br />
ausüben: nicht bloß die Portraits von Kaisern<br />
und Königen, von Generälen und Philosophen,<br />
sondern auch die Portraits von gewöhnlichen<br />
Menschen, die in Ausstellungen wie “The Family<br />
of Man" präsentiert werden, die Portraits von<br />
Menschen, die wir in der Zeitung sehen, und<br />
die Portraits unserer nächsten Angehörigen,<br />
die in unseren Wohnzimmern hängen oder auf<br />
unseren Schreibtischen stehen. Diese Fotografien<br />
scheinen Gefühle zu vermitteln, die wir als<br />
äußerst individuell erachten. Gleichzeitig sorgt<br />
die Individualisierung jedoch zwangsläufig auch<br />
für kleinere oder größere Reibereien, da es sehr<br />
schwierig wird, jemandem seine individuelle<br />
Freiheit zu garantieren, wenn diese mit der Freiheit<br />
eines anderen in Konflikt gerät. Dann kann<br />
die Individualität von Menschen aus Sicherheitsgründen<br />
oder für Kontrollzwecke urplötzlich<br />
instrumentalisiert werden: für Reisepässe,<br />
Fahndungsfotos, Fingerabdrücke, Iris-Scanner<br />
und dergleichen. (...) In der Architektur und im<br />
Urbanismus werden die menschlichen Beziehungen<br />
räumlich organisiert. Eins sollte jedoch von<br />
vornherein klar sein: Individualisierung bedeutet<br />
nicht, daß die Menschen immer autarker werden,<br />
obgleich dies manchmal ein Ziel zu sein scheint.<br />
Individualisierung bedeutet vielmehr, daß man<br />
vielfältigen Netzwerken und komplexen abstrakten<br />
Systemen zum Beispiel der sozialen<br />
Vorsorge angehört. Aus diesem Grund – weil die<br />
Menschen in der Regel nicht auf dieselbe Kombination<br />
von Netzwerken zurückgreifen – kommt<br />
es zur Individualisierung. Medien und Mobilität<br />
spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende<br />
Rolle. Betrachten wir die Individualisierung<br />
auf diese Weise, so gibt es prägnante Veränderungen<br />
zwischen der Industriegesellschaft<br />
und der Gesellschaft, in der wir heute leben. Bis<br />
vor kurzem schien die Individualisierung etwas<br />
Abb. 26<br />
zu sein, um das man kämpfen mußte. Im Namen<br />
der individuellen Freiheit wurden buchstäblich<br />
Kriege geführt. Heute gibt es in diesem Kontext<br />
jedoch auch einen Unterschied, denn wir erkennen<br />
zunehmend, daß uns die Individualisierung<br />
irgendwie aufgezwungen wird – sei es durch die<br />
sanften Verführungsstrategien der Medienindustrie<br />
und der Politiker oder durch die ökonomischen<br />
und politischen Kräfte, die die weltweite<br />
Migration hervorrufen. Paradoxerweise basiert<br />
die Individualisierung nicht nur auf der ewigen<br />
Sehnsucht nach einer Traumwelt der Freiheit,<br />
sondern zugleich auch auf der Angst vor Armut,<br />
Hunger und Krieg. Sie entsteht nicht nur durch<br />
Wohlstand und ein hohes Erziehungsniveau, das<br />
die Menschen in die Lage versetzt, Entscheidungen<br />
zu treffen und für sich selbst zu sorgen, sondern<br />
gleichzeitig auch durch das wirtschaftliche<br />
Elend, das die Menschen aus ihren traditionellen<br />
Bindungen, Familien und Gemeinschaften herausreißt.<br />
Die neoliberale Marktideologie forciert<br />
die Atomisierung mitsamt ihrer politischen Konsequenzen.<br />
(Bart Lootsma)<br />
Betrachtet man nun die Stadt Esch/Alzette und<br />
der entstehende Stadtteil von Belval, so lassen<br />
sich sehr markante Unterschiede zwischen ihrer<br />
früheren Industriegesellschaft und der heutigen<br />
Gesellschaft erkennen.<br />
1.Wohnen: Wie in den in späterer Folge gezeigten<br />
Grundrissen erkennbar ist, entfernt man sich<br />
von den standardisierten Wohnungseinheiten.<br />
Jede Wohnung ist individuell nach Geschmack<br />
des Mieters oder Käufers frei gestaltbar (siehe<br />
Abb.33 aus dem Werbeprospekt von Belval-Plaza).<br />
Die Lebensstile verändern sich und bringen<br />
eine Diversifizierung der Familientypen mit sich.<br />
Wo früher noch die Großfamilien dominierten,<br />
gibt es heutzutage vermehrt Familien mit nur<br />
einem Kind, Alleinerziehende oder kinderlose<br />
Paare. Der Wunsch nach Eigenheim, Privatsphäre<br />
und Freiheit hat die Großfamilie abgelöst,<br />
3-Generationen-Familien sind eine Seltenheit<br />
geworden.<br />
2.Mobilität: Auch der private und öffentliche Verkehr<br />
haben sich seit dem Industriezeitalter stark<br />
verändert. Der frühere Massentransport von
Abb. 24<br />
Stahlarbeiter wäre heute nicht mehr denkbar. So<br />
zählt jeder Haushalt mindestens ein Auto; Busund<br />
Bahnverbindungen wurden ausgeweitet,<br />
der Komfort ist gestiegen.<br />
Verändertes Freizeitverhalten<br />
Abb. 27<br />
Veränderte Berufswelt
Die Bevölkerung Luxemburgs wächst seit 1985<br />
stark an. In den letzten 20 Jahren stieg sie um<br />
mehr als 30% . Dies ist im Wesentlichen auf einen<br />
bedeutenden Migrationssaldo zurückzuführen.<br />
Statistiken<br />
prognostizieren ein Wachstum von 55% bis zum<br />
Jahr 2050. Dies entspricht rund 700.000 Einwohnern.<br />
Der Wunsch nach modernen Wohnungen und<br />
nach einer Verringerung der Haushaltsgröße, ist<br />
bei Familien zunehmend ausgeprägt (Vergleich<br />
Diagramm „Individualisierte Haushalte“).<br />
Dadurch gerät der Wohnungsmarkt zunehmend<br />
unter Druck. Vor allem der Süden, wo circa ein<br />
Drittel der Gesamtbevölkerung lebt.<br />
Der Durchschnitt der jährlich fertiggestellten<br />
Wohnungen beträgt 2.500 Einheiten. Erklärtes<br />
Ziel jedoch von Seiten der Regierung ist es, künftig<br />
2.000 Einheiten pro Jahr zu erstellen. Nach<br />
Angaben des Wohnbauministeriums beträgt<br />
die Durchschnittsgröße für neue Wohnungen<br />
180qm und für Appartements 86qm. Die Kosten<br />
belaufen sich bei rund 3.555 Euro /qm fürAppartements<br />
und 3.067 Euro/qm für Einfamilienhäu-<br />
Abb. 29 Wohngebiet Belval Nord<br />
Abb. 30
Abb. 31 Abb. 35
Abb. 34 Abb. 35
Abb. 36 Abb. 37
Die neuen Viertel von Belval<br />
Das Projekt von Jo Coenen sieht ein städtisches<br />
Ensemble mit vier verschiedenen Stadtvierteln<br />
vor: Hochofenterrasse, Square Mile, Park Belval<br />
und Quartier Belval. Jedes dieser Viertel hat bestimmte<br />
funktionale Schwerpunkte. Insgesamt<br />
ist Wohnraum für 7.000 Menschen bei einer aktiven<br />
Bevölkerung von 25.000 Menschen vorgesehen.<br />
Die Hochofenterrasse befindet sich an der<br />
ehemaligen Roheisen- Produktionsstätte. Sie ist<br />
durch die Silhouette der beiden Hochöfen und<br />
deren Nebenanlagen gekennzeichnet. Ein Großteil<br />
des Programms der „Cité des Sciences“ wird<br />
auf der Hochofenterrasse umgesetzt. Es handelt<br />
sich hierbei in erster Linie um Bildungs- und Forschungseinrichtungen<br />
aber auch um Kultur- und<br />
Freizeitaktivitäten. Beim Square Mile handelt es<br />
sich um ein Stadtviertel mit einer Vielzahl unterschiedlicher<br />
Funktionen, wie Wohnen, Dienstleistungen,<br />
Handel, Kultur, Gastronomie und Hotelwesen.<br />
Die Aufbauplanung dieses Zentrums<br />
möchte man bis spätestens 2010 fertiggestellt<br />
wissen. Der Park Belval stellt die Verbindung<br />
zwischen den verschiedenen Vierteln von Belval<br />
her und bietet Freizeit- und Erholungsstätten in<br />
der Nähe sowohl der Wohngebiete als auch des<br />
Square Mile und der Cité des Sciences. Das Quartier<br />
Belval ist ein Wohngebiet, das sich über eine<br />
Fläche von 25 ha erstreckt und für die Errichtung<br />
unterschiedlicher Typen von Wohnungen und<br />
staatlichen Institutionen auf Belval-Nord und<br />
Belval-Süd vorgesehen ist.<br />
Als erste stand die „Rockhal“<br />
Die Konzerthalle „Rockhal“ ist das erste Projekt,<br />
das vom Fonds Belval auf der Industriebrache<br />
Belval umgesetzt wurde. Offiziell eröffnet wurde<br />
sie am 23. September 2005. Sie dient vorwiegend<br />
der Veranstaltung<br />
von Konzerten und Events sowie der Betreuung<br />
und Ausbildung von Musikern. Das staatliche<br />
Forschungszentrum Gabriel Lippmann wurde<br />
1987 gegründet und ist in den Bereichen angewandte<br />
Forschung, Technologieentwicklung und<br />
-transfer tätig. Seit März 2005 ist das CRP-Gabriel<br />
Lippmann in einem behelfsmäßigen Gebäude<br />
am Standort Belval untergebracht. Ein Umzug in<br />
die „Maison de la Biologie Verte“ und die „Maison<br />
des Matériaux“ auf der Hochofenterrasse ist in<br />
den nächsten Jahren vorgesehen.<br />
Die Besonderheit des Projektes von Belval besteht<br />
darin, dass es die Industriedenkmäler<br />
in den Kontext eines neuen Stadtviertels einschreibt.<br />
Die umgebaute Hochofenanlage wird<br />
das künftige nationale Zentrum für Industriekultur<br />
aufnehmen und ein kulturelles Zentrum<br />
der „Cité des Sciences“ werden. Hierbei handelt<br />
es sich um ein groß angelegtes Bauprojekt, das<br />
in einem Zeitraum von 15-20 Jahren die Umsetzung<br />
von 25 Gebäuden<br />
auf einer Gesamtfläche von 27,34 Hektar vorsieht.<br />
Die „Stadt der Wissenschaften“ wird 7.000<br />
Studenten sowie 3.000 Lehrbeauftragte und<br />
Forscher beherbergen, u.a. den Großteil von „Uni<br />
Lëtzebuerg“. Die Errichtung des Verwaltungsgebäudes<br />
in Belval erfolgt im Rahmen der Dezentralisierungspolitik<br />
der Regierung und beruht auf<br />
dem Konzept des IVL. Hier werden Umweltverwaltung,<br />
Wasserwirtschaftsamt, nationale Datenschutzkommission<br />
sowie „Fonds Belval“, der<br />
sich zurzeit in einem provisorischen Gebäude in<br />
Belval<br />
befindet, eine neue Bleibe finden.<br />
Abb. 38<br />
Abb. 39<br />
Wirtschaft und Handel<br />
Das 17 Stockwerke hohe Dexia-Gebäude wurde<br />
im Dezember 2006 fertiggestellt. Seitdem<br />
arbeiten hier 1.400 Personen in dem von den<br />
Architekten Claude Vasconi und Jean Petit entworfenen<br />
Turm. In einer zweiten Phase entstehen<br />
zwei zusätzliche Gebäude von jeweils 30,60<br />
Metern Höhe, 28 Metern Breite und 55,85 Metern<br />
Länge. Die verschiedenen Gefüge wird man in<br />
den kommenden Wochen mittels dreier Fußgängerbrücken<br />
mit dem bereits vorhandenen Turm<br />
verbinden. 400 neue Arbeitsplätze werden hier<br />
geschaffen.<br />
Belval-Plaza 1 umfasst auf 71.400 qm 91 Appartements,<br />
der angegliederte zwölfstöckige Tower<br />
verfügt über weitere 8.800 qm Bürofläche. Eingegliedert<br />
ist die neue Art des Wohnens gemäß<br />
dem Urban-Living-Konzept in einen harmonischen<br />
Mix aus Einkaufszentrum, Büroinfrastruktur<br />
und Freizeitangebot. Unter anderem hat ein<br />
Multiplex-Kino mit 1.500 Sitzplätzen hier seine<br />
Pforten eröffnet. Weitere Einkaufsmöglichkeiten<br />
machen das Zentrum zur Shopping-Zone par<br />
excellence. Belval-Plaza 1 wurde am 23. Oktober<br />
2008 eröffnet. Die Bauarbeiten an Belval Plaza<br />
II, dem zweiten Bauprojekt mit Geschäften und<br />
Wohnungen, sind nach einem längeren, finanztechnisch<br />
bedingten Baustopp wieder aufgenommen<br />
worden. Das Projekt soll nun mit einem<br />
Jahr Verzögerung im Juni 2010 fertiggestellt<br />
sein. Es vereint auf 61.150 qm Geschäfte sowie<br />
248 Appartements.<br />
Wohnraum, Schulen und CIPA<br />
Im südlichen Teil des Park-Belval baut der Fonds<br />
Belval ein technisches Lyzeum sowie ein regionales<br />
Sportzentrum. Mit dem Bau der Schule wurde<br />
am 30. Januar 2008 begonnen. Vorgesehen sind<br />
auf einer Gesamtfläche von 40.000 qm 81 Klassen<br />
für insgesamt 1.500 Schüler. Bis Ende 2010<br />
wird übrigens mit einem Zuwachs von ca. 3.260<br />
Schülern im Ballungsgebiet Esch/Alzette gerechnet.<br />
Insgesamt 250 Wohnungen sollen<br />
in einer ersten Phase auf Belval-Nord entstehen,<br />
zusätzlicher Wohnraum demnach für 500 bis 550<br />
Menschen. Mit der Realisierung wurde bereits<br />
begonnen, sodass Ende dieses Jahres die ersten<br />
Appartments, Einfamilienhäuser usw. bezogen<br />
werden können. Zudem sollen demnächst die<br />
Ausschreibungen zum Bau des CIPA auf Beleser<br />
Seite veröffentlicht werden. Das Altenheim<br />
wird insgesamt 120 Zimmer fassen. Die Beleser<br />
Primärschule wird inmitten der Wohnviertel ihre<br />
definitive Bleibe finden. Die Realisierung erfolgt<br />
in mehreren Phasen und schlägt mit 15 Millionen<br />
Euro zu Buche. In etwa 648 Schüler auf 27 Klassen<br />
verteilt, können nach der Fertigstellung hier<br />
unterrichtet werden. Achtzehn Klassen sollen<br />
bereits im kommenden Jahr in Betrieb gehen.<br />
Gare Belval-Université<br />
Der Bahnhof „Belval-Université“ wird sich im Laufe<br />
der kommenden Jahre zum zweitgrößten des<br />
Landes mit rund 32.000 Passagieren täglich in<br />
und aus Richtung Luxemburg/Stadt entwickeln.<br />
Dies entspricht dann dem<br />
dreifachen des Reisenden Transportvolumens<br />
am jetzigen Escher Bahnhof. In etwa 40 Millionen<br />
Euro wurden<br />
in das Projekt investiert. Die Arbeiten begannen<br />
im Februar 2008 und werden sich voraussichtlich<br />
bis zum September 2010 hinziehen. In Planung<br />
ist gegenüber dem Bahnhof ein Parkhaus, wo<br />
in einer ersten Phase die Schaffung von 1.620<br />
Stellplätzen vorgesehen ist. Ein Ausbau auf 2.500<br />
Einheiten wird dann später erfolgen. Neben den<br />
neuen TICE-Buslinien entsteht eine Grenzübergreifende,<br />
welche ab dem 9. Dezember Thionville<br />
mit Belval verbinden wird. Auch auf dem Gebiet<br />
der Telekommunikation bewegt sich was. Vorgesehen<br />
ist<br />
die vollständige Vernetzung von Belval mittels<br />
Glasfasertechnik.
Die neuen Viertel von Belval<br />
Abb. 40<br />
QUARTIER <strong>BELVAL</strong><br />
39ha/ 200.000qm BGF<br />
PARC <strong>BELVAL</strong><br />
33ha/ 70.000qm BGF<br />
SAUARE MILE<br />
20ha/ 485.000qm BGF<br />
HOCHOFENTRASSE<br />
26,6ha/ 530.000qm BGF<br />
Abb. 41<br />
Abb. 42<br />
Masterplan Axonometrie - Belval Süd<br />
Masterplan Axonometrie - Belval Nord
INFRASTRUKTUR<br />
Vom Massentransport zur individuellen Mobilität<br />
Abb. 43<br />
Abb. 44
Abb. 45<br />
Abb. 46<br />
Abb. 47<br />
Abb. 48<br />
Die frühere Eisenbahntrasse die Vorwiegend<br />
zum Gütertransport genutzt wurde, wird nun<br />
fast ausschließlich zum Personenverkehr genutzt.
Abb. 49<br />
Veränderte Mobilität<br />
Neuer Bahnhof Belval/Universite im Bau<br />
Alter Bahnhof Belval/ Usines im Süd-Westen
Öffentlicher Personennahverkehr<br />
Der Ausbau der bestehenden Eisenbahninfrastrukturen<br />
wird bedingt durch die Anpassung<br />
des<br />
öffentlichen Personennahverkehrs an die wachsende<br />
Mobilitätsnachfrage in der Südregion<br />
des Landes, sowie in ihrer Beziehung zur Stadt<br />
Luxemburg.<br />
Verursacher der wachsenden Mobilitätsnachfrage<br />
sind einerseits die Erschliessungsprojekte<br />
der Industriebrachen im Süden des Landes, in<br />
der Hauptsache der Standort Belval-Ouest und<br />
andererseits der starke Zuwachs der Berufspendler<br />
aus der Grenzregion Lothringen. Etwa<br />
25% der gesamten Mobilitätsnachfrage soll in<br />
Zukunft über den öffentlichen Transport<br />
abgewickelt werden.<br />
Die frühere Eisenbahntrasse die Vorwiegend<br />
zum Gütertransport genutzt wurde, wird nun<br />
fast ausschließlich zum Personenverkehr genutzt.<br />
In einem ersten Schritt wurde der Bau<br />
eines<br />
modernen Bahnhofs “Belval-Université” am<br />
Standort südlich der Rockhal und des<br />
Einkaufszentrum Belval-Plaza realisiert. Die Haltestelle<br />
“Belval-Université” ersetzt die<br />
frühere Haltestelle “Belval-Usines” weiter östlich.<br />
Mit den Haltestellen “Belval-Lycée” und “Belval-<br />
Mairie” sind zwei weitere Haltestellen für<br />
das Belval-Viertel geplant.<br />
Ergänzend zum schienengebundenen Verkehr in<br />
der Südregion des Landes ist auch der Bau<br />
von zwei großen Park & Ride - Anlagen geplant,<br />
welche mit der Bahn verknüpft werden. Ein<br />
erster Auffangparkplatz ist dann direkt von der<br />
“Liaison Micheville” (Autobahn A4 südlich<br />
von Belval-Ouest) zugänglich.<br />
Eine zweite Anlage ist im Raum Mondercange/<br />
Foetz im Kreuzungsbereich der neuen<br />
Bahnlinie mit der Autobahn “Collectrice du Sud”<br />
A13 vorgesehen.
Differdange<br />
Bahnanbindung Industrie<br />
Bahnanbindung Personenverkehr<br />
Bahnhof<br />
Differdange<br />
Belval-Mairie<br />
Belval-Lycée<br />
Bahnanbindung Personenverkehr (geplant)<br />
Tram (geplant)<br />
Bahnhof<br />
Belval-Université<br />
Belval-Usines<br />
Esch-sur-Alzette<br />
Esch-sur-Alzette<br />
Buslinie 4
Autobahnanbindung<br />
France (Liaison Micheville)<br />
Die überörtliche Haupterschließung des Belval-<br />
Viertels wird zukünftig durch die Anbindung an<br />
die Autobahn A4 erfolgen, die heute von Luxemburg-Stadt<br />
kommend<br />
nördlich der Stadt Esch endet. Von dort wird die<br />
Trasse nach Westenverlängert. Das Belval-Viertel<br />
wird in einem Tunnel unterquert.<br />
Zeitgleich mit der Verlängerung der Autobahn<br />
A4 in das Gebiet von Belval ist die<br />
Verlängerung der A4 nach Süden über die französische<br />
Grenze hinaus geplant.<br />
(”Liaison Micheville”)<br />
Luxembourg-Ville<br />
Trier (Germany)<br />
Abb. 52<br />
Abb. 53<br />
Einfahrt ins Belvalareal Ost bei Nacht
Fuß- und Radwege<br />
Fuß- und Radwegnetz<br />
Das Fuß- und Radwegsystem ist vielfältig mit der<br />
Umgebung vernetzt. Generell ist die Verknüpfung<br />
der Wegverbindungen mit dem Netz des<br />
öffentlichen Personennahverkehr gelegt.<br />
Folgende Radwegverbindungen mit den umgebenden<br />
Bereichen sind insbesondere berücksichtigt:<br />
�����������������������������������������������<br />
den südlich des Gebietes in Ost-West-Richtung<br />
verlaufendnen nationalen Radweg;<br />
���������������������������������������������<br />
nach Westen in Richtung Wünschelbach / Galgenberg<br />
(vis-à-vis Bahnhof-Esch);<br />
�������������������������������������������<br />
Südbandes sowie aus dem ‘Quartier Belval’ nach<br />
Belvaux;<br />
������������������������������������������������lich<br />
von Belval geplante Fuß-/Radwegeverbindung<br />
zwischen Belvaux und Dippach / Esch;<br />
��������������������������������������������<br />
Rue de Belval an das nördliche Esch (Dippach)<br />
über die Hochofenterrasse.<br />
Die Anlage der Fuß- und Radwege korrespondiert<br />
soweit möglich mit der Schaffung des<br />
Grünsystems, so dass eine weitgehende Führung<br />
außerhalb der eigentlichen Straßenräume<br />
ermöglicht wird.<br />
Abb. 50<br />
Grünflächen / Parks<br />
Grünflächen und Parks
Abb. 51<br />
Verändertes Freizeitverhalten
Blick von Nord-West<br />
Einfahrt ins Belvalareal Ost<br />
Gelände im Norden , ein Parplatz ist geplant<br />
Durchgang vom Dexia zum Belval Plaza
Neuinterpretation des Areals<br />
Von der Stahl-zur Filmindustrie
Ceci ne pas Venise....<br />
Abb. 54<br />
Filmindustrie in Luxemburg<br />
Zwar kann sich Luxemburg keiner langjährigen,<br />
reichen Kinotradition rühmen, doch fand es in<br />
den letzten Jahren einen festen Platz in der internationalen<br />
Filmwirtschaft - das zumindest lassen<br />
die zahlreichen Preise, die von luxemburgischen<br />
Filmemachern auf den großen internationalen<br />
Filmfestivals gewonnen wurden, vermuten. Sie<br />
sind eines von mehreren Indizien dieser beachtlichen<br />
Entwicklung, und so wächst in diesem<br />
Land Tag für Tag, Jahr für Jahr ein neuer, viel<br />
versprechender Wirtschaftszweig heran: jener,<br />
der audiovisuellen Produktionen.<br />
Seit den 1990er Jahren lockten Koproduktionen<br />
mit ausländischen Partnern immer wieder<br />
hochkarätige Kinostars nach Luxemburg. John<br />
Malkovich, Nathalie Baye, Nicolas Cage, Gérard<br />
Depardieu, Catherine Deneuve, Philippe Noiret,<br />
Patrick Swayze, Joseph Fiennes, Jeremy Irons und<br />
Al Pacino standen bereits im Großherzogtum vor<br />
der Kamera. Doch auch luxemburgische Schauspieler,<br />
Regisseure, Produzenten und Techniker<br />
wussten sich neben diesen Stars durchzusetzen.<br />
Die Anfänge dieser Erfolgsstory reichen in die<br />
ausgehenden 1980er Jahre zurück, in denen die<br />
Regierung Luxemburgs beschloss, diesen neuen<br />
Aspekt des Großherzogtums zu fördern, welches<br />
allzu oft ausschließlich als Finanzplatz angesehen<br />
wurde. Da Luxemburg nicht wirklich auf eine<br />
schöpferische Kinotradition zurückgreifen kann,<br />
wurden damals Mittel bereitgestellt, um eine<br />
solche zu schaffen.<br />
Vor diesem Hintergrund schuf die um wirtschaftliche<br />
Diversifizierung bemühte Regierung<br />
in den 1980er Jahren relativ konsequent zwei<br />
Mechanismen der finanziellen Unterstützung<br />
audiovisueller Produktionen. Seither kommen<br />
Filmteams nicht nur in den Genuss finanzieller<br />
Vorteile, wenn sie ihre Kameras auf luxemburgischem<br />
Boden aufbauen, sie profitieren zudem<br />
von geeigneten technischen Infrastrukturen sowie<br />
der Kompetenz und wachsenden Erfahrung<br />
der lokalen Produktionsindustrie.<br />
Offensichtlich wirkten zwei in Luxemburg ansässige<br />
Giganten der audiovisuellen Kommunikation<br />
auf zahlreiche innovative filmschaffende<br />
Unternehmen äußerst attraktiv, nämlich der<br />
europäische Fernseh- und Rundfunksender RTL<br />
Group mit seinen über 40 Programmen sowie<br />
der Betreiber der ASTRA-Satelliten SES (Société<br />
européenne des satellites). Hinzu kommt, dass<br />
der Reichtum und die Vielfalt der luxemburgischen<br />
Naturlandschaft mit ihren zahlreichen<br />
Schlössern und historischen Orten unzählige<br />
interessante Möglichkeiten für Außendreharbeiten<br />
bietet, von der mehrsprachigen Gewandtheit<br />
der Luxemburger und der Überschaubarkeit<br />
des Landes selbst einmal ganz abgesehen, was<br />
sicherlich auch zu dieser raschen Entwicklung<br />
beitrug.<br />
Delux Productions zog mit Secret Passage bei<br />
den Dreharbeiten in Luxemburg im Jahr 2001<br />
alle Blicke auf sich. Der Film von Adémir Kenovic,<br />
der als Koproduktion mit der britischen Filmgesellschaft<br />
Zephyr Films entstand, wartete mit<br />
John Turturro als Hauptdarsteller auf (zu sehen<br />
bereits 1998 in The Big Lebowski). Weitere Stars<br />
in der Besetzung waren Katherine Borowitz<br />
und Tara FitzGerald. Nachdem einige Szenen in<br />
Venedig und in den Delux- Studios in Contern<br />
(Luxemburg) gedreht waren, richtete sich das<br />
Drehteam auf der Industriebrache Terres Rouges<br />
in Esch-sur-Alzette ein. In nur sechs Monaten<br />
hatten gut 300 Handwerker und Helfer das<br />
sechs Hektar große Brachland in das Venedig<br />
des ausgehenden 16. Jahrhunderts verwandelt.<br />
Alle Gewerke hatten Hand angelegt, um auch<br />
die letzten Details originalgetreu nachzubilden:<br />
Stuck,Wandmalereien, Holzbalkone, Wäsche<br />
in den Fenstern, Gondeln, ja sogar Geranien –<br />
nichts wurde dem Zufall überlassen. Tonnenweise<br />
Baumaterialien waren nötig, allein der Aufbau<br />
der Filmkulisse wird auf ein Gesamtbudget von<br />
mehreren Millionen Dollar geschätzt. Ein Jahr<br />
Vorbereitungen gingen dem Bau der von Miljen<br />
Kreka Kljakovic konzipierten Bühnenbilder<br />
voraus, der bereits in den Filmen von Emir Kusturica<br />
(Zeit der Zigeuner, Underground, Arizona<br />
Dream) oder in der Horrorkomödie Delicatessen<br />
von Caro und Jeunet phantastische Bühnenbilder<br />
arrangierte. Secret Passage gehörte zur offiziellen<br />
Auswahl des Boston Jewish Film Festival<br />
im November 2003. Die Kulissen von Venedig<br />
in Esch-sur-Alzette dienten, unter anderem,<br />
ebenfalls dem Regisseur Michael Radford beim
Dreh seines Films The Merchant of Venice. Diese<br />
Verfilmung von Shakespeares Stück, welche in<br />
Koproduktion mit Delux Productions verwirklicht<br />
wurde, kann sich mit Joseph Fiennes, Jeremy<br />
Irons und Al Pacino einer renommierten Rollenbesetzung<br />
rühmen. In einem ganz anderen Stil<br />
kommt der 2002 angelaufene Spielfilm von Tom<br />
Reeve und der Produktionsfirma The Carousel<br />
Picture Company George and the Dragon mit<br />
Patrick Swayze daher (Stadt der Freude, Dirty<br />
Dancing und Ghost). Gedreht wurde hauptsächlich<br />
in Esch-sur-Alzette. Die Geschichte spielt<br />
Abb. 55<br />
nach dem ersten Kreuzzug ins Heilige Land<br />
(Anfang des 11. Jahrhunderts) zur Zeit der Ritter,<br />
schönen Fräuleins und Legenden. 2002 hat der<br />
luxemburgischsprachige Spielfilm Le club des<br />
chômeurs von Andy Bausch alle Kinokassenrekorde<br />
in Luxemburg gesprengt. Die Geschichte<br />
spielt im Industriegebiet im Süden Luxemburgs.<br />
Der Niedergang der Stahlindustrie liess die Arbeitslosigkeit<br />
stark ansteigen, der Staat hat sich<br />
jedoch zum Ziel gesetzt, die entlassenen Kumpel<br />
mit Wiedereingliederungsmassnahmen zurück<br />
ins Arbeitsleben zu bringen.<br />
Abb. 55
Abb. 56<br />
Abb. 57<br />
Abb. 58<br />
In der Zeit 1998 bis 2006 befand sich Belval<br />
in einem „ Winterschlaf“. Die Industrie war<br />
gescshlossen worden.<br />
In diesen Jahren fanden dort kulturelle Veranstaltungen<br />
statt.<br />
Touristenführungen durch die Industrie und<br />
auch Dreharbeiten zu diversen Filmen.<br />
Die Abbildungen stammen nicht etwa von<br />
Venedig.<br />
Vielmehr handelt es sich hier um eine Filmkulisse<br />
für einen in Belval gedrehten Film.<br />
Abb. 55<br />
Abb. 55
Abb. 55
Abb. 55<br />
Le club des chômeurs - Der wohl bekannteste<br />
luxemburgische Film<br />
Der Untergang der Stahlindustrie Luxemburgs<br />
hat eine Menge Arbeitslose mit sich gebracht.<br />
Doch der<br />
luxemburgische Wohlstandsstaat hat beschlossen<br />
sich ihrer allen anzunehmen. Alle, ohne<br />
Ausnahme.<br />
Alle? Nein! Eine kleine Gruppe beschließt zu<br />
widerstehen und gründet... den Club des Chômeurs.<br />
Um Mitglied zu werden muss man:<br />
- Arbeitslos sein<br />
- schwören, es zu bleiben<br />
- jegliche Form von Weiterbildung ablehnen<br />
- und vor allem jede mögliche Hilfe vom Staat<br />
ausnutzen.<br />
Abb. 55<br />
Filmszene aus „Le club des chômeurs“<br />
Die Geschichte spielt im Süden Luxemburgs<br />
zur Zeit wo die Hochöfen und die Fabriken der<br />
Stahlindustrie<br />
schliessen.<br />
Seit dem Untergang der Stahlindustrie war der<br />
Staat stets bemüht den Süden des Landes neu<br />
aufzuwärten. In den Jahren nach der Schließung<br />
der Hochöfen war Esch-Belval Schauplatz zahlreicher<br />
Filmdrehs nationaler und internationaler Produktionen.
Hochöfen als Denkmal
Denkmalkultur<br />
Spätestens seit der Aufgabe der klassischen Flüssigphase<br />
in der luxemburgischen Stahlindustrie<br />
im Sommer 1997, ist die Bewahrung der regionalen<br />
Identität der Minetteregion in aller Munde. In<br />
der Tat ist vielen, Betroffenen wie Beobachtern,<br />
bewußt geworden, daß durch das Anhalten des<br />
letzten Großraumhochofens auf Hütte Belval ein<br />
Industriezeitalter zu Ende gegangen ist, das<br />
während etwas mehr als hundert Jahren Menschen<br />
und Landschaft, Gesellschafts- und<br />
Wirtschaftsstrukturen der Südregion grundlegend<br />
geprägt hat. Derzeit scheint die Nostalgie<br />
noch<br />
das ausschlaggebende Motiv der Bemühungen<br />
um die Bewahrung der regionalen Identität der<br />
Minetteregion zu sein, wie dies auch der von<br />
namhaften Politikern öffentlich bekundete Wille<br />
zur Erhaltung der Belvaler Hochöfen bezeugt.<br />
Setzt man diese Bemühungen jedoch in den<br />
weiter gefaßten Rahmen der bewußten Auseinandersetzung<br />
mit der Industriekultur der Minetteregion,<br />
in dem Sinne wie dieser Begriff über<br />
die produktionstechnische Bedeutung von Maschinen<br />
und Industrieanlagen hinaus, auch die<br />
gesellschaftlichen Beziehungen und Lebensformen<br />
der Menschen in der Industriegesellschaft<br />
einschließt, dann bedarf es eines kritischen<br />
Geschichtsverständnisses.<br />
Denkmäler bzw. Mahnmale können vielfältige<br />
politisch-gesellschaftliche Funktionen einnehmen.<br />
Politikum des Denkmals ist - neben seiner Repräsentations-und<br />
Legitimationsfunktion - seine<br />
identitätsstiftende Funktion.<br />
Denkmäler ermöglichen unterschiedliche<br />
Interpretationen von Vergangenheit; aus vielschichtigen<br />
Vergangenheitsbezügen erfolgen<br />
Geschichtskonstruktionen und -deutungen<br />
durch geschichtspolitische AkteurInnen.<br />
Abb. 59
Hochofenbeleuchtung von Ingo Maurer<br />
Abb. 59<br />
Im Zentrum der Stadt gelegen prägen die Hochöfen<br />
, deren Bild entscheidend und wirken wie<br />
eine Kathedrale.<br />
Ingo Maurer möchte , dass die Beleuchtung<br />
Erinnerungen weckt, an die Menschen die in den<br />
Hochöfen gearbeitet haben und an den Stahl der<br />
dort gekocht wurde. Cooles oder nur dekoratives<br />
Licht wäre ihm zu wenig gewesen.<br />
Ingo maurer verwendete vor allem weisses<br />
Licht und Schatten für einen starken Kontrast.<br />
Dies kann, so Maurer, mit den Schwarz-Weiss-<br />
Filmen von Sergej Eisenstein oder F.W. Murnau<br />
und an mit der Darstellung von Menschen in<br />
der industriellen Umgebung, wie in Fritz Langs<br />
Film „Metropolis“assoziiert werden.Projektionen<br />
könnten die Arbeiter wie Phantome von Zeit zu<br />
Zeit auftauchen lassen und sie den Betrachtern<br />
in Erinnerung rufen.<br />
Künstlicher Nebel der zwischen den Türmen und<br />
Gebäuden schwebt und aus den Schornsteinen<br />
weht,<br />
lassen das verlassene Areal noch geheimnisvoller<br />
wirken.<br />
An einigen Stellen ist flimmerndes Licht zu<br />
sehen, das die Erinnerung an glühendes Eisen<br />
hervorruft.
Abb. 59<br />
Abb. 59 Abb. 59
QUELLEN<br />
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www.industrie.lu<br />
www.rail.lu<br />
www.zukunftsinstitut.de<br />
www.alia.lu<br />
www.2.bsz.bw.de<br />
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www.filmfund.lu<br />
Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen<br />
Grenzraum 19 u. 20 Jh.<br />
Hersg. Rainer Rudemann, Rolf Wittenbrock<br />
Kommissionsverlag Saarbrücker Druckerei<br />
und Verlag GMbH 1991<br />
Bildnachweis
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