Download PDF - Geo-Naturpark Bergstraße Odenwald
Download PDF - Geo-Naturpark Bergstraße Odenwald
Download PDF - Geo-Naturpark Bergstraße Odenwald
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong><br />
Jochen Babist, Alexander Vögler, Markus Gnirß<br />
Spuren antiker Steingewinnung bei Heppenheim? -<br />
Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen<br />
Bibliographie/Zitationsweise:<br />
im Original erschienen:<br />
Babist, J.; Vögler, A. & Gnirß, M. (2010): Spuren antiker Steingewinnung bei Heppenheim? -<br />
Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen. In: Geschichtsblätter des<br />
Kreises Bergstraße, Band 43, Verlag Laurissa, Lorsch; S. 235-272.<br />
ISSN 0720-1044<br />
Zitationsweise der Online-Version:<br />
Babist, J.; Vögler, A. & Gnirß, M. (2010): Spuren antiker Steingewinnung bei Heppenheim? -<br />
Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen. Online-Publikationen des<br />
<strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> e. V. ; http://www.geo-naturpark.net/daten/forschung/<br />
Publikationen.php; Datum des Abrufs.<br />
Copyright der Online-Version:<br />
Alle Rechte vorbehalten. Verwendung von Text, Textteilen, Grafiken oder Fotografien in gedruckter oder digitaler<br />
Form nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Autoren und des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong>.
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Spuren antiker Steingewinnung bei Heppenheim? -<br />
Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen<br />
Jochen Babist 1,3 , Alexander Vögler 2 , Markus Gnirß 1<br />
( 1 AG Altbergbau <strong>Odenwald</strong> / 2 TU Darmstadt / 3 <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong> Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> e. V.)<br />
Inhalt<br />
1. Technik der Hartgesteinsgewinnung im Wandel der Zeit 2<br />
2. Der Geländebefund vom Steinberg bei Heppenheim<br />
und die resultierende Fragestellung 6<br />
3. Die Gesteinsarten im Straßenpflaster der römischen Bergstraße 11<br />
4. Römische Steingewinnung südöstlich von Heppenheim 14<br />
5. Begriffsdefinitionen und Datenerfassung zur geometrischen<br />
Charakterisierung der Keiltaschen 15<br />
6. Vergleich der Keiltaschen-<strong>Geo</strong>metrien vom Steinberg bei Heppenheim<br />
mit den römischen Abbauen am Felsberg bei Reichenbach und der Mauerley<br />
bei Wassenach (Osteifel) 17<br />
7. Die Laserscanning-Methode zur Erfassung der internen Keiltaschen-Morphologie 24<br />
8. Zusammenfassung und Ausblick 27<br />
9. Danksagungen 28<br />
10. Literatur 28<br />
1
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Spuren antiker Steingewinnung bei Heppenheim? -<br />
Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen<br />
Jochen Babist 1,3 , Alexander Vögler 2 , Markus Gnirß 1<br />
( 1 AG Altbergbau <strong>Odenwald</strong> / 2 TU Darmstadt / 3 <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong> Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> e. V.)<br />
1. Technik der Hartgesteinsgewinnung im Wandel der Zeit<br />
Die Gesteine des Bergsträßer <strong>Odenwald</strong>es entstanden vor rund 400 bis 320 Millionen Jahren während<br />
des Variskischen Gebirgsbildungszyklus’, bei dem sich durch Kollision verschiedener Kontinente und<br />
Kontinent-Bruchstücke der Großkontinent „Pangäa“ bildete. An der Stelle des heutigen Bergsträßer<br />
<strong>Odenwald</strong>es befand sich ein aktiver Kontinentalrand, unter den ozeanische Kruste eines nördlich<br />
gelegenen Ozeans subduziert wurde 1 . Diese Situation ist in etwa vergleichbar mit den heutigen Anden<br />
an der Westküste Südamerikas.<br />
Im Unterbau des Variskischen Gebirges kristallisierten aus großen Mengen unterschiedlich<br />
zusammengesetzter Gesteinsschmelzen die Gesteinsarten Gabbro, Diorit, Granodiorit und Granit in<br />
Tiefen von 4 bis über 10 km Tiefe unter der damaligen Landoberfläche 2 .<br />
Typisches Kennzeichen dieser Plutonite (Tiefengesteine) ist das grobkörnige, ineinander verzahnte<br />
und meist richtungslose Gefüge, das sich durch ein langsames und Wachstum seiner Minerale<br />
ausbildete. Im Unterschied zu geschichteten Sedimenten (Ablagerungsgesteinen) und geschieferten<br />
Metamorphiten (Umwandlungsgesteinen) zeigen die Plutonite des Bergsträßer <strong>Odenwald</strong>es daher<br />
primär wenig ausgeprägte Spaltbarkeiten. Auch eine mit dem bloßen Auge kaum sichtbare<br />
magmatische Foliation konnte nur dann entstehen, wenn die Kristallisation während tektonischer<br />
Einspannung ablief – dann regelten sich bereits kristallisierte Mineralkörner mit ihrer Längsrichtung<br />
parallel zur Fließrichtung der Restschmelze in der Magmakammer ein 3 .<br />
Störungen und Klüfte, die heute sichtbar die Gesteine kennzeichnen, entwickelten sich während ihrer<br />
weiteren Abkühlung und unter später anliegenden tektonischen Spannungsfeldern. So sind Gabbro,<br />
Diorit, Granodiorit und Granit einerseits sehr kompakte, hochwertige Hartgesteine, aber andererseits -<br />
beispielsweise verglichen mit dem jüngeren Buntsandstein - deutlich schwieriger zu gewinnen und zu<br />
bearbeiten.<br />
Ähnliches gilt für die Ganggesteine, die als Schmelzen in Spalten in das Nebengestein eindrangen und<br />
dort kristallisierten 4 . Vor allem die meist feinkörnigen Lamprophyre des vorderen <strong>Odenwald</strong>es<br />
eigneten sich zur Herstellung von Pflastersteinen und wurden in linear angelegten Steinbrüchen, die<br />
den aderförmigen Vorkommen folgten, abgebaut (z. B. an der „Steinmauer“ bei Heppenheim-<br />
Erbach 5 ).<br />
Wesentlich jünger als die Ära der Variskischen Gebirgsbildung sind die hydrothermalen<br />
Gangfüllungen aus Baryt (Schwerspat) und Quarz. Sie stammen vermutlich aus der Jura-Zeit 6 und<br />
1 FRANKE, W. (1989).<br />
2 Zur Zusammenschau neuerer Interpretationen und Druck- und Temperaturdaten für das Bergsträßer Kristallin<br />
vergleiche z. B. STEIN, E. (2001).<br />
3 Zur Ausbildung magmatischer Foliationen im Detail siehe STEIN, E. (2000).<br />
4 Zur Petrographie und Genese der Odenwälder Ganggesteine siehe z. B. MEISL, S. (1975) und NICKEL, E. &<br />
FETTEL, M. (1985).<br />
5 Eine Exkursionsbeschreibung zum Kersantitgang der „Steinmauer“ findet sich bei NICKEL, E. & FETTEL, M.<br />
(1985), S. 121-123.<br />
6 Eine direkte Datierung der Odenwälder Barytquarzgänge liegt noch nicht vor. Allerdings gibt es zwei Gänge<br />
bei Hammelbach und am Leonhardshof bei Beerfelden, die Buntsandstein durchsetzen, also jünger als 251<br />
Millionen Jahre alt sein müssen. Tonmineraldatierungen aus hydrothermalen Gängen bei Schriesheim ergaben<br />
jurassische (Misch-)Alter, LIPPOLT, H. J & LEYK, H.-J. (2004). Ein indirekter Beleg ergibt sich auch durch die<br />
2
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
wurden aus heißen, wässrigen Lösungen an Bruchspalten im Gestein ausgefällt. Die weißen bis<br />
bräunlichen, gebänderten, quarzreichen Gangfüllungen sind äußerst hart, wittern aus der Umgebung<br />
heraus (Teufelstein, Borstein und Hohenstein bei Reichenbach) und ähneln in ihren Eigenschaften bei<br />
der Verarbeitung homogenen, eher feinkörnigen Tiefengesteinen.<br />
Ein sehr ungewöhnliches Hartgestein findet sich am Essigkamm südöstlich von Heppenheim. Hier<br />
wurden sandige Meeresablagerungen aus der Oligozän-Zeit vor rund 35 bis 30 Millionen Jahren<br />
nachträglich durch Quarz verkittet 7 . Dies gab dem ursprünglich weichen Sandstein die Eigenschaften<br />
eines verwitterungsbeständigen, abriebfesten und äußerst harten Quarzits, der beispielsweise im<br />
Straßenpflaster der Auffahrt zur Starkenburg Verwendung fand.<br />
Die bislang ältesten nachgewiesenen Gewinnungsspuren von Hartgesteinen im Bergsträßer <strong>Odenwald</strong><br />
reichen mit den Werkplätzen am Felsberg bei Reichenbach vermutlich in das<br />
2. Jahrhundert n. Chr. zurück 8 . Der größte Teil der Bearbeitungsspuren stammt jedoch nach heutigen<br />
Erkenntnissen aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., also einer Zeit, zu der der <strong>Odenwald</strong>limes als Grenzlinie<br />
bereits gefallen war 9 .<br />
Abb. 1:<br />
Prinzip der Keilspaltung.<br />
Eine Keilspaltung mit Eisenkeilen<br />
(Methode 1) oder Eisen- oder Holzkeilen<br />
mit eingelegten Eisenlamellen (Methode 2)<br />
ermöglicht eine schonende Sprengung<br />
härtester Gesteinsblöcke. Die Sprengwirkung<br />
geht dabei nicht von der<br />
Keilspitze, sondern von den Keilwangen<br />
aus (Pfeile).<br />
geometrischen Schnittbeziehungen zwischen Barytquarzgängen und den älteren Lamprophyrgängen an der<br />
Juhöhe, vgl. Abb. 10.<br />
7<br />
CHELIUS, C. & KLEMM, G. (1896), S. 44-45.<br />
8<br />
RÖDER, J. (1985), S. 31-67.<br />
9<br />
GÖLDNER, H. & WEYRAUCH, W. (1989).<br />
3
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Mit Ausnahme der Sägespuren am „Altarstein“ (Block 87) und an einem weiteren Block oberhalb der<br />
Riesensäule zeigen alle bearbeiteten Quarzdiorit-Blöcke am Felsberg Spuren von reiner Keilspaltung.<br />
Diese Technik wurde spätestens seit der Herrschaft der Ptolemäer (323 bis 31 v. Chr.) in Ägypten<br />
angewendet 10 . Alle Formen der Keilspaltungen haben gemeinsam, dass das Gestein entlang einer<br />
durch zuvor eingehauene Vertiefungen definierten Linie beim Einschlagen von Keilen gezielt und<br />
schonend auseinander gesprengt wird. Als Keile dienten Eisenkeile (Methode 1 in Abb. 1) oder Eisen-<br />
und Holzkeile in Kombination mit paarweise an den Keiltaschenwangen anliegenden Eisenlamellen<br />
(Methode 2 in Abb. 1) 11 . Aus der Mühlsteinherstellung im Mayener Grubenfeld in der Osteifel ist auch<br />
die Verwendung von hölzernen Lamellen in situ in Keiltaschen dokumentiert worden 12 . Die sehr<br />
spärlichen Funde, die 1958 am Werkplatz des „Schiffs“ gemacht werden konnten, belegen in jedem<br />
Fall für den Felsberg die Verwendung 0,8 bis 1 cm dicker Eisenlamellen 13 .<br />
Abb. 2 (links):große Keiltasche der nach Röder vermutlich älteren Phase am Felsberg bei Reichenbach.<br />
Abb. 3 (rechts): Keilspaltung mit Keilnut und kleineren Keiltaschen der zweiten Phase am Felsberg.<br />
RÖDER entwickelte aufgrund seiner Beobachtungen an den Werkplätzen des Felsberges eine grobe<br />
Typologie nach der Größe der Keiltaschen (Vertiefungen, in die die Keile eingelassen wurden) und<br />
kam so zu einer zeitlichen Abfolge: Während einzelne, sehr breite und tiefe Keiltaschen mit einer<br />
oberen Keiltaschenlänge von bis zu 20 cm (siehe Abb. 2, zur Definition der Maßbegriffe vergleiche<br />
Abb. 14) aus der Frühphase des Abbaus im 2. Jahrhundert n. Chr. stammen sollen, werden die<br />
wesentlich häufigeren, mit 8 bis 10 cm Länge kürzeren Keiltaschen am Grund durchlaufend<br />
eingeschrämter „Keilnuten“ aufgrund von Analogieschlüssen dem 4. Jahrhundert n. Chr. zugeordnet 14 .<br />
Das Einschrämen einer Keilnut (Abb. 3) brachte gegenüber den einzeln stehenden Keiltaschen den<br />
Vorteil, dass die Längsachsen der einzelnen Keiltaschen besser in Linie ausgerichtet werden konnten<br />
10 RÖDER, J. (1965), S.527.<br />
11 GÖLDNER, H. & WEYRAUCH, W. (1989).<br />
12 MANGARTZ, F. (2008), S. 61.<br />
13 PLÖßER, H. (1993), S. 22.<br />
14 RÖDER, J. (1985).<br />
4
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
(Vorzeichnung). Es wurden nun zunehmend kleinere Keiltaschen in engere Abstände gesetzt. Der<br />
Ansatzpunkt der Spaltkräfte an den Wangen der Keiltaschen konnte deutlich tiefer in den Fels gelegt<br />
werden, und die Kraftverteilung im Gestein gestaltete sich gleichmäßiger. Normalerweise gelang eine<br />
Spaltung ohne Nut nur, wenn die Breite des zu gewinnenden Steines mindestens die Hälfte der<br />
Spalttiefe betrug 15 .<br />
Mittelalterliche Werkplätze sind in den Hartgesteinen des vorderen <strong>Odenwald</strong>es nicht bekannt, oftmals<br />
fanden leicht bearbeitbare Bruchsteine aus den allgegenwärtigen Hangschuttdecken Verwendung 16 .<br />
Lediglich im Buntsandstein (Pseudomorphosensandstein im mittleren <strong>Odenwald</strong> und Kristallsandstein<br />
im fränkischen <strong>Odenwald</strong>) ist die Keilrillenspaltung als weiterentwickelte Technik 17 nachweisbar, die<br />
jedoch gleichzeitig mit der auch weiterhin verwendeten Keilspaltung ohne Keilnut Verwendung<br />
fand 18 . Bei der Keilrillenspaltung wurden Trennschläge mit einem schweren Steinhammer in die Nut<br />
ausgeführt, oder es wurden Keile direkt in die Nut eingesetzt 19 . Auf diese Weise entfiel die<br />
Ausarbeitung zusätzlich eingetiefter Keiltaschen.<br />
Abb. 4: grobe chronologische Einteilung der im <strong>Odenwald</strong> auftretenden Abbauspuren im Hartgestein.<br />
Die Unterscheidung der reinen Keiltaschen als zeitlicher Durchläufer ist problembehaftet.<br />
15<br />
Vergleiche hierzu RÖDER, J. (1965), S. 527-528, RÖDER, J. (1974), S. 522 und RÖDER, J. (1985), S. 46.<br />
16<br />
VÖGLER, A. & BABIST, J. (2010), S. 153.<br />
17<br />
Vergleiche dazu HUNOLD, A.; IPPACH, PETER & SCHAAF, H. (2002), S. 21.<br />
18<br />
VÖGLER, A. & BABIST, J. (2010), S. 154.<br />
19<br />
RÖDER, J. (1960), S. 70 ff.<br />
5
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Erst im 19. Jahrhundert blühte die Hartgesteinindustrie des vorderen <strong>Odenwald</strong>es erneut auf 20 , und<br />
neben zahlreichen neu erschlossenen Steinbrüchen entstanden viele einzelne Werkplätze an<br />
natürlichen Felsgruppen oder im Bereich von Blockansammlungen. Zwar hatte sich mittlerweile die<br />
Sprengtechnik entwickelt (zunächst unter Einsatz von Schwarzpulver, im Bergbau des <strong>Odenwald</strong>es<br />
spätestens ab den 1740er Jahren nachweisbar), doch konnte die neue Technik noch nicht das Lösen<br />
und Zerteilen des Gesteins mit der Keilspaltungstechnik ersetzen: Zu stark wurde bei den radial<br />
wirkenden Sprengungen das interne Gefüge des Gesteins gestört, sodass es kaum noch für die<br />
Herstellung größerer Werkstücke brauchbar war. Mit dem Aufkommen des maschinellen<br />
Pressluftbohrens wurden schließlich zur Spaltung Patent- oder Federkeile (Keile mit Einlegescheiben<br />
aus Stahl) in die zylindrischen Bohrlöcher eingesetzt, um eine günstigere Kraftverteilung zu erreichen.<br />
Somit wurde die in vier Varianten praktizierte Keilspaltungstechnik (1. Keilspaltung ohne Keilnut,<br />
2. Keilspaltung mit Keilnut, 3. Keilrillenspaltung und 4. Federkeilspaltung) im Wesentlichen über<br />
1900 Jahre unverändert angewendet (Abb. 4). Alle händisch hergestellten Keiltaschenformen ohne<br />
Keilnut sind grundsätzlich in ihren Geländebefunden als verwechslungsgefährdet anzusprechen. Zwar<br />
gibt es – betrachtet man die Befunde vom Felsberg bei Reichenbach – Hinweise auf eine Überprägung<br />
von Variante 1 zu Variante 2 21 , doch bleibt zu diskutieren, inwieweit die Keilspaltung mit Nut<br />
tatsächlich die ursprünglichere Form der Keilspaltung mit Einzeltaschen zeitlich fassbar ablöste.<br />
Alternativ wäre durchaus denkbar, dass abhängig von Blockgröße und Gesteinseigenschaften beide<br />
Methoden auch gleichzeitig Anwendung fanden.<br />
2. Der Geländebefund vom Steinberg bei Heppenheim<br />
und die resultierende Fragestellung<br />
Anlässlich einer Begehung neuzeitlicher Werkplätze zwischen Heppenheim und der Juhöhe<br />
entdeckten die Verfasser einen Werkplatz, der schon durch seine Lage am steilen Westhang des<br />
Steinbergs (Gauss-Krüger Koordinaten R 3475300 / H 5499250) zwischen Heppenheim und<br />
Laudenbach ungewöhnlich erschien (vergleiche Karte Abb. 10, Lokalität „Steinberg“ südsüdöstlich<br />
von Heppenheim).<br />
Unmittelbar nördlich eines kleinen Steinbruches befindet sich eine größere Felsgruppe<br />
(Abb. 5) aus Granodiorit, die zwei misslungene und eine gelungene Stoßspaltung (vertikal) aufweist.<br />
Die Keiltaschen wurden ohne Keilnut in das Gestein eingetieft und weisen eine obere Breite von bis<br />
zu 14 cm auf. Die obere Spaltung wurde durchgeführt und zerriss den Block seitlich ausbrechend in<br />
zwei Teile (Abb. 6). Die untere Spaltung blieb erfolglos oder wurde gar nicht erst angesetzt (Abb. 7),<br />
da eine entsprechende Rissbildung entlang der vorgesehenen Spaltlinie nicht zu beobachten ist.<br />
Am nordwestlichen Fuß des Hauptfelsens findet sich ein scheibenförmiges Werkstück, dessen<br />
Rundung durch Keilspaltung (reliktisch erkennbare Keiltaschen mit einer Breite von 6,5 cm) und<br />
durch grobes Bossieren und Abspitzen hergestellt wurde. Der angelegte Kreisbogen besitzt einen<br />
Radius von rund 43 cm, das Werkstück besitzt eine (ungleichmäßige) Dicke von rund 30 cm (Abb. 8).<br />
Lediglich der unmittelbar nördlich davon liegende Block weist noch Reste einer Keilspaltung auf, alle<br />
anderen Blöcke im Umfeld scheinen unbearbeitet geblieben zu sein (vgl. Abb. 5). Sie zeigen die<br />
typische natürliche, rundliche Verwitterungsform granitischer Gesteine, gelegentlich durch scharf<br />
definierte Klüfte durchsetzt.<br />
Die Ränder der Keiltaschen aller drei Spaltungen erscheinen durch Verwitterung auffällig gerundet<br />
und legen den Schluss nahe, dass es sich nicht um neuzeitliche Abbauspuren handelt. Am unteren Teil<br />
des Felsens finden sich insgesamt drei Bohrpfeifen (Bohrlöcher) mit einem Durchmesser von 2,7 bis<br />
3,0 cm. Sie erscheinen jedoch willkürlich angeordnet und besitzen keinen Bezug zu der beabsichtigten<br />
Spaltlinie entlang der eingeschlagenen Keiltaschen (Abb. 6).<br />
20 Vergleiche z. B. CHELIUS, C. (1905), S. 61-74.<br />
21 Überprägungsbeziehungen wurden am Felsberg für Block 156 zwischen „Pyramide“ und den großen Felsen in<br />
der Nähe der Schutzhütte beschrieben von LOEWE, G. (1985), S. 98.<br />
6
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Südlich des Werkplatzes befindet sich ein kleiner Steinbruch aus dem 19. Jahrhundert. Der Abbau<br />
folgte hier den natürlich vorgegebenen Kluftrichtungen. Es wurden teilweise bis 4 cm breite<br />
Bohrlöcher angelegt und große Massen mit kleineren Sprengungen gelöst. Teile der Bohrlöcher finden<br />
sich noch an der nordwestlichen Bruchwand. Das so aus dem Gesteinsverband gelöste Material wurde<br />
mit Keilspaltungen weiter zerteilt.<br />
Abb. 5: Geländebefund am Steinberg südöstlich von Heppenheim<br />
7
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 6 (links): Keilspaltung am Steinberg; unterer Felsen. An der dritten Keiltasche von unten und unterhalb der<br />
Moosfläche am rechten Bildrand Bohrlöcher. Abb. 7 (rechts): Keilspaltung mit bis zu 14 cm langen Keiltaschen<br />
am oberen Felsen Steinberg.<br />
Abb. 8 (rechts und unten):<br />
Das scheibenförmige Werkstück am Steinberg<br />
erinnert an einen Mühlstein-Rohling. Außer der<br />
groben Anlage des Kreisradius’ wurde jedoch nur<br />
grob bossiert und abgespitzt, bevor das Werkstück<br />
aufgegeben wurde.<br />
8
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Interessant ist ein Vergleich der Spaltspuren an den Restblöcken im Steinbruch mit denen des nördlich<br />
gelegenen Werkplatzes: Die Keiltaschenbreite ist mit einheitlich rund 4 bis 5 cm. gegenüber dem<br />
Werkplatz deutlich kleiner und besitzt außerdem eine geringere Variationsbreite (Abb. 9). Der<br />
Abstand der Keiltaschen ist mit Werten zwischen 4 und 8 cm ebenfalls deutlich kleiner als am<br />
Werkplatz – dort betragen die Abstände zwischen 10 und 13 cm. Die Keiltaschen aus den Restblöcken<br />
im Steinbruch entsprechen damit in ihren Maßen und ihrer engständigen Anordnung denen, die auch<br />
an den gesichert neuzeitlichen Werkplätzen am Salzkopf nordwestlich der Juhöhe und am Borstein<br />
(Westhang der Tromm) östlich von Zotzenbach beobachtet werden konnten 22 .<br />
Abb. 9: kleine, typisch neuzeitliche Keiltaschen an Restblöcken im Steinbruch am Steinberg.<br />
Größe und Form, sowie der Verwitterungsgrad der Keiltaschen an der Felsgruppe nördlich des<br />
Steinbruches unterscheiden sich deutlich von den Keilungen im Steinbruch – liegt hier also an der<br />
Felsgruppe ein deutlich älterer mittelalterlicher oder antiker Werkplatz vor? Die Kombination der<br />
auffälligen Keiltaschen mit den drei Bohrpfeifen spricht zunächst gegen eine solche Deutung,<br />
allerdings könnten die Bohrungen wesentlich später entstanden sein als die drei Spaltungen. Die obere<br />
Keiltaschenlänge liegt durchaus im Bereich der im antiken Steinbruch am Felsberg bei Reichenbach<br />
auftretenden Größenordnungen für Technik 1 (Keilspaltung ohne Keilnut, vgl. Abb. 4).<br />
Der Blick auf das begonnene Werkstück, das auf den ersten Blick an einen begonnenen Mühlstein<br />
erinnert, kann die Frage ebenso wenig beantworten. Die scheibenartige Form der Mühlsteine ist<br />
geschichtlich gesehen ein Durchläufer, abhängig von Funktion und Aufbau des Mahlgangs in den<br />
Mühlen. Für eine genauere Einordnung besitzt das Werkstück zu wenige Details.<br />
22 VÖGLER, A. & BABIST, J. (2010), S. 156-158.<br />
9
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 10: Karte der römischen Funde in der Umgebung von Heppenheim und der im Straßenpflaster der<br />
römischen Bergstraße verwendeten Gesteinsvorkommen. Pfeile: vermuteter Transportweg zwischen römischen<br />
Gesteinsabbauen und der Bergstraße.<br />
10
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Bei dem Versuch, die Frage nach dem Alter der Keiltaschen am Steinberg zu klären, bot sich daher<br />
zunächst der umgekehrte Weg an. Für die Datierung des antiken Hartsteinabbaus am Felsberg werden<br />
Dünnschliffuntersuchungen am Trierer „Domstein“ herangezogen, dem Rest einer monolithischen<br />
Säule aus der 328 bis 337 n. Chr. durch Kaiser Konstantin errichteten Basilika 23 . Über die Nutzung des<br />
östlich und südlich von Heppenheim auftretenden Granodiorits in römischer Zeit gab es dagegen<br />
bislang keine vergleichenden Untersuchungen. Es galt also zunächst zu klären, inwieweit sich aus<br />
bekannten archäologischen Befunden – in dieser Arbeit bezogen auf die unmittelbaren Umgebung von<br />
Heppenheim – auf eine Verwendung des Gesteins schließen lässt.<br />
3. Die Gesteinsarten im Straßenpflaster der römischen Bergstraße<br />
Der Verlauf der alten römischen Bergstraße zwischen Bensheim und Heppenheim ist durch vier<br />
bekannte Befunde relativ gut dokumentiert (vgl. Abb. 10). Sie wurde an der Gemarkungsgrenze zu<br />
Bensheim und südlich in der Nähe des heutigen Heppenheimer Friedhofes nachgewiesen. In der<br />
Nachbarschaft des ehemaligen Schlachthauses (Nähe der heutigen Straße „Am Steinkopf“) wurde<br />
durch Gies ein 4 bis 5 m breiter, gewölbter Straßenkörper mit deutlichen Wagenspuren dokumentiert,<br />
und bei Kanalisationsarbeiten in der Darmstädter Straße wurde 1955 eine zweibahnig angelegte 3,9 m<br />
breite Straßenpflasterung mit Mittelrinne angetroffen 24 .<br />
Abb. 11: Transloziertes römisches Straßenpflaster am Feuerbachplatz in Heppenheim. Die römische Bergstraße<br />
wurde 1955 bei Kanalbauarbeiten in der Darmstädter Straße in rund 6 m Tiefe angetroffen.<br />
Die in diesem Befund angetroffene Pflasterung wurde transloziert und bei der Gestaltung des<br />
Feuerbachplatzes innerhalb der Grünanlage wieder aufgebaut, sodass sie auch heute noch einer<br />
näheren Untersuchung zugänglich ist. Bearbeitungsspuren sind an den Pflastersteinen nicht zu<br />
erkennen. Wie die an randlicher Position an einem Stein erhaltene Wagenspur ohne entsprechende<br />
Gegenseite belegt, wurde der originale Fundzusammenhang nicht wieder hergestellt (Abb. 12).<br />
23 GÖLDNER, H. & WEYRAUCH, W. (1989).<br />
24 MEIER-ARENDT, W. (1968), S. 66-67.<br />
11
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 12: Eingetiefte Wagenspur ohne Gegenstück am Rand der wieder hergerichteten Pflasterung -<br />
der originale Befundzusammenhang wurde beim Wiederaufbau am Feuerbacher Platz nicht wieder hergestellt.<br />
Dennoch gibt die römische Pflasterung Auskunft über das verwendete Gesteinsspektrum. Meier-<br />
Arendt bezeichnete das Material als „Odenwälder Granit und Quarzit“ – Granit ist jedoch, wie eine<br />
genaue Durchmusterung des Materials belegte, nur sehr untergeordnet vertreten (Abb. 13). Bei der<br />
Auszählung wurde die Pflasterfläche rechts der Mittelrinne (Seite Karlstraße) begutachtet und die<br />
Gesteinsart von insgesamt 246 Pflastersteinen nach makroskopischen Kriterien identifiziert. Die<br />
insgesamt 10 dokumentierten Gesteinsarten stammen allesamt aus einem Radius von etwa 5 bis 6 km<br />
um das Zentrum der heutigen Kreisstadt. Es sind dies nach der Reihenfolge ihres Auftretens:<br />
1) quarzitischer Sandstein (Oligozän): n = 102; 41,5%<br />
Das häufigste Gestein im Straßenpflaster ist überaus charakteristisch. Es ist der quarzitisch gebundene<br />
Oligozän-Sandstein des Essigkamms südlich von Heppenheim, ein gelbliches bis rötliches, teilweise<br />
wegen des Feldspatgehaltes leicht löcherig verwitterndes Sedimentgestein. Zwar gibt es entlang der<br />
badischen Bergstraße weitere Vorkommen der oligozänen Sedimente, doch treten die Sandsteine und<br />
Konglomerate dort niemals in derart kompakter Form quarzitisch gebunden auf.<br />
2) Lamprophyr sensu lato: n = 40; 16,3%<br />
Lamprophyre sind melanokrate Ganggesteine, die als Minette (mit Orthoklas und Biotit), als Kersantit<br />
(mit überwiegend Plagioklas und Biotit), als Vogesit (mit Orthoklas und Hornblende) oder Spessartit<br />
(mit Plagioklas und Hornblende) unterschieden werden. Im Pflaster am Feuerbachplatz treten dunkle,<br />
dichte Varietäten mit rötlichem Orthoklas und weißlichem Plagioklas in allen Übergängen auf. Auf<br />
Grund der Oberflächenverschmutzung und der polierten Pflasterstein-Oberseite ist eine Bestimmung<br />
ohne Dünnschliff schwierig. Dennoch zeigt der Blick auf die geologische Karte, dass vor allem<br />
zwischen Heppenheim und Laudenbach eine Vielzahl derartiger Gänge mit Mächtigkeiten bis 20 m<br />
auftritt. Dichte, feinkörnige Varietäten sind sehr verwitterungsbeständig und belastbar und eignen sich<br />
hervorragend als Pflasterstein.<br />
12
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
3) Barytquarz: n = 33; 13,4%<br />
Der Barytquarz ist weiß bis gelblich und im Pflaster aufgrund seiner blättrigen und teilweise<br />
gebänderten Struktur gut erkennbar. Dichte und massige Varietäten können teilweise leicht mit<br />
rötlichem Oligozän-Quarzit verwechselt werden. Eindeutiges Kennzeichen im Pflaster ist jedoch auch<br />
das Vorkommen größerer Mengen rotbraunen Hämatits (Eisenoxid) im Gestein. Barytquarz tritt vor<br />
allem zwischen Heppenheim und der Juhöhe in mehrere Meter mächtigen und Kilometer lang<br />
aushaltenden Gängen auf. Dort finden sich im Wald oft große, kantige Blöcke an der Oberfläche, da<br />
das Material sehr verwitterungsbeständig ist.<br />
4) Diorit: n = 25; 10,2 %<br />
Im Gegensatz zu allen bisher beobachteten Gesteinsarten tritt Diorit nur nördlich und nordöstlich von<br />
Heppenheim auf. Im Pflaster ist er grau-weiß, mittelkörnig und sehr massig. Das Vorkommen der<br />
Diorite im Bergsträßer <strong>Odenwald</strong> setzt um Ober-Hambach ein uns zieht in teilweise lokal stark<br />
variierender Ausprägung gegen Nordosten. Eine genauere Zuordnung der im Pflaster aufgefundenen<br />
Stücke ist ohne Dünnschliffuntersuchung nicht möglich.<br />
5) rötlicher Aplitgranit: n = 16; 6,5%<br />
Ebenfalls aus nordöstlicher Richtung stammt ein rötlicher, feinkörniger Granit, der teilweise schmale<br />
Pegmatitgänge enthält. Er tritt in der Umgebung des Hambacher Tals auf.<br />
6) Gabbro: n = 12; 4,9%<br />
Dunkler, massiger Gabbro ist eher selten im Pflaster zu finden. Sein Vorkommen ist an den<br />
Hauptdioritzug und den nördlich anschließenden Bereich gebunden; das nächstgelegene größere<br />
Vorkommen liegt bei Ober-Hambach. Die aufgefundenen Pflastersteine weisen zum Teil eine<br />
löcherige Verwitterung auf, wie sie auch bei großen Blöcken an der Oberfläche zu beobachten ist.<br />
Möglicherweise handelt es sich bei den Pflastersteinen um transportierte Stücke aus Bächen.<br />
7) Gabbrodiorit: n = 9; 3,7%<br />
Gabbrodiorit enthält sichtbar größere Körner von weißem Plagioklas und bis 2 mm große<br />
Hornblendekristalle in einer eher dunklen Grundmasse. Er stammt ebenfalls aus dem Bereich<br />
nordöstlich von Heppenheim.<br />
8) „Gneis“ oder Flasergranitoid: n = 5; 2,0%<br />
Nur wenige Feldspat-reiche Stücke im Pflaster zeigten eine deutliche Foliation, wobei bei der<br />
makroskopischen Betrachtung unklar blieb, ob es sich um eine metamorphe Schieferung oder eine<br />
magmatische Foliation handelt. Gneise sind aus dem Heppenheimer Schieferzug bekannt, treten aber<br />
auch als Altbestand innerhalb der Plutonite im nördlichen Bergsträßer Kristallin auf. Eine Herkunft<br />
aus dem südlich von Weinheim gelegenen Schollenagglomerat ist möglich, auf Grund der kurzen<br />
Transportwege der anderen Gesteine jedoch eher unwahrscheinlich.<br />
9) Granit: n = 3; 1,2%<br />
In drei Fällen wurde ein unspezifischer rötlich-grauer Granit ohne Foliation beobachtet, der ebenfalls<br />
eher untypisch für den Bereich südöstlich Heppenheim ist.<br />
10) Kersantit mit Blasenfüllung: n = 1; 0,4%<br />
Mit einem Stein wurde ein Kersantit angetroffen, der mit seinen hellen Blasenfüllungen aus Quarz,<br />
Calcit, Feldspat und Epidot eine genaue Ortszuweisung ermöglicht. Diese schon durch Klemm<br />
beschriebenen Blasenfüllungen 25 sind typisch für den Kersantitgang der Steinmauer (siehe Karte Abb.<br />
10). Auch wenn im untersuchten Pflaster nur ein Stein dieser Art enthalten ist, so ist er doch ein<br />
wichtiger Hinweis, dass mit Sicherheit ein hoher Anteil der Lamprophyre s. l. ebenfalls aus diesem<br />
Gang (d. h. dessen blasenfreien Zonen) stammt.<br />
25 Klemm, G. (1933), S. 36.<br />
13
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 13: prozentuale Verteilung der Gesteinsarten im römischen Straßenpflaster der Bergstraße bei<br />
Heppenheim; ausgezählte Pflastersteine n = 246.<br />
Auffällig ist, dass der im Südosten von Heppenheim bis Weinheim allgegenwärtige Granodiorit, der<br />
am undatierten Werkplatz am Steinberg (Abb. 5) gewonnen wurde, im Pflaster vollständig fehlt.<br />
Ebenso fehlt der für Heppenheim in späterer Zeit verwendete, typische gebleichte, weiß-gelbe<br />
Buntsandstein, der als Bedeckung einer am Grabenrand abgesunkenen Staffelbruchscholle zu finden<br />
ist. Beide Gesteine sind zwar als Baumaterial und für bildhauerische Zwecke gut zu verwenden (aus<br />
dem Schlossberg-Buntsandstein wurde auch das Apollo-Relief vom Löwenbrunnen im Erbacher Tal<br />
gefertigt), wären aber durch ihr Gefüge den physikalischen Belastungen in einem Straßenpflaster nicht<br />
gewachsen gewesen.<br />
4. Römische Steingewinnung südöstlich von Heppenheim<br />
Die Auswahl der für die Pflasterung verwendeten Gesteinsarten ist zu spezifisch, als dass sie auf ein<br />
wahlloses Zusammenlesen verwendbarer Gesteinsbrocken zurückzuführen wäre. Die häufigen<br />
Gesteinsarten Oligozän-Sandstein, Lamprophyr s. l. und Barytquarz weisen auf Grund ihrer Härte und<br />
Belastbarkeit hervorragende Eignung für eine Pflasterung einer viel befahrenen Straße auf. Sie wurden<br />
wohl ganz bewusst gesucht, ausgewählt und gebrochen. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass<br />
neben der römischen Heerstraße im Ried auch die Bergstraße durch römische Ingenieure, die<br />
wahrscheinlich aus dem Militär stammten, ausgebaut wurde.<br />
Die seltener verwendeten Gesteinsarten wie Diorit weisen ähnlich gute bauphysikalische Eigenschaften<br />
auf. Sie können dem Raum unmittelbar nördlich und nordöstlich von Heppenheim zugeordnet<br />
werden, sind allerdings in ihrem makroskopischen Erscheinungsbild zu unspezifisch, um eine genaue<br />
Lokalisierung vorzunehmen. Damit stammen die Pflastersteine aus einem Radius von maximal 5 bis<br />
6 km um ihren Einsatzort, und mehr als zwei Drittel aus dem Raum südöstlich von Heppenheim<br />
(Abb. 10) 26 .<br />
26 Interessant wäre hier ein Vergleich der Zusammensetzung des römischen Straßenpflasters entlang der<br />
Bergstraße im Gesamten, um die verschiedenen Quellen und evt. sogar eine Richtung in der Abfolge des<br />
Ausbaus der römischen Straße herauszufinden.<br />
14
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Die drei häufigsten Gesteinsarten Oligozän-Sandstein, Lamprophyr s. l. und Barytquarz treten zudem<br />
in Kombination nur entlang des als Transportweges topographisch recht gut geeigneten, flachen<br />
Höhenrückens Essigkamm – Steinberg – Steinkopf – Juhöhe auf (Pfeile in Abb. 10).<br />
Die räumliche Verteilung der Gesteine und die punktuelle bzw. linienhafte Art ihres Auftretens (durch<br />
Verwerfungen begrenztes Vorkommen im Falle des Oligozän-Sandsteins bzw. in die Tiefe reichende,<br />
gangförmige Lagerstätten bei Lamprophyr und Barytquarz) lassen für den Abbau größerer Volumina<br />
eine Ausbeutung in Steinbruch-ähnlichen Betrieben wahrscheinlich werden. Somit wären römische<br />
Steinbruchbetriebe am Essigkamm sowie an der Steinmauer und an den Barytquarzgängen zwischen<br />
Essigkamm und Juhöhe zu lokalisieren.<br />
Neben dem eindeutig zuzuordnenden Kersantit der Steinmauer belegen weitere Funde die römische<br />
Steingewinnung im Bereich der Juhöhe: Beim Abräumen von Haldenmaterial an einem alten<br />
Steinbruch im „Teufelsstall“ in der Nähe des Heppenheimer Stadtteils Erbach wurden 1902 Keramikund<br />
Münzfunde gemacht. Dort sollen auch 8 Pfostenlöcher auf den Standort einer „Hütte“<br />
hingewiesen haben 27 . Ähnliche Befunde liegen auch von der Höhe „Lee“ an der Straße zur Juhöhe<br />
vor 28 .<br />
Zumindest der erste dieser beiden Befunde am „Teufelsstall“ belegt auch eine römische Nutzung des<br />
Granodiorits, also des Gesteins, das im Pflaster selbst nicht erscheint. Eine in der Villa rustica „Am<br />
Pales“ an der Gemarkungsgrenze zu Bensheim aufgefundene Getreidequetsche „aus hellgrauem<br />
Granit“ 29 könnte diesem Material entsprechen.<br />
Die petrographischen Beobachtungen und die topographischen Beziehungen der Abbaustätten<br />
zueinander lassen auch einen römischen Abbau am Steinberg südlich Heppenheim plausibel<br />
erscheinen, zumal in unmittelbarer Nähe des Werkplatzes „in der Bombach“ und „im Mäusnest“<br />
unterhalb des Essigkamms von Funden römischer Münzen berichtet wird 30 . Die 1956 aufgefundene<br />
Münze aus dem Gewann „im Mäusnest“ wurde zwischen 145 und 161 n. Chr. in Rom geprägt und<br />
liegt heute im Bestand des Museums Heppenheim.<br />
Auf der Basis dieser Beobachtungen lag es nahe, in einem zweiten Schritt die <strong>Geo</strong>metrie der<br />
Keiltaschen am undatierten Werkplatz Steinberg mit zweifelsfrei römischen zu vergleichen.<br />
Signifikante Unterschiede oder Ähnlichkeiten könnten hier zum Aufbau einer Typologie genutzt<br />
werden, um eventuell eine chronologische Einordnung zu ermöglichen.<br />
5. Begriffsdefinitionen und Datenerfassung<br />
zur geometrischen Charakterisierung der Keiltaschen<br />
Wie im ersten Abschnitt dargestellt wurde, ist die Keilspaltung eine über Jahrhunderte in<br />
Abhängigkeit von den Gesteinseigenschaften mit kleineren Modifikationen angewendete Technik. Sie<br />
eignet sich daher nur bedingt für typologische Betrachtungen zur Datierung (vgl. Abschnitt 1). Wenn<br />
hier dennoch auf die <strong>Geo</strong>metrie und Größe der Keiltaschen zurückgegriffen wird, so liegt dies zum<br />
Einen an der Tatsache, dass die Abbauspuren selbst bei fehlenden weiteren Befunden die einzige<br />
Möglichkeit zur Datierung bieten, zum Anderen darin, dass jeder größere, organisierte Abbau<br />
industrie-artigen Charakter besitzt. So kann man davon ausgehen, dass Werkzeuge, Keile und<br />
Lamellen in ihrer Form in einer Abbauperiode jeweils standardisiert und auf für jeweilige Technik<br />
optimiert hergestellt wurden, da sie in großer Stückzahl benötigt wurden. In Folge mussten auch die<br />
Keiltaschen, in die sie eingepasst wurden, in ihrer <strong>Geo</strong>metrie angepasst werden. Einen weiteren Form<br />
beeinflussenden Faktor stellen die für die Herstellung der Taschen verwendeten Werkzeuge dar.<br />
In der folgenden Charakterisierung wurde bewusst keine Kategorisierung nach Keilspaltung mit oder<br />
ohne Keilnut vorgenommen, um unvoreingenommen die verschiedenen Maße der Keiltaschen selbst<br />
miteinander vergleichen zu können.<br />
27 MEIER-ARENDT, W. (1968), S. 68-69.<br />
28 JORNS, W. (1953), S. 122.<br />
29 MEIER-ARENDT, W. (1968), S. 67-68.<br />
30 ebenda, S. 67.<br />
15
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 14: Maßdefinitionen zur geometrischen Charakterisierung von Keiltaschen.<br />
Eine idealtypische Keiltasche ist mit ihrer Längsachse entlang der Linie der beabsichtigten Spaltung<br />
ausgerichtet (Abb. 14). Obere Keiltaschenlänge L(o) 31 , Öffnungsweite (O) und Keiltaschentiefe (T)<br />
werden ausgehend von der Gesteinsoberfläche oder dem Boden der Keilnut gemessen (bei schrägen<br />
Oberflächen ausgehend von einer Tangente parallel zur Längsachse der Keiltasche). Die untere<br />
Keiltaschenlänge L(u) wird am Boden der Keiltasche erfasst. Eine rechteckige Keiltasche zeigt gleiche<br />
obere und untere Keiltaschenlängen, in der Regel liegt jedoch eine Trapezform vor. Bei der<br />
Trapezform entsteht der Trapezwinkel als spitzer Winkel zwischen der Orthogonalen zum<br />
Keiltaschengrund und der Wandung. Der Öffnungswinkel wird rechtwinklig zur Längsachse zwischen<br />
den Keiltaschenwangen bestimmt (Abb. 14).<br />
Sämtliche Maße können nur bei komplett erhaltenen Keiltaschen an Blöcken erfasst werden, an denen<br />
keine oder eine misslungene Spaltung durchgeführt wurde. In der Regel finden sich im Gelände nur<br />
die Restblöcke mit halbseitig erhaltenen Keiltaschenrelikten. Sofern der Block symmetrisch durch die<br />
Keiltasche gebrochen ist, können die fehlenden Daten abgeschätzt werden. Meist lassen sich jedoch<br />
Öffnungsweite und Öffnungswinkel, manchmal auch die Keiltaschentiefe nur ungenau oder gar nicht<br />
mehr feststellen. Ähnliches gilt für den Fall, dass die Oberfläche des Felsens verwittert oder<br />
angebrochen ist.<br />
31 In Abänderung unserer Nomenklatur aus VÖGLER, A. & BABIST, J. (2010), S. 147, wenden wir hier die<br />
Begriffe „obere und untere Keiltaschenlänge“ an, um die Begrifflichkeiten den Arbeiten von MANGARTZ<br />
anzugleichen und Missverständnissen vorzubeugen (MANGARTZ, F. 2008, S. 286).<br />
16
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
6. Vergleich der Keiltaschen-<strong>Geo</strong>metrien vom Steinberg mit den römischen Abbauen<br />
am Felsberg bei Reichenbach und der Mauerley bei Wassenach (Osteifel)<br />
Aus den Keiltaschen am Werkplatz Steinberg sowie an einem Restblock im Steinbruch aus dem 19.<br />
Jahrhundert wurden, sofern möglich, alle geometrischen Daten bestimmt. Der Vergleichsdatensatz<br />
Felsberg repräsentiert einen Querschnitt durch die von Röder 32 beschriebenen Keiltaschentypen am<br />
oberen Werkplatz rund um die Riesensäule. Eine Zuordnung der katalogisierten Werkstücke ist wegen<br />
der inzwischen kaum noch lesbaren Beschriftungen nicht vorgenommen worden.<br />
Die folgende Betrachtung der Daten in ausgesuchten Diskriminationsdiagrammen ist als erster Test für<br />
die Entwicklung einer Typologie zu werten; für eine eingehende statistische Betrachtung sollten<br />
selbstverständlich deutlich mehr Daten aus dem gesamten kristallinen <strong>Odenwald</strong> erhoben werden. Die<br />
Diagramme beziehen sich vor allem auf die auch bei halbseitig erhaltenen Keiltaschen bestimmbaren<br />
Maße.<br />
L(o) cm L(u) cm T cm O cm θ β<br />
6,35 5,2 22<br />
11,25 7 10,1 4,95 18 46<br />
10 6,95 8,4 3,15 18 36<br />
10,7 8,2 9,4 3,45 18 30<br />
12,8 6,3 9,9 4,25 20 32<br />
11,2 6,05 9,2 3,7 16 30<br />
10,6 6,6 10,1 4,05 15 28<br />
12 7,2 8,4 4,45 13 30<br />
12,4 7 10 3,9 17 30<br />
10,85 6,45 10,2 3,4 13 20<br />
12,25 6,7 9,8 3,35 13 26<br />
9,6 6,15 5,9 10 30<br />
9,7 6,4 5,4 17<br />
10,2 6,3 9,1 4,25 19 26<br />
13,25 7,15 8,1 3,45 15 26<br />
14,5 7,9 9,1 4,4 15 34<br />
14,2 7,25 9,4 4,55 23 32<br />
12,15 6,9 9,8 4,5 12 56<br />
13,15 7,5 10,1 4,5 13 34<br />
13,8 7,6 9,9 4,5 15 34<br />
14,15 7,4 10,2 4,5 15 30<br />
Tabelle 1: <strong>Geo</strong>metrie der Keiltaschen am undatierten Werkplatz Steinberg.<br />
L(o) cm L(u) cm T cm O cm θ β<br />
4,5 3,2 6,5 10<br />
4,8 3,45 7,4 8 10<br />
4,7 3,4 7,1 6 6<br />
4,85 3,65 7,1 5 8<br />
4,45 3,65 6,5 2 2<br />
4,6 3,55 6,6 4 18<br />
5,2 3,8 6,8 9 16<br />
5,2 3,8 7 5 24<br />
Tabelle 2: <strong>Geo</strong>metrie der Keiltaschen am Restblock im neuzeitlichen Steinbruch am Steinberg.<br />
32 RÖDER, J. (1985).<br />
17
Tabelle 3: <strong>Geo</strong>metrie der Keiltaschen am Felsberg.<br />
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
L(o) cm L(u) cm T cm O cm θ β<br />
8 5,75 3,15 15 18<br />
10,2 8,45 4,9 13<br />
13,65 9,45 5 15<br />
10,3 8,95 9,5 9 14<br />
9,8 8 7,5 3 6<br />
8,25 5,4 6,4 8 6<br />
8,4 6,75 5,4 5 34<br />
7,35 6,9 6,2 7 32<br />
7,4 7,1 5,1 10 28<br />
11,2 8,1 11,7 7 10<br />
9,15 6,7 11,8 5 14<br />
9,1 7,1 13,4 3 14<br />
9,1 7,6 10,4 7 40<br />
8,35 6,95 4,4 9 56<br />
8 6,75 2,9 14 56<br />
13,3 8,4 7,9 4,95 14 26<br />
17,7 13,3 8,6 5,5 15 30<br />
14,3 9,75 9,8 4,95 17 22<br />
11,75 6,9 9,1 4,55 15 22<br />
6,9 4,1 6,5 4 5 8<br />
7,2 3,7 5,6 11 44<br />
7,15 4 6,4 3,65 12 32<br />
6,3 3,6 6,2 8 32<br />
6,9 3,6 6,3 3,55 7 26<br />
6,9 3,3 6,2 9 34<br />
9,3 7,1 5,05 24 46<br />
8,35 6,25 4,1 17 34<br />
9,65 6,15 5,4 14 10<br />
8,85 6,7 6,95 13 6<br />
9,4 6,2 6,3 16 20<br />
9,55 6,85 6,8 9 22<br />
9,2 6 6,2 13 24<br />
8,35 6,3 5,5 16 10<br />
8,8 6,7 4,7 15 4<br />
9,3 7,55 5,1 14 20<br />
19,35 8,3 3,7 16<br />
11,2 8,45 5,2 19 18<br />
19,1 7,65 12,2 18 32<br />
17,1 7,5 12,3 19 36<br />
20 8,2 13,3 27 30<br />
20 7,6 13,4 16 30<br />
9,25 5,2 3,5 18 28<br />
8,6 6,5 3,75 5 10<br />
8 6,3 3 11 20<br />
7,85 6,45 4,1 11 10<br />
10,4 7,9 5,2 3,4 4<br />
11,1 7,15 5,4 20<br />
10,3 8,9 5,8 13 2<br />
11,4 9,3 5,1 10 0<br />
6,8 4,7 3,9 10 30<br />
6,9 5,2 4 19 28<br />
6,9 5,1 4,2 15 28<br />
8,7 5,8 3,4 24 14<br />
18
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
L(o) cm L(u) cm T cm O cm θ β<br />
9,35 6,65 6,6 10 10<br />
9,3 6,75 6,9 19 12<br />
10,9 6,1 5,4 16 6<br />
10,5 7,1 7,3 3,3 16 8<br />
12,1 7,65 7,4 3,2 21 2<br />
12,3 6,8 7,2 4,1 20 18<br />
11,8 7,1 7,55 3,6 28 10<br />
10,8 7,8 8,1 31 8<br />
10,65 8,65 7,2 20 10<br />
Tabelle 3 (fortgesetzt): <strong>Geo</strong>metrie der Keiltaschen am Felsberg.<br />
Abb. 15: prozentuale Verteilung der oberen Keiltaschenlängen. Im Gegensatz zu den in etwa gleichen Größenverteilungen<br />
antiker Keiltaschen vom Felsberg und aus der Osteifel decken die Keiltaschen vom Steinberg ein in<br />
der Antike nicht realisiertes Spektrum ab.<br />
Zusätzlich wurden die Daten aus den römischen Bausteinbrüchen der Mauerley bei Wassenach in der<br />
Osteifel herangezogen, die durch MANGARTZ in den Jahren 1997 bis 1999 erhoben und in Katalogform<br />
2008 publiziert wurden 33 . Für die vorliegende Arbeit wurden nur komplette Datensätze mit L(o), L(u)<br />
und T verwendet (n = 298). Größen werden von MANGARTZ nur ganzzahlig angegeben. Die Winkelbeziehungen<br />
Trapezwinkel und Öffnungswinkel wurden nicht getrennt ermittelt, daher erscheinen<br />
Daten der Mauerley in entsprechenden Diskriminationsdiagrammen in dieser Arbeit nicht.<br />
33 MANGARTZ, F. (2008), Katalog 5: Funde und Befunde aus den Bausteinbrüchen der Mauerley, S. 285-322.<br />
19
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Die bislang gebräuchliche Klassifizierung bezieht sich auf die meist gut messbare obere Keiltaschenlänge<br />
L(o). Das Diagramm Abb. 15 stellt die prozentuale Verteilung unterschiedlicher Werte L(o) für<br />
die verschiedenen Standorte dar. Auch wenn für statistische Aussagen zu wenige Daten vorliegen,<br />
zeigt sich bei den antiken Standorten Mauerley und Felsberg ein ähnliches Verteilungsmuster mit<br />
einem Maximum zwischen 8 und 10 cm. Die in beiden Fällen (Eifel und Felsberg) selteneren und als<br />
älter interpretierten „großen“ Keiltaschen besitzen L(o) zwischen 16 und 20 cm.<br />
Die neuzeitlichen Keiltaschen aus dem Steinbruch am Steinberg fallen mit 4 bis 5 cm L(o) eindeutig<br />
aus diesem Verteilungsmuster heraus. Auch die Daten des Werkplatzes an der Felsgruppe fallen nicht<br />
mit dem Maximum der kleineren antiken Keiltaschen zusammen. Geht man von Keilen und Lamellen<br />
als überregionaler Massenware aus – darauf weist die Ähnlichkeit der Daten L(o) der antiken<br />
Abbauplätze hin - so spricht dies eindeutig gegen einen antiken Ursprung der Abbauspuren am<br />
Steinberg.<br />
Abb. 16: ternäres Diagramm L(u)/L(o)/T, Erläuterungen siehe Text.<br />
Abb. 16 zeigt ein ternäres Diagramm, in dem die <strong>Geo</strong>metrie in der Symmetrieebene der Keiltaschen<br />
(parallel zur Längsachse, vgl. Abb. 14) dargestellt wird. Variablen sind die obere und untere<br />
Keiltaschenlänge, sowie die Keiltaschentiefe, wobei für die Darstellung gilt: L(o) + L(u) + T = 100.<br />
Das Diagramm zeigt an der beschrifteten Spitze jeweils die genannte Komponente zu 100%. Die<br />
Außenlinien L(u) – L(o) und L(u) – T sind in der Wirklichkeit nicht realisiert. Die Verbindungslinie<br />
L(o) – T entspricht einer Keiltasche mit in Längsrichtung spitz zusammen laufenden Wänden, also<br />
20
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
dem höchstmöglichen Trapezwinkel. Der Mittelpunkt des gleichseitigen Dreiecks entspricht einer<br />
Keiltasche mit quadratischer Umgrenzung (L(o) = L(u) = T).<br />
Vergleicht man das Streufeld der Werte aus der Mauerley mit denen des Felsbergs, so fällt nur eine<br />
leichte Verschiebung hin zu flacheren Keiltaschen am Felsberg auf. Die undatierten Keiltaschen des<br />
Werkplatzes am Steinberg liegen sowohl innerhalb des Streufeldes der Mauerley als auch innerhalb<br />
der Streuung der Daten vom Felsberg bei Reichenbach, sind also in ihrer Grundform durchaus<br />
vergleichbar.<br />
Abb. 17: Das Diagramm L(u)/L(o) zeigt den Grad der Rechtwinkligkeit an. Die Muster-artige Verteilung der<br />
Daten von der Mauerley kommt zu Stande, weil Mangartz (2008) nur ganzzahlige Größenangaben macht.<br />
Das Diskriminationsdiagramm L(u)/L(o), Abb. 17, zeigt – wiederum in der Symmetrieebene der<br />
Keiltasche betrachtet – den Grad der Annäherung an eine idealtypisch rechtwinklige Form (Gerade im<br />
Diagramm). Werte oberhalb der Geraden sind nicht realisiert, da dies eine sich nach unten erweiternde<br />
Taschenform bedeutete. Werte unterhalb der Geraden ergeben zunehmend trapezoidale und<br />
schließlich dreieckige Formen. Die Abszisse (L(u) = 0) entspricht einer dreieckigen Keiltasche mit in<br />
Längsrichtung spitz zusammen laufenden Wänden, also dem größtmöglichen Trapezwinkel.<br />
Betrachtet man in diesem Diagramm die Streubreite der Daten von der Mauerley in der Osteifel und<br />
die Daten vom Felsberg, zeigt sich, dass am Felsberg tendenziell stärker rechteckige Formen<br />
auftreten. Generell gilt: Je größer die obere Keiltaschenlänge L(o), desto eher wird eine Trapezform<br />
realisiert. Hier zeichnet sich bei den größten Taschen am Felsberg eine Tendenz zur Ausbildung einer<br />
verbindenden Keilnut ab, die auch teilweise im Gelände sichtbar in gebrochenen Trapezwinkeln (oben<br />
größere Winkel als unten) zum Ausdruck kommt. Die Daten der Keiltaschen des Werkplatzes am<br />
Steinberg liegen auch in diesem Diagramm innerhalb des Streufeldes der antiken Keiltaschen und<br />
ähneln stark den am Felsberg gemessenen Verhältnissen. Lediglich die modernen Keiltaschen im<br />
Steinbruch setzen sich auf Grund ihrer Größe ab.<br />
21
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 18: Das Diagramm T/L(o) zeigt die Form der äußeren Umhüllenden um die Eckpunkte in der Symmetrieebene<br />
der Keiltasche. Die Gerade entspricht einer quadratischen Umhüllenden.<br />
Im Diagramm T/L(o) gibt die Gerade die Linie eines 1:1-Verhältnisses zwischen Keiltaschenlänge und<br />
Tiefe wieder (Abb. 18) <strong>Geo</strong>metrisch gesehen entspricht dies einer quadratischen Umhüllenden um die<br />
Eckpunkte der Keiltaschen. Während die Keiltaschen der Mauerley in der Eifel ein größeres<br />
Formenspektrum einnehmen, zeigen die Keiltaschen des Felsberges und auch die des Werkplatzes am<br />
Steinberg überwiegend flache und in der Längsachse gestreckte Formen. Ein höheres Verhältnis<br />
T/L(o) zeigen dagegen die neuzeitlichen Keiltaschenformen aus dem Steinbruch am Steinberg. Sie<br />
liegen als einzige außerhalb der Streufelder der antiken Keiltaschen.<br />
Interessant ist auch eine Betrachtung der Winkelverhältnisse der Keiltaschen. Während die Trapezwinkel<br />
bei allen Keiltaschenformen unsystematisch und auffällig stark variieren, zeigt sich für die<br />
Taschen des undatierten Werkplatzes am Steinberg eine leichte Tendenz zu größeren Öffnungswinkeln,<br />
also flacher angelegten Keiltaschenwangen (Abb. 19).<br />
22
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 19: Winkelverhältnisse der Keiltaschen vom Felsberg und Steinberg. Die Variation der Trapezwinkel ist in<br />
erster Linie abhängig von der Lage der Keiltasche zur Felsoberfläche (Ergonomie!).<br />
Im Gelände konnte beobachtet werden, dass die Trapezwinkel auch innerhalb einer Serie an einem<br />
Werkstück stark differieren können. Hier kommen vor allem ergonomische Aspekte in Wechselwirkung<br />
mit der Oberflächengestalt des Naturfelsens zum Tragen. So hat beispielsweise der<br />
Steinhauer am steil stehenden Felsen des Werkplatzes am Steinberg den jeweils unteren Rand der<br />
Keiltasche mit einem geringeren Trapezwinkel angelegt als den oberen: Hätte er hier symmetrisch<br />
gearbeitet, hätte er sein Werkzeug (vermutlich ein Spitzeisen) von unten ansetzen und einschlagen<br />
müssen. Der Trapezwinkel in der Längsachse der Keiltasche scheint also für das Einsetzen der Keile<br />
und Lamellen eine untergeordnete Rolle zu spielen; dies zeigen auch die vielfältigen Formen auf den<br />
Schmalseiten der an der Mauerley bei Wassenach aufgefundenen Eisenkeilen 34 . Die Sprengwirkung<br />
beim Eintreiben der Keile wurde ausschließlich über die Keiltaschenwangen ausgeübt, hier musste der<br />
Kraftschluss möglichst perfekt ausgebildet werden.<br />
Der Öffnungswinkel ist entscheidend für die Spaltwirkung der eingetriebenen Keile. Die steiler<br />
angelegten Öffnungswinkel der römischen Keiltaschen korrelieren fast alle mit einer auffälligen Form<br />
der Keiltaschenspitze: Auch an den nur halbseitig erhaltenen Keiltaschen am Felsberg zeigt sich im<br />
unteren Teil eine breite, trogförmig-ovale bis exakt eben ausgearbeitete rechteckige Form – die<br />
„Spitze“ ist also häufig stumpf ausgebildet und bildet so eine bis zu 2 cm breite Auflage (Abb. 20).<br />
Dies ermutigte uns, die interne Morphologie der Keiltaschen als weiteres Kriterium probeweise mit<br />
einem Laserscanner zu untersuchen und darzustellen.<br />
34<br />
Vergleiche hier MANGARTZ, F. (2008), Katalog 5: Funde und Befunde aus den Bausteinbrüchen der Mauerley<br />
bei Wassenach, Tafeln 6 und 7.<br />
23
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 20: stumpfe Keiltaschenspitze einer Keilspaltung mit Keilnut am Felsberg bei Reichenbach. Die Auflage<br />
am Grund der Keiltaschen ist etwa 2 cm breit exakt ausgearbeitet.<br />
7. Die Laserscanning-Methode zur Erfassung der internen Keiltaschen-Morphologie<br />
Laserscanning ermöglicht eine dreidimensionale Erfassung und spätere Analyse der nicht direkt<br />
zugänglichen Innenseiten komplett erhaltener Keiltaschen. Das maßstabstreue, dreidimensionale<br />
Flächenmodell kann zur Auswertung in allen Richtungen gedreht und betrachtet werden; auch eine<br />
Ansicht „aus dem Gestein“, also im Negativ, ist möglich. Eine Auswertung der Daten kann mit CAD-<br />
Programmen unabhängig vom Gelände erfolgen. Somit bietet sich eine standardisierte Darstellungsund<br />
Vergleichmöglichkeit für den Formenschatz vollständig erhaltener Keiltaschen.<br />
Der durch die Arbeitsgemeinschaft Altbergbau <strong>Odenwald</strong> im Eigenbau hergestellte Low-Cost-Laserscanner<br />
35 arbeitet nach dem Prinzip und mit der Software des David-Laserscanners 36 . Er besteht aus<br />
einem von Hand geführten Linienlaser und einer fixen Basiskonstruktion bestehend aus zwei<br />
Kalibrierwänden mit herausnehmbarer Ecke mit Kreisringmuster-Bedruckung sowie einer<br />
Digitalkamera im Video-Aufnahmemodus (respektive Webcam und Laptop 37 ). Während der Messung<br />
befindet sich an der Stelle der herausnehmbaren Ecke der eigentliche Messbereich des Systems,<br />
welcher auf das Objekt ausgerichtet wird.<br />
Vor der Messung erfolgt die Kalibrierung des Systems Kamera/Kalibrierwände durch das<br />
Kreisringmuster und somit durch bekannte 3D-Referenzpunkte. Dabei wird jedem Pixel im<br />
Kamerabild der Wände eine genaue Lage im dreidimensionalen Raum zugewiesen. Zusätzlich kann<br />
auch die spezifische optische Verzerrung der Kamera bestimmt und für den späteren Objektscan<br />
korrigiert werden.<br />
35 Beim Betrieb mit Web-Cam bzw. bereits vorhandener Digitalkamera fallen Kosten unter 100 € an.<br />
36 Siehe http://www.david-laserscanner.com (Website-Version vom 28.11.2010).<br />
37 Der Einsatz der Digitalkamera verleiht dem System mehr Flexibilität für den Einsatz im Feld, wohingegen der<br />
Einsatz einer Webcam mit Laptop die Online-Auswertung und somit eine direkte Rückmeldung über die<br />
Punktdichte bzw. den Erfolg der Messung liefert.<br />
24
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 21: Ergebnisse des Laserscannings an Keiltaschen. Die exemplarisch aufgenommenen Keiltaschen vom<br />
Felsberg bei Reichenbach (links) und dem Werkplatz am Steinberg bei Heppenheim (rechts) unterscheiden sich<br />
vor allem im Öffnungswinkel und der Form der Keiltaschenspitze (Erläuterung siehe Text). Die Methode des<br />
Laserscannings birgt noch viele Möglichkeiten zur Auswertung der ansonsten nicht zugänglichen inneren<br />
Formen komplett erhaltener Keiltaschen.<br />
25
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Abb. 22: Hypothese zur Erklärung der unterschiedlichen Formen der Keiltaschenspitzen: Die stumpfen Enden<br />
sind besonders gut für die Verwendung von Eisenlamellen geeignet.<br />
Während des eigentlichen Objektscans wird die Messvorrichtung ohne die Kreisringmuster-Ecke auf<br />
das Objekt aufgebracht. So streicht der Linienlaser beim Scannen über die Kalibrierwände und<br />
gleichzeitig im Durchlass zwischen den Kalibrierwänden über das Objekt. Durch den Winkel<br />
zwischen Kamerablickrichtung und der Projektionsrichtung des Lasers wirkt der Laserlichtschnitt auf<br />
dem dreidimensionalen Objekt im Kamerabild deformiert. Die Laserlinien auf den Kalibrierwänden<br />
bilden dagegen zwei Geraden, die im Kamerabild sehr genau detektiert und mit den Kalibrationsaufnahmen<br />
verrechnet werden können, um die Lage der Laserlichtschnitt-Ebene zu bestimmen. Damit<br />
kann durch die Software nun die exakte 3D-Position jedes Laserpixels im Kamerabild auf der<br />
gescannten Objektoberfläche rekonstruiert werden, sodass in der Summe jeder Einzelaufnahme ein<br />
dreidimensionales Abbild entsteht.<br />
26
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Die Laserscanning-Methode an Keiltaschen wurde an zwei Beispielen am Felsberg bei Reichenbach<br />
und am Werkplatz unbekannten Alters am Steinberg bei Heppenheim erprobt. Abb. 21 zeigt eine<br />
Auswahl von Ansichten des dreidimensionalen Oberflächenmodells: Die Bilder (1), (2) und (3) geben<br />
eine typische flache römische Keiltasche in einer Keilnut wieder. Während das obere Ende der<br />
römischen Keiltasche unregelmäßig und rundlich in die Keilnut übergeht (Bild 1), erscheint der Rand<br />
der Keiltasche vom Steinberg gut definiert und annähernd rechteckig (Bild 4). Der Öffnungswinkel<br />
der Keiltasche ist relativ klein, der Boden ist in Form einer stumpfen Keiltaschenspitze gerundet (Bild<br />
2). Die Keiltasche vom Steinberg (Bilder 4 bis 6) besitzt dagegen einen größeren Öffnungswinkel<br />
(Bild 4) und eine auffällig scharfe Keiltaschenspitze (Bild 5).<br />
Die unterschiedliche interne Morphologie der Keiltaschenspitzen scheint die bisherigen geometrischen<br />
Beobachtungen zu bestätigen. Zwar zeigen die Formenbeziehungen der undatierten Keiltaschen vom<br />
Steinberg bei Heppenheim grundsätzlich Ähnlichkeiten mit den antiken Exemplaren vom Felsberg<br />
und aus der Eifel, doch sprechen die durchschnittlichen oberen Keiltaschenlängen gegen einen<br />
römischen Ursprung. Der durch den Laserscan offensichtliche Stilunterschied bestärkt die Vermutung,<br />
dass hier verschiedene Funktionen der Keiltaschenspitze vorliegen könnten.<br />
Bei der Verwendung von Lamellen bei der Keilspaltung besitzen stumpfe oder eben ausgearbeitete<br />
Keiltaschenspitzen (Abb. 20) den Vorteil, dass die Eisenbleche nicht ineinander rutschen können,<br />
sondern auf gleicher Höhe aufliegen. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht die Gefahr, dass die<br />
Lamellen sich beim Eintreiben der Keile ineinander schieben, verbiegen und so den Kraftschluss zur<br />
Keiltaschenwange stören (Abb. 22). Am Felsberg lassen stumpfe Spitzen auch bei halbseitig<br />
erhaltenen Keiltaschen teilweise noch Auflager bis zu 2 cm Breite erkennen – unabhängig von<br />
Keiltaschenlänge und <strong>Geo</strong>metrie. Die Größe dieser Auflager passt zu den beobachteten<br />
Lamellenbreiten von 0,8 bis 1 cm 38 . Im Umkehrschluss wurde die Keilspaltung am Steinberg also<br />
vermutlich ohne Lamellen durchgeführt und entspricht damit nicht der am Felsberg angewendeten<br />
Technik.<br />
8. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Provenienz der Gesteinsarten im Pflaster der römischen Bergstraße in Heppenheim lässt auf einen<br />
gezielten antiken Gesteinsabbau im Höhenrücken Essigkamm – Juhöhe und untergeordnet gegen<br />
Nordosten (Hambacher Tal?) schließen. Der Radius der Abbaustätten um den Verwendungsort ist<br />
(anders als im Fall Felsberg - Trier) mit 5 bis 6 km relativ gering. Für das Straßenpflaster wurden<br />
dennoch ausschließlich hochwertige Materialien verwendet. Vor allem die Beschränkung auf<br />
qualitativ hochwertige Einzelvorkommen setzt eine Geländeprospektion und logistische Planung zur<br />
Baustellenversorgung voraus.<br />
Als fixe Abbaupunkte können der Kersantitgang der Steinmauer und der Essigkamm mit seinem<br />
Oligozän-Sandstein gelten. Eine genaue Lokalisierung antiker Abbaustätten dürfte durch den erneuten<br />
intensiven Abbau im 19. und 20. Jahrhundert kaum mehr möglich sein.<br />
Historische Funde römischer Münzen an ehemaligen Steinbrüchen im Bereich „Teufelsstall“ und<br />
„Lee“ weisen auch auf die Nutzung des grobkörnigen Granodiorits hin, der im Straßenpflaster nicht<br />
nachweisbar war. Damit wird ein mehrere antike Abbaustätten verbindender, einfach ausgebauter<br />
Transportweg zwischen Lee, Steinkopf und Essigkamm zur Bergstraße wahrscheinlich.<br />
Am Steinberg südlich des Essigkamms wurden an einer Felsgruppe Keiltaschen entdeckt, die in<br />
<strong>Geo</strong>metrie und Maßen mit römischen Abbauspuren am Felsberg bei Reichenbach und an der Mauerley<br />
bei Wassenach in der Eifel weitgehend vergleichbar sind. Eine Untersuchung der internen<br />
Morphologie mittels Laserscanning zeigte jedoch, dass sich der Stil der Keiltaschenspitzen vom<br />
Steinberg deutlich von den antiken Spuren unterscheidet, die eher stumpfe Enden besitzen. Dies ist ein<br />
Indiz dafür dass es sich eher um mittelalterliche bis früh neuzeitliche Abbauspuren handelt; weitere<br />
vergleichende Untersuchungen am Felsberg sollen jedoch noch folgen.<br />
38 PLÖßER, H. (1993), S. 22.<br />
27
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
Die angewendete Methodik kann helfen, grundsätzliche geometrische Vergleiche von Keiltaschen aus<br />
verschiedenen Regionen und in unterschiedlichen Gesteinsarten zu systematisieren und damit<br />
langfristig eine allgemein gültige Typologie ermöglichen. Eine solche Systematik sollte aber eher im<br />
Kontext der Abbaumethoden als zwangsläufig aus sich selbst heraus im Sinne einer chronologischen<br />
Reihenfolge interpretiert werden, da verschiedene Techniken und Methoden oftmals parallel<br />
Anwendung fanden. Die Methode des Laserscannings eröffnet dabei neue Möglichkeiten zur<br />
standardisierten Erfassung und Dokumentation komplett erhaltener Keiltaschen und weitergehende<br />
Interpretationen im Hinblick auf die Anwendung bestimmter Werkzeugformen.<br />
In den kommenden Jahren soll diese Methodik weiter verfeinert und ausgebaut werden, damit eine<br />
breitere Datenbasis für eine Typologie entstehen kann.<br />
7. Danksagungen<br />
Dieses Projekt wurde durch die Arbeitsgemeinschaft Altbergbau <strong>Odenwald</strong> mit Unterstützung des<br />
<strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> und des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Abteilung<br />
Archäologie und Paläontologie, durchgeführt. Die Autoren danken ganz herzlich der Diskussionsbereitschaft<br />
der Kollegen in der Arbeitsgemeinschaft Altbergbau <strong>Odenwald</strong> und dem Institute Europa<br />
Subterranea in Maastricht. Ein besonderer Dank geht an Dr. Klaus Gründel, der in akribischer<br />
Kleinarbeit half, die makroskopische (und zerstörungsfreie!) Gesteinsbestimmung der römischen<br />
Pflastersteine am Feuerbachplatz vorzunehmen.<br />
Diese Arbeit erschien in deutscher Sprache unter dem Titel „Spuren antiker Steingewinnung bei<br />
Heppenheim? - Experimentelle Ansätze zum Aufbau einer Typologie der Keiltaschen“ in den<br />
Geschichtsblättern des Kreises Bergstraße, Band 43. Wir danken dem Verlag Laurissa/Lorsch für das<br />
Einverständnis, diese Arbeit nun auch an anderer Stelle einem breiteren Leserkreis zugänglich machen<br />
zu können.<br />
10. Literatur<br />
CHELIUS, C. (1905): <strong>Geo</strong>logischer Führer durch den <strong>Odenwald</strong>, Verlag Hobbing & Büchle, Stuttgart.<br />
CHELIUS, C. & KLEMM, G. (1896): Erläuterungen zur <strong>Geo</strong>logischen Karte des Großherzogthums<br />
Hessen im Maßstabe 1 : 25.000, IV. Lieferung, Blätter Zwingenberg und Bensheim.<br />
FRANKE, W. (1989): Tectonostratigraphic units of the Variscan belt of Europe. In: <strong>Geo</strong>logical Society<br />
of America Special Publication, Volume 230; S. 67-89.<br />
GÖLDNER, H. & WEYRAUCH, W. (1989): Der Felsberg im <strong>Odenwald</strong>, Führungsblatt zur römischen<br />
Steinindustrie bei Lautertal-Reichenbach, Kreis Bergstraße, Landesamt für Denkmalpflege, Abt.<br />
Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege Wiesbaden.<br />
HUNOLD, A.; IPPACH, PETER & SCHAAF, H. (2002): Kirchen, Stollen, Steinbrüche. Eine Wanderung<br />
durch das Tal des Krufter Baches. In: Vulkanpark-Forschungen, Untersuchungen zur Landschaftsund<br />
Kulturgeschichte Nr. 4.<br />
JORNS, W. (1953): Neue Bodenurkunden aus Starkenburg, Veröffentlichungen des Amtes für<br />
Bodendenkmalpflege im Regierungsbezirk Darmstadt, Band 2.<br />
KLEMM, G. (1933): Erläuterungen zur geologischen Karte von Hessen im Maßstabe 1 : 20.000, Blatt<br />
Lindenfels, 2. Auflage, Hessischer Staatsverlag Darmstadt.<br />
LIPPOLT, H. J & LEYK, H.-J. (2004): Alterations-Alter des Heidelberger Granits aus Untersuchungen<br />
an Tonmineralanreicherungen aus dem Bergwerk am Branich bei Schriesheim/SW <strong>Odenwald</strong>. In:<br />
Jh. Landesamt für <strong>Geo</strong>logie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg, Band 40, S. 187-230.<br />
LOEWE, G. (1985): Einzelbeschreibung der römischen Werkstücke. In: Der Felsberg im <strong>Odenwald</strong>,<br />
Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden.<br />
28
Online-Publikationen des <strong>Geo</strong>-<strong>Naturpark</strong>s Bergstraße-<strong>Odenwald</strong> - www.geo-naturpark.net<br />
MANGARTZ, F. (2008): Römischer Basaltlava-Abbau zwischen Eifel und Rhein, Monographien des<br />
Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz.<br />
MEIER-ARENDT, W. (1968): Inventar der ur- und frühgeschichtlichen Bodendenkmäler und Funde des<br />
Kreises Bergstraße, Inventar der Bodendenkmäler, Band 4, Nr. 240, Darmstadt.<br />
MEISL, S. (1975): Die Ganggesteine des Melibocus-Gebietes im <strong>Odenwald</strong>. In: Der Aufschluss,<br />
Sonderband 27 (<strong>Odenwald</strong>); S. 175-188.<br />
NICKEL, E. & FETTEL, M. (1985): <strong>Odenwald</strong> – vorderer <strong>Odenwald</strong> zwischen Darmstadt und<br />
Heidelberg, Sammlung <strong>Geo</strong>logischer Führer, Band 65, Verlag Gebrüder Bornträger Berlin –<br />
Stuttgart.<br />
PLÖßER, H. (1993): Der Felsberg im <strong>Odenwald</strong>, Felsenmeere und die (römischen) Werkstätten der<br />
Granitsteinindustrie, Eigenverlag Ober-Ramstadt.<br />
RÖDER, J. (1960): Toutonenstein und Heunesäulen bei Miltenberg, ein Beitrag zur alten Steinindustrie<br />
am Untermain. In: Materialhefte zur Bayerischen Frühgeschichte, Bayerisches Landesamt für<br />
Denkmalpflege, Abteilung für Vor- und Frühgeschichte, Heft 15.<br />
RÖDER, J. (1965): Zur Steinbruchgeschichte des Rosengranits von Assuan. In: Archäol. Anzeiger, 3.<br />
RÖDER, J. (1974); Römische Steinbruchtätigkeit am Drachenfels, Bonner Jahrbücher, Band 174<br />
RÖDER, J. (1985): Zur Technik der römischen Granitindustrie. In: Der Felsberg im <strong>Odenwald</strong>,<br />
Landesamt für Denkmalpflege Hessen; S. 31-67.<br />
STEIN, E. (2000): Zur Platznahme von Granitoiden – vergleichende Fallstudien zu Gefügen und<br />
Platznahmemechanismen aus den White-Inyo Mountains, California, USA, und dem Bergsträßer<br />
<strong>Odenwald</strong>. <strong>Geo</strong>tektonische Forschungen, Band 93, Schweizerbarth’sche Verlagsbuchhandlung<br />
Stuttgart.<br />
STEIN, E. (2001): The <strong>Geo</strong>logy of the <strong>Odenwald</strong> Crystalline Complex. In: Mineralogy and Petrology,<br />
Volume 72, S. 7-28.<br />
VÖGLER, A. & BABIST, J. (2010): First Results concerning Questions on the Dating of Field Traces<br />
from Building Stone Extraction in the <strong>Odenwald</strong>. In: 5th International Symposium on<br />
Archaeological Mining History, Freiberg/Erzgebirge; Silvertant, J. (Ed.), Institute Europa<br />
Subterranea, S. 140-164.<br />
29