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Katalog WENN ALLES ANDERS | Outsider Art

Outsider Art - Gesamtkatalog Künstler & Oeuvre WENN ALLES ANDERS Malwerkstatt Bad Dürkheim, behinderte & nichtbehinderte Künstler, unter der künstlerischen Leitung von Wolfgang Sautermeister

Outsider Art - Gesamtkatalog Künstler & Oeuvre WENN ALLES ANDERS Malwerkstatt Bad Dürkheim, behinderte & nichtbehinderte Künstler, unter der künstlerischen Leitung von Wolfgang Sautermeister

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Grundverständnis wie eine Gesellschaft mit »Randgruppen«,<br />

mit »Außenseitern«, mit »anderen Körpern« umgehen<br />

will.<br />

Wie seid ihr auf den Namen Malwerkstatt gekommen?<br />

So ganz genau kann ich das nicht mehr sagen, es ist ja<br />

schon einige Zeit her. Es hatte sicher damit was zu tun,<br />

dass es ja gang und gäbe ist in den Einrichtungen, nahezu<br />

alle Arbeitsbereiche »Werkstätten« zu nennen. Und die<br />

behinderten Menschen sind die ewigen »Werkstattbesucher«.<br />

Ich mag das Wort in diesem Zusammenhang eigentlich<br />

gar nicht, ihm haftet etwas an, was eigentlich schon<br />

überwunden sein müsste; es hat etwas Antiquiertes.<br />

Behinderte Menschen gehen dann nicht zu ihrer Arbeitsstelle<br />

sondern immer in ihre Werkstätten.<br />

Manchmal nenne ich die Künstler auch »Mal-Werker«.<br />

Atelier klingt schon ganz anders oder Studio. Nun ja, das<br />

Wichtigste ist selbstverständlich, was da passiert, egal wie<br />

es heißt.<br />

Laganda –<br />

letzte Nachricht<br />

von Maria<br />

/ Dieter Arnold<br />

Wolfgang Sautermeister, geb. 1954 in Rottenburg. Gründer und Künstlerischer<br />

Leiter der Malwerkstatt. Seit 1960 verschiedene Einzel- und<br />

Gruppenausstellungen als freischaffender Künstler. Seit 1992 Performances<br />

u. a. in Deutschland, Italien, Polen, Schweiz, Frankreich und<br />

Norwegen. Mitbegründer und Künstlerischer Leiter von zeitraumexit<br />

Mannheim, Produktionshaus für internationale Ausstellungen, Theaterund<br />

Performanceprojekte. Lehraufträge an der Pädagogischen Hochschule<br />

Heidelberg sowie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.<br />

Lebt in Mannheim.<br />

Pamela Pachl studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Landau,<br />

Mannheim und Heidelberg. Derzeit arbeitet sie als freie Kunsthisto rikerin<br />

und promoviert im Fach Kunstgeschichte. Durch ihren außergewöhnlichen<br />

Bruder Manuel fühlt sie sich der Malwerkstatt und der<br />

Lebenshilfe Bad Dürkheim sehr verbunden.<br />

Manchmal las er gern von Abnormalen, Behinderten,<br />

Zurückgebliebenen, von denen, die ihnen nicht paßten,<br />

las, daß männliche Kinder dreimal so häufig Medikamente<br />

bekamen, damit sie nicht so laut schrien, weniger<br />

Schmerzen hatten, nicht so wild waren. Mußte an seine<br />

eigene Behinderung denken, wie er stotterte, besonders<br />

wenn er einer Frau gegenüber stand, und daß er dann<br />

schreien möchte, weil er nicht das herausbrachte, was er<br />

ihr gerne sagen würde. Alles kam ihm dann behindert vor,<br />

abnormal und zurückgeblieben.<br />

Las von einem Mongoloiden, der unten im Tal in die<br />

Behindertenwerkstatt ging. Er war im gleichen Jahr geboren<br />

wie er. Beim Kreuzwirt. Er könne verstehen, daß er<br />

so alt sei, und daß das ja auch kein Alter sei. Er habe sieben<br />

Schwestern gehabt und zwei Brüder und der Vater sei<br />

früh gestorben, und er habe der Mutter helfen müssen.<br />

Seine Behinderung sei nur, weil er mit dem Geld nicht<br />

umgehen könne, sonst sei er nicht behindert, könne lesen<br />

und schreiben, reden könne er auch gut. Am liebsten<br />

schnitze er Marterpfähle mit Tierkörpern darauf.<br />

Der, der das schrieb, erklärte weiter, Marterpfähle bedeuteten<br />

für die Indianer ungefähr dasselbe, wie für die Einheimischen<br />

das Kreuz, und er, der Mongoloide, glaube,<br />

den Marterpfahl richtig verstanden zu haben. Er las und<br />

wußte in dem Augenblick nicht, was der, der das schrieb,<br />

damit wirklich meinte. Ob er eine Freundin habe, frug der,<br />

der das schrieb den Behinderten beiläufig, und wieder<br />

wußte er nicht, was er mit beiläufig meinte. Ja, sie heiße<br />

Klara und sei auch behindert und im selben Atemzug fuhr<br />

der, der das schrieb fort und klärt, wie er sagt, seine Leser<br />

über die wahren Hintergründe, über die er ja eigentlich<br />

schreiben wolle, auf.<br />

Mongoloide werde es nunmehr, Gott sei Dank und meint<br />

damit wohl einen anderen, weniger geben. Der, über den<br />

er schrieb, sei einer der letzten, da diese Veranlagung bereits<br />

im Frühstadium nun erkennbar sei, und die Schwangerschaft<br />

dann meist unterbrochen werde, das hätte ihm<br />

ein Arzt erklärt. Die Familien würden also in Zukunft<br />

seltener mit einem Behinderten belastet sein, nicht mehr<br />

angekettet an den Marterpfahl der Abnormität. Und<br />

Engelbert wolle seine Marterpfähle verkaufen, beweisen,<br />

daß er mit Geld umgehen könne, beweisen, daß er kein<br />

Behinderter sei.<br />

Die Geldzähler also stehen dahinter, dachte er, wollen<br />

ihn ausbezahlen, daß er weg ist. So hatte er ihn also verstanden,<br />

nichts kapiert. Und er sah vor sich den Marterpfahl,<br />

den der Mongoloide ihm verkauft hatte, lebensgroß,<br />

oben auf der Spitze des Berges, angekettet der, der<br />

das schrieb, wie ein Kreuz in alle Täler weisend.<br />

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