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08 Troponinerhöhung nach ischämischem Schlaganfall

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Einzuleitende Maßnahmen<br />

Grundsätzlich sollten Präventionsmaßnahmen<br />

verstärkt oder neu bewertet<br />

werden, wenn es Hinweise auf eine Herzerkrankung<br />

gibt [25, 26]. Vaskuläre<br />

Risikofaktoren, EKG-Veränderungen,<br />

typische klinische Beschwerden, wie<br />

Brustschmerz oder Luftnot, müssen erfragt<br />

und erhoben werden und kardiologisch-fachärztlich<br />

konsiliarisch erörtert<br />

werden.<br />

Wenn initial eine Erhöhung vorliegt,<br />

sollte durch eine serielle Messung<br />

<strong>nach</strong>gewiesen werden, ob eine akute<br />

(dynamische) oder chronische (stabile)<br />

Troponinwerterhöhung vorliegt. Bei<br />

akuter (dynamischer) Erhöhung sollten<br />

Untersuchungen durchgeführt werden,<br />

deren Befunde die sog. Prätestwahrscheinlichkeit<br />

erhöhen, dass in einer<br />

Koronarangiographie ein relevanter Befund<br />

erhoben wird. Zu diesen Untersuchungen<br />

gehören neben dem EKG die<br />

Echokardiographie und – soweit beim<br />

<strong>Schlaganfall</strong>patienten möglich – das Belastungs-EKG<br />

[25, 27].<br />

Einige Autoren vertreten die Ansicht,<br />

dass initial hohe und sehr dynamische<br />

cTn- und pathologische EKG-Veränderungen<br />

häufiger bei Typ-1-Myokardinfarkten<br />

zu finden seien [5, 42].<br />

Bei einem Typ-2-Myokardinfarkt oder<br />

einer Stresskardiomyopathie seien die<br />

Troponinwerte im Vergleich signifikant<br />

niedriger und stiegen weniger stark [5,<br />

31, 42]. Eine sichere Unterscheidung<br />

zwischen einem ischämischen Myokardinfarkt<br />

und z. B. einer Tako-Tsubo-<br />

Kardiomyopathie ist anhand von cTn-<br />

Wert und EKG aber letztlich meist nicht<br />

hinreichend möglich.<br />

Bei Anzeichen für einen Typ-1-Myokardinfarkt<br />

sind eine potente Plättchenhemmung<br />

und eine Revaskularisierung<br />

grundsätzlich angezeigt. In Abhängigkeit<br />

vom Ausmaß der Gehirnschädigung<br />

durch den <strong>Schlaganfall</strong> ist diese aggressive<br />

Behandlung jedoch mit einem hohen<br />

zerebralen Einblutungsrisiko verbunden.<br />

Dieses klinische Dilemma verlangt eine<br />

sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung.<br />

Informationen aus der zerebralen Bildgebung,<br />

wie die Anzahl und Lage von<br />

zerebralen Mikroblutungen und das Ausmaß<br />

der Schädigung der weißen Hirnsubstanz<br />

(Leukoaraiose), sowie der Blutdrucküberwachung<br />

können bei der Entscheidungsfindung<br />

helfen, da auch sie das<br />

Blutungsrisiko erhöhen [10, 15]. Letztendlich<br />

sind aber weitere Studien erforderlich,<br />

um sowohl die diagnostische<br />

Zuordnung der <strong>Troponinerhöhung</strong> als<br />

auch die therapeutischen Konsequenzen<br />

bei Patienten mit <strong>ischämischem</strong> <strong>Schlaganfall</strong><br />

benennen zu können [24, 36].<br />

In jedem Fall müssen Erkrankungen,<br />

die eine Typ-2-Myokardischämie herbeiführen<br />

können, behandelt werden. Beim<br />

<strong>Schlaganfall</strong> sind dies v. a. die Tachyarrhythmie,<br />

die hypertensive Entgleisung,<br />

die dekompensierte Herzinsuffizienz, die<br />

dekompensierte obstruktive Lungenerkrankung<br />

oder schwere Infektionen.<br />

Die Möglichkeit einer zentral-bedingten<br />

Stresskardiomyopathie sollte<br />

insbesondere, wenn der <strong>Schlaganfall</strong><br />

den Insellappen betrifft, differenzialdiagnostisch<br />

erwogen werden [35, 37].<br />

Obwohl Uneinigkeit besteht, wie die<br />

beste Behandlung der neurogenen Stresskardiomyopathie<br />

aussieht, werden β-<br />

Blocker, α-Blocker oder Angiotensin-<br />

Converting-Enzym-Hemmer empfohlen<br />

[3, 38]. Ein Diagramm zur diagnostischen<br />

Aufarbeitung mit möglichen Handlungsoptionen<br />

findet sich in der . Abb. 1.<br />

Der dargestellte Algorithmus basiert<br />

auf aktueller Literatur und ist nicht<br />

validiert. Auch sind Daten zu Cut-off-<br />

Werten von cTn für die Vorhersage einer<br />

koronaren Ischämie bei <strong>Schlaganfall</strong>patienten<br />

limitiert. Generell gilt, dass im<br />

Allgemeinen absolute Troponinspiegel<br />

und die Dynamik beim Typ-1-Myokardinfarkt<br />

ausgeprägter sind als beim<br />

Typ-2-Myokardinfarkt und der absolute<br />

Troponinspiegel und die -dynamik beim<br />

Myokardinfarkt höher sind als bei nichtkoronaren<br />

Ursachen.<br />

Fazit für die Praxis<br />

55Mit hochempfindlichen cTn-Assays<br />

können bei mehr als der Hälfte der<br />

Patienten mit akutem <strong>ischämischem</strong><br />

<strong>Schlaganfall</strong> pathologische cTn-Werte<br />

gemessen werden. Diese sind dabei<br />

proportional sowohl kurz- als auch<br />

langfristig mit einer schlechteren<br />

Prognose hinsichtlich funktioneller<br />

Erholung und Sterblichkeit assoziiert.<br />

55Bei Patienten mit initial erhöhtem<br />

Troponin, auffälligem EKG oder<br />

kardialen Beschwerden ist es sinnvoll,<br />

serielle cTn-Messungen durchzuführen,<br />

da ein Anstieg (oder Abfall)<br />

eine koronare Ischämie wahrscheinlicher<br />

macht.<br />

55Die Mehrzahl der Patienten mit<br />

<strong>ischämischem</strong> <strong>Schlaganfall</strong> haben<br />

eher stabile cTn-Verläufe, die gegen<br />

eine akute Myokardschädigung<br />

sprechen, aber ebenfalls prognostisch<br />

ungünstig sind.<br />

55Letztendlich sollte auch an neurogen<br />

vermittelte Mechanismen gedacht<br />

werden, insbesondere bei Patienten<br />

mit <strong>ischämischem</strong> <strong>Schlaganfall</strong>, bei<br />

denen der Insellappen betroffen ist.<br />

Korrespondenzadresse<br />

PD Dr. C.H. Nolte<br />

Klinik für Neurologie,<br />

Charité – Universitätsmedizin Berlin,<br />

Campus Benjamin Franklin<br />

Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin<br />

christian.nolte@charite.de<br />

Einhaltung ethischer Richtlinien<br />

Interessenkonflikt. C.H. Nolte hat Vortragshonorare<br />

von Bayer, Boehringer Ingelheim, Pfizer<br />

und Bristol-Myers Squibb erhalten. J.F. Scheitz ist<br />

Stipendiant des Clinical Scientist Programms. M.<br />

Endres hat Zuwendungen für Projekte, Advisory<br />

Boards bzw. Vortragshonorare von folgenden<br />

Firmen erhalten: Bayer HealthCare, Boston Scientific,<br />

Bristol-Myers Squibb, Boehringer-Ingelheim, Pfizer.<br />

Die Autoren besitzen keine Aktien von Pharmaunternehmen<br />

oder Herstellern von Laborgeräten.<br />

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen<br />

oder Tieren.<br />

Literatur<br />

1. Acheson J, James DC, Hutchins EC, Westhead R<br />

(1965) Serum-creatine-kinase levels in cerebral<br />

vascular disease. Lancet 1:1306–1307<br />

2. Agewall S, Giannitsis E, Jernberg T, Katus H (2011)<br />

Troponin elevation in coronary vs. non-coronary<br />

disease. Eur Heart J 32:404–411<br />

3. Akashi YJ, Goldstein DS, Barbaro G, Ueyama T<br />

(20<strong>08</strong>) Takotsubo cardiomyopathy: a new form<br />

of acute, reversible heart failure. Circulation<br />

118:2754–2762<br />

4. Alpert JS, Thygesen K, Antman E, Bassand JP<br />

(2000) Myocardial infarction redefined-a consensus<br />

document of The Joint European Society<br />

of Cardiology/American College of Cardiology<br />

Committee for the redefinition of myocardial<br />

infarction. J Am Coll Cardiol 36:959–969<br />

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 3 · 2017 |<br />

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