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(S. 131) Die älteste Gruppenaufnahme der KDStV Marchia aus dem ...

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100 Jahre Katholische Deutsche Studenten-Verbindung<br />

<strong>Marchia</strong><br />

(Breslau) zu Aachen im CV<br />

1910 – 2010<br />

Her<strong>aus</strong>gegeben von<br />

Thomas Kreft<br />

Aachen 2012


Impressum:<br />

100 Jahre Katholische Deutsche Studenten-Verbindung <strong>Marchia</strong> (Breslau)<br />

zu Aachen im CV 1910 – 2010<br />

Her<strong>aus</strong>gegeben von Thomas Kreft<br />

ISBN-10: 3-86130-432-5<br />

ISBN-13: 978-3-86130-432-6<br />

Vertrieb:<br />

Herstellung:<br />

1. Auflage 2012<br />

© Verlagsh<strong>aus</strong> Mainz GmbH Aachen<br />

Süsterfeldstr. 83,<br />

52072 Aachen<br />

Tel. 0241/87 34 34<br />

Fax 0241/87 55 77<br />

www.Verlag-Mainz.de<br />

Druck und Verlagsh<strong>aus</strong> Mainz GmbH Aachen<br />

Süsterfeldstr. 83<br />

52072 Aachen<br />

Tel. 0241/87 34 34<br />

Fax 0241/87 55 77<br />

www.DruckereiMainz.de<br />

www.Druckservice-Aachen.de<br />

Layout: Thomas Kreft<br />

printed in Germany<br />

Umschlagvor<strong>der</strong>seite:<br />

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<strong>Gruppenaufnahme</strong> zum 100-jährigen Bestehen <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong><br />

im Jahre 2010 vor <strong>dem</strong> Hauptgebäude <strong>der</strong> RWTH Aachen (S. <strong>131</strong>)<br />

<strong>Die</strong> <strong>älteste</strong> <strong>Gruppenaufnahme</strong> <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Jahre 1910 in Breslau (S. 18)<br />

Bibliografische Information <strong>der</strong> Deutschen Bibliothek<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in <strong>der</strong> Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Das Werk ist einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung<br />

ist ohne Zustimmung des Her<strong>aus</strong>gebers außerhalb <strong>der</strong> engen Grenzen des Urhebergesetzes<br />

unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />

Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.


<strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> im CV<br />

Gründung: 22. Juli 1910 in Breslau<br />

Aufnahme <strong>der</strong> Rheno-Saxonia Köthen: 2. Juli 1911<br />

Einstellung des Verbindungsbetriebes: 8. Juni 1936<br />

Reaktivierung: 14. Januar 1950 in Aachen<br />

Farben: rot-weiß-rosa, Fuchsenband rot-weiß-rot<br />

Wahlspruch: Mens agitat molem!<br />

Zirkel:<br />

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4<br />

Inhalt<br />

7 Vorwort des Her<strong>aus</strong>gebers<br />

Thomas Kreft<br />

VERBINDUNGSLEBEN<br />

11 Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Wappen, Farben, Wahlspruch und Liedgut als äußere Zeichen <strong>der</strong> Verbindung<br />

1) <strong>Die</strong> Ausgangslage S. 11 � 2) Der Chronist Johannes Mnich S. 12 � 3) <strong>Die</strong> Gründung <strong>der</strong><br />

<strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> S. 13 � 4) Woher kamen die ersten Märker? S. 23 � 5) Landesbezüge S. 26<br />

� 6) <strong>Die</strong> Farben S. 31 � 7) Das Wappen S. 33 � 8) Liedgut S. 39 � 9) Der Wahlspruch<br />

»Mens agitat molem« S. 43 � 10) »Breslau« als Namenzusatz S. 45 � 11) Resultate S. 47<br />

Thomas Kreft<br />

55 Rheno-Saxonia Köthen<br />

Eine Verbindung mit Pfiff<br />

1) <strong>Die</strong> Rheno-Guestfalia Aachen S. 56 � 2) Gründung und Name <strong>der</strong> Rheno-Saxonia Köthen<br />

S. 57 � 3) Wappen und Fahne S. 58 � 4) Das Verbindungsh<strong>aus</strong> S. 62 � 5) Das Köthener<br />

Polytechnikum S. 64 � 6) Studentenleben S. 66 � 7) Liedgut und Couleurpfiff S. 69 �<br />

8) Das Streben in den CV S. 71 � 9) 1911: Fusion mit <strong>Marchia</strong> S. 72 � 10) Nachleben S. 77<br />

Heinz Gelhoit<br />

81 Von Breslau nach Aachen<br />

Eine Dokumentation <strong>der</strong> Jahre 1933-1950 <strong>aus</strong> Unterlagen des Märker-Archivs<br />

Volker Wahlen und Dominikus Klinke<br />

95 <strong>Die</strong> Jahre 1985 bis 2010 im Rückblick<br />

1) Renovierungen am Märkerh<strong>aus</strong> S. 95 � 2) Personelle Situation S. 98 � 3) CV und<br />

Altherrenzirkel S. 100 � 4) Eine neue Satzung und GO S. 100 � 5) <strong>Die</strong> Leistungen einzelner<br />

Bundesbrü<strong>der</strong> S. 101 � 6) Das Verbindungsleben in <strong>der</strong> Überschau S. 104<br />

Dominikus Klinke<br />

115 Das 100. Stiftungsfest<br />

Dominikus Klinke<br />

125 Breslau – die Stadt meiner Väter<br />

Ansprache des Altherrenseniors anlässlich des Aka<strong>dem</strong>ischen Festaktes zum 100. Stiftungsfest<br />

<strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> am 22. Mai 2010


Inhaltsverzeichnis<br />

129 Das 100. Stiftungsfest im Bild<br />

Marek Ha�ub<br />

137 Von Wroc�aw über Breslau nach Aachen<br />

Über das Zusammengehörigkeitsgefühl in <strong>der</strong> Schlesischen Gelehrtenrepublik<br />

Festrede zum 100-jährigen Bestehen <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong><br />

Thomas Kreft<br />

KORPORATIONSHÄUSER<br />

149 <strong>Die</strong> Breslauer Märkerheime<br />

1) Neue Gasse 25: Zimmer beim Gastwirt Mergner S. 149 � 2) Karlstraße 44: Etage im<br />

Stadtpalais S. 150 � 3) Intermezzo im Vinzenzh<strong>aus</strong> S. 155 � 4) Neue Gasse 27: endlich ein<br />

eigenes H<strong>aus</strong> S. 156<br />

Holger Dux<br />

162 <strong>Die</strong> Häuser <strong>der</strong> Aachener Korporationen<br />

1) Einführung S. 163 � 2) 1871 bis 1899: Gründung. Frühe studentische Verbindungen<br />

S. 164 � 3) 1900 bis 1914: Kaiserzeit. Erste Verbindungshäuser entstehen S. 169 � 4) 1919<br />

bis 1932: Blüte. Positive Entwicklungen trotz Inflation und Besatzungszeit S. 174 � 5) 1933<br />

bis 1944: Verbot. <strong>Die</strong> Korporationen zur Zeit des Nationalsozialismus S. 179 � 6) 1945 bis<br />

1959: Neubeginn. Das Leben <strong>der</strong> Korporationen in Aachen wird vielfältiger S. 181 �<br />

7) 1959 bis 1968: Unruhige Zeiten. Spätphase eines positiven Trends S. 191 � 8) 1970 bis<br />

2010: Heute. Bestandssicherung o<strong>der</strong> Alternativen S. 194<br />

Thomas Kreft<br />

203 Das Märkerh<strong>aus</strong> als Kulturerbe<br />

Zur Baugeschichte <strong>der</strong> Villa Otto Peltzer in Aachen<br />

1) Äußere Glie<strong>der</strong>ung S. 204 � 2) Das Innere S. 210 � 3) Historische technische Ausstattung<br />

S. 213 � 4) Außenanlagen S. 215<br />

Karlheinz Dannert<br />

217 <strong>Die</strong> Aachener Familie Otto Peltzer und<br />

ihre Villa in <strong>der</strong> Nizzaallee 4<br />

Ulrich Kalla<br />

225 <strong>Die</strong> ersten Jahre auf <strong>dem</strong> Aachener Märkerh<strong>aus</strong><br />

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6<br />

Thomas Kreft<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

SPORT UND FREIZEIT<br />

231 Sport in in <strong>Marchia</strong>s Breslauer Zeiten<br />

1) Meister im F<strong>aus</strong>tball: <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Bericht des Sportwarts S. 231 � 2) Der Märker-Kegelklub<br />

S. 233<br />

Hans Hollingsh<strong>aus</strong>en und Andreas Dassen<br />

235 Märkertreffen im Ötztal<br />

1) Der Ursprung S. 235 � 2) Wie es weiterging S. 236 � 3) Alternativprogramme S. 237 �<br />

4) Spündchen – Chef des Basislagers S. 237 � 5) Venter Bergfest S. 239 � 6) Runden<br />

S. 240 � 7) Unter neuer Leitung S. 240 � 8) Bewährtes und Neues S. 240 � 9) Gottesdienst<br />

in <strong>der</strong> Venter Dorfkirche S. 241 � 10) Genießer und Gipfelstürmer S. 241 � 11) Routinetreffen<br />

und Beson<strong>der</strong>heiten S. 242 � 12) Vent-Nachtreffen auf <strong>dem</strong> Winterfest S. 243 �<br />

13) Bilanz S. 244<br />

Franz-Josef <strong>Die</strong><strong>der</strong>ich, Volker Schiel und Christian Entrup<br />

245 Märkersegeln in Holland<br />

1) Der Ursprung S. 245 � 2) Erstmals offiziell S. 246 � 3) Pfingst-Segeln S. 246 � 4) Auf<br />

neuen Booten S. 248 � 5) Zelten direkt am Bootssteg S. 250<br />

Dominikus Klinke et al.<br />

MARCHIA IN DATEN<br />

251 Chronik <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong><br />

Einschließlich <strong>der</strong> katholischen Studentenverbindungen<br />

Rheno-Guestfalia Aachen und Rheno-Saxonia Köthen<br />

1) Gedanken zur Chronik S. 251 � 2) Zeittafel S. 253; darin: »<strong>Die</strong> Kasse schließt mit einem<br />

Minus von 9 Milliarden« S. 262; »Oos wie fies«: Wie die <strong>Marchia</strong> zu ihrem H<strong>aus</strong> kam<br />

S. 289; Wie die Laterne vom »Postwagen« zum Märkerh<strong>aus</strong> gelangte S. 298; <strong>Marchia</strong> und<br />

die CV-Aka<strong>dem</strong>ie S. 313<br />

384 Übersichten<br />

1) Amtsträger 1985 bis 2010 S. 384 � 2) <strong>Die</strong> 1985 bis 2010 verstorbenen Bundesbrü<strong>der</strong> S. 386<br />

388 Bibliographie<br />

390 Register<br />

399 Abkürzungen


Vorwort des Her<strong>aus</strong>gebers<br />

Mit einem großen Fest vollendete sie im Sommer 2010 ihre ersten hun<strong>der</strong>t Jahre:<br />

die Katholische Deutsche Studenten-Verbindung <strong>Marchia</strong> (Breslau) zu Aachen im<br />

CV. Was ihr zweites Jahrhun<strong>der</strong>t bringen wird, entzieht sich zwar <strong>der</strong> menschlichen<br />

Erkenntnis. Eines aber wage ich vor<strong>aus</strong>zusagen: Auch 2110 werden sich die Märker<br />

dafür interessieren, was ein Säkulum zuvor geschah. Sie werden es hier in diesem<br />

Opus nachlesen können, das 13 Autoren mit viel Engagement erarbeitet haben.<br />

BISHERIGE GESCHICHTSSCHREIBUNG<br />

Bereits die vorigen Generationen haben in diesem Sinne ihre Zeit festgehalten. Zum<br />

10. Stiftungsfest 1920 legte Bbr. Johannes Mnich die erste Jubiläums-Publikation<br />

vor. Es handelt sich um ein DIN-A5-Heft zu 32 Seiten, von <strong>der</strong> Gattung her eine<br />

Chronik, wobei diese zehn Jahre in fünf zeitliche Abschnitte unterteilt sind: Vorbereitung<br />

zur Gründung, Gründung, Zeit bis zum 1. Weltkrieg, Kriegszeit, Zeit nach<br />

<strong>dem</strong> Krieg. Eine knappe Bewertung dieses Werkes und seines Autors liefert <strong>der</strong><br />

Beitrag »Der Name <strong>Marchia</strong>« im vorliegenden Buch.<br />

Zum 20. Stiftungsfest 1930 kam eine zweite Schrift im gleichen Format zu 48 Seiten<br />

her<strong>aus</strong>. Sie enthält einen neu gesetzten, aber inhaltlich unverän<strong>der</strong>ten Nachdruck<br />

<strong>der</strong> Mnich-Chronik sowie einen zweiten Teil von Bbr. Gerhard Traub. Traub<br />

setzte die chronologische Form fort, stellte aber einen sachlich geglie<strong>der</strong>ten Teil<br />

voran mit <strong>dem</strong> Titel »Form und Geist«.<br />

<strong>Die</strong> Märkerchroniken von Günther Sebulke, Heinz Gelhoit, Johannes Mnich und Gerhard Traub<br />

(Fotos/Graphiken: Kreft)<br />

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8<br />

Aachener Dom<br />

Vorwort<br />

Dass 1935 zum 25-jährigen Bestehen keine Festschrift erschien,<br />

beruht auf <strong>dem</strong> vorgesehenen Zehnjahresrhythmus. 1<br />

Zum 25. Stiftungsfest kam stattdessen eine Bierzeitung<br />

her<strong>aus</strong>, welche die Verbindungsgeschichte in Karikaturen<br />

darstellt. 1940 stand nach Einstellung des Verbindungsbetriebes<br />

1936 eine weitere Publikation nicht zur Debatte, und<br />

1950 verdrängte die vordringliche Aufgabe <strong>der</strong> Reaktivierung<br />

in Aachen den Gedanken an eine Märkerchronik. Erst 1960<br />

folgte eine weitere Publikation <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong>, nun zum 50jährigen<br />

Jubiläum. Bbr. Günther Sebulke übernahm die Autorenschaft.<br />

Er überarbeitete die Texte von Mnich und Traub<br />

und führte sie im gleichen Stile fort. Ebenso verfuhr Bbr.<br />

Heinz Gelhoit mit seiner Märkergeschichte zum 75. Stiftungsfest 1985; inzwischen<br />

hatte man sich für einen 25-Jahre-Rythmus entschieden. Einen Überblick <strong>der</strong> Publikationen<br />

bietet die Bibliographie am Ende <strong>der</strong> jetzigen Publikation.<br />

100 JAHRE MARCHIA<br />

Zum 100-jährigen Bestehen auf die bisherige Geschichtsschreibung wie<strong>der</strong>um<br />

weitere 25 Jahre aufzupflanzen, erwies sich indes als nicht mehr praktikabel. Deshalb<br />

liegt <strong>dem</strong> neuen Werk »100 Jahre <strong>Marchia</strong>« die Gemeinschaftsarbeit mehrerer<br />

Autoren und Bearbeiter zu Grunde, die sich ihrem Part umso gründlicher widmen<br />

konnten. Vor allem gehörte zu den Zielen – im Gegensatz<br />

zu den Gepflogenheiten bei Bundesgeschichten und allgemein<br />

bei Vereinschroniken – die Quellen zu nennen. Rückgrat<br />

<strong>der</strong> Publikation ist eine umfangreiche Chronik, welche<br />

die Ereignisse ohne Wertung in einer Zeittafel auflistet.<br />

Einige frühe Phasen <strong>der</strong> Verbindung werden geschichtswissenschaftlich<br />

neu aufgearbeitet, während die<br />

Autoren <strong>der</strong> Beiträge über die jüngeren Ereignisse noch<br />

die Erinnerung mit heranziehen<br />

konnten. Manche Phasen <strong>der</strong><br />

Verbindungsgeschichte, allen<br />

voran die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Nazi-Diktatur, bedürfen<br />

generell einer gründlichen, wissenschaftlichen Analyse.<br />

<strong>Die</strong> Zeittafel bietet hierzu aber bereits eine Grundlage.<br />

Vieles <strong>der</strong> vergangenen Geschichtsschreibung erwies<br />

sich inzwischen als überholt, weil neue Quellen bekannt<br />

wurden o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Fragestellungen die Beiträge<br />

regieren. Möge auch die nächste Generation <strong>aus</strong> ihrer<br />

Sicht beherzt neue Antworten suchen und finden.<br />

Breslauer Rath<strong>aus</strong><br />

Der Gegenwart und <strong>der</strong> Wurzel <strong>der</strong> Verbindung wird durch zwei graphische Miniaturen<br />

in <strong>der</strong> Kopfzeile Rechnung getragen: das Breslauer Rath<strong>aus</strong> und <strong>der</strong> Aachener<br />

Dom als bekannte Wahrzeichen dieser Städte, verbunden durch eine Linie.<br />

Längere Zitate sind mit einem begleitenden Seitenbalken versehen. Sie fallen als<br />

Grundlagen <strong>der</strong> Ausarbeitungen dadurch besser auf.<br />

1 Sebulke 1960, S. 5.


Vorwort<br />

QUELLENLAGE<br />

Trotz <strong>der</strong> Aktenverluste im Laufe <strong>der</strong> geschichtlichen Wirren verfügt die <strong>Marchia</strong><br />

heute über ein sehr umfangreiches Archiv. <strong>Die</strong>s verdankt sie hauptsächlich <strong>dem</strong><br />

langjährigen Archivar Bbr. Heinz Gelhoit, <strong>der</strong> dieses Amt von 1980 bis 2007 innehatte.<br />

Um sein Ziel zu erreichen, unternahm er unzählige Reisen zu alten Bundesbrü<strong>der</strong>n<br />

und in diverse Archive. Dazu <strong>der</strong> Amtsträger 1995 in einem Bericht in den<br />

Märker-Blättern: 2<br />

Bei diesen Reisen habe ich mich auch stets bemüht, die im jeweiligen Umkreis wohnenden<br />

AHAH zu besuchen. Da nun durch die intensive Beschäftigung mit <strong>der</strong> Märkergeschichte<br />

bei mir ein detailreiches Wissen entstanden war, entwickelte sich bei diesen<br />

Besuchen meist eine angeregte Unterhaltung über <strong>Marchia</strong>, bei <strong>der</strong> manche weitere<br />

Einzelheiten aufgedeckt werden konnten.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Gespräche wurde dann auch so manches gerettete Erinnerungsstück hervorgeholt<br />

und stolz vorgeführt. Mit beson<strong>der</strong>er Freude kann ich feststellen, daß fast<br />

<strong>aus</strong>nahmslos diese für die Märkergeschichte wertvollen Stücke später <strong>dem</strong> Archivar<br />

übereignet wurden.<br />

Das Archiv <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> enthält nun neben vielen Originalstücken auch etliche Kopien<br />

wichtiger Schriftstücke an<strong>der</strong>er Institutionen, vor allem <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> CV-Archiv.<br />

Das hat die Forschung für die nun vorgelegten Beiträge sehr erleichtert.<br />

Schon früh hatte die <strong>Marchia</strong><br />

begonnen, eigene Periodika<br />

her<strong>aus</strong>zugeben. Am<br />

Anfang stehen die Correspondenzblätter.<br />

Erhalten<br />

sind lediglich zwei Ausgaben:<br />

Nr. 3 vom 5. Juni 1913<br />

und Nr. 4 vom 25. Juli 1913.<br />

Sie tragen die Untertitel<br />

»Erstes« bzw. »Zweites Cor-<br />

respondenzblatt des S.-S.<br />

1913«. Denkbar ist also ein<br />

Historische Bil<strong>der</strong> im Kneipsaal des Märkerh<strong>aus</strong>es<br />

Beginn im Wintersemester 1912/13. Vermutlich brachte <strong>der</strong> 1. Weltkrieg das Aus.<br />

1926 kam die erste Märker-Blätter-Ausgabe her<strong>aus</strong>. <strong>Die</strong>se Semesterzeitschrift<br />

schaffte es in Breslau bis zur Nr. 16 im Dezember 1934. Dazu gehört auch die Son<strong>der</strong>nummer<br />

von 1930 mit persönlichen Erinnerungen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Verbindung.<br />

Parallel lief die Zeitschrift »Aus <strong>der</strong> Altherrenschaft« von 1927 bis zur Nr.<br />

12, die im Oktober 1936 nach <strong>der</strong> Einstellung des Verbindungsbetriebes erschien.<br />

Im Übrigen bediente sich die <strong>Marchia</strong> weit mehr als heute <strong>der</strong> CV-Zeitschrift »Aca<strong>dem</strong>ia«<br />

für Berichte <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Verbindungsleben, die insbeson<strong>der</strong>e für die Phasen<br />

ohne eigenes Publikationsorgan eine unentbehrliche Quelle ist.<br />

In <strong>der</strong> Aachener Zeit lebten die Märker-Blätter wie<strong>der</strong> auf. Noch vor <strong>der</strong> Reaktivierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> gab Bbr. Johannes Gebel die Nr. 1 und 2 her<strong>aus</strong>, doch begann er<br />

die dritte Ausgabe nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>begründung abermals mit <strong>der</strong> Nr. 1, nach <strong>der</strong><br />

2 Heinz Gelhoit, 15 Jahre Archivar <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong>, in: Märker-Blätter 77 (März 1995), S. 41-48, hier S.<br />

42. Vgl. auch dens., Archiv <strong>der</strong> alten Rheno-Saxonia Cöthen an <strong>Marchia</strong> übergeben, in: Märker-<br />

Blätter 62 (Nov. 1987), S. 23-25.<br />

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10<br />

Vorwort<br />

die Aachener Folge bis heute gezählt wird. Redakteure waren: Johannes Gebel bis<br />

Nr. 3, Hans Sebulke: Nr. 4 bis 19; Edgar Jesse: Nr. 20 bis 29; Wilfried Becker: Nr.<br />

30 bis 34; Paul Schubert: Nr. 35; Heinz Borgmann: Nr. 36 bis 39. Bbr. Hans Hollingsh<strong>aus</strong>en<br />

betreut die Blätter seit <strong>der</strong> Nr. 40 und kommt damit auf mehr Ausgaben<br />

als alle an<strong>der</strong>en Redakteure zusammen. 3 Eine Son<strong>der</strong><strong>aus</strong>gabe erschien im<br />

Jahre 2000 zur Dokumentation des 50. Winterfestes, das zugleich als 90. Stiftungsfest<br />

gefeiert wurde.<br />

DANKSAGUNG<br />

All jenen, die am Gelingen dieses umfangreichen Buches mitgewirkt haben, möchte<br />

ich an dieser Stelle für ihren Einsatz danken, zunächst den Autoren. Frühzeitig konnte<br />

ich zwei Persönlichkeiten gewinnen, die sich in Aachen bereits einen guten Ruf<br />

mit geschichtlichen Arbeiten erworben haben. Herr Dr. Holger Dux, renommierter<br />

Bauhistoriker, hat einen umfassenden Beitrag über die Verbindungshäuser <strong>der</strong><br />

Kaiserstadt beigesteuert. Herr Karlheinz Dannert hat die Geschichte <strong>der</strong> Familie<br />

Otto Peltzer erhellt, die das heutige Märkerh<strong>aus</strong> einst baute und bewohnte.<br />

Im Zeichen polnisch-deutscher Völkerverständigung steht die Festrede von Herrn<br />

Professor Dr. Marek Ha�ub von <strong>der</strong> Universität Breslau, welche er freundlicherweise<br />

in schriftlicher Form zur Verfügung stellte. Aus den Reihen <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> engagierten<br />

sich als Autoren: Christian Entrup, Dr. Andreas Dassen, Franz-Josef <strong>Die</strong><strong>der</strong>ich,<br />

Heinz Gelhoit, Hans Hollingsh<strong>aus</strong>en, Dr. Ulrich Kalla, Dominikus Klinke, Volker<br />

Schiel und Dr. Volker Wahlen.<br />

Vielfältig ist <strong>der</strong> Aufwand, den eine Publikation dieser Größenordnung mit sich<br />

bringt. <strong>Die</strong>s umfasst das Sichten und Einscannen <strong>der</strong> Fotos, das Herstellen <strong>der</strong><br />

Karten, das Korrekturlesen nebst Einpflege <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen sowie das Erstellen des<br />

Registers. Bei <strong>der</strong> Arbeit erwies sich vor allem Bbr. Dominikus Klinke, bis Ende<br />

2010 Altherrensenior <strong>Marchia</strong>e, als »rechte Hand« des Her<strong>aus</strong>gebers. Desweiteren<br />

wirkten mit: Frau Ursula Brammertz sowie die Bundesbrü<strong>der</strong> André Bräkling (Senior<br />

im Sommersemester 2010), AHx Franz-Josef <strong>Die</strong><strong>der</strong>ich, Hans Hollingsh<strong>aus</strong>en, Dr.<br />

Ulrich Kalla, Julian Krick (Senior im Wintersemester 2011/12), Felix Müller, AHxx Dr.<br />

Armin Olbrich, Erhard Edler von Pollak, Franz-Josef Stobbe, AHxxxx Dr. Norbert<br />

Tolksdorf und AHxxx Dr. Volker Wahlen. 4 Für seine studentengeschichtlichen Hinweise<br />

danke ich Herrn Dr. Harald Lönnecker.<br />

Last but not least danke ich meiner lieben Ehefrau Ute für ihre Geduld, die sie<br />

mir bei <strong>der</strong> Erstellung dieser Publikation entgegenbrachte.<br />

Aachen, im Dezember 2011 Dr. Thomas Kreft, Archivar <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong><br />

3 Märker-Blätter 44 (Dez. 1973), S. 2 und 100 (Aug. 2006), S. 17-19.<br />

4 <strong>Die</strong> im Korporationswesen üblichen Kürzel AHx etc. bezeichnen die Ämter des Vorstandes des<br />

Altherrenverbandes: Altherren-Senior, Consenior, Schriftführer, Kassierer.


Thomas Kreft<br />

Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Wappen, Farben, Wahlspruch und Liedgut als<br />

äußere Zeichen <strong>der</strong> Verbindung<br />

»Nomen est omen« – <strong>der</strong> Name ist Zeichen. Wie fast alle studentischen Korporationen<br />

trägt auch die 1910 gegründete Katholische Deutsche Studentenverbindung<br />

<strong>Marchia</strong> einen individuell <strong>aus</strong>gewählten Namen. Welche Zeichen dieser Name setzt,<br />

was sich die Grün<strong>der</strong> bei seiner Wahl dachten – wer weiß das noch wirklich genau<br />

nach einem Jahrhun<strong>der</strong>t, das diesem Bund zwei Weltkriege und eine Diktatur, Verbot<br />

und Vertreibung, wirtschaftliche Not und Studentenrevolten entgegengeschleu<strong>der</strong>t<br />

hat?<br />

Bei <strong>dem</strong> Versuch, <strong>der</strong> ur-<br />

sprünglichen Bedeutung des<br />

Namens <strong>Marchia</strong> auf die Spur zu<br />

kommen, wurde schnell deutlich,<br />

dass auch an<strong>der</strong>e Identität<br />

stiftende Elemente wie Wappen,<br />

Farben, Wahlspruch und Liedgut<br />

bei <strong>der</strong> Analyse eine Rolle<br />

spielen. <strong>Die</strong>se äußeren Zeichen<br />

erwiesen sich selbst als so komplex,<br />

dass Einzeluntersuchungen<br />

darüber notwendig wurden und<br />

im Folgenden hier ebenfalls<br />

ihren Platz bekommen. <strong>Die</strong>se<br />

geschichtswissenschaftliche<br />

Aufarbeitung geschieht bewusst<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Jubiläumspublikation,<br />

um nicht nur die Ergebnisse,<br />

son<strong>der</strong>n auch den spannenden<br />

Weg dorthin einer breiten<br />

Leserschaft zugänglich zu<br />

machen.<br />

1) <strong>Die</strong> Ausgangslage<br />

DAS »H« IM NAMEN<br />

Eine immer wie<strong>der</strong> gestellte Frage lautet: Wie<br />

spricht man den Namen »<strong>Marchia</strong>« richtig <strong>aus</strong>? Nicht<br />

selten kommen Außenstehende in die Verlegenheit<br />

um die richtige Aussprache – obwohl gar nicht verlangt<br />

wird, den Namen fremdländisch zu sprechen.<br />

Offenbar bereitet die Buchstabenfolge »chi« Schwierigkeiten.<br />

Warum? Schon die Geographen des 16.<br />

Jh. haben »<strong>Marchia</strong>« – latinisiert für »Mark« – als Territorialbezeichnung<br />

auf ihren Landkarten festgehalten.<br />

Das »h« in <strong>dem</strong> Wort zeigte an, dass das c als k<br />

<strong>aus</strong>zusprechen sei, also »Markia«. Ohne das h hieße<br />

es »Marzia«.<br />

Soweit sich durch mündliche Überlieferung zurückverfolgen<br />

lässt, haben sich die Märker jedoch von<br />

diesem philologischen Hintergrund gelöst und<br />

sprechen den Namen ihrer <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> so <strong>aus</strong><br />

wie ein deutsches Wort mit ch wie in Weiche o<strong>der</strong><br />

Arche.<br />

<strong>Die</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> folgt <strong>dem</strong> weit verbreiteten Brauch studentischer Korporationen,<br />

einen landschaftlichen Namen zu wählen, und zwar in <strong>der</strong> latinisierten Form.<br />

Zu Deutsch heißt <strong>Marchia</strong> Mark, weshalb sich die Mitglie<strong>der</strong> Märker nennen. Interessant<br />

ist nun die Frage, auf welches Gebiet sich die <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> eigentlich<br />

bezieht – sofern sich <strong>der</strong> Name überhaupt verorten lässt. Es gibt kein Dokument<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gründungsphase, welches die Wahl des Namens <strong>Marchia</strong> erläutert. <strong>Die</strong><br />

einzige erhaltene schriftliche Aussage, die überhaupt etwas dazu mitteilt, stammt<br />

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12<br />

Verbindungsleben<br />

von 1920. In <strong>der</strong> Festschrift »<strong>Die</strong> ersten 10 Jahre Märkergeschichte« formuliert<br />

Bundesbru<strong>der</strong> Johannes Mnich dort:<br />

Sie waren sich bewusst, daß sie getreu ihrem Namen als Märker auf vorgeschobenem<br />

Posten zu kämpfen, die Grenzmark des CV im Osten mit zu verteidigen haben würden.<br />

[…] Der Name »<strong>Marchia</strong>« ist hergekommen von <strong>dem</strong> Herzogtum Mark, jenem Teil <strong>der</strong><br />

»roten Erde«, von <strong>dem</strong> <strong>der</strong> Dichter sagt: »Dort, wo <strong>der</strong> Märker das Eisen reckt …« Auch<br />

die Mark Brandenburg, woher sich verschiedene Cartellbrü<strong>der</strong> angesagt hatten, spielte<br />

bei <strong>der</strong> Auswahl des Namens eine Rolle. Ihr sind <strong>der</strong> märkische Adler in unserem Wappen<br />

und die Grundfarben rot-weiß entlehnt. 1<br />

<strong>Die</strong>se hier wie<strong>der</strong>gegebene Stelle wurde bisher oft zitiert, 2 aber nie näher analysiert.<br />

In jüngerer Zeit bot die mehrdeutige Formulierung Stoff für freie Interpretationen.<br />

Zum Wintersemester 1995/96 setzten die Chargen einen Klappentext ins Programmheft,<br />

<strong>der</strong> mit diesem Satz beginnt:<br />

Der Name <strong>Marchia</strong> bezieht sich auf die Grafschaft Mark, <strong>dem</strong> heutigen Märkischen<br />

Kreis, ebenso die Farben Rot und Weiß, die bei uns mit Rosa ergänzt wurden.<br />

Der Text wurde unverän<strong>der</strong>t bis 2009 in den Semesterprogrammen publiziert. Seit<br />

<strong>dem</strong> Sommersemester 2010 heißt es an gleicher Stelle:<br />

Der Name <strong>Marchia</strong> leitet sich wohl in erster Linie von <strong>der</strong> Mark Brandenburg ab, worauf<br />

<strong>der</strong> rote Adler im Wappen und die Grundfarben Rot-Weiß verweisen. Letzteres wurde<br />

aber auch oft auf die Grafschaft Mark bezogen.<br />

<strong>Die</strong>se neuere Auslegung relativiert zwar die engere Definition von 1995, greift aber<br />

ebenfalls zu kurz, wie wir bei näherer Betrachtung <strong>der</strong> Quellen und Indizien im Folgenden<br />

sehen werden. Begrüßenswert ist gewiss, dass die Frage nach <strong>der</strong> Bedeutung<br />

des Namens <strong>Marchia</strong> an sich in <strong>der</strong> Verbindung durch<strong>aus</strong> relevant war und ist.<br />

2) Der Chronist Johannes Mnich<br />

Johannes Mnich<br />

(Archiv <strong>Marchia</strong>)<br />

Wie ist zunächst die Mnich’sche Chronik als Geschichtsquelle zu<br />

werten? Johannes Mnich wurde 1896 in Krappitz (Oberschlesien)<br />

geboren, erwarb das Abitur in Oppeln und studierte Jura an <strong>der</strong><br />

Universität Breslau. Am 20. Juli 1917 trat er <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> bei, wo<br />

er mehrere Chargenämter bekleidete: Consenior im Wintersemester<br />

1918/19 sowie Fuchsmajor ebenfalls im Wintersemester<br />

1918/19, im 2. Zwischensemester 1919 und im Wintersemester<br />

1919/20. 1925 promovierte er zum Dr. jur. und wurde schließlich<br />

Landgerichtsdirektor in Brünn und Dortmund. Der Nachruf in den<br />

Märker-Blättern von 1957 bescheinigt ihm einen »untadeligen<br />

Charakter«. 3<br />

1 Mnich 1920, S. 10.<br />

2 Traub 1930, S. 7; Sebulke 1960, S. 11; Gelhoit 1985, S. 17.<br />

3 Archiv <strong>Marchia</strong>, Bbr. I 167; Wilhelm Pachur in den Märker-Blättern 16 (Dezember 1957), S. 2.


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Im Sommersemester 1920 publizierte Mnich im offiziellen Auftrag 4 »<strong>Die</strong> ersten<br />

10 Jahre Märkergeschichte«. Für die Jahre 1917 bis 1920 tritt er selbst als Zeitzeuge<br />

auf. Das Wissen über die Zeit vor seiner Recipierung bei <strong>Marchia</strong> muss er <strong>aus</strong><br />

diversen schriftlichen Unterlagen o<strong>der</strong> <strong>aus</strong> mündlichen Informationen geschöpft<br />

haben. Ein Vergleich mit den Beständen im Archiv <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> zeigt, dass<br />

<strong>der</strong> Autor das Aktenmaterial gewissenhaft <strong>aus</strong>gewertet hat, etwa die Rundschreiben<br />

<strong>der</strong> Gründungskommission o<strong>der</strong> den Antrag zur Aufnahme in den CV. Auch die<br />

Festschrift zum zehnjährigen Bestehen <strong>der</strong> Rheno-Saxonia hat Mnich gekannt und<br />

zitiert. Sie inspirierte ihn auch bei <strong>der</strong> eigentümlichen Formulierung, die Gründung<br />

sei »in aller Stille« erfolgt. 5<br />

Im Hinblick auf die zitierte Stelle zum Namensbezug ist die Beurteilung schwieriger,<br />

denn dazu kennen wir die Quellen nicht. Es ist ganz offensichtlich, dass hier<br />

mehrere Überlieferungsstränge unterschiedlicher Qualität zusammenfließen. Im<br />

Streit um den Bezug auf Brandenburg o<strong>der</strong> die Grafschaft Mark ist Mnich als Oberschlesier<br />

als neutral einzustufen.<br />

Wie gerade Mnich zu <strong>der</strong> Aufgabe kam, im Alter von 24 Jahren die Märkerchronik<br />

zu schreiben, ist nicht mehr zu ermitteln. Auch über das Echo <strong>der</strong> Festschrift wissen<br />

wir nicht viel. <strong>Die</strong> vermeintliche Kritik in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong><strong>aus</strong>gabe <strong>der</strong> Märker-Blätter<br />

vom Sommer 1930 berührt Mnichs Erklärung zum Namen <strong>Marchia</strong> nicht. 6 Für die<br />

generelle Korrektheit <strong>der</strong> Chronik spricht, dass <strong>der</strong> Text inhaltlich unverän<strong>der</strong>t im<br />

Herbst 1930 ein zweites Mal erschien, 7 die Verbindung also keine Notwendigkeit<br />

einer Überarbeitung sah.<br />

3) <strong>Die</strong> Gründung <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong><br />

DIE VORGESCHICHTE<br />

<strong>Die</strong> Geschichte des CVs reicht in Breslau bis zur Gründung <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> Winfridia<br />

1856 zurück, die zusammen mit Aenania München im selben Jahr den Cartellverband<br />

ins Leben rief. Durch Teilung gründete die stark wachsende Winfridia im vierten<br />

Jahrzehnt ihres Bestehens zwei Tochterverbindungen: Rheno-Palatia (1900) und<br />

Salia (1904); vgl. Schema auf S. 49. <strong>Die</strong>se Korporationen waren allein <strong>der</strong> Universität<br />

angeglie<strong>der</strong>t, denn die Technische Hochschule gab es noch nicht. <strong>Die</strong> TH stand<br />

damals aber schon in Planung, Baubeginn war im Herbst 1905. 8 Auf <strong>der</strong> 44. Cartellversammlung<br />

1908 in Düsseldorf brachte Winfridia die Gründung einer weiteren CV-<br />

Verbindung zur Diskussion, die an <strong>der</strong> Technischen Hochschule bestehen sollte.<br />

<strong>Die</strong> Sache wurde aber zunächst ad acta gelegt, denn Baltia Danzig und Borusso-<br />

Saxonia Berlin erklärten, die Gründung werde ihnen schaden, da dann die Unter-<br />

4 Laut Titeldaten »im Auftrage des Konvents«; das Protokoll ist nicht mehr vorhanden.<br />

5 Weiteres dazu unten im Kapitel »Was geschah am 22. Juli?«.<br />

6 Muschalle 1930, S. 5: Der Passus »Wohl werden Einzelheiten an<strong>der</strong>s <strong>aus</strong>sehen, als sie unser<br />

lieber Mnich in seiner schönen Schrift zum ersten Dezennium geschil<strong>der</strong>t hat« in <strong>der</strong> Einleitung<br />

seiner Erinnerungen ist dahingehend gemeint, dass Muschalle Ergänzungen liefert. Vor allem<br />

vermisste Muschalle in Mnichs Chronik »das wirkliche Leben«, die Anekdoten, gegenüber den<br />

»dürftigen amtlichen Quellen«.<br />

7 1930 zusammen mit <strong>der</strong> Fortsetzung von Gerhard Traub zum 20. Stiftungsfest.<br />

8 Festschrift zur Eröffnung, Breslau 1910, ND in: Gesellschaft TH Breslau, S. 35; Maria Rochowicz-<br />

Lewandowska: Technische Universität Wroc�aw. Das Gebäudeensemble <strong>der</strong> ehemaligen Technischen<br />

Hochschule, Breslau 2005, S. 4.<br />

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14<br />

Verbindungsleben<br />

stützung <strong>der</strong> Schlesier für sie entfallen werde. 9 Aufgrund <strong>der</strong> Errichtung eines eigenen<br />

Verbindungsh<strong>aus</strong>es nahm Winfridia dann von einer weiteren Teilung Abstand. 10<br />

Schließlich nahm <strong>der</strong> CV-Altherrenzirkel Breslau die Sache in die Hand. 1909 hatte<br />

er die Cartellversammlung in Breslau organisiert. 11 Ob die neue Verbindung dort<br />

Thema war, ist nicht bekannt; das Protokoll fehlt im CV-Archiv. <strong>Die</strong> ersten konkreten<br />

Schritte scheint <strong>der</strong> Philisterzirkel erst Anfang 1910 mit <strong>der</strong> Bildung einer Gründungskommission<br />

gesetzt zu haben. Ihr gehörten an: <strong>der</strong> Vorstand des Breslauer<br />

Altherrenzirkels, hinzugewählte »technische« Altherren (damit sind Ingenieure gemeint)<br />

und je ein Vertreter <strong>der</strong> Breslauer Verbindungen. Fe<strong>der</strong>führend waren Dr.<br />

Josef Boenigk (Winfridia, Altherrensenior Saliae) als Vorsitzen<strong>der</strong> und Dr. Cosmas<br />

Hoffmann (Winfridia) als Schriftführer und Kassierer. 12 Wahrscheinlich gehörte auch<br />

Joseph Frerich (Herzynia Freiburg), den Mnich und Muschalle zu den Grün<strong>der</strong>n<br />

zählen, zu diesem Personenkreis. 13<br />

Das Vorhaben stieß in ganz Schlesien, vor allem aber im katholischen und industriell<br />

geprägten Oberschlesien auf zustimmendes Interesse. <strong>Die</strong> Initiative gab wohl<br />

auch den Anstoß zum Zusammenschluss <strong>der</strong> verschiedenen schlesischen CV-<br />

Philisterzirkel zum Altherrenverband Schlesien. Laut CV-Handbuch von 1913 gehörten<br />

die schlesischen Philisterzirkel zu den <strong>älteste</strong>n überhaupt. 14 <strong>Die</strong> Gründung des<br />

Schlesischen Altherrenverbandes erfolgte am 26. April 1910.<br />

DIE »HEIßE« PHASE<br />

Direkt am ersten Tage seines Bestehens beschloss <strong>der</strong> Convent des Schlesischen<br />

Altherrenverbandes am 26. April, die Gründung <strong>der</strong> projektierten TH-Verbindung zu<br />

beför<strong>der</strong>n. 15 Das bedeutete vor allem, das Startkapital zusammenzubekommen und<br />

Cartellbrü<strong>der</strong> für die Gründungsmannschaft zu gewinnen. <strong>Die</strong> Geldfrage erwies sich<br />

als geringere Hürde. Eine spontane Sammlung <strong>der</strong> Conventsteilnehmer brachte<br />

bereits 352 Mark. 16 Ein Spendenaufruf erhöhte die Summe auf 1380 Mark. 17 Bereits<br />

am 2. Juli 1910 meldete Boenigk in einem Rundschreiben, das <strong>dem</strong> Kontext nach<br />

an den ganzen CV ging, die notwendigen finanziellen Mittel seien vorhanden. 18<br />

Weiter heißt es in <strong>dem</strong> Schreiben:<br />

<strong>Die</strong> provisorische Konstituierung <strong>der</strong> neuen Verbindung soll möglichst Ende des laufenden<br />

Sommersemesters stattfinden. <strong>Die</strong> Verbindung ist dann bei Eröffnung <strong>der</strong> Hochschule<br />

im Oktober bereits in Tätigkeit, wodurch die Keilarbeit geför<strong>der</strong>t und erleichtert<br />

wird.<br />

9 C.V.-Protokoll, Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910.<br />

10 Heckel 1931, S. 17-19; Gelhoit 1985, S. 14; Gelhoit 2009, S. 215.<br />

11 Aca<strong>dem</strong>ia 22 (1909), S. 101f (15. Juli) und 169-177 (15. September).<br />

12 Brief von Josef Boenigk vom 2. Juli 1910 an den Vorortspräsidenten. Darin heißt es, die Gründungskommission<br />

sei »bereits vor mehreren Monaten« zusammengetreten. Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>,<br />

Mch Brs I 1910. Mnich 1920, S. 8.<br />

13 Mnich 1920, S. 12; Muschalle 1930, S. 5.<br />

14 Herman Jos. Wurm: Handbuch für den Cartellverband <strong>der</strong> katholischen deutschen Studentenverbindungen,<br />

Berlin 1913, S. 94.<br />

15 Aca<strong>dem</strong>ia 23 (15. Mai 1910), S. 37f; Rundschreiben des Altherrenbundes, Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch<br />

Brs I, 1910.<br />

16 Rundschreiben ebd.<br />

17 Rundschreiben ebd.; Mnich 1920, S. 9.<br />

18 CV-Archiv, Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910. Auch Mnich 1920, S. 8f.


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Boenigk erläutert im weiteren Text die Chancen, die sich potenziell durch die Technischen<br />

Hochschulen für den Cartellverband ergeben und kommt schließlich zum<br />

wesentlichen Punkt:<br />

Wir bitten daher im Interesse des C.V. die verehrlichen Cartellbrü<strong>der</strong>, sich für die dringend<br />

notwendige Werbung von Burschen und Füchsen für die neue Verbindung nachdrücklich<br />

zu interessieren und solche, die übertreten wollen, alsbald zu veranlassen,<br />

sich bis zum 14. Juli bei <strong>dem</strong> Unterzeichneten anzumelden.<br />

Das Ergebnis war denkbar mager. Am 16. Juli meldete Boenigk <strong>dem</strong> Vorort, dass<br />

sich nur zwei Burschen, drei Füchse und ein Inaktiver gemeldet hätten. 19 Nun ist es<br />

bei einem Wechsel in eine an<strong>der</strong>e Verbindung so geregelt, dass <strong>der</strong> Betreffende<br />

nach Abschluss seines Studiums bei seiner Urverbindung philistriert wird – mit<br />

Ausnahme von Übertritten während <strong>der</strong> Fuchsenzeit. <strong>Die</strong>s gestaltete sich für die<br />

übertrittwilligen Füchse als Problem, welches Boenigk mit einer Ausnahmeregelung<br />

zu lösen gedachte. Dem gab die Augsburger Cartellversammlung einige Wochen<br />

später statt. 20<br />

Während des Sommersemesters fanden schließlich neun aktive Bundesbrü<strong>der</strong><br />

zur <strong>Marchia</strong>: drei Burschen <strong>der</strong> Rheno-Palatia (Georg Glasneck, Wilhelm Moser und<br />

Edwin Feyer), zwei von <strong>der</strong> Winfridia (Viktor Schramm und Heinz Ziegler) und einer<br />

von <strong>der</strong> Salia (Hans Abmeier). Ferner wechselten zwei Füchse zur <strong>Marchia</strong>, nämlich<br />

Franz Muschalle (Winfridia) und Joseph Ukoszek (Salia). Als Alte Herren wurden<br />

Boenigk, Hoffmann und Frerich Märker. 21 Aus Aachen kam Heinrich Lütke (Baltia<br />

und Franconia) hinzu.<br />

Der 22. Juli 1910 schließlich gilt als offizieller Gründungstag <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong>. <strong>Die</strong>ses<br />

inhaltlich kaum dokumentierte Datum bedarf einer näheren Betrachtung. Doch<br />

zunächst die weiteren Schritte <strong>der</strong> Gründungsphase: Am 21. August reichte Bundesbru<strong>der</strong><br />

Glasneck den Anmeldungsantrag beim stellvertretenden Rektor <strong>der</strong><br />

Technischen Hochschule ein, 22 womit wohl ein kommissarischer Amtsträger gemeint<br />

ist.<br />

Der erste ordentliche Rektor war zwei Tage zuvor eingesetzt worden, 23 was aber<br />

vielleicht noch nicht allgemein bekannt war. Dass dabei die Farben mitgeteilt wurden,<br />

erwähnt Mnich deshalb, weil diese bald darauf noch einmal geän<strong>der</strong>t wurden<br />

(s.u.). Der erste offizielle Rektor, Prof. Rudolf Schenck, antwortete am 19. September,<br />

von <strong>der</strong> Konstituierung »gern Kenntnis« genommen zu haben und lud zu einer<br />

Besprechung ein, über <strong>der</strong>en Verlauf aber nichts überliefert ist. 24<br />

Schließlich wurden die Chargen gewählt. Heinrich Lütke bekleidete das Amt des<br />

Aktivenseniors. <strong>Die</strong> Wahl mag nicht zuletzt deshalb auf Lütke gefallen sein, weil<br />

Rektor Schenck sein Doktorvater war und man sich dadurch einen kurzen Draht zur<br />

Hochschule erhoffte. <strong>Die</strong>ser Vorteil wird im CV-Aufnahmeantrag vom 3. November<br />

19 <strong>Die</strong>s geht <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Beilage X zur TO <strong>der</strong> Cartellversammlung in Augsburg hervor. Kopie im Archiv<br />

<strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910.<br />

20 Protokoll <strong>der</strong> C.V., Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910.<br />

21 Mnich 1920, S. 12; Muschalle 1930, S. 5.<br />

22 Mnich 1920, S. 10; ebenfalls Sebulke 1960, S. 11.<br />

23 Königliche Technische Hochschule zu Breslau: Programm für das Studienjahr 1910-1911, nachgedruckt<br />

mit neuer Paginierung in: Gesellschaft TH Breslau, S. 152.<br />

24 Mnich 1920, S. 10.<br />

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16<br />

Verbindungsleben<br />

betont. 25 Es gab aber noch einen an<strong>der</strong>en Grund, den <strong>der</strong> nunmehr 85-jährige Lütke<br />

im Jahre 1971 <strong>der</strong> Verbindung darlegte:<br />

Inzwischen beendete ich in Aachen meine gut gediehenen Vorarbeiten für die Doktorarbeit<br />

und fuhr am 8. September 1910 nach Breslau, wo zwischendurch die »<strong>Marchia</strong>«<br />

gegründet [worden] war, die <strong>aus</strong> 8-9 jungen Cartellbrü<strong>der</strong>n <strong>der</strong> drei Universitäts-CV-<br />

Verbindungen Winfridia, Rheno-Palatia und Salia bestand. Drei Breslauer Cartellphilister<br />

Frerich, Boenigk und Hoffmann hatten sich als helfende Paten und Gründungsphilister<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

<strong>Die</strong>se letzteren holten mich am Hauptbahnhof Breslau ab und hießen mich in Breslau<br />

ganz herzlich willkommen, baten mich dann aber dringend, daß ich als Neutraler das<br />

»Seniorat« <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> übernähme, worüber sich die Gründungsverbindungen bislang<br />

noch nicht hätten einigen können. Nach längerem Gespräch habe ich dann zugesagt<br />

und wurde so »Gründungssenior <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong>«, worauf ich heute noch stolz bin. 26<br />

Seit wann Lütke die drei Alten Herren bereits kannte, wann er zum ersten Male in<br />

Breslau weilte, lässt sich nicht mehr ermitteln. <strong>Die</strong> weiteren Chargen waren Hans<br />

Abmeier als Fuchsmajor, Heinz Ziegler als Consenior, Wilhelm Moser als Scriptor<br />

(Schriftführer) und Edwin Feyer als Quaestor (Kassierer). 27 Zuvor gab es Ferienvertreter,<br />

die »auf häufig täglichen Sitzungen« mit den Alten Herren Boenigk und<br />

Hoffmann die »letzten Vorbereitungen für das öffentliche Auftreten <strong>der</strong> Korporation«<br />

organisierten. Sie mieteten zwei Zimmer über <strong>der</strong> Gastwirtschaft Mergner in <strong>der</strong><br />

Neuen Gasse 25 als Verbindungsheim und ließen Wichs und Fahne anfertigen. 28 Zu<br />

einem nicht bekannten Datum wurde <strong>der</strong> Altherrenbund <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> ins Leben<br />

gerufen und zu seinem Vorsitzenden Joseph Frerich gewählt. 29<br />

Am 22. Oktober trugen die Märker erstmals in <strong>der</strong> Öffentlichkeit Band und Mütze.<br />

30 Der 16. November brachte die Aufnahme in den CV (s.u.). Mit <strong>dem</strong> Publikationsfest<br />

am 23. bis 25. November fand die Gründung <strong>der</strong> <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> ihren Abschluss.<br />

WAS GESCHAH AM 22. JULI?<br />

Das vorangehende Kapitel zeigt, dass die Gründung <strong>Marchia</strong>s sich nicht auf ein<br />

Datum reduzieren lässt, son<strong>der</strong>n eine Phase von etwa einem Dreivierteljahr umfasst.<br />

<strong>Die</strong> Verbindungschroniken aber nennen den 22. Juli 1910 als Gründungstag.<br />

Als die Verbindung 2010 den 100. Jahrestag beging, kam die Frage zur Sprache,<br />

was an diesem Tage genau passierte. Eine klare Antwort zu geben, ist bei den heute<br />

noch verfügbaren Quellen schwierig. Wir wollen nachfolgend einen Versuch<br />

wagen. 31<br />

25 »Und für unsere vorzügliche Stellung im Rahmen <strong>der</strong> technischen Korporationen, zu <strong>der</strong> uns<br />

vornehmlich die langjährige Bekanntschaft unseres Seniors mit <strong>dem</strong> bis 1912 ernannten Rektors<br />

verhalf […]« (Archiv <strong>Marchia</strong>, Brs I, 1910; Gelhoit 1985, S. 22).<br />

26 Brief an die <strong>Marchia</strong> vom 23. Juni 1971. Anlass ist die Absage zur Teilnahme am Stiftungsfest; die<br />

historischen Ausführungen gibt er eingedenk seines 60. Doktorjubiläums und 85. Geburtstages<br />

1971. Archiv <strong>Marchia</strong>, Bbr. I 9.<br />

27 Aca<strong>dem</strong>ia 23 (1. Dezember 1910), Beilage S. 18.<br />

28 Mnich 1920, S. 10.<br />

29 Muschalle 1930, S. 7.<br />

30 Mnich 1920, S. 10f.<br />

31 Einen ersten Absatz liefert Märker-Blätter-Redakteur Hans Hollingsh<strong>aus</strong>en in einem Bericht über<br />

den Gründungstag 100 Jahre <strong>Marchia</strong>, Märker-Blätter 108 (August 2010), S. 26-29.


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Das Datum ist in vier Textstellen erwähnt. Im CV-Aufnahmegesuch vom 3. November<br />

heißt es lediglich:<br />

Am 22. Juli wurde <strong>der</strong> Name <strong>Marchia</strong> erwählt. 32<br />

Auch Johannes Mnich hält sich zehn Jahre später eher knapp. Interessant ist die<br />

Gegenüberstellung <strong>der</strong> von ihm benutzten Vorlage <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Festschrift <strong>der</strong> Rheno-<br />

Saxonia Köthen von 1907 (linke Spalte):<br />

Am 19. März 1896 wurde in aller<br />

Stille von sieben begeisterten<br />

jungen Leuten die katholisch<br />

aka<strong>dem</strong>ische Verbindung »Rheno-Saxonia«<br />

gegründet. 33<br />

Unter den externen Druckwerken heißt es im CV-Gesamtverzeichnis vom Juni 1911:<br />

Gegründet den 22. Juli 1910.<br />

… und auf <strong>der</strong> unten im Kapitel über das Wappen erläuterten Couleurtafel von<br />

1912/13:<br />

Gestiftet 22. Juli 1910. Stiftungsfeier im Wintersemester.<br />

So wurde am 22. Juli 1910 in aller Stille die geplante<br />

Verbindung unter <strong>dem</strong> Namen »Katholische<br />

Deutsche Studentenverbindung <strong>Marchia</strong>« gegründet<br />

und zu ihrem Wahlspruch: Mens agitat molem!<br />

gewählt. Sieben Cartellbrü<strong>der</strong>, übergetreten von<br />

Winfridia, Rheno-Palatia und Salia waren es, die das<br />

kleine Schifflein bestiegen […] 34<br />

<strong>Die</strong> Gegenüberstellung dieser Quellen erweckt den Eindruck, dass <strong>der</strong> Tag erst<br />

rückwirkend zum Gründungstag wurde. Hierzu könnte die CV-Bürokratie geführt<br />

haben, die nach einem festen Datum verlangte. Das Couleurblatt ist gegenüber<br />

<strong>dem</strong> CV-Verzeichnis zwar keine originäre Quelle mehr, zeigt aber die zeitliche Diskrepanz<br />

zwischen Stiftungstag und Stiftungsfest im jährlichen Veranstaltungskalen<strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong>s än<strong>der</strong>te sich erst am 15. Januar 1913 durch den CC-Beschluss, das Stiftungsfest<br />

fortan stets in zeitlicher Nähe zum 22. Juli zu feiern. 35 Zweitens sei daran<br />

erinnert, dass man noch am 2. Juli 1910 eine provisorische Konstituierung erst zum<br />

Ende des laufenden Sommersemesters zum Ziele gesetzt hatte.<br />

Bemerkenswert ist, dass man <strong>aus</strong>gerechnet denjenigen Tag als Gründungsdatum<br />

für würdig befand, an <strong>dem</strong> man sich auf den Verbindungsnamen geeinigt hatte.<br />

<strong>Die</strong> früheste Erwähnung des Namens <strong>Marchia</strong> liefert <strong>der</strong> bereits genannte Antrag<br />

zur Fuchsenregelung, welcher <strong>der</strong> Cartellversammlung am 20.-24. August 1910<br />

vorlag. Kein Dokument vor <strong>dem</strong> 22. Juli erwähnt den Namen. Sogar in <strong>der</strong> am 16.<br />

Juli abgeschickten Erstfassung des besagten Antrags war lediglich von <strong>der</strong> »neue[n]<br />

Cartellverbindung an <strong>der</strong> Technischen Hochschule zu Breslau« die Rede. 36 Erst recht<br />

ist keine Diskussion über alternative Namensvorschläge bezeugt.<br />

32 CV-Archiv, Kopie Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910/11.<br />

33 Behner, Hermann: Festschrift zur Feier des 10. Stiftungsfestes <strong>der</strong> Aka<strong>dem</strong>ischen Verbindung<br />

»Rheno-Saxonia«. Köthen 1907, S. 5.<br />

34 Mnich 1920, S. 9.<br />

35 Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1913.<br />

36 Der Text ist inseriert in das Rundschreiben des Vororts vom 18. Juli.<br />

17


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18<br />

Verbindungsleben<br />

Das <strong>älteste</strong> Märker-Foto zeigt stehend Viktor Schramm, Heinz Ziegler, Wilhelm Moser; sitzend Georg Glasneck,<br />

Edwin Feyer, Heinrich Lütke, Hans Abmeier, Joseph Ukoszek. (Mnich, S. 13; Gelhoit 1985, S. 23)<br />

Das mag daran liegen, dass <strong>der</strong> Name <strong>Marchia</strong> schon zehn Jahre zuvor ins Spiel<br />

gebracht und nun wie<strong>der</strong> aufgegriffen worden war. Darauf ist an an<strong>der</strong>er Stelle<br />

zurückzukommen.<br />

Außer <strong>der</strong> Einigung in <strong>der</strong> Namensfrage ist die Festlegung des Wahlspruchs bezeugt.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> bleibt nicht viel: <strong>Die</strong> Entscheidung, die Verbindung an <strong>der</strong> TH<br />

und im Rahmen des Cartellverbandes zu gründen, war längst gefallen. <strong>Die</strong> Beantragung<br />

<strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> bei <strong>der</strong> Hochschulbehörde folgte erst einen Monat später, <strong>der</strong><br />

Aufnahmeantrag an den CV, dessen Abstimmungsergebnis und die Publikationsfeier<br />

sind noch weniger in den Zusammenhang zu bringen. Auch die Chargenwahl<br />

geschah erst zu Beginn des Wintersemesters. Ein möglicher Verhandlungsgegenstand<br />

am 22. Juli dürften die Farben gewesen sein, die zumindest am 21. August<br />

bereits feststanden. Band und Mütze in Märkerfarben waren am 22. Juli allerdings<br />

noch nicht vorhanden.<br />

Nach diesen Erwägungen erklärt sich nun auch <strong>der</strong> Passus »in aller Stille«: Es<br />

war eine Veranstaltung im kleinen Kreise unter Ausschluss <strong>der</strong> Öffentlichkeit und<br />

ohne Feierlichkeiten. Dass Mnich die Formulierung <strong>der</strong> Festschrift <strong>der</strong> Rheno-<br />

Saxonia entnommen hatte, spielt dabei an sich keine Rolle. Interessanter ist die<br />

Siebenzahl. Der Personenkreis, <strong>der</strong> am 22. Juli zusammengetreten war, dürfte sich<br />

auf die Gründungsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verbindung reduzieren. <strong>Die</strong>se insgesamt zwölf<br />

Märker waren im Laufe des Sommersemesters beisammen gekommen, müssen<br />

deshalb aber nicht zwangsläufig alle am 22. Juli dabei gewesen sein. Gesichert sind<br />

die Alten Herren Boenigk und Hoffmann. Frerich ist wahrscheinlich auch schon<br />

hinzuzurechen. Er wird zu den Grün<strong>der</strong>n gezählt und wurde später erster Altherrensenior.<br />

Seine früheste Nennung im Zusammenhang mit <strong>Marchia</strong> fällt auf den 8.<br />

September, den Tag <strong>der</strong> Besprechung mit Heinrich Lütke wegen des Seniorats.


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Unklar war bisher, ob Heinrich Lütke am 22. Juli in Breslau war. Er war als Doktorand<br />

von <strong>der</strong> TH Aachen an die TH Breslau gewechselt, weil sein Doktorvater Rudolf<br />

Schenck als Professor für physikalische Chemie zum 17. Mai 1910 dorthin berufen<br />

worden war. 37 Schenck beerbte damit den am 3. April 1910 bei einer Ballonfahrt<br />

tödlich verunglückten Prof. Richard Abegg. 38 Schließlich wurde Schenck »durch<br />

Allerhöchsten Erlaß« vom 19. August 1910 zum ersten Rektor <strong>der</strong> TH Breslau ernannt.<br />

39 Zeitlich kommt die<br />

Involvierung Lütkes zum<br />

Stichtag also infrage. Von<br />

seiner Anwesenheit bei <strong>der</strong><br />

Sitzung am 22. Juli zeugen<br />

konkret die Angaben, dass<br />

er den Wahlspruch vorschlug<br />

und dass dieser<br />

Wahlspruch an jenem Tage<br />

beschlossen worden war,<br />

wobei noch die Möglichkeit<br />

besteht, dass er den Vorschlag<br />

vor <strong>dem</strong> Termin<br />

geäußert hatte. Jedenfalls<br />

hatte Lütke danach an <strong>der</strong><br />

weiteren Ausgestaltung <strong>der</strong><br />

Verbindung wohl keinen<br />

wesentlichen Anteil, denn<br />

wie erwähnt, hatte er noch<br />

bis September in Aachen<br />

zu tun.<br />

Schwieriger ist die Einschätzung<br />

zur Aktivitas. Am<br />

16. Juli standen, wie be-<br />

<strong>Die</strong> Gründungsaktivitas in <strong>der</strong> Bierzeitung von 1935 (Archiv <strong>Marchia</strong>)<br />

reits angeführt, drei Burschen (davon ein Inaktiver) und drei Füchse zum Beitritt<br />

bereit. Es ist also gut möglich, dass man durch nochmaliges Nachfassen auf sechs<br />

Burschen (ohne Lütke) kam. Von den Füchsen hatte sich einer vom Beitrittsgedanken<br />

wie<strong>der</strong> verabschiedet, so dass die beiden bekannten übrig blieben. Aus <strong>der</strong><br />

Rückschau zählte Mnich den erst später als Senior reaktivierten Alten Herrn Lütke<br />

zur Aktivitas. Das ergibt eine Zahl von sieben Burschen, auf die <strong>der</strong> Chronist die<br />

37 Programm <strong>der</strong> Königlichen Technischen Hochschule zu Aachen für das Studienjahr 1910/1911, S.<br />

170. In einem Artikel <strong>der</strong> Aachener Volkszeitung vom 11. März 1960 anlässlich Schencks 90. Geburtstag<br />

(Archiv <strong>der</strong> RWTH Aachen, Personalakte Schenck) heißt es: »Im Mai ging Professor Dr.<br />

Schenck nach Breslau […]«.<br />

38 Königliche Technische Hochschule zu Breslau: Programm für das Studienjahr 1910/1911, nachgedruckt<br />

mit neuer Paginierung in: Gesellschaft TH Breslau, S. 154.<br />

39 Ebd. S. 153. <strong>Die</strong> Verfügung, dass die Amtszeit des Rektors jeweils am 1. Juli beginnt (ebd. S.<br />

112), betraf somit erst den Beginn <strong>der</strong> zweiten Amtszeit; das Datum bei Sebulke 1960, S. 11, ist<br />

zu korrigieren. Lütke selbst nennt in <strong>der</strong> Rückschau (Brief an die <strong>Marchia</strong> vom 23. Juni 1971): »Mit<br />

meiner Doktorarbeit begann ich Anfang Februar 1910 […], bis mein Doktor-Vater, Prof. Schenck,<br />

Mitte Juni mitteilte, daß er – ganz unerwartet für ihn und auch für mich – zum Ersten Rektor an<br />

die neue T.H. Breslau berufen sei und seine neue Stellung schon am 1. Juli, also in zwei Wochen,<br />

antreten müsse.«<br />

19


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20<br />

Verbindungsleben<br />

Siebenzahl <strong>der</strong> Rheno-Saxonia nun übertragen konnte. Es handelt sich also nicht<br />

um die Gesamtzahl <strong>der</strong> insgesamt wohl zwölf Anwesenden.<br />

Festzuhalten bleibt: <strong>Die</strong> rückwirkende Benennung des 22. Julis 1910 als Gründungsdatum<br />

geschah nicht willkürlich, son<strong>der</strong>n weil an diesem Datum wesentliche<br />

äußere Zeichen – Name, Wahlspruch und wahrscheinlich auch die Farben – beschlossen<br />

worden waren. Der 22. Juli ist vermutlich auch <strong>der</strong> erste Tag, an <strong>dem</strong> die<br />

Gründungskommissare erstmals die beitrittsinteressierten Studenten mit an den<br />

Tisch holten.<br />

MARCHIÆ AUFNAHME IN DEN CV<br />

Weil die <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> gänzlich von CVern und für den CV ins Leben gerufen worden<br />

war, stand auch ihre Mitgliedschaft im CV als Ziel fest. <strong>Die</strong> Frage war nur, wie.<br />

Auf <strong>der</strong> Augsburger Cartellversammlung (20.-24. August 1910) wurde die Gründung<br />

bereits »mit stürmischem Beifall« begrüßt, man befand über die spätere Philistrierung<br />

<strong>der</strong> Märkerfüchse, obwohl <strong>Marchia</strong> noch keine CV-Verbindung war. 40<br />

Erst am 3. November 1910 beantragte <strong>Marchia</strong> die Aufnahme in den CV, und<br />

zwar als voll berechtigte Verbindung. Man hatte es nun sehr eilig, wie wir <strong>dem</strong><br />

beigefügten Anschreiben von Senior Lütke an den Vorortspräsidenten entnehmen:<br />

Wie Du <strong>aus</strong> unserem Gesuch ersiehst, haben wir als Tag für unser Publikationsfest den<br />

23. November (d.h. in drei Wochen) festgesetzt, da dieser Termin uns am günstigsten<br />

liegt. Um nun dann auch wirklich CVer zu sein, bedarf es <strong>der</strong> sofortigen Erledigung unseres<br />

Antrages. 41<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung sollte per Ausnahmegesuch durch schriftliche Abstimmung geschehen.<br />

Normalerweise hätte man bis zur nächsten Cartellversammlung warten<br />

müssen, doch aufgrund <strong>der</strong> verbandsnahen Gründung gestattete <strong>der</strong> Vorort die<br />

Ausnahme. Als Frist legte er den 16. November fest. Das Votum fiel einstimmig für<br />

<strong>Marchia</strong> <strong>aus</strong>. 42 Seit <strong>dem</strong> 16. November 1910 ist die <strong>KDStV</strong> <strong>Marchia</strong> also Mitglied<br />

des CV. Vorortspräsident Georg Stöckl widmet <strong>dem</strong> Vorgang in seinem Tätigkeitsbericht<br />

für das Wintersemester 1910/11 folgende Zeilen:<br />

In ganz beson<strong>der</strong>em Maße können wir unserer Freude Ausdruck geben<br />

über den Zuwachs, den <strong>der</strong> CV unter <strong>dem</strong> V.O. Rheno-Franconia erfahren hat; die Anzahl<br />

<strong>der</strong> Corporationen erhöhte sich um 10. Alan Bo, Arm-Fbg, Frc-Cz wurden auf <strong>der</strong> CV<br />

zu Augsburg als vollberechtigte Verbindung aufgenommen.<br />

Desgleichen wurde <strong>der</strong> Aufnahmeantrag <strong>Marchia</strong>s an <strong>der</strong> technischen Hochschule zu<br />

Breslau, die von C-Br mit tatkräftiger Unterstützung des schlesischen A. H. Zirkels ins<br />

Leben gerufen wurde, durch CV Beschluß vom 16. Nov. angenommen u. als 71. vollberechtigte<br />

Verbindung in den CV eingereiht. 43<br />

40 Mnich 1920, S. 11; Zitat <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Begründung des Aufnahmeantrags vom 3. November.<br />

41 CV-Archiv; Kopie Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910/11.<br />

42 VII. Rundschreiben des Vororts (Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910): »Der am 16. November<br />

zur Abstimmung fällige Antrag betreffend Aufnahme <strong>Marchia</strong>s als vollberechtigte Verbindung<br />

in den CV ist mit 56 Stimmen angenommen.« <strong>Die</strong> übrigen Verbindungen hatten zu spät o<strong>der</strong> gar<br />

nicht abgestimmt. Mnich 1920, S. 11, nennt irrtümlich den 19. November. Erst an diesem Tag<br />

wurde das Ergebnis offenbar <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> mitgeteilt (Gelhoit 1985, S. 22).


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

<strong>Die</strong> Hektik lässt sich mit <strong>der</strong> zunächst ungewissen Rechtslage erklären. Im Vorfeld<br />

<strong>der</strong> Augsburger Cartellversammlung war noch nicht klar, ob man auch durch einen<br />

Teilungsbeschluss Mitglied werden könne. Das war aber nicht möglich, weil es sich<br />

nicht um eine Teilung im engeren Sinne handelte und die neue Verbindung nicht an<br />

<strong>der</strong>selben Hochschule gegründet werden sollte, an <strong>der</strong> die abgebenden Korporationen<br />

bestanden. 44<br />

DAS TH-MONOPOL DER MARCHIA<br />

Bei <strong>der</strong> Gründung <strong>Marchia</strong>s hatte sich <strong>der</strong> Breslauer CV (kurz: BrCV) darauf verständigt,<br />

dass allein <strong>Marchia</strong> Studenten <strong>der</strong> Technischen Hochschule aufnehmen dürfe,<br />

aber umgekehrt <strong>Marchia</strong> auch Studenten <strong>der</strong> Universität. Das geht <strong>aus</strong> einigen<br />

späteren Quellen hervor. Eine ähnliche Konstellation gab es im Münchener CV. Dort<br />

waren allein Vindelicia an <strong>der</strong> Technischen und Moenania an <strong>der</strong> Tierärztlichen<br />

Hochschule berechtigt, durften aber an<strong>der</strong>erseits selbst auch Universitätsstundenten<br />

aufnehmen. 45<br />

Dass die Regelung mit <strong>der</strong> Zeit bei den an<strong>der</strong>en Verbindungen Unmut <strong>aus</strong>löste,<br />

ist verständlich. Schon 1912 wurde sie bei einer BrCV-Sitzung in Frage gestellt, aber<br />

nicht verworfen. 46 Ende 1919 nahmen zwei <strong>der</strong> drei an<strong>der</strong>en CV-Verbindungen auf<br />

eigene F<strong>aus</strong>t TH-Studenten auf. <strong>Marchia</strong> trug den Fall <strong>dem</strong> Vorort vor und bekam<br />

Recht. 47<br />

Eine interessante Quelle zum Monopol ist folgen<strong>der</strong> Passus <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Semesterbericht<br />

von 1919/20:<br />

Unsere Keiltätigkeit, insbeson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> T.H., die ja fortan glücklicherweise uns allein<br />

vom Breslauer CV überlassen blieb (1. C.C.-Protokoll ad 1), hatte den Erfolg, dass wir im<br />

Laufe des Semesters nicht weniger als 15 stramme Neufüchse, darunter sechs Techniker,<br />

rezipieren konnten. 48<br />

Der Text belegt, dass die Vereinbarung von Anfang an galt. Der Schriftführer hatte<br />

das Protokoll des ersten Cumulativ-Convents offensichtlich noch vor sich liegen.<br />

Auch das quantitative Verhältnis <strong>der</strong> Studenten kommt zum Ausdruck – es waren<br />

mehr Märker an <strong>der</strong> Universität eingeschrieben als an <strong>der</strong> TH. Das Recht, an <strong>der</strong><br />

Universität zu werben, war also von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. 49 1931 stellten<br />

allein die Geisteswissenschaften 65 Prozent <strong>der</strong> Aktivitas. 50 Allerdings waren auch<br />

die Universitätsstudenten verpflichtet, an <strong>der</strong> TH Vorlesungen zu belegen. 51<br />

43 CV-Archiv Nr. 4741; Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910. – <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en sechs waren die am<br />

15. März 1911 vom Katholisch-Deutschen Verband (KDV) in den CV übergetretenen Verbindungen<br />

Sauerlandia Münster, Novesia Bonn, Bavaria Berlin, Tuisconia München, Erwinia Straßburg, Palatia<br />

Marburg. Obwohl älter, rangieren sie nach Aufnahmedatum in <strong>der</strong> CV-Nummernfolge hinter<br />

<strong>Marchia</strong>.<br />

44 VI. Rundschreiben des Vororts vom 8. November (Kopie im Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1910)<br />

45 Mnich 1920, S. 26.<br />

46 Muschalle 1930, S. 9.<br />

47 Mnich 1920, S. 26f; Gelhoit 1985, S. 37, nennt Rheno-Palatia und Salia.<br />

48 Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1920, Semesterbericht.<br />

49 Mnich 1920, S. 12f; Muschalle 1930, S. 9.<br />

50 Sebulke 1960, S. 202: Philosophische Fakultät 28,56 %, Jura 24,28 %, Theologie 12,24 %.<br />

51 Mnich 1920, S. 12f.<br />

21


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22<br />

Verbindungsleben<br />

»Schon bald nach <strong>der</strong> Gründung« erteilte <strong>der</strong> Universitätsrektor <strong>Marchia</strong> das<br />

Recht, so die Märkerchronik, dort eingeschriebene Studenten aufzunehmen, 52 was<br />

vor<strong>aus</strong>setzt, dass <strong>Marchia</strong> auch an <strong>der</strong> Universität als Korporation offiziell anerkannt<br />

war. Einen Stehconvent eröffnete die <strong>Marchia</strong> dort allerdings erst zum Wintersemester<br />

1923/24. 53 An <strong>der</strong> TH war <strong>der</strong> Stehconvent von Anfang an Usus. <strong>Die</strong> Alten<br />

Herren Boenigk, Hoffmann und Frerich hatten die Verbindungstafel gestiftet, die in<br />

<strong>der</strong> Hochschule hing und an <strong>der</strong> man sich täglich mit Band und Mütze zum Aust<strong>aus</strong>ch<br />

von Neuigkeiten traf. 54<br />

KONSOLIDIERUNG UND FUSION MIT DER RHENO-SAXONIA KÖTHEN<br />

<strong>Die</strong> Startsituation <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> war durch zwei gegensätzliche Tendenzen geprägt.<br />

Einerseits die erfolgreiche Außendarstellung: Laut <strong>dem</strong> Lagebericht zum CV-<br />

Aufnahmeantrag vom 3. November gehörte <strong>Marchia</strong> <strong>der</strong> Kommission zur Ausarbeitung<br />

<strong>der</strong> Krankenkassenstatuten sowie <strong>dem</strong> Ausschuss an, <strong>der</strong> die feierliche Hochschuleinweihung<br />

im Beisein des Kaisers vorbereitete. Bei <strong>der</strong> Einweihung selbst<br />

repräsentierte <strong>Marchia</strong> mit einer Chargiertenabordnung. 55<br />

An<strong>der</strong>erseits war die Mitglie<strong>der</strong>entwicklung bedenklich schwach. Im Sommer<br />

1910 hatte <strong>Marchia</strong> sieben Burschen und zwei Füchse. Ende Oktober »wurde <strong>der</strong><br />

Betrieb mit fünf Bundesbrü<strong>der</strong>n, zu denen bald vier neue hinzukamen«, eröffnet. 56<br />

Am 3. November (CV-Antrag) zählte man sechs Burschen und zwei Füchse. <strong>Die</strong><br />

Aca<strong>dem</strong>ia listet zum 1. Dezember vier aktive und zwei inaktive Burschen sowie drei<br />

Füchse, das CV-Verzeichnis 1911 zählt zwei Urmitglie<strong>der</strong> und fünf Bandinhaber,<br />

jedoch keinen Fuchsen zur Aktivitas.<br />

Als Ursache wurde die schleppende Entwicklung <strong>der</strong> TH <strong>aus</strong>gemacht. Laut CV-<br />

Antrag waren 46 Vollstudenten immatrikuliert, das Vorlesungsverzeichnis nennt<br />

57. 57 <strong>Die</strong> unterschiedlichen Zahlen ergeben sich wohl <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> abweichenden Datum<br />

<strong>der</strong> Erhebung. So o<strong>der</strong> so war die Grundlage schmal, um allen acht im Jahre<br />

1910 bereits an <strong>der</strong> TH existierenden Korporationen 58 hinreichend Nachwuchs zu<br />

bieten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei weitem nicht alle Studenten in die<br />

Verbindungen gingen. 59<br />

Als außerordentlicher Glücksfall erwies sich die Anfrage <strong>der</strong> katholischen Studentenverbindung<br />

Rheno-Saxonia Köthen, mit <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> zu fusionieren. <strong>Die</strong>se Fusion<br />

wurde am 2. Juli 1911 besiegelt, wobei die Rheno-Saxonia unter Aufgabe von Namen<br />

und Farben ganz in <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> aufging. <strong>Die</strong> Rhein-Sachsen erreichten dadurch<br />

das Ziel, in den CV zu kommen (vgl. hierzu den anschließenden Beitrag über<br />

die Rheno-Saxonia). Gewiss, hinsichtlich dessen, dass die an<strong>der</strong>en TH-<br />

Verbindungen auf ihre Weise weiterkamen und dass <strong>Marchia</strong> den engagierten CV-<br />

52 Mnich 1920, S. 13.<br />

53 Semesterbericht 1923/24, Archiv <strong>Marchia</strong>, Mch Brs I, 1923.<br />

54 Mnich 1920, S. 14.<br />

55 Aca<strong>dem</strong>ia 23 (15. Dezember 1910), S. 326.<br />

56 Mnich 1920, S. 11.<br />

57 Königliche Technische Hochschule zu Breslau: Programm für das Studienjahr 1910/1911, nachgedruckt<br />

mit neuer Paginierung in: Gesellschaft <strong>der</strong> Freunde <strong>der</strong> Technischen Hochschule Breslau:<br />

<strong>Die</strong> Technische Hochschule Breslau, o. O., o. J. [1985], S. 155.<br />

58 Gelhoit 2009, S. 91.<br />

59 Nach Hochrechnungen waren um 1900 in Breslau nur 45% aller Studenten in Verbindungen aktiv<br />

(Gelhoit 2009, S. 87).


Der Name <strong>Marchia</strong><br />

Altherrenverband Schlesien im Rücken hatte, hätte man <strong>Marchia</strong> durch<strong>aus</strong> den<br />

Fortbestand <strong>aus</strong> eigener Kraft zutrauen können. Nun aber war <strong>Marchia</strong> »mit einem<br />

Schlage nach Winfridia die bestfundierte Verbindung« � so urteilte Emil Wilczek<br />

später, <strong>der</strong> die Fusion von Seiten <strong>der</strong> Rheno-Saxonia vorangetrieben hatte. Mehr<br />

noch: Gegenüber an<strong>der</strong>en Verbindungen gleichen Alters bescheinigt er <strong>Marchia</strong><br />

»einen Vorsprung von 15 Jahren«. 60<br />

Zweifellos bedeutete die Fusion personell und finanziell eine erhebliche Stärkung.<br />

Das CV-Verzeichnis vom Juli 1912 listet 44 Alte Herren, davon kamen 7 von<br />

an<strong>der</strong>en CV-Verbindungen und 37 von <strong>der</strong> Rheno-Saxonia, sowie 29 Studenten,<br />

davon 5 <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> CV und 24 von <strong>der</strong> Rheno-Saxonia. Am 1. Januar 1912 wurde das<br />

neue Märkerheim in <strong>der</strong> Karlstraße 44 eingeweiht, das Sommersemester brachte<br />

vier und das Wintersemester fünf Füchse. 61 Man war für Notzeiten gerüstet, so<br />

dass die <strong>Marchia</strong> während des Weltkrieges den Betrieb aufrechterhalten konnte. 62<br />

4) Woher kamen die ersten Märker?<br />

<strong>Die</strong> Gründungskommission scheint sich mit <strong>dem</strong> Namensbezug <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> nicht<br />

explizit befasst zu haben, zumindest ist nichts an<strong>der</strong>es bekannt. Das würde bedeuten,<br />

dass diese Frage den Märkern selbst überlassen blieb. Der Name einer Studentenkorporation<br />

hängt häufig mit <strong>der</strong> Heimat ihrer Mitglie<strong>der</strong> zusammen. Johannes<br />

Mnich begründet den mutmaßlichen Namensbezug auf Brandenburg damit, dass<br />

sich von dort »verschiedene Cartellbrü<strong>der</strong> angesagt« hätten. An<strong>der</strong>erseits nennt er<br />

die Grafschaft Mark als namengebend. Es ist also zu klären, <strong>aus</strong> welchen Gegenden<br />

die ersten Märker aber stammten.<br />

Von den zwölf Gründungsmärkern kamen acht <strong>aus</strong> Schlesien (Glasnek, Hoffmann,<br />

Moser, Schramm, Ziegler, Feyer, Muschalle, Ukoszek), zwei <strong>aus</strong> Westfalen<br />

(Frerich, Lütke) und je einer <strong>aus</strong> Ostpreußen (Boenigk) und Nie<strong>der</strong>sachsen (Abmeier);<br />

Brandenburg ist in diesem Personenkreis nicht vertreten. 63 Ausgerechnet die<br />

beiden Westfalen waren es, die die Spitzenämter <strong>der</strong> Verbindung bekleideten:<br />

Heinrich Lütke, <strong>der</strong> erste Aktivensenior <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong>, war 1886 in Dortmund-Marten<br />

geboren und in Bochum-Höntrop aufgewachsen. Er stammte somit <strong>aus</strong> <strong>der</strong> alten<br />

Grafschaft Mark, die Mnich als Namen gebend für die <strong>Marchia</strong> favorisiert. 1905<br />

begann Lütke sein Schiffb<strong>aus</strong>tudium in Danzig und trat <strong>der</strong> Baltia bei. 1906 sattelte<br />

er um auf Eisenhüttenkunde an <strong>der</strong> RWTH Aachen, wo er bei <strong>der</strong> Franconia Aufnahme<br />

fand. 1910 wechselte er während seiner Promotion zur Technischen Hochschule<br />

Breslau (mit <strong>der</strong> Matrikel-Nummer 3) und wurde am 8. April 1911 <strong>der</strong>en<br />

erster Doktor-Absolvent. Als er <strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> beitrat, hatte er das Hauptexamen bereits<br />

in <strong>der</strong> Tasche. Nach seiner Promotion verließ Lütke Schlesien und machte<br />

Karriere an mehreren westdeutschen Standorten. 1920 gründete er in Aachen die<br />

<strong>KDStV</strong> Kaiserpfalz mit. Nach <strong>dem</strong> 2. Weltkrieg engagierte er sich für die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> <strong>Marchia</strong> in Aachen. 1975 verstarb Heinrich Lütke im Alter von 90 Jahren.<br />

64<br />

60 Emil Wilczek, Erinnerungen an die Fusion <strong>Marchia</strong>–Rheno-Saxonia, in: Märker-Blätter, Son<strong>der</strong>nummer<br />

November 1930, S. 11-15, hier S. 15.<br />

61 Mnich 1920, S. 20.<br />

62 Mnich 1920, S. 23.<br />

63 Archiv <strong>Marchia</strong>, Bbr. I 1-10, 12-13; CV-Verzeichnisse und Aca<strong>dem</strong>ia-Beilagen 1910-1912.<br />

64 Archiv <strong>Marchia</strong>, Bbr. I 9; Märker-Blätter 39 (Juni 1971), S. 2 und 48 (Juli 1976), S. 7f.<br />

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